Sechsunddreißigstes Abenteuer.

Wie die Königin den Saal verbrennen ließ.

"Nun bindet ab die Helme," sprach Hagen der Degen: 2191
"Ich und mein Geselle wollen euer pflegen.
Und versuchten es noch einmal Die Etzeln unterthan,
So warn ich meine Herren, so geschwind ich immer kann."

Da band den Helm vom Haupte mancher Ritter gut. 2192
Sie setzten auf die Leichen sich nieder, die ins Blut
Waren zum Tode von ihrer Hand gekommen.
Da ward der edeln Gäste mit Erbittrung wahrgenommen.

Noch vor dem Abend schuf der König hehr 2193
Und Kriemhild die Königin, daß es der Heunen mehr
Noch versuchen musten; man sah vor ihnen stehn
Wohl an zwanzigtausend: die musten da zum Kampfe gehn.

Da drang zu den Gästen ein harter Sturm heran. 2194
Dankwart, Hagens Bruder, der kraftvolle Mann,
Sprang von seinen Herren zu den Feinden vor das Thor.
Sie versahn sich seines Todes; doch sah man heil ihn davor.

Das harte Streiten währte, bis es die Nacht benahm. 2195
Da wehrten sich die Gäste wie Helden lobesam
Wider Etzels Recken den sommerlangen Tag.
Hei! was guter Helden im Tod vor ihnen erlag!

Zu einer Sonnenwende der große Mord geschah: 2196
Ihres Herzens Jammer rächte Kriemhild da
An ihren nächsten Freunden und manchem andern Mann,
Wodurch der König Etzel nie wieder Freude gewann.

Sie hatte nicht gesonnen auf solche Mörderschlacht. 2197
Als sie den Streit begonnen, hatte sie gedacht,
Hagen sollt alleine dabei sein Ende sehn.
Da schuf der böse Teufel, über Alle must es ergehn.

Der Tag war zerronnen; ihnen schuf nun Sorge Noth. 2198
Sie gedachten, wie doch beßer war ein kurzer Tod,
Als sich so lang zu quälen in ungefügem Leid.
Da wünschten einen Frieden die großen Ritter allbereit.

Sie baten, daß man brächte den König vor den Saal. 2199
Die blutrothen Helden, geschwärzt vom rostgen Stahl,
Traten aus dem Hause und die drei Könge hehr.
Sie wusten nicht, wem klagen ihres großen Leids Beschwer.

Etzel und Kriemhild kamen beide her; 2200
Das Land war ihnen eigen, drum mehrte sich ihr Heer.
Er sprach zu den Gästen: "Sagt, was begehrt ihr mein?
Wollt ihr Frieden haben? das könnte nun schwerlich sein

"Nach so großem Schaden, als ihr mir habt gethan. 2201
Es kommt euch nicht zu Statten, so lang ich athmen kann:
Mein Kind, das ihr erschluget, und viel der Freunde mein,
Fried und Sühne soll euch stäts dafür geweigert sein."

Antwort gab ihm Gunther: "Uns zwang wohl große Noth. 2202
All mein Gesinde lag vor deinen Helden todt
In der Herberge: verdient ich solchen Sold?
Ich kam zu dir auf Treue und wähnte, du warst mir hold."

Da sprach von Burgunden Geiselher das Kind: 2203
"Ihr Helden König Etzels, die noch am Leben sind,
Wes zeiht ihr mich, ihr Degen? was hatt ich euch gethan,
Der ich die Fahrt so gütlich zu diesem Lande begann?"

Sie sprachen: "Deiner Güte ist all die Burg hier voll 2204
Mit Jammer gleich dem Lande; wir gönnten dir es wohl,
Wärst du nie gekommen von Worms überrhein.
Das Land ist gar verwaiset durch dich und die Brüder dein."

Da sprach im Zornmuthe Gunther der Held: 2205
"Wünscht ihr noch dieß Morden im Frieden eingestellt
Mit uns Heimatlosen, das ist uns beiden gut;
Es ist gar unverschuldet, was uns König Etzel thut."

Der Wirt sprach zu den Gästen: "mein und euer Leid 2206
Sind einander ungleich: die große Noth im Streit,
Der Schaden und die Schande, die ich von euch gewann,
Dafür soll euer Keiner mir lebend kommen hindann."

Da sprach zu dem König der starke Gernot: 2207
"So soll euch Gott gebieten, daß ihr die Lieb uns thut:
Weichet von dem Hause und laßt uns zu euch gehn.
Wir wissen wohl, bald ist es um unser Leben geschehn.

"Was uns geschehen könne, das laßt schnell ergehn: 2208
Ihr habt so viel Gesunde, die dürfen uns bestehn
Und geben uns vom Streite Müden leicht den Tod:
Wie lange solln wir Recken bleiben in so grimmer Noth?"

Von König Etzels Reden war es fast geschehn, 2209
Daß sie die Helden ließen aus dem Saale gehn.
Als das Kriemhild hörte, es war ihr grimmig leid.
Da war den Heimathlosen mit Nichten Sühne bereit.

"Nein, edle Recken, worauf euch sinnt der Muth, 2210
Ich will euch treulich raten, daß ihr das nimmer thut,
Daß ihr die Mordgierigen laßt vor den Saal;
Sonst müßen eure Freunde leiden tödtlichen Fall.

"Und lebten nur alleine, die Utens Söhne' sind, 2211
Und kämen meine edeln Brüder an den Wind.
Daß sie die Panzer kühlten, ihr alle wärt verloren:
Es wurden kühnre Degen noch nie auf Erden geboren."

Da sprach der junge Geiselher: "Viel schöne Schwester mein, 2212
Wie hätt ich dir das zugetraut, daß du mich überrhein
Her zu Lande ladetest in diese große Noth:
Wie möcht ich an den Heunen hier verdienen den Tod?

"Ich hielt dir stäte Treue, that nie ein Leid dir an: 2213
Ich kam auch her zu Hilfe geritten in dem Wahn,
Du wärst mir gewogen, viel liebe Schwester mein,
Nun schenk uns deine Gnade, da es anders nicht mag sein."

"Ich schenk euch keine Gnade, Ungnad ich selbst gewann: 2214
Mir hat von Tronje Hagen so großes Leid gethan
Daheim, und hier zu Lande erschlug er mir mein Kind:
Das müßen schwer entgelten, die mit euch hergekommen sind."

Wollt ihr mir aber Hagen allein zum Geisel geben, 2215
So will ichs nicht verweigern, daß ich euch laße leben.
Denn meine Brüder seid ihr, der gleichen Mutter Kind:
So red ich um die Sühne mit den Helden, die hier sind."

"Nicht woll es Gott vom Himmel," sprach da Gernot. 2216
"Und waren unser tausend, wir wollten alle todt
Vor deinen Freunden liegen eh wir dir Einen Mann
Hier zu Geisel gäben: das wird nimmer gethan."

"Wir müsten doch ersterben," sprach da Geiselher, 2217
"So soll uns Niemand scheiden von ritterlicher Wehr.
Wer gerne mit uns stritte, wir sind noch immer hie:
Verrieth ich meine Treue an einem Freunde doch nie."

Da sprach der kühne Dankwart, es ziemt' ihm wohl zu sagen: 2218
"Noch steht nicht alleine hier mein Bruder Hagen.
Die uns den Frieden weigern, beklagen es noch schwer,
Des sollt ihr inne werden, ich sags euch wahrlich vorher."

Da sprach die Königstochter: "Ihr Helden allbereit, 2219
Nun geht der Stiege näher und rächt unser Leid.
Das will ich stäts verdienen, wie ich billig soll:
Der Uebermuth Hagens, dessen lohn ich ihm wohl.

"Laßt keinen aus dem Hause der Degen allzumal: 2220
So laß ich an vier Enden anzünden hier den Saal.
So wird noch wohl gerochen all mein Herzeleid."
König Etzels Recken sah man bald dazu bereit.

Die noch draußen standen, die trieb man in den Saal 2221
Mit Schlägen und mit Schüßen: da gab es lauten Schall.
Doch wollten sich nicht scheiden die Fürsten und ihr Heer:
Sie ließen von der Treue zu einander nicht mehr.

Den Saal in Brand zu stecken gebot da Etzels Weib. 2222
Da quälte man den Helden mit Feuersglut den Leib.
Das Haus vom Wind ergriffen gerieth in hohen Brand.
Nie wurde solcher Schrecken noch einem Volksheer bekannt.

Da riefen Viele drinnen: "O weh dieser Noth! 2223
Da möchten wir ja lieber im Sturm liegen todt.
Das möge Gott erbarmen; wie sind wir all verlorn!
Wie grimmig rächt die Königin an uns allen ihren Zorn!"

Da sprach darinnen Einer: "Wir finden hier den Tod 2224
Vor Rauch und vor Feuer: wie grimm ist diese Noth!
Mir thut vor starker Hitze der Durst so schrecklich weh,
Ich fürchte, mein Leben in diesen Nöthen zergeh!"

Da sprach von Tronje Hagen: "Ihr edlen Ritter gut, 2225
Wen der Durst will zwingen, der trinke hier das Blut.
Das ist in solcher Hitze beßer noch als Wein;
Es mag halt zu trinken hier nichts Beßeres sein."

Hin gieng der Recken Einer, wo er einen Todten fand: 2226
Er kniet' ihm zu der Wunde, den Helm er niederband.
Da begann er zu trinken das fließende Blut.
So wenig ers gewohnt war, er fand es köstlich und gut.

"Nun lohn euch Gott, Herr Hagen," sprach der müde Mann, 2227
"Daß ich von eurer Lehre so guten Trank gewann.
Man schenkte mir selten noch einen beßern Wein.
So lang ich leben bleibe will ich euch stäts gewogen sein."

Als das die Andern hörten, es däuchte ihn so gut, 2228
Da fanden sich noch Viele, die tranken auch das Blut.
Davon kam zu Kräften der guten Recken Leib:
Des entgalt an lieben Freunden bald manches waidliche Weib.

Das Feuer fiel gewaltig auf sie in den Saal: 2229
Sie wandten mit den Schilden es von sich ab im Fall.
Der Rauch und auch die Hitze schmerzten sie gar sehr.
Also großer Jammer geschieht wohl Helden nimmer mehr.

Da sprach von Tronje Hagen: "Stellt euch an die Wand; 2230
Laßt nicht die Brände fallen auf eurer Helme Band
Und tretet sie mit Füßen tiefer in das Blut.
Eine üble Hochzeit ist es, zu der die Königin uns lud."

Unter solchen Nöthen zerrann zuletzt die Nacht. 2231
Noch hielt vor dem Hause der kühne Spielmann Wacht
Und Hagen sein Geselle, gelehnt auf Schildesrand,
Noch größern Leids gewärtig von Denen aus Etzels Land.

Daß der Saal gewölbt war, half den Gästen sehr; 2232
Dadurch blieben ihrer am Leben desto mehr,
Wiewohl sie an den Fenstern von Feuer litten Noth.
Da wehrten sich die Degen, wie Muth und Ehre gebot.

Da sprach der Fiedelspieler: "Gehn wir in den Saal: 2233
Da wähnen wohl die Heunen, wir seien allzumal
Von der Qual erstorben, die sie uns angethan:
Dann kommen doch noch Etliche zum Streit mit ihnen heran."

Da sprach von Burgunden Geiselher das Kind: 2234
"Ich wähn, es wolle tagen, sich hebt ein kühler Wind.
Nun laß uns Gott vom Himmel noch liebre Zeit erleben!
Eine arge Hochzeit hat uns meine Schwester Kriemhild gegeben."

Da sprach wieder Einer: "Ich spüre schon den Tag. 2235
Wenn es denn uns Degen nicht beßer werden mag,
So bereitet euch, ihr Recken, zum Streit, das ist uns Noth:
Da wir doch nicht entrinnen, daß wir mit Ehren liegen todt."

Der König mochte wähnen, die Gäste wären todt 2236
Von den Beschwerden allen und von des Feuers Noth,
Da lebten doch so Kühner noch drin sechshundert Mann,
Daß wohl nie ein König beßre Degen gewann.

Der Heimathlosen Hüter hatten wohl gesehn, 2237
Daß noch die Gäste lebten, was ihnen auch geschehn
Zu Schaden war und Leide, den Herrn und ihrem Lehn.
Man sah sie in dem Hause noch gar wohl geborgen gehn.

Man sagte Kriemhilden, noch Viele lebten drin. 2238
"Wie wäre das möglich," sprach die Königin,
"Daß noch Einer lebte nach solcher Feuersnoth?
Eher will ich glauben, sie fanden Alle den Tod."

Noch wünschten zu entkommen die Fürsten und ihr Lehn, 2239
Wenn an ihnen Gnade noch jemand ließ' ergehn.
Die konnten sie nicht finden in der Heunen Land:
Da rächten sie ihr Sterben mit gar williger Hand.

Schon früh am andern Morgen man ihnen Grüße bot 2240
Mit heftigem Angriff; wohl schuf das Helden Noth.
Zu ihnen aufgeschoßen ward mancher scharfe Sper;
Doch fanden sie darinnen die kühnen Recken wohl zur Wehr.

Dem Heergesinde Etzels war erregt der Muth, 2241
Daß sie verdienen wollten Frau Kriemhildens Gut
Und alles willig leisten, was der Fürst gebot:
Da muste bald noch Mancher von ihnen schauen den Tod.

Von Verheißen und von Gaben mochte man Wunder sagen: 2242
Sie ließ ihr Gold, das rothe, auf Schilden vor sich tragen;
Sie gab es Jedem willig, Der es wollt empfahn.
Nie wurden wider Feinde so große Schätze verthan.

Gewaffnet trat der Recken eine große Macht zur Thür. 2243
Da sprach der Fiedelspieler. "Wir sind noch immer hier:
So gern sah ich Helden zum Streiten nimmer kommen,
Als die das Gold des Königs uns zu verderben genommen."

Da riefen ihrer Viele: "Nur näher zu dem Streit! 2244
Da wir doch fallen müßen, so thun wirs gern bei Zeit.
Hier wird Niemand bleiben, als wer doch sterben soll."
Da staken ihre Schilde gleich von Sperschüßen voll.

Was soll ich weiter sagen? Wohl zwölfhundert Degen 2245
Versuchtens auf und nieder mit starken Schwertesschlägen.
Da kühlten an den Feinden die Gäste wohl den Muth.
Kein Friede war zu hoffen, drum sah man fließen das Blut

Aus tiefen Todeswunden: Deren wurden viel geschlagen. 2246
Man hörte nach den Freunden Jeglichen klagen.
Die Biedern starben alle dem reichen König hehr:
Da hatten liebe Freunde nach ihnen Leid und Beschwer.

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