Vierunddreißigstes Abenteuer.

Wie sie die Todten aus dem Saale warfen.

Da setzten sich aus Müdigkeit die Herrn und ruhten aus. 2116

Volker und Hagen die giengen vor das Haus

Ueber den Schild sich lehnend in ihrem Uebermuth:

Da pflagen launger Reden diese beiden Helden gut.

Da sprach von Burgunden Geiselher der Degen: 2117

"Noch dürft ihr, lieben Freunde, nicht der Ruhe pflegen:

Ihr sollt erst die Todten aus dem Hause tragen.

Wir werden noch bestanden, das will ich wahrlich euch sagen.

"Sie sollen untern Füßen uns hier nicht länger liegen, 2118

bevor im Sturm die Heunen mögen uns besiegen,

Wir haun noch manche Wunde, die gar sanft mir thut.

Des hab ich," sprach da Geiselher, "einen willigen Muth."

"O wohl mir solches Herren," sprach Hagen entgegen. 2119

"Der Rath geziemte Niemand als einem solchen Degen,

Wie unsern jungen Herren wir heute hier gesehn:

Ihr Burgunden möget all darob in Freuden stehn.

Da folgten sie dem Rathe und trugen vor die Thür 2120

Siebentausend Todte, die warfen sie dafür.

Vor des Saales Stiege fielen sie zu Thal:

Da erhoben ihre Freunde mit Jammern kläglichen Schall.

Auch war darunter Mancher nur so mäßig wund, 2121

Käm ihm sanftre Pflege, er würde noch gesund;

Doch von dem hohen Falle fand er nun den Tod.

Das klagten ihre Freunde; es zwang sie wahrhafte Noth.

Da sprach der Fiedelspieler, der Degen unverzagt: 2122

"Nun seh ich wohl, sie haben mir Wahrheit gesagt:

Die Heunen sind feige, sie klagen wie ein Weib,

Da sie nun pflegen sollten der Schwerverwundeten Leib."

Da mocht ein Markgraf wähnen, er meint es ernst und gut: 2123

Ihm war der Vettern Einer gefallen in das Blut;

Den dacht' er wegzutragen und wollt ihn schon umfahn:

Da schoß ob ihm zu Tode den der kühne Spielmann.

Als das die Andern sahen, sie flohen von dem Saal. 2124

Dem Spielmann zu fluchen begannen sie zumal.

Einen Sper hob Volker vom Boden, scharf und hart,

Der von einem Heunen zu ihm hinauf geschoßen ward.

Den schoß er durch den Burghof zurück kräftiglich 2125

Ueber ihre Häupter. Das Volk Etzels wich

Erschreckt von dem Wurfe weiter von dem Haus.

Vor seinen Kräften hatten alle Leute Schreck und Graus,

Da stand vor dem Hause Etzel mit manchem Mann. 2126

Volker und Hagen huben zu reden an

Mit dem Heunenkönig nach ihrem Uebermuth.

Das schuf bald große Sorge diesen Helden kühn und gut.

"Wohl wär es," sprach da Hagen, "des Volkes Trost im Leid, 2127

Wenn die Herren föchten allen voran im Streit,

Wie von meinen Herren hier Jeglicher thut:

Die hauen durch die Helme, daß von den Schwertern fließt das Blut."

So kühn war König Etzel, er faßte seinen Schild. 2128

"Nun hütet eures Lebens," sprach da Kriemhild,

"Und bietet Gold den Recken auf dem Schildesrand,

Denn erreicht euch Hagen, ihr habt den Tod an der Hand."

So kühn war der König, er ließ nicht vom Streit, 2129

Wozu so mächtge Fürsten nun selten sind bereit.

Man must ihn bei den Riemen des Schildes ziehn hindann.

Hagen der grimme ihn mehr zu höhnen begann:

"Eine nahe Sippe war es," sprach Hagen gleich zur Hand, 2130

"Die Etzeln zusammen und Siegfried verband:

Er minnte Kriemhilden, eh sie gesehen dich:

Feiger König Etzel, warum räthst du wider mich?"

Diese Rede hörte die edle Königin, 2131

Darüber ward unmuthig Kriemhild in ihrem Sinn,

Daß er sie schelten durfte vor manchem Etzelsmann.

Wider die Gäste hub sie aufs Neu zu werben an.

Sie sprach: "Wer von Tronje den Hagen mir schlüge 2132

Und sein Haupt als Gabe her vor mich trüge,

Mit rothem Golde füllt' ich ihm Etzels Schildesrand;

Auch gäb ich ihm zum Lohne viel gute Burgen und Land."

"Ich weiß nicht, was sie zaudern," sprach der Fiedelmann. 2133

"Nie sah ich, daß Helden so verzagt gethan,

Wo man bieten hörte also reichen Sold.

Wohl sollt ihnen Etzel nimmer wieder werden hold.

"Die hier mit Schimpf und Schanden eßen des Königs Brot 2134

Und jetzt im Stich ihn laßen in der größten Noth,

Deren seh ich Manchen so recht verzagt da stehn

Und thun doch so verwegen: sie können nie der Schmach entgehn."

Der mächtige Etzel hatte Jammer und Noth: 2135

Er beklagte seiner Mannen und Freunde bittern Tod.

Von manchen Landen standen ihm Recken viel zur Seit

Und weinten mit dem König sein gewaltiges Leid.

Darob begann zu spotten der kühne Volker: 2136

"Ich seh hier übel weinen gar manchen Recken hehr.

Sie helfen schlecht dem König in seiner großen Noth.

Wohl eßen sie mit Schanden nun schon lange hier sein Brot."

Da gedachten wohl die Besten: "Wahr ists, was Volker sagt." 2137

Von Niemand doch von allen ward es so schwer beklagt

Als von Markgraf Iring, dem Herrn aus Dänenland,

Was sich nach kurzer Weite wohl nach der Wahrheit befand.

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