Siebenundzwanzigstes Abenteuer.

Wie sie nach Bechlaren kamen.

Hin gieng der Markgraf, wo er die Frauen fand, 1715
Sein Weib und seine Tochter. Denen macht' er da bekannt
Diese liebe Märe, die er jetzt vernommen,
Daß ihrer Frauen Brüder zu ihrem Hause sollten kommen.

"Viel liebe Traute," sprach da Rüdiger, 1716
"Ihr sollt sie wohl empfangen, die edeln Könge hehr,
Wenn sie und ihr Gesinde vor euch zu Hofe gehn;
Ihr sollt auch freundlich grüßen Hagen in Gunthers Lehn.

"Mit ihnen kommt auch Einer mit Namen Dankwart; 1717
Ein Andrer heißt Volker, an Ehren wohlbewahrt.
Die Sechse sollt ihr küssen, ihr und die Tochter mein,
Und sollt in höfschen Züchten diesen Recken freundlich sein."

Das gelobten ihm die Frauen und warens gern bereit. 1718
Sie suchten aus den Kisten manch herrliches Kleid,
Darin sie den Recken entgegen wollten gehn.
Da mocht ein groß Befleißen von schönen Frauen geschehn.

Gefälschter Frauenzierde gar wenig man da fand; 1719
Sie trugen auf dem Haupte lichtes goldnes Band,
Das waren reiche Kränze, damit ihr schönes Haar
Die Winde nicht verwehten; sie waren höfisch und klar.

In solcher Unmuße laßen wir die Fraun. 1720
Da war ein schnelles Reiten über Feld zu schaun
Von Rüdigers Freunden, bis man die Fürsten fand.
Sie wurden wohl empfangen in des Markgrafen Land.

Als sie der Markgraf zu sich kommen sah, 1721
Rüdiger der schnelle wie fröhlich sprach er da:
"Willkommen mir, ihr Herren und Die in euerm Lehn.
Hier in diesem Lande seid ihr gerne gesehn."

Da dankten ihm die Recken in Treuen ohne Haß. 1722
Daß sie willkommen waren, wohl erzeigt' er das.
Besonders grüßt' er Hagen, der war ihm längst bekannt;
So that er auch mit Volkern, dem Helden aus Burgundenland.

Er begrüßt' auch Dankwarten. Da sprach der kühne Degen: 1723
"Wollt ihr uns hier versorgen, wer soll dann verpflegen
Unser Ingesinde aus Worms an dem Rhein?"
Da begann der Markgraf: "Diese Angst laßet sein.

"All euer Gesinde und was ihr in das Land 1724
Mit euch geführet habet, Ross, Silber und Gewand,
Ich schaff ihm solche Hüter, nichts geht davon verloren,
Das euch zu Schaden brächte nur um einen halben Sporen.

"Spannet auf, ihr Knechte, die Hütten in dem Feld; 1725
Was ihr hier verlieret, dafür leist ich Entgelt:
Zieht die Zäume nieder und laßt die Rosse gehn."
Das war ihnen selten von einem Wirth noch geschehn.

Des freuten sich die Gäste. Als das geschehen war 1726
Und die Herrn von dannen ritten, legte sich die Schar
Der Knecht im Grase nieder: sie hatten gut Gemach.
Sie fandens auf der Reise nicht beßer vor oder nach.

Die Markgräfin eilte vor die Burg zu gehn 1727
Mit ihrer schönen Tochter. Da sah man bei ihr stehn
Die minniglichen Frauen und manche schöne Maid:
Die trugen viel der Spangen und manches herrliche Kleid.

Das edle Gesteine glänzte fern hindann 1728
Aus ihrem reichen Schmucke: sie waren wohlgethan.
Da kamen auch die Gäste und sprangen auf den Sand.
Hei! was man edle Sitten an den Burgunden fand!

Sechsunddreißig Mägdelein und viel andre Fraun, 1729
Die wohl nach Wunsche waren und wonnig anzuschauen,
Giengen den Herrn entgegen mit manchem kühnen Mann.
Da ward ein schönes Grüßen von edeln Frauen gethan.

Die Markgräfin küsste die Könge alle drei; 1730
So that auch ihre Tochter. Hagen stand dabei.
Den hieß ihr Vater küssen: da blickte sie ihn an:
Er dauchte sie so furchtbar, sie hätt es lieber nicht gethan.

Doch muste sie es leisten, wie ihr der Wirth gebot. 1731
Gemischt ward ihre Farbe, bleich und auch roth.
Auch Dankwarten küsste sie, darnach den Fiedelmann:
Seiner Kraft und Kühnheit wegen ward ihm das Grüßen gethan.

Die junge Markgräfin nahm bei der Hand 1732
Geiselher den jungen von Burgundenland;
So nahm auch ihre Mutter Gunthern den kühnen Mann.
Sie giengen mit den Helden beide fröhlich hindann.

Der Wirth gieng mit Gernot in einen weiten Saal. 1733
Die Ritter und die Frauen setzten sich zumal.
Man ließ alsdann den Gästen schenken guten Wein:
Gütlicher bewirthet mochten Helden nimmer sein.

Mit zärtlichen Augen sah da Mancher an 1734
Rüdigers Tochter, die war so wohlgethan.
Wohl kos't' in seinem Sinne sie mancher Ritter gut;
Das mochte sie verdienen: sie trug gar hoch ihren Muth.

Sie gedachten, was sie wollten; nur konnt es nicht geschehn. 1735
Man sah die guten Ritter hin und wieder spähn
Nach Mägdelein und Frauen: deren saßen da genug.
Dem Wirth geneigten Willen der edle Fiedeler trug.

Da wurden sie geschieden, wie Sitte war im Land: 1736
Zu andern Zimmern giengen Ritter und Fraun zur Hand.
Man richtete die Tische in dem Saale weit
Und ward den fremden Gästen zu allen Diensten bereit.

Den Gästen gieng zu Liebe die edle Markgräfin 1737
Mit ihnen zu den Tischen: die Tochter ließ sie drin
Bei den Mägdlein weilen, wo sie nach Sitte blieb.
Daß sie die nicht mehr sahen, das war den Gästen nicht lieb.

Als sie getrunken hatten und gegeßen überall, 1738
Da führte man die Schöne wieder in den Saal.
Anmuthge Reden wurden nicht gescheut:
Viel sprach deren Volker, ein Degen kühn und allbereit.

Da sprach unverhohlen derselbe Fiedelmann: 1739
"Viel reicher Markgraf, Gott hat an euch gethan
Nach allen seinen Gnaden: er hat euch gegeben
Ein Weib, ein so recht schönes, dazu ein wonnigliches Leben.

"Wenn ich ein König wäre," sprach der Fiedelmann, 1740
"Und sollte Krone tragen, zum Weibe nähm ich dann
Eure schöne Tochter: die wünschte sich mein Muth.
Sie ist minniglich zu schauen, dazu edel und gut."

Der Markgraf entgegnete: "Wie möchte das Wohl sein, 1741
Daß ein König je begehrte der lieben Tochter mein?
Wir sind hier beide heimatlos, ich und mein Weib,
Und haben nichts zu geben: was hilft ihr dann der schöne Leib?"

Zur Antwort gab ihm Gernot, der edle Degen gut: 1742
"Sollt ich ein Weib mir wählen nach meinem Sinn und Muth,
So wär ich solches Weibes stäts von Herzen froh."
Darauf versetzte Hagen in höfischen Züchten so:

"Nun soll sich doch beweiben mein Herr Geiselher: 1743
Es ist so hohen Stammes die Markgräfin hehr,
Daß wir ihr gerne dienten, ich und all sein Lehn,
Wenn sie bei den Burgunden unter Krone sollte gehn."

Diese Rede dauchte den Markgrafen gut 1744
Und auch Gotelinde; wohl freute sich ihr Muth.
Da schufen es die Helden, daß sie zum Weibe nahm
Geiselher der edle, wie er es mocht ohne Scham.

Soll ein Ding sich fügen, wer mag ihm widerstehn? 1745
Man bat die Jungfraue, hin zu Hof zu gehn.
Da schwur man ihm zu geben das schöne Mägdelein,
Wogegen er sich erbot, die Wonnigliche zu frein.

Man beschied der Jungfrau Burgen und auch Land. 1746
Da sicherte mit Eiden des edeln Königs Hand
Und Gernot der Degen, es werde so gethan.
Da sprach der Markgraf: "Da ich Burgen nicht gewann,

"So kann ich euch in Treuen nur immer bleiben hold. 1747
Ich gebe meiner Tochter an Silber und an Gold,
Was hundert Saumrosse nur immer mögen tragen,
Daß es wohl nach Ehren euch Helden möge behagen."

Da wurden diese beiden in einen Kreis gestellt 1748
Nach dem Rechtsgebrauche. Mancher junge Held
Stand ihr gegenüber in fröhlichem Muth;
Er gedacht in seinem Sinne, wie noch ein Junger gerne thut.

Als man begann zu fragen die minnigliche Maid, 1749
Ob sie den Recken wolle, zum Theil war es ihr leid;
Doch dachte sie zu nehmen den waidlichen Mann.
Sie schämte sich der Frage, wie manche Maid hat gethan.

Ihr rieth ihr Vater Rüdiger, daß sie spräche ja, 1750
Und daß sie gern ihn nähme: wie schnell war er da
Mit seinen weißen Händen, womit er sie umschloß,
Geiselher der junge! Wie wenig sie ihn doch genoß!

Da begann der Markgraf: "Ihr edeln Könge reich, 1751
Wenn ihr nun wieder reitet heim in euer Reich,
So geb ich euch, so ist es am schicklichsten, die Magd,
Daß ihr sie mit euch führet." Also ward es zugesagt.

Der Schall, den man hörte, der muste nun vergehn. 1752
Da ließ man die Jungfrau zu ihrer Kammer gehn
Und auch die Gäste schlafen und ruhn bis an den Tag.
Da schuf man ihnen Speise: der Wirth sie gütlich verpflag.

Als sie gegeßen hatten und nun von dannen fahren 1753
Wollten zu den Heunen: "Davor will ich euch wahren,"
Sprach der edle Markgraf, "ihr sollt noch hier bestehn;
So liebe Gäste hab ich lange nicht bei mir gesehn."

Dankwart entgegnete: "Das kann ja nicht sein: 1754
Wo nähmt ihr die Speise, das Brot und auch den Wein,
Das ihr doch haben müstet für solch ein Heergeleit?"
Als das der Wirth erhörte, er sprach: "Die Rede laßt beiseit.

"Meine lieben Herren, ihr dürft mir nicht versagen. 1755
Wohl geb ich euch die Speise zu vierzehen Tagen,
Euch und dem Gesinde, das mit euch hergekommen.
Mir hat der König Etzel noch gar selten was genommen."

Wie sehr sie sich wehrten, sie musten da bestehn 1756
Bis an den vierten Morgen. Da sah man geschehn
Durch des Wirthes Milde, was weithin ward bekannt:
Er gab seinen Gästen beides, Ross' und Gewand.

Nicht länger mocht es währen, sie musten an ihr Ziel. 1757
Seines Gutes konnte Rüdiger nicht viel
Vor seiner Milde sparen: wonach man trug Begehr,
Das versagt' er Niemand: er gab es gern den Helden hehr.

Ihr edel Ingesinde brachte vor das Thor 1758
Gesattelt viel der Rosse; zu ihnen kam davor
Mancher fremde Recke, den Schild an der Hand,
Da sie reiten wollten mit ihnen in Etzels Land.

Der Wirth bot seine Gaben den Degen allzumal, 1759
Eh die edeln Gäste kamen vor den Saal.
Er konnte wohl mit Ehren in hoher Milde leben.
Seine schöne Tochter hatt er Geiselhern gegeben;

Da gab er Gernoten eine Waffe gut genug, 1760
Die hernach in Stürmen der Degen herrlich trug.
Ihm gönnte wohl die Gabe des Markgrafen Weib;
Doch verlor der gute Rüdiger davon noch Leben und Leib.

Er gab König Gunthern, dem Helden ohne Gleich, 1761
Was wohl mit Ehren führte der edle König reich,
Wie selten er auch Gab empfieng, ein gutes Streitgewand,
Da neigte sich der König vor des milden Rüdger Hand.

Gotelind bot Hagnen, sie durfte es ohne Scham, 1762
Ihre freundliche Gabe: da sie der König nahm,
So sollt auch er nicht fahren zu dem Hofgelag
Ohn ihre Steuer: der edle Held aber sprach:

"Alles, was ich je gesehn," entgegnete Hagen, 1763
"So begehr ich nichts weiter von hinnen zu tragen
Als den Schild, der dorten hängt an der Wand:
Den möcht ich gerne führen mit mir in der Heunen Land."

Als die Rede Hagens die Markgräfin vernahm, 1764
Ihres Leids ermahnt' er sie, daß ihr das Weinen kam.
Mit Schmerzen gedachte sie an Nudungs Tod,
Den Wittich hatt erschlagen; das schuf ihr Jammer und Noth.

Sie sprach zu dem Degen: "Den Schild will ich euch geben. 1765
Wollte Gott vom Himmel, daß der noch dürfte leben,
Der einst ihn hat getragen! er fand im Kampf den Tod.
Ich muß ihn stäts beweinen: das schafft mir armem Weibe Noth!"

Da erhob sich vom Sitze die Markgräfin mild: 1766
Mit ihren weißen Händen hob sie herab den Schild
Und trug ihn hin zu Hagen: der nahm ihn an die Hand.
Die Gabe war mit Ehren an den Recken gewandt.

Eine Hülle lichten Zeuges auf seinen Farben lag. 1767
Beßern Schild als diesen beschien wohl nie der Tag.
Mit edelm Gesteine War er so besetzt,
Man hätt ihn im Handel wohl auf tausend Mark geschätzt.

Den Schild hinwegzutragen befahl der Degen hehr. 1768
Da kam sein Bruder Dankwart auch zu Hofe her.
Dem gab reicher Kleider Rüdigers Kind genug,
Die er bei den Heunen hernach mit Freuden noch trug.

Wie viel sie der Gaben empfiengen insgemein, 1769
Nichts würd in ihre Hände davon gekommen sein,
Wars nicht dem Wirth zu Liebe, der es so gütlich bot.
Sie wurden ihm so feind hernach, daß sie ihn schlagen musten todt.

Da hatte mit der Fiedel Volker der schnelle Held 1770
Sich vor Gotelinde höfisch hingestellt.
Er geigte süße Töne und sang dazu sein Lied:
Damit nahm er Urlaub, als er von Bechlaren schied.

Da ließ die Markgräfin eine Lade näher tragen. 1771
Von freundlicher Gabe mögt ihr nun hören sagen:
Zwölf Spangen, die sie aus ihr nahm, schob sie ihm an die Hand:
"Die sollt ihr führen, Volker, mit euch in der Heunen Land

"Und sollt sie mir zu Liebe dort am Hofe tragen: 1772
Wenn ihr wiederkehret, daß man mir möge sagen,
Wie ihr gedient mir habet bei dem Hofgelag."
Wie sie ihn gebeten, so that der Degen hernach.

Der Wirth sprach zu den Gästen: "Daß ihr nun sichrer fahrt, 1773
Will ich euch selbst geleiten: so seid ihr wohl bewahrt,
Daß ihr auf der Straße nicht werdet angerannt."
Seine Saumrosse die belud man gleich zur Hand.

Der Wirth war reisefertig und fünfhundert Mann 1774
Mit Rossen und mit Kleidern: die führt' er hindann
Zu dem Hofgelage mit fröhlichem Muth;
Nach Bechelaren kehrte nicht Einer all der Ritter gut.

Mit minniglichen Küssen der Wirth von dannen schied; 1775
Also that auch Geiselher, wie ihm die Liebe rieth.
Sie herzten schöne Frauen mit zärtlichem Umfahn:
Das musten bald beweinen viel Jungfrauen wohlgethan.

Da wurden allenthalben die Fenster aufgethan, 1776
Als mit seinen Mannen der Markgraf ritt hindann.
Sie fühlten wohl im Herzen voraus das herbe Leid:
Drum weinten viel der Frauen und manche waidliche Maid.

Nach den lieben Freunden trug Manche groß Beschwer, 1777
Die sie in Bechelaren ersahen nimmermehr.
Doch ritten sie mit Freuden nieder an dem Strand
Dort im Donauthale bis in das heunische Land.

Da sprach zu den Burgunden der milde Markgraf hehr, 1778
Rüdiger der edle: "Nun darf nicht länger mehr
Verhohlen sein die Kunde, daß wir nach Heunland kommen.
Es hat der König Etzel noch nie so Liebes vernommen."

Da ritt manch schneller Bote ins Oesterreicherland: 1779
So ward es allenthalben den Leuten bald bekannt,
Daß die Helden kämen von Worms über Rhein.
Dem Ingesind des Königs konnt es nicht lieber sein.

Die Boten vordrangen mit diesen Mären, 1780
Daß die Nibelungen bei den Heunen wären:
"Du sollst sie wohl empfangen, Kriemhild, Fraue mein:
Nach großen Ehren kommen dir die lieben Brüder dein."

Als die Königstochter vernahm die Märe, 1781
Zum Theil wich ihr vom Herzen ihr Leid, das schwere.
Aus ihres Vaters Lande zog Mancher ihr heran,
Durch den der König Etzel bald großen Jammer gewann.

"Nun wohl mir diese Freude," sprach da Kriemhild. 1782
"Hier bringen meine Freunde gar manchen neuen Schild
Und Panzer glänzend helle: wer nehmen will mein Gold
Und meines Leids gedenken, dem will ich immer bleiben hold."

Sie gedachte heimlich: "Noch wird zu Allem Rath. 1783
Der mich an meinen Freuden so gar gepfändet hat,
Weiß ich es zu fügen, es soll ihm werden leid
Bei diesem Gastgebote: dazu bin ich gern bereit.

"Ich will es also Schaffen, daß meine Rach ergeht 1784
Bei diesem Hofgelage, wie es hernach auch steht,
An seinem argen Leibe, der mir hat benommen
So viel meiner Wonne: des soll mir nun Entgeltung kommen."

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