NORWEGISCHES SEEMANNSLIED

(Zu einem Fest norwegischer Seeleute in Stavanger 1868)

Norwegisch Seevolk ist
Ein derber Schlag voll Kraft und List;
Wo Schiffszeug schwimmen kann,
Da ist es vorne dran.
Auf Meerfahrt und zu Haus,
Im Sund und bei den Schären draus,
Vertraut es Gottes Schutz
Und beut den Wogen Trutz.

Hier müht ein Volk sich ab
Fürs Leben ruhlos bis zum Grab,—
Des Todes Sense mäht
Sich Opfer früh und spät.
Was Tag um Tag geschieht,
Bewahrt nur selten Wort und Lied,
Und von so manchem Stück
Kehrt keiner mehr zurück.

Ja, schlichter Fischer Kiel,
Von Mut und Witz geführt zum Ziel,
Hat Werke viel erschaut,
Die niemals wurden laut.
Und manches Seemanns Haupt
Ward feucht mit Schilf und Tang umlaubt,
Statt daß ihn goldnes Reis
Gekränzt im Heldenkreis.

Des Olavkreuzes Ruhm
Hätt' manches Lotsen Heldentum
Verdient, der Schar um Schar
Gerettet aus Gefahr.
Und manchem Bürschchen auch,
Das heimritt auf der Jolle Bauch,
Stand Vater hoch an Bord,
Gebührte wohl ein Wort.

Doch Norges Küste ist
Des Landes Mutterbrust und mißt
Ihm Nahrung zu, wenngleich
Oft Nahrung tränenreich.
Sie hütet und bewacht,
Was ihre Söhne je vollbracht,
Vom großen Hafurstag
Bis auf das letzte Wrack.

Das fühlte, wer sein Land
Nach langem Fernsein wiederfand;
Das fühlte, wer es ließ,
Wann er vom Ufer stieß.
Das fühlten, die weit fort:
Der Heimat Glück war mit an Bord:
Der weißen Segel Fleiß
Gewann uns Macht und Preis.

* * *

Hurra, wer immer heut
Zur See sich unsrer Flagge freut!
Hurra, der Lotse brav,
Der sie zuerst heut traf!
Hurra, der Fischer, der
Sich rudernd wagt auf Fjord und Meer!
Hurra, im Schärenkranz
Die Küste unsres Lands!

HALFDAN KJERULF [Symbol: gestorben]

(1868)

Hart griff der Winter die jungfrohe Kraft,
Doch er griff fehl. Der lenzfrische Saft
Rettete sich in dem leidenden Stamme.
Hochsommer bracht' ihm der Blütezeit Flamme,
Spätherbst gab reifender Früchte Prangen,—
Wenige, doch süß und mit rosigen Wangen.

Sein ward die Frucht—und wird ewig gesät,
Da, wo man ewig im Sommer steht.
Er allein fand
Leidengebeugt sich an Todesstroms Rand.
Weiter kämpft' er mit Winter und Eis,
Kämpft' um den Sommer, des Sängers Preis,
Kämpfte im Sinken, noch demütig schön
In brünstigem Flehn.

Hat ihn der Sommer auch wirklich gefällt,—
Jetzt, da man's erntet, das goldene Korn,
Hat er gesiegt; unter Jagdruf und Horn,
Einzugsfeier er hält.

Er ist der Dichtkunst mächtiges Bild.
Winterlich herb und doch sommerlich mild.
Gleichwie die Lüfte in zitterndem Schein,
Rosige Gipfel und laubfrischer Hain,
Bäche, die blumige Wiesen durchgleiten,
Klingen und spielen in Sonnenlichts Saiten,
So soll die Dichtkunst erstehen aufs neu',—
Bleibt sie, selbst fallend, der Sache nur treu,—
Mächtig sich dehnen,
Bald ist hier Sommer mit Sommers Sehnen.

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