Viertes Abenteuer.

Wie Siegfried mit den Sachsen stritt.

Da kamen fremde Mären in König Gunthers Land 144

Durch Boten aus der Ferne ihnen zugesandt

Von unbekannten Recken, die ihnen trugen Haß

Als sie die Rede hörten, gar sehr betrübte sie das.

Die will ich euch nennen: es war Lüdeger 145

Aus der Sachsen Lande, ein mächtger König hehr;

Dazu vom Dänenlande der König Lüdegast:

Die gewannen zu dem Kriege gar manchen herrlichen Gast.

Ihre Boten kamen in König Gunthers Land, 146

Die seine Widersacher hatten hingesandt.

Da frug man um die Märe die Unbekannten gleich

Und führte bald die Boten zu Hofe vor den König reich.

Schön grüßte sie der König und sprach: "Seid willkommen! 147

Wer euch hieher gesendet, hab ich noch nicht vernommen:

Das sollt ihr hören laßen," sprach der König gut.

Da bangten sie gewaltig vor des grimmen Gunther Muth.

"Wollt ihr uns, Herr, erlauben, daß wir euch Bericht 148

Von unsrer Märe sagen, wir hehlen sie euch nicht.

Wir nennen euch die Herren, die uns hieher gesandt:

Lüdegast und Lüdeger die suchen heim euer Land.

Ihren Zorn habt ihr verdienet: wir vernahmen das 149

Gar wohl, die Herren tragen euch beide großen Haß.

Sie wollen heerfahrten gen Worms an den Rhein;

Ihnen helfen viel der Degen: laßt euch das zur Warnung sein.

"Binnen zwölf Wochen muß ihre Fahrt geschehn; 150

Habt ihr nun guter Freunde, so laßt es bald ersehn,

Die euch befrieden helfen die Burgen und das Land:

Hier werden sie verhauen manchen Helm und Schildesrand.

"Oder wollt ihr unterhandeln, so macht es offenbar; 151

So reitet euch so nahe nicht gar manche Schar

Eurer starken Feinde zu bitterm Herzeleid,

Davon verderben müßen viel der Ritter kühn im Streit."

"Nun harrt eine Weile (ich künd euch meinen Muth), 152

Bis ich mich recht bedachte," sprach der König gut.

"Hab ich noch Getreue, denen will ichs sagen,

Diese schwere Botschaft muß ich meinen Freunden klagen."

Dem mächtigen Gunther war es leid genug; 153

Den Botenspruch er heimlich in seinem Herzen trug.

Er hieß berufen Hagen und Andr' in seinem Lehn

Und hieß auch gar geschwinde zu Hof nach Gernoten gehn.

Da kamen ihm die Besten, so viel man deren fand. 154

Er sprach: "Die Feinde wollen heimsuchen unser Land

Mit starken Heerfahrten; das sei euch geklagt.

Es ist gar unverschuldet, daß sie uns haben widersagt."

"Dem wehren wir mit Schwertern," sprach da Gernot, 155

"Da sterben nur, die müßen: die laßet liegen todt.

Ich werde nicht vergeßen darum der Ehre mein:

Unsre Widersacher sollen uns willkommen sein."

Da sprach von Tronje Hagen: "Das dünkt mich nicht gut; 156

Lüdegast und Lüdeger sind voll Uebermuth.

Wir können uns nicht sammeln in so kurzen Tagen,"

So sprach der kühne Recke: "ihr sollt es Siegfrieden sagen."

Da gab man den Boten Herbergen in der Stadt. 157

Wie feind sie ihnen waren, sie gut zu pflegen bat

Gunther der reiche, das war wohlgethan,

Bis er erprobt an Freunden, wer ihm zu Hülfe zög heran.

Der König trug im Herzen Sorge doch und Leid. 158

Da sah ihn also trauern ein Ritter allbereit,

Der nicht wißen konnte, was ihm war geschehn:

Da bat er König Gunthern, ihm den Grund zu gestehn.

"Mich nimmt höchlich Wunder," sprach da Siegfried, 159

"Wie die frohe Weise so völlig von euch schied,

Deren ihr so lange mit uns mochtet pflegen."

Zur Antwort gab ihm Gunther, dieser zierliche Degen:

"Wohl mag ich allen Leuten nicht von dem Leide sagen, 160

Das ich muß verborgen in meinem Herzen tragen:

Stäten Freunden klagen soll man des Herzens Noth."

Siegfriedens Farbe ward da bleich und wieder roth.

Er sprach zu dem Könige: "Was blieb euch je versagt? 161

Ich will euch wenden helfen das Leid, das ihr klagt.

Wollt ihr Freunde suchen, so will ich einer sein

Und getrau es zu vollbringen mit Ehren bis ans Ende mein."

"Nun lohn euch Gott, Herr Siegfried, die Rede dünkt mich gut; 162

Und kann mir auch nicht helfen eure Kraft und hoher Muth,

So freut mich doch die Märe, daß ihr so hold mir seid:

Leb ich noch eine Weile, ich vergelt es mit der Zeit.

Ich will euch hören laßen, was mich traurig macht. 163

Von Boten meiner Feinde ward mir hinterbracht,

Mit Heerfahrten kämen sie mich zu suchen hie:

Das geschah uns von Degen in diesen Landen noch nie."

"Das laßt euch nicht betrüben," sprach da Siegfried, 164

"Sänftet eur Gemüthe und thut, wie ich euch rieth:

Laßt mich euch erwerben Ehre so wie Frommen,

Bevor eure Feinde her zu diesen Landen kommen.

"Und hätten dreißigtausend Helfer sich ersehn 165

Eure starken Feinde, doch wollt ich sie bestehn,

Hätt ich auch selbst nur tausend: verlaßt euch auf mich."

Da sprach der König Gunther: "Das verdien ich stäts um dich."

"So heißt mir eurer Leute gewinnen tausend Mann, 166

Da ich von den Meinen nicht mehr hier stellen kann

Als der Recken zwölfe; so wehr ich euer Land.

Immer soll getreulich euch dienen Siegfriedens Hand.

"Dazu soll Hagen helfen und auch Ortewein, 167

Dankwart und Sindold, die lieben Recken dein.

Auch soll da mit uns reiten Volker der kühne Mann:

Der soll die Fahne führen: keinen Beßern trefft ihr an.

"Und laßt die Boten reiten heim in ihrer Herren Land; 168

Daß sie uns bald da sehen, macht ihnen das bekannt,

So daß unsre Burgen befriedet mögen sein."

Der König hieß besenden Freund und Mannen insgemein.

Zu Hofe giengen wieder Die Lüdeger gesandt; 169

Sie freuten sich der Reise zurück ins Heimatland.

Ihnen bot da reiche Gabe Gunther der König gut

Und sicheres Geleite: des waren sie wohlgemuth.

"Nun sagt," sprach da Gunther, "meinen starken Feinden an, 170

Ihre Reise bliebe beßer ungethan;

Doch wollten sie mich suchen hier in meinem Land,

Wir zerrännen denn die Freunde, ihnen werde Noth bekannt."

Den Boten reiche Gaben man da zur Stelle trug: 171

Deren hatte Gunther zu geben genug.

Das durften nicht verschmähen Die Lüdeger gesandt.

Sie baten um Urlaub und räumten fröhlich das Land.

Als die Boten waren gen Dänemark gekommen, 172

Und der König Lüdegast den Bericht vernommen,

Was sie am Rhein geredet, als das ihm ward gesagt,

Seine übermüthge Botschaft ward da bereut und beklagt.

Sie sagten ihm, sie hätten manch kühnen Mann im Lehn: 173

"Darunter sah man Einen vor König Gunthern stehn,

Der war geheißen Siegfried, ein Held aus Niederland."

Leid wars Lüdegasten, als er die Dinge so befand.

Als Die vom Dänenlande hörten diese Mär, 174

Da eilten sie, der Helfer zu gewinnen desto mehr,

Bis der König Lüdegast zwanzigtausend Mann

Seiner kühnen Degen zu seiner Heerfahrt gewann.

Da besandte sich von Sachsen auch König Lüdeger, 175

Bis sie vierzigtausend hatten und wohl mehr,

Die mit ihnen ritten gen Burgundenland.

Da hatt auch schon zu Hause der König Gunther gesandt

Zu seinen nächsten Freunden und seiner Brüder Heer, 176

Womit sie fahren wollten im Kriegszug einher,

Und auch mit Hagens Recken: das that den Helden Noth.

Darum musten Degen bald erschauen den Tod.

Sie schickten sich zur Reise; sie wollten nun hindann. 177

Die Fahne muste führen Volker der kühne Mann,

Da sie reiten wollten von Worms über Rhein;

Hagen von Tronje der muste Scharmeister sein.

Mit ihnen ritt auch Sindold und der kühne Hunold, 178

Die wohl verdienen konnten reicher Könge Gold.

Dankwart, Hagens Bruder, und auch Ortewein

Die mochten wohl mit Ehren bei dem Heerzuge sein.

"Herr König," sprach da Siegfried, "bleibet ihr zu Haus: 179

Da mir eure Degen folgen zu dem Strauß,

So weilt bei den Frauen und tragt hohen Muth:

Ich will euch wohl behüten die Ehre so wie das Gut.

"Die euch heimsuchen wollten zu Worms an dem Rhein, 180

Will euch davor bewahren, daß sie euch schädlich sei'n:

Wir wollen ihnen reiten so nah ins eigne Land,

Daß ihnen bald in Sorge der Uebermuth wird gewandt."

Vom Rheine sie durch Hessen mit ihren Helden ritten 181

Nach dem Sachsenlande: da wurde bald gestritten.

Mit Raub und mit Brande verheerten sie das Land,

Daß bald den Fürsten beiden ward Noth und Sorge bekannt.

Sie kamen an die Marke; die Knechte rückten an. 182

Siegfried der starke zu fragen da begann:

"Wer soll nun der Hüter des Gesindes sein?"

Wohl konnte nie den Sachsen ein Heerzug übler gedeihn.

Sie sprachen: "Laßt der Knappen hüten auf den Wegen 183

Dankwart den kühnen, das ist ein schneller Degen:

Wir verlieren desto minder durch Die in Lüdgers Lehn;

Laßt ihn mit Ortweinen hie die Nachhut versehn."

"So will ich selber reiten," sprach Siegfried der Degen, 184

"Den Feinden gegenüber der Warte zu pflegen,

Bis ich recht erkunde, wo die Recken sind."

Da stand bald in den Waffen der schönen Siegelinde Kind.

Das Volk befahl er Hagen, als er zog hindann, 185

Ihm und Gernoten, diesem kühnen Mann.

So ritt er hin alleine in der Sachsen Land,

Wo er die rechte Märe wohl bald mit Ehren befand.

Er sah ein groß Geschwader, das auf dem Felde zog, 186

Und die Kraft der Seinen gewaltig überwog:

Es waren vierzigtausend oder wohl noch mehr.

Siegfried in hohem Muthe sah gar fröhlich das Heer.

Da hatte sich ein Recke auch aus der Feinde Schar 187

Erhoben auf die Warte, der wohl gewappnet war:

Den sah der Degen Siegfried und ihn der kühne Mann;

Jedweder auf den andern mit Zorn zu blicken begann.

Ich sag euch, wer der wäre, der hier der Warte pflag; 188

Ein lichter Schild von Golde ihm vor der Linken lag.

Es war der König Lüdegast, der hütete sein Heer.

Der edle Fremdling sprengte herrlich wider ihn einher.

Nun hatt auch ihn Herr Lüdegast sich feindlich erkoren: 189

Ihre Rosse reizten Beide zur Seite mit den Sporen;

Sie neigten auf die Schilde mit aller Macht den Schaft:

Da kam der hehre König darob in großer Sorgen Haft.

Dem Stich gehorsam trugen die Rosse pfeilgeschwind 190

Die Könige zusammen, als wehte sie der Wind;

Dann mit den Zäumen wandten sie ritterlich zurück:

Die grimmen Zwei versuchten da mit dem Schwerte das Glück.

Da schlug der Degen Siegfried, das Feld erscholl umher. 191

Aus dem Helme stoben, als obs von Bränden wär,

Die feuerrothen Funken von des Helden Hand;

Da stritt mit großen Kräften der kühne Vogt von Niederland.

Auch ihm schlug Herr Lüdegast manch grimmen Schlag; 192

Jedweder auf dem Schilde mit ganzer Stärke lag.

Da hatten es wohl dreißig erspäht aus seiner Schar:

Eh die ihm Hülfe brachten, der Sieg doch Siegfrieden war

Mit drei starken Wunden, die er dem König schlug 193

Durch einen lichten Harnisch; der war doch fest genug.

Das Schwert mit seiner Schärfe entlockte Wunden Blut;

Da gewann König Lüdegast einen traurigen Muth.

Er bat ihn um sein Leben und bot ihm all sein Land 194

Und sagt' ihm, er wäre Lüdegast genannt.

Da kamen seine Recken: die hatten wohl gesehn,

Was da von ihnen beiden auf der Warte war geschehn.

Er führt' ihn gern von dannen: da ward er angerannt 195

Von dreißig seiner Mannen; doch wehrte seine Hand

Seinen edeln Geisel mit ungestümen Schlägen.

Bald that noch größern Schaden dieser zierliche Degen.

Die Dreißig zu Tode wehrlich er schlug; 196

Ihrer Einen ließ er leben: der ritt da schnell genug

Und brachte hin die Märe von dem, was hier geschehn;

Auch konnte man die Wahrheit an seinem rothen Helme sehn.

Gar leid wars den Recken aus dem Dänenland, 197

Als ihres Herrn Gefängniss ihnen ward bekannt.

Man sagt' es seinem Bruder: der fieng zu toben an

In ungestümem Zorne: ihm war gar wehe gethan.

Lüdegast der König war hinweggebracht 198

Zu Gunthers Ingesinde von Siegfrieds Uebermacht.

Er befahl ihn Hagen: der kühne Recke gut,

Als er vernahm die Märe, da gewann er fröhlichen Muth.

Man gebot den Burgunden: "Die Fahne bindet an." 199

"Wohlauf," sprach da Siegfried, "hier wird noch mehr gethan

Vor Abendzeit, verlier ich Leben nicht und Leib:

Das betrübt im Sachsenlande noch manches waidliche Weib.

"Ihr Helden vom Rheine, ihr sollt mein nehmen wahr: 200

Ich kann euch wohl geleiten zu Lüdegers Schar.

Da seht ihr Helme hauen von guter Helden Hand:

Eh wir uns wieder wenden, wird ihnen Sorge bekannt."

Zu den Rossen sprangen Gernot und Die ihm unterthan. 201

Die Heerfahne faßte der kühne Spielmann,

Volker der Degen, und ritt der Schar vorauf.

Da war auch das Gesinde zum Streite muthig und wohlauf.

Sie führten doch der Degen nicht mehr denn tausend Mann, 202

Darüber zwölf Recken. Zu stieben da begann

Der Staub von den Straßen: sie ritten über Land;

Man sah von ihnen scheinen manchen schönen Schildesrand.

Nun waren auch die Sachsen gekommen und ihr Heer 203

Mit Schwertern wohlgewachsen; die Klingen schnitten sehr,

Das hab ich wohl vernommen, den Helden an der Hand:

Da wollten sie die Gäste von Burgen wehren und Land.

Der Herren Scharmeister führten das Volk heran. 204

Da war auch Siegfried kommen mit den zwölf Mann,

Die er mit sich führte aus dem Niederland.

Des Tags sah man im Sturme manche blutige Hand.

Sindold und Hunold und auch Gernot 205

Die schlugen in dem Streite viel der Helden todt,

Eh sie ihrer Kühnheit noch selber mochten traun:

Das musten bald beweinen viel der waidlichen Fraun.

Volker und Hagen und auch Ortwein 206

Leschten in dem Streite manches Helmes Schein

Mit fließendem Blute, die Kühnen in der Schlacht.

Von Dankwarten wurden viel große Wunder vollbracht.

Da versuchten auch die Dänen waidlich ihre Hand; 207

Von Stößen laut erschallte mancher Schildesrand

Und von den scharfen Schwertern, womit man Wunden schlug.

Die streitkühnen Sachsen thaten Schadens auch genug.

Als die Burgunden drangen in den Streit, 208

Von ihnen ward gehauen manche Wunde weit:

Ueber die Sättel fließen sah man das Blut;

So warben um die Ehre diese Ritter kühn und gut.

Man hörte laut erhallen den Helden an der Hand 209

Ihre scharfen Waffen, als Die von Niederland

Ihrem Herrn nachdrangen in die dichten Reihn;

Die zwölfe kamen ritterlich zugleich mit Siegfried hinein.

Deren vom Rheine kam ihnen Niemand nach. 210

Man konnte fließen sehen den blutrothen Bach

Durch die lichten Helme von Siegfriedens Hand,

Eh er Lüdegeren vor seinen Heergesellen fand.

Dreimal die Kehre hat er nun genommen 211

Bis an des Heeres Ende; da war auch Hagen kommen:

Der half ihm wohl vollbringen im Kampfe seinen Muth.

Da muste bald ersterben vor ihnen mancher Ritter gut.

Als der starke Lüdeger Siegfrieden fand, 212

Wie er so erhaben trug in seiner Hand

Balmung den guten und da so Manchen schlug,

Darüber ward der Kühne vor Zorn ingrimmig genug.

Da gab es stark Gedränge und lauten Schwerterklang, 213

Wo ihr Ingesinde auf einander drang.

Da versuchten desto heftiger die beiden Recken sich;

Die Scharen wichen beide: der Kämpen Haß ward fürchterlich.

Dem Vogt vom Sachsenlande war es wohl bekannt, 214

Sein Bruder sei gefangen: drum war er zornentbrannt;

Nicht wust er, ders vollbrachte, sei der Sieglindensohn.

Man zeihte des Gernoten; hernach befand er es schon.

Da schlug so starke Schläge Lüdegers Schwert, 215

Siegfrieden unterm Sattel niedersank das Pferd;

Doch bald erhob sichs wieder: der kühne Siegfried auch

Gewann jetzt im Sturme einen furchtbaren Brauch.

Dabei half ihm Hagen wohl und Gernot, 216

Dankwart und Volker: da lagen Viele todt.

Sindold und Hunold und Ortwein der Degen

Die konnten in dem Streite zum Tode Manchen niederlegen.

Untrennbar im Kampfe waren die Fürsten hehr. 217

Ueber die Helme fliegen sah man manchen Sper

Durch die lichten Schilde von der Helden Hand;

Auch ward von Blut geröthet mancher herrliche Rand.

In dem starken Sturme sank da mancher Mann 218

Von den Rossen nieder. Einander rannten an

Siegfried der kühne und König Lüdeger;

Man sah da Schäfte fliegen und manchen schneidigen Sper.

Der Schildbeschlag des Königs zerstob vor Siegfrieds Hand. 219

Sieg zu erwerben dachte der Held von Niederland

An den kühnen Sachsen; die litten Ungemach.

Hei! was da lichte Panzer der kühne Dankwart zerbrach!

Da hatte König Lüdeger auf einem Schild erkannt 220

Eine gemalte Krone vor Siegfriedens Hand:

Da sah er wohl, es wäre der kraftreiche Mann.

Laut auf zu seinen Freunden der Held zu rufen begann:

"Begebt euch des Streites, ihr all mir unterthan! 221

Den Sohn König Siegmunds traf ich hier an,

Siegfried den starken hab ich hier erkannt;

Den hat der üble Teufel her zu den Sachsen gefandt."

Er gebot die Fahnen zu senken in dem Streit. 222

Friedens er begehrte: der ward ihm nach der Zeit;

Doch must er Geisel werden in König Gunthers Land:

Das hatt an ihm erzwungen des kühnen Siegfriedes Hand.

Nach allgemeinem Rathe ließ man ab vom Streit. 223

Viel zerschlagner Helme und der Schilde weit

Legten sie aus Händen; so viel man deren fand,

Die waren blutgeröthet von der Burgunden Hand.

Sie fiengen, wen sie wollten: sie hatten volle Macht. 224

Gernot und Hagen, die schnellen, hatten Acht,

Daß man die Wunden bahrte; da führten sie hindann

Gefangen nach dem Rheine der Kühnen fünfhundert Mann.

Die sieglosen Recken zum Dänenlande ritten. 225

Da hatten auch die Sachsen so tapfer nicht gestritten,

Daß man sie loben sollte: das war den Helden leid.

Da beklagten ihre Freunde die Gefallnen in dem Streit.

Sie ließen ihre Waffen aufsäumen nach dem Rhein. 226

Es hatte wohl geworben mit den Gefährten sein

Siegfried der starke und hatt es gut vollbracht:

Das must ihm zugestehen König Gunthers ganze Macht.

Gen Worms sandte Boten der König Gernot: 227

Daheim in seinem Lande den Freunden er entbot,

Wie ihm gelungen wäre und all seinem Lehn:

Es war da von den Kühnen nach allen Ehren geschehn.

Die Botenknaben liefen; so ward es angesagt. 228

Da freuten sich in Liebe, die eben Leid geklagt,

Dieser frohen Märe, die ihnen war gekommen.

Da ward von edlen Frauen großes Fragen vernommen,

Wie es den Herrn gelungen wär in des Königs Heer. 229

Man rief der Boten Einen zu Kriemhilden her.

Das geschah verstohlen, sie durfte es wohl nicht laut:

Denn Einer war darunter, dem sie längst ihr Herz vertraut.

Als sie in ihre Kammer den Boten kommen sah, 230

Kriemhild die schöne gar gütlich sprach sie da:

"Nun sag mir liebe Märe, so geb ich dir mein Gold,

Und thust dus ohne Trügen, will ich dir immer bleiben hold.

"Wie schied aus dem Streite mein Bruder Gernot 231

Und meine andern Freunde? Blieb uns nicht Mancher todt?

Wer that da das Beste? das sollst du mir sagen"

Da sprach der biedre Bote: "Wir hatten nirgend einen Zagen.

"Zuvorderst in dem Streite ritt Niemand so wohl, 232

Hehre Königstochter, wenn ich es sagen soll,

Als der edle Fremdling aus dem Niederland:

Da wirkte große Wunder des kühnen Siegfriedes Hand.

"Was von den Recken allen im Streit da geschehn, 233

Dankwart und Hagen und des Königs ganzem Lehn,

Wie wehrlich sie auch stritten, das war doch wie ein Wind

Nur gegen Siegfrieden, König Siegmundens Kind.

"Sie haben in dem Sturme der Helden viel erschlagen; 234

Doch möcht euch dieser Wunder ein Ende Niemand sagen,

Die da Siegfried wirkte, ritt er in den Streit.

Den Fraun an ihren Freunden that er mächtiges Leid.

"Auch muste vor ihm fallen der Friedel mancher Braut. 235

Seine Schläge schollen auf Helmen also laut,

Daß sie aus Wunden brachten das fließende Blut:

Er ist in allen Dingen ein Ritter kühn und auch gut.

"Da hat auch viel begangen von Metz Herr Ortewein: 236

Was er nur mocht erlangen mit dem Schwerte sein,

Das fiel vor ihm verwundet oder meistens todt.

Da schuf euer Bruder die allergrößeste Noth,

"Die jemals in Stürmen mochte sein geschehn; 237

Man muß dem Auserwählten die Wahrheit zugestehn.

Die stolzen Burgunden bestanden so die Fahrt,

Daß sie vor allen Schanden die Ehre haben bewahrt.

"Man sah von ihren Händen der Sättel viel geleert, 238

Als so laut das Feld erhallte von manchem lichten Schwert.

Die Recken vom Rheine die ritten allezeit,

Daß ihre Feinde beßer vermieden hätten den Streit.

"Auch die kühnen Tronjer schufen großes Leid, 239

Als mit Volkskräften das Heer sich traf im Streit.

Da schlug so Manchen nieder des kühnen Hagen Hand,

Es wäre viel zu sagen davon in der Burgunden Land.

"Sindold und Hunold in Gernotens Heer 240

Und Rumold der kühne schufen so viel Beschwer,

König Lüdger mag es beklagen allezeit,

Daß er meine Herren am Rhein berief in den Streit.

"Kampf, den allerhöchsten, der irgend da geschah, 241

Vom Ersten bis zum Letzten, den Jemand nur sah,

Hat Siegfried gefochten mit wehrlicher Hand:

Er bringt reiche Geisel her in König Gunthers Land.

"Die zwang mit seinen Kräften der streitbare Held, 242

Wovon der König Lüdegast den Schaden nun behält

Und vom Sachsenlande sein Bruder Lüdeger.

Nun hört meine Märe, viel edle Königin hehr!

"Gefangen hat sie beide Siegfriedens Hand: 243

Nie so mancher Geisel kam in dieses Land,

Als nun seine Kühnheit bringt an den Rhein."

Ihr konnten diese Mären nicht willkommener sein.

"Man führt der Gesunden fünfhundert oder mehr 244

Und der zum Sterben Wunden, wißt, Königin hehr,

Wohl achtzig blutge Bahren her in unser Land:

Die hat zumeist verhauen des kühnen Siegfriedes Hand.

"Die uns im Uebermuthe widersagten hier am Rhein, 245

Die müßen nun Gefangene König Gunthers sein;

Die bringt man mit Freuden her in dieses Land."

Ihre lichte Farb erblühte, als ihr die Märe ward bekannt.

Ihr schönes Antlitz wurde vor Freuden rosenroth, 246

Da lebend war geschieden aus so großer Noth

Der waidliche Recke, Siegfried der junge Mann.

Sie war auch froh der Freunde und that wohl weislich daran.

Die Schöne sprach: "Du machtest mir frohe Mär bekannt: 247

Ich laße dir zum Lohne geben reich Gewand,

Und zehn Mark von Golde heiß ich dir tragen."

Drum mag man solche Botschaft reichen Frauen gerne sagen.

Man gab ihm zum Lohne das Gold und auch das Kleid. 248

Da trat an die Fenster manche schöne Maid

Und schaute nach der Straße, wo man reiten fand

Viel hochherzge Degen in der Burgunden Land.

Da kamen die Gesunden, der Wunden Schar auch kam: 249

Die mochten grüßen hören von Freunden ohne Scham.

Der Wirth ritt seinen Gästen entgegen hocherfreut:

Mit Freuden war beendet all sein mächtiges Leid.

Da empfieng er wohl die Seinen, die Fremden auch zugleich, 250

Wie es nicht anders ziemte dem Könige reich,

Als denen gütlich danken, die da waren kommen,

Daß sie den Sieg mit Ehren im Sturme hatten genommen.

Herr Gunther ließ sich Kunde von seinen Freunden sagen, 251

Wer ihm auf der Reise zu Tode wär erschlagen,

Da hatt er nicht verloren mehr als sechzig Mann;

Die muste man verschmerzen, wie man noch Manchen gethan.

Da brachten die Gesunden zerhauen manchen Rand 252

Und viel zerschlagener Helme in König Gunthers Land.

Das Volk sprang von den Rossen vor des Königs Saal;

Zu liebem Empfange vernahm man fröhlichen Schall.

Da gab man Herbergen den Recken in der Stadt. 253

Der König seine Gäste wohl zu verpflegen bat;

Die Wunden ließ er hüten und warten fleißiglich.

Wohl zeigte seine Milde auch an seinen Feinden sich.

Er sprach zu Lüdegeren: "Nun seid mir willkommen! 254

Ich bin zu großem Schaden durch eure Schuld gekommen:

Der wird mir nun vergolten, wenn ich das schaffen kann.

Gott lohne meinen Freunden: sie haben wohl an mir gethan."

"Wohl mögt ihr ihnen danken," sprach da Lüdeger, 255

"Solche hohe Geisel gewann kein König mehr.

Um ritterlich Gewahrsam bieten wir großes Gut

Und bitten, daß ihr gnädiglich an euern Widersachern thut."

"Ich will euch," sprach er, "Beide ledig laßen gehn; 256

Nur daß meine Feinde hier bei mir bestehn,

Dafür verlang ich Bürgschaft, damit sie nicht mein Land

Räumen ohne Frieden." Darauf boten sie die Hand.

Man brachte sie zur Ruhe, wo man sie wohl verpflag. 257

Und bald auf guten Betten mancher Wunde lag.

Man schenkte den Gesunden Meth und guten Wein;

Da konnte das Gesinde nicht wohl fröhlicher sein.

Die zerhaunen Schilde man zum Verschluße trug; 258

Blutgefärbter Sättel sah man da genug.

Die ließ man verbergen, so weinten nicht die Fraun.

Da waren reisemüde viel gute Ritter zu schaun.

Seiner Gäste pflegen hieß der König wohl; 259

Von Heimischen und Fremden lag das Land ihm voll;

Er ließ die Fährlichwunden gütlich verpflegen:

Wie hart war darnieder nun ihr Uebermuth gelegen!

Die Arzneikunst wusten, denen bot man reichen Sold, 260

Silber ungewogen, dazu das lichte Gold,

Wenn sie die Helden heilten nach des Streites Noth.

Dazu viel große Gaben der König seinen Gästen bot.

Wer wieder heimzureisen sann in seinem Muth, 261

Den bat man noch zu bleiben, wie man mit Freunden thut.

Der König gieng zu Rathe, wie er lohne seinem Lehn:

Durch sie war sein Wille nach allen Ehren geschehn.

Da sprach der König Gernot: "Laßt sie jetzt hindann; 262

Ueber sechs Wochen, das kündigt ihnen an,

Sollten sie wiederkehren zu einem Hofgelag:

Heil ist dann wohl Mancher, der jetzt schwer verwundet lag."

Da bat auch um Urlaub Siegfried von Niederland. 263

Als dem König Gunther sein Wille ward bekannt,

Bat er ihn gar minniglich, noch bei ihm zu bestehn;

Wenn nicht um seine Schwester, so wär es nimmer geschehn.

Dazu war er zu mächtig, daß man ihm böte Sold, 264

So sehr er es verdiente. Der König war ihm hold

Und all seine Freunde, die das mit angesehn,

Was da von seinen Händen war im Streite geschehn.

Er dachte noch zu bleiben um die schöne Maid; 265

Vielleicht, daß er sie sähe. Das geschah auch nach der Zeit:

Wohl nach seinem Wunsche ward sie ihm bekannt.

Dann ritt er reich an Freuden heim in seines Vaters Land.

Der Wirth bat alle Tage des Ritterspiels zu pflegen; 266

Das that mit gutem Willen mancher junge Degen.

Auch ließ er Sitz' errichten vor Worms an dem Strand

Für Die da kommen sollten in der Burgunden Land.

Nun hatt auch in den Tagen, als sie sollten kommen, 267

Kriemhild die schöne die Märe wohl vernommen,

Er stell ein Hofgelage mit lieben Freunden an.

Da dachten schöne Frauen mit großem Fleiße daran,

Gewand und Band zu suchen, das sie wollten tragen. 268

Ute die reiche vernahm die Märe sagen

Von den stolzen Recken, die da sollten kommen:

Da wurden aus dem Einschlag viele reiche Kleider genommen.

Ihrer Kinder halb bereiten ließ sie Rock und Kleid, 269

Womit sich da zierten viel Fraun und manche Maid

Und viel der jungen Recken aus Burgundenland.

Sie ließ auch manchem Fremden bereiten herrlich Gewand.

* * * * *

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