10. Vom Rebengeländer aus.

Während so die den Corregidor grüßenden Ackerleute unter sich sprachen, sprengte und fegte die Seña Frasquita sorgfältig den gepflasterten Platz, welcher der Mühle als Atrium diente, und stellte ein halbes Dutzend Stühle dahin, wo das Weinlaub der Laube noch am dichtesten war, auf welche Tio Lucas gestiegen war und die besten Trauben abschnitt, um sie künstlerisch in einem Korbe zu arrangieren.

»Nun ja, Frasquita,« sagte der Tio Lucas oben von der Laube herunter, »der Herr Corregidor ist in sehr schlechter Weise in dich verliebt.«

»Das habe ich dir schon vor langer Zeit gesagt,« antwortete die Frau aus dem Norden; »aber laß ihn doch seufzen... Nimm dich in acht, Lucas, daß du nicht fällst!«

»Sei ohne Sorge, ich halte mich schon fest.... Auch gefällst du dem Herrn...«

»Hör 'mal, jetzt höre auf mit deinen Nachrichten,« unterbrach sie ihn. »Ich weiß nur zu gut, wem ich gefalle und wem nicht. Wenn ich doch nur ebenso gut wüßte, warum ich dir nicht gefalle.«

»Na, das ist stark. Weil du so häßlich bist!« antwortete Tio Lucas.

»Hör 'mal... häßlich und alles, ich bin imstande, auf die Weinlaube zu steigen und dich kopfüber auf den Boden zu werfen.«

»Viel wahrscheinlicher wäre es, daß ich dich nicht von der Laube herabsteigen ließe, ohne dich vorher lebendig aufzuessen.«

»Da haben wir's... und wenn dann meine Anbeter kommen und uns da sähen, dann möchten sie gar am Ende sagen, daß wir zwei Affen seien.«

»Und da würden sie den Nagel auf den Kopf treffen, denn du bist so ein rechter Affe, und so hübsch, und ich sehe wie ein Affe aus mit meinem Buckel...«

»Der mir gerade sehr gefällt.«

»Dann wird dir der des Corregidors noch besser gefallen, der ist ja noch größer als meiner.«

»Ei, ei, sehen Sie einmal, mein Herr Don Lucas, seien Sie nicht so eifersüchtig!«

»Ich eifersüchtig, auf den alten Waschlappen? Im Gegenteil, ich freue mich sehr, daß er dich liebt.«

»Warum?«

»Weil in der Sünde selbst die Strafe liegt. Du wirst ihn nie lieben, und ich bin während der Zeit der eigentliche Corregidor der Stadt.«

»Seht einmal den eitlen Menschen an! Stelle dir aber nun einmal vor, daß ich ihn lieben lernte... Es sind schon seltsamere Dinge in der Welt vorgekommen.«

»Das wäre mir auch ziemlich gleichgiltig.«

»Warum?«

»Weil du dann nicht mehr du sein würdest, und da du nicht bist, die du bist, oder für die ich dich wenigstens halte, da mach' ich mir den Teufel was daraus, ob dich alle Dämonen holen.«

»Aber was würdest du in einem solchen Falle thun?«

»Ich? Hm, hör 'mal, das weiß ich nicht... denn, da ich dann ein anderer sein würde, als ich jetzt bin, so kann ich mir nicht vorstellen, was ich dann wohl denken würde.«

»Und warum würdest du ein anderer sein?«

»Weil ich jetzt ein Mann bin, der an dich glaubt wie an sich selbst, und dessen ganzes Leben nur dieser Glaube ist. Folglich, wenn ich nicht mehr an dich glauben würde, so würde ich sterben oder mich in einen neuen Menschen verwandeln, auf eine andere Art und Weise leben. Mir würde es vorkommen, wie wenn ich eben erst geboren wäre, und ich würde andere Gefühle hegen. Ich weiß nicht, was ich dann mit dir thun würde... Vielleicht würde ich lachen und dir den Rücken wenden... Vielleicht würde ich dich nicht kennen... Vielleicht... Aber geh doch, was für einen Gefallen können wir daran finden, uns unnötig in üble Laune zu versetzen. Was geht das uns an, wenn dich alle Corregidoren der Welt lieben? Bist du nicht meine Frasquita?«

»Ja, du alter Barbar!« antwortete die Seña Frasquita, aus vollem Halse lachend. »Ich bin deine Frasquita, und du bist mein Herzens-Lucas, der häßlicher ist als ein Pavian, der mehr Talent hat als alle übrigen Männer, der besser ist als das Brot, und den ich mehr liebe... Na, steige nur erst von dem Spalier herunter, dann wirst du schon sehen, was das »lieben« heißt!... Bereite dich nur vor, so viel Ohrfeigen zu bekommen und so viel gekniffen zu werden, wie du Haare auf dem Kopfe hast... Aber still, was sehe ich! Der Herr Corregidor kommt ganz allein hierher... Und so früh... Der hat einen Plan.«

»Dann nimm dich ein wenig zusammen und sage ihm nicht, daß ich hier oben bin. Er kommt gewiß, um mit dir allein eine Erklärung zu haben, denn er nimmt an, daß ich meine Siesta halte. Ich will mich amüsieren, indem ich seine Erklärung mit anhöre.«

So sprach Tio Lucas und reichte seiner Frau den Korb hinunter.

»Das ist kein übler Gedanke,« rief sie und brach von neuem in ein Gelächter aus. »Dieser Teufel von einem Madrileñer! Was glaubt der denn, was mir ein Corregidor gilt? Aber, da kommt er. Garduña, der ihm in einiger Entfernung folgte, hat sich im Graben in den Schatten gesetzt... Wie albern! Verstecke dich gut hinter dem Weinlaub, denn wir werden mehr lachen, als du dir vielleicht einbildest.«

Und nachdem sie dies gesagt, fing die schöne Navarresin an den Fandango zu singen, mit dem sie schon ebenso vertraut war wie mit den Liedern ihrer Heimat.

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