Fünfzehntes Abenteuer.

Wie Siegfried verrathen ward.

Man sah am vierten Morgen zweiunddreißig Mann 903
Hin zu Hofe reiten: da ward es kund gethan
Gunther dem reichen, es droh ihm neuer Streit.
Die Lüge schuf den Frauen das allergrößeste Leid.

Sie gewannen Urlaub, an den Hof zu gehn. 904
Da sagten sie, sie ständen in Lüdegers Lehn,
Den einst bezwungen hatte Siegfriedens Hand
Und ihn als Geisel brachte König Gunthern in das Land.

Die Boten grüßte Gunther und hieß sie sitzen gehn. 905
Einer sprach darunter: "Herr König, laßt uns stehn,
Daß wir die Mären sagen, die euch entboten sind.
Wohl habt ihr zu Feinden, das wißt, mancher Mutter Kind.

"Euch wiedersagen Lüdegast und König Lüdeger: 906
Denen schuft ihr weiland grimmige Beschwer;
Nun wollen sie mit Heereskraft reiten in dieß Land."
Gunther begann zu zürnen, als wär es ihm unbekannt.

Man ließ die falschen Boten zu den Herbergen gehn. 907
Wie mochte da Siegfried der Tücke sich versehn,
Er oder anders Jemand, die man so listig spann?
Doch war es ihnen selber zu großem Leide gethan.

Der König mit den Freunden gieng raunend ab und zu: 908
Hagen von Tronje ließ ihm keine Ruh,
Noch wollt es Mancher wenden in des Königs Lehn;
Doch nicht vermocht er Hagen von seinen Räthen abzustehn.

Eines Tages Siegfried die Degen raunend fand. 909
Da begann zu fragen der Held der Niederland:
"Wie traurig geht der König und Die ihm unterthan?
Das helf ich immer rächen, hat ihnen wer ein Leid gethan."

Da sprach König Gunther: "Wohl hab ich Herzeleid: 910
Lüdegast und Lüdeger drohn mir wieder Streit.
Mit Heerfahrten wollen sie reiten in mein Land."
Da sprach der kühne Degen: "Dem soll Siegfriedens Hand

"Nach allen euern Ehren mit Kräften widerstehn; 911
Von mir geschieht den Degen, was ihnen einst geschehn.
Ihre Burgen leg ich wüste und dazu ihr Land,
Eh ich ablaße: des sei mein Haupt euer Pfand.

"Ihr mit euern Mannen nehmt der Heimat wahr; 912
Laßt mich zu ihnen reiten mit meiner Leute Schar.
Daß ich euch gerne diene, laß ich euch wohl sehn:
Von mir soll euern Feinden, das wißet, übel geschehn."

"Nun wohl mir dieser Märe," der König sprach da so, 913
Als wär er seiner Hülfe alles Ernstes froh.
Tief neigte sich in Falschheit der ungetreue Mann.
Da sprach der edle Siegfried: "Laßt euch keine Sorge nahn."

Sie schickten mit den Knechten zu der Fahrt sich an: 914
Siegfrieden und den Seinen ward es zum Schein gethan.
Da hieß er sich rüsten Die von Niederland:
Siegfriedens Recken suchten ihr Streitgewand.

Da sprach der starke Siegfried: "Mein Vater Siegmund, 915
Bleibt ihr hier im Lande: wir kehren bald gesund,
Will Gott uns Glück verleihen, wieder an den Rhein.
Ihr sollt bei dem König unterdessen fröhlich sein."

Da wollten sie von dannen: die Fähnlein band man an. 916
Umher standen Viele, die Gunthern unterthan
Und hatten nicht erfahren, wie es damit bewandt.
Groß Heergesinde war es, das da bei Siegfrieden stand.

Die Panzer und die Helme man auf die Rosse lud; 917
Aus dem Lande wollten viel starke Recken gut.
Da gieng von Tronje Hagen hin, wo er Kriemhild fand;
Er bat sie um Urlaub: sie wollten räumen das Land.

"Nun wohl mir," sprach Kriemhild, "daß ich den Mann gewann." 918
Der meine lieben Freunde so wohl beschützen kann,
Wie hier mein Herr Siegfried an meinen Brüdern thut:
Darum trag ich," sprach die Königin, "immer fröhlichen Muth.

"Lieber Freund Hagen, nun hoff ich, ihr gedenkt, 919
Daß ich euch gerne diene; ich hab euch nie gekränkt.
Das komme mir zu Gute an meinem lieben Mann:
Laßt es ihn nicht entgelten, was ich Brunhilden gethan.

"Des hat mich schon gereuet," sprach das edle Weib, 920
"Auch hat er so zerbleuet zur Strafe mir den Leib,
Daß ich je beschwerte mit Reden ihr den Muth,
Er hat es wohl gerochen, dieser Degen kühn und gut."

Da sprach er: "Ihr versöhnt euch wohl nach wenig Tagen. 921
Kriemhild, liebe Herrin, nun sollt ihr mir sagen,
Wie ich euch dienen möge an Siegfried euerm Herrn.
Ich gönn es niemand beßer und thu es, Königin, gern."

"Ich wär ohn alle Sorge," sprach da das edle Weib, 922
"Daß man ihm im Kampfe Leben nähm und Leib,
Wenn er nicht folgen wollte seinem Uebermuth;
So wär immer sicher dieser Degen kühn und gut."

"Fürchtet ihr, Herrin," Hagen da begann, 923
"Daß er verwundet werde, so vertraut mir an,
Wie soll ichs beginnen, dem zu widerstehn?
Ihn zu schirmen will ich immer bei ihm reiten und gehn."

Sie sprach: "Du bist mir Sippe, so will ich dir es sein: 924
Ich befehle dir auf Treue den holden Gatten mein.
Daß du mir behütest den geliebten Mann."
Was beßer wär verschwiegen, vertraute da sie ihm an.

Sie sprach: "Mein Mann ist tapfer, dazu auch stark genug. 925
Als er den Linddrachen an dem Berge schlug,
Da badet' in dem Blute der Degen allbereit,
Daher ihn keine Waffe je versehren mocht im Streit.

"Jedoch bin ich in Sorgen, wenn er im Kampfe steht 926
Und aus der Helden Hände mancher Sperwurf geht,
Daß ich da verliere meinen lieben Mann.
Hei! was ich Sorgen oft um Siegfried gewann!

"Mein lieber Freund, ich meld es nun auf Gnade dir, 927
Daß du deine Treue bewähren mögst an mir,
Wo man mag verwunden meinen lieben Mann.
Das sollst du nun vernehmen: es ist auf Gnade gethan.

"Als von des Drachen Wunden floß das heiße Blut, 928
Und sich darinne badete der kühne Recke gut,
Da fiel ihm auf die Achseln ein Lindenblatt so breit:
Da kann man ihn verwunden; das schafft mir Sorgen und Leid."

Da sprach von Tronje Hagen: "So näht auf sein Gewand 929
Mir ein kleines Zeichen mit eigener Hand,
Wo ich ihn schirmen müße, mag ich daran verstehn."
Sie wähnt' ihn so zu fristen; auf seinen Tod wars abgesehn.

Sie sprach: "Mit feiner Seide näh ich auf sein Gewand 930
Insgeheim ein Kreuzchen: da soll, Held, deine Hand
Mir den Mann behüten, wenns ins Gedränge geht,
Und er vor seinen Feinden in den starken Stürmen steht."

"Das thu ich," sprach da Hagen, "viel liebe Herrin mein." 931
Wohl wähnte da die Gute, sein Frommen sollt es sein:
Da war hiemit verrathen der Kriemhilde Mann.
Urtaub nahm da Hagen: da gieng er fröhlich hindann.

Was er erfahren hatte, bat ihn sein Herr zu sagen. 932
"Mögt ihr die Reise wenden, so laßt uns reiten jagen.
Ich weiß nun wohl die Kunde, wie ich ihn tödten soll.
Wollt ihr die Jagd bestellen?" "Das thu ich," sprach der König, "wohl."

Der Dienstmann des Königs war froh und wohlgemuth. 933
Gewiss, daß solche Bosheit kein Recke wieder thut
Bis zum jüngsten Tage, als da von ihm geschah,
Da sich seiner Treue die schöne Königin versah.

Früh des andern Morgens mit wohl tausend Mann 934
Ritt Siegfried der Degen mit frohem Muth hindann:
Er wähnt', er solle rächen seiner Freunde Leid.
So nah ritt ihm Hagen, daß er beschaute sein Kleid.

Als er ersah das Zeichen, da schickt' er ungesehn, 935
Andre Mär zu bringen, zwei aus seinem Lehn:
In Frieden sollte bleiben König Gunthers Land;
Es habe sie Herr Lüdeger zu dem König gesandt.

Wie ungerne Siegfried abließ vom Streit, 936
Eh er gerochen hatte seiner Freunde Leid!
Kaum hielten ihn zurücke Die Gunthern unterthan.
Da ritt er zu dem König, der ihm zu danken begann:

"Nun lohn euch Gott, Freund Siegfried, den willigen Sinn, 937
Daß ihr so gerne thatet, was mir vonnöthen schien:
Das will ich euch vergelten, wie ich billig soll.
Vor allen meinen Freunden vertrau ich euch immer wohl.

"Da wir uns der Heerfahrt so entledigt sehn, 938
So laßt uns nun Bären und Schweine jagen gehn
Nach dem Odenwalde, wie ich oft gethan."
Gerathen hatte Hagen das, dieser ungetreue Mann.

"Allen meinen Gästen soll man das nun sagen, 939
Ich denke früh zu reiten: die mit mir wollen jagen,
Die laßt sich fertig halten; die aber hier bestehn,
Kurzweilen mit den Frauen: so sei mir Liebes geschehn."

Mit herrlichen Sitten sprach da Siegfried: 940
"Wenn ihr jagen reitet, da will ich gerne mit.
So sollt ihr mir leihen einen Jägersmann
Mit etlichen Bracken: So reit ich mit euch in den Tann."

"Wollt ihr nur Einen?" frug Gunther zuhand; 941
"Ich leih euch, wollt ihr, viere, denen wohl bekannt
Der Wald ist und die Steige, wo viel Wildes ist,
Daß ihr des Wegs unkundig nicht ledig wieder heimwärts müßt."

Da ritt zu seinem Weibe der Degen unverzagt. 942
Derweil hatte Hagen dem König gesagt,
Wie er verderben wolle den herrlichen Degen.
So großer Untreue sollt ein Mann nimmer pflegen.

Als die Ungetreuen beschloßen seinen Tod, 943
Da wusten sie es Alle. Geiselher und Gernot
Wollten nicht mit jagen. Weiß nicht, aus welchem Groll
Sie ihn nicht verwarnten; doch des entgalten sie voll.

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