Um ein klares Bild des gegenwärtigen Standes der proletarischen Frauenarbeit zu gewinnen, gilt es zunächst, ihre Ausbreitung zahlenmäßig festzustellen. Diesem Bestreben stellen sich jedoch große Schwierigkeiten entgegen: die Erhebungen der verschiedenen Länder sind, was ihre grundlegenden Prinzipien sowohl wie die Art ihrer Ausführung betrifft, so abweichend voneinander, daß eine Zusammenstellung internationaler Ergebnisse nicht zu unbedingt richtigen Resultaten führen kann. Selbst wenn wir uns im wesentlichen auf Deutschland, Oesterreich, Frankreich, England und die Vereinigten Staaten beschränken, haben wir es mit ganz ungleichartigen Zählungen zu thun. Schon der Begriff der Berufsthätigen überhaupt ist kein feststehender, Deutschland und Oesterreich zählen, zum Teil in hohem Maße, die mithelfenden Familienangehörigen dazu, während England z.B. sie vollständig ausscheidet. Ferner ist in Frankreich, England und Nordamerika die erste Voraussetzung einer Zählung der proletarischen Arbeit dadurch nicht erfüllt, daß die soziale Schichtung, d.h. die Einteilung der Berufsthätigen in Selbständige, Angestellte, Arbeiter u.s.w., ganz fehlt oder sehr unzureichend ist. Frankreich, das in den allerdings ungenügenden Zählungen von 1881 und 1891 die soziale Schichtung in Unternehmer, Angestellte und Arbeiter vorgenommen hatte, ist in der Zählung von 1896 davon abgegangen und hat Angestellte und Arbeiter unbegreiflicherweise wieder zusammengeworfen, sodaß sie, trotz ihrer sonstigen Vorzüge, für unseren Zweck nur mit Einschränkungen brauchbar ist. England kennt nur die Einteilung in Arbeitgeber, Arbeitnehmer und auf eigene Rechnung Arbeitende, und auch diese erst in der letzten Zählung von 1891, der von 1881 fehlt fast jede Einteilung, und nur die große Detaillierung der Arbeitszweige ermöglicht eine annähernd richtige Feststellung der proletarischen Arbeit. Dasselbe gilt für Nordamerika, wo die soziale Schichtung so gut wie vollständig fehlt und nur die Ausführlichkeit in der Darstellung der einzelnen Berufe darüber hinwegzuhelfen vermag. In Oesterreich, zum Teil auch in Deutschland, sind die letzte und die vorletzte Zählung nach so verschiedenen Prinzipien erfolgt, daß auch hier ein Vergleich schwer ist.
So hat man in Oesterreich neben den Selbständigen, Angestellten und Arbeitern eine vierte Schicht, die der Tagelöhner geschaffen, die bei internationalen Vergleichungen sehr störend wirkt, weil sie sich in dieser Form nirgends wiederfindet. Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, daß der Begriff der "Selbständigen" ein sehr schwankender ist. Die deutsche Statistik versteht darunter sowohl die Besitzer landwirtschaftlicher Zwergbetriebe, als jede Näherin oder Putzmacherin, die auf eigene Rechnung arbeitet. Die Betriebszählung hilft diesem Uebelstande zum Teil ab, und man kann wenigstens mit ihrer Hilfe die ausgesprochen proletarischen Existenzen aussondern. Unmöglich dagegen ist es in England, wo die Schicht der "auf eigene Rechnung Arbeitenden" die große Schneiderin, ebenso wie die arme Näherin umfassen kann; und in Frankreich wieder hat man die Kleinmeister (petits patrons), die früher besonders berechnet wurden, in der letzten Zählung ohne weiteres den Arbeitern zugezählt. Ganz abgesehen von all diesen Bedenken in Bezug auf die einzelnen Länder, gilt für alle das gleiche: daß nämlich gerade die proletarische Frauenarbeit in ihrem ganzen Umfang schwer zu erfassen ist; teils versteckt sie sich in fast unerreichbare Erden- und Häuserwinkel, teils sind die befragten Frauen selbst zu schwerfällig und unaufgeklärt, um genaue Antworten geben zu können. Die folgenden Tabellen, die auf Grund eines so unzureichenden Materials zusammengestellt wurden, machen daher nicht den Anspruch, den Stand der proletarischen Frauenarbeit unbedingt richtig wiederzugeben.
Eine Betrachtung der proletarischen Arbeit im Verhältnis zur Erwerbsthätigkeit überhaupt giebt den besten Begriff für ihre Bedeutung.
Länder
Zählungsperiode
Erwerbsthätige Männer
Davon waren Arbeiter
Erwerbsthätige Frauen
Davon waren Arbeiterinnen
Auf 100 erwerbsthätige Männer resp. Frauen kamen
Arbeiter
Arbeiterinnen
Deutschland
1882
13415415
8020114
5541517
4408116
59,78
79,55
1895
15531841
9295082
6578350
5293277
59,85
80,47
Oesterreich
1880
6823891
3670338
4688687
3642864
53,79
77,69
1890
7780491
4363074
6245073
5310639
56,07
85,04
Frankreich
1881
10496652
4376604
5033604
3635802
41,69
72,23
1891
11137065
4990635
5191084
3584518
43,91
69,05
Verein. Staaten
1880
14744943
7053702
2647157
2041466
47,84
77,12
1890
18821090
8735622
3914571
2864818
46,41
73,18
England u. Wales
1891
8883254
5368965
4016230
3113256
60,44
77,51
Zunächst geht aus der Zusammenstellung hervor, daß die Frauenarbeit überhaupt einen ausgesprochen proletarischen Charakter hat: etwa drei Viertel aller erwerbsthätigen Frauen sind Arbeiterinnen. Wenn das übrigbleibende eine Viertel bisher in der Frauenbewegung allein zu Worte kam und sich mit seinen Wünschen in den Vordergrund zu drängen verstand, so ist dies ein Beweis mehr für die traurige Lage der Arbeiterinnen: sie bildeten jene große Armee der Stummen, denen die Not den Mund verschloß. Für ihre Zunahme scheint die vorstehende Tabelle nicht zu sprechen; nur in Deutschland und Oesterreich verschiebt sich der Anteil der Arbeiterinnen am weiblichen Erwerbsleben zu ihren Gunsten; in Frankreich und Nordamerika findet ein Rückgang statt, der sich für Frankreich sogar in den absoluten Zahlen ausdrückt. Diese frappierende Thatsache, die uns nur in Frankreich begegnet, wird durch die Zählung von 1896 berichtigt, da hier nur eine relative und zwar sehr geringfügige Abnahme zu konstatieren ist. Da sie jedoch, wie gesagt, Arbeiter und Angestellte zusammenrechnet, müssen beide Kategorien, um einen Vergleich zu ermöglichen, auch für 1891 zusammengezählt werden. Das Resultat ist folgendes:
Land
Zählungsperiode
Erwerbsthätige Männer
Davon waren Arbeiter und Angestellte
Erwerbsthätige Frauen
Davon waren Arbeiterinnen und Angestellte
Auf 100 erwerbsthätige Männer resp. Frauen kamen
Arbeiter
Arbeiterinnen
Frankreich
1891
11197065
5563898
5191084
3735904
49,96
71,97
1896
11725978
8290204
6152983
4287006
70,61
69,67
Was Amerika betrifft, so wird die Verschiebung in der Zusammensetzung der Erwerbsthätigen aus bürgerlichen und proletarischen Elementen durch die Zunahme der ersteren, infolge des starken geistigen Aufschwungs und der erheblich gesteigerten Anteilnahme der Frauen an bürgerlichen Berufen im Laufe des zehnjährigen Zeitraumes zur Genüge erklärt. Aber noch eine andere Thatsache springt aus der vorliegenden Tabelle ins Auge: Die enorme Vermehrung der proletarischen Frauenarbeit in Oesterreich; sie hat um fast zwei Millionen zugenommen und übersteigt die Zahl der männlichen Arbeiter um ca. eine Million—ein nirgends wiederkehrendes Verhältnis! So wenig Wert, der verschiedenen angewandten Methoden wegen, auf den Vergleich beider Zählungsresultate zu legen ist, so wichtig bleibt das Ergebnis der letzten Zählung, mit dem wir uns noch werden beschäftigen müssen. Hier sei nur darauf hingewiesen, daß es hauptsächlich dem Umstand der starken Erfassung der verheirateten arbeitenden Frauen entspringt und zweifellos Fehler schwerwiegender Art mit untergelaufen sind.
Die Frage des Wachstums der proletarischen Arbeit muß aber noch von anderen Seiten beleuchtet werden, und zwar zunächst im Vergleich mit dem Wachstum der Bevölkerung:
Länder | Auf 100 männliche Personen der ersten Zählungsperiode kommen in der zweiten | Auf 100 weibliche Personen der ersten Zählungsperiode kommen in der zweiten | Auf 100 Arbeiter der ersten Zählungsperiode kommen in der zweiten | Auf 100 Arbeiterinnen der ersten Zählungsperiode kommen in der zweiten |
Deutschland | 115 | 114 | 116 | 120 |
Oesterreich | 108 | 108 | 119 | 147 |
Frankreich | 101 | 102 | 114 | 99 |
Vereinigte Staaten | 126 | 124 | 124 | 140 |
Aus vorstehender Berechnung geht hervor, daß eine normale Zunahme der male, sie übersteigt, mit Ausnahme von Frankreich, zum Teil, und wie in Oesterreich um ein Bedeutendes, die Zunahme der weiblichen Bevölkerung. In Frankreich ist die Differenz keine sehr große, ja es zeigt sich auch hier eine weit stärkere Zunahme der weiblichen Arbeiterschaft, als der weiblichen Bevölkerung, wenn wir der Berechnung die Zählungen von 1891 und 1896 zu Grunde legen.
Land | Auf 100 männliche Personen der Zählung von 1891 kamen 1896 463 | Auf 100 weibliche Personen der Zählung von 1891 kamen 1896 | Auf 100 Arbeiter der Zählung von 1891 kamen 1896 | Auf 100 Arbeiterinnen der Zählung von 1891 kamen 1896 |
Frankreich | 100 | 100,35 | 151 | 115 |
Für England ist es unmöglich, den Fortschritt der proletarischen Frauenarbeit allein festzustellen, weil nur die letzte Zählung eine soziale Schichtung kennt. Betrachten wir die gesamte erwerbsthätige weibliche Bevölkerung über zehn Jahr in ihrem Verhältnis zur weiblichen Bevölkerung im allgemeinen, so kann von einer wesentlichen Vermehrung nicht die Rede sein: 1881 waren von je 100 weiblichen Personen über zehn Jahr 34,05 erwerbsthätig, 1891 dagegen 34,42. Aber auch der Prozentsatz der männlichen Erwerbstätigen hat sich nicht verschoben, er betrug in beiden Zählungsperioden 83%. 464
Das Verhältnis der männlichen und weiblichen Arbeiter zu einander und seine Verschiebung im Laufe der Zeit muß gleichfalls einer näheren Betrachtung unterzogen werden. Folgende Tabelle giebt Aufschluß darüber:
Länder
Zählungsperiode
Männer
Frauen
Von 100 Arbeitern sind
Männer
Frauen
Deutschland
1882
8020114
4408116
64,53
35,47
1895
9295082
5293277
63,65
36,35
Oesterreich
1880
3670338
3642864
50,19
49,81
1890
4363074
5310639
45,10
54,90
Frankreich 465
1881
4376604
3635802
54,62
45,38
1891
4990635
3584518
59,36
40,64
1891
5563898
3735904
53,44
46,54
1896
8290204
4287006
65,86
34,14
England und Wales
1881
--
--
--
--
1891
5368965
3113256
63,30
36,70
Vereinigte Staaten
1880
7053702
2041466
77,56
22,44
1890
8735622
2864818
75,30
24,70
Mit Ausnahme von Frankreich wäre der Eindruck eines Zurückdrängens der Männer durch die Frauen hiernach der vorherrschende, wenn nicht aus der Tabelle auf Seite 248 schon hervorgegangen wäre, daß thatsächlich die Zunahme der männlichen Arbeiter mit der Zunahme der Bevölkerung gleichen Schritt hält, ja sie zum Teil übersteigt. Es handelt sich also wohl um eine andere Zusammensetzung, nicht aber um einen Rückgang der männlichen Arbeiter. Interessant ist bei vorliegender Tabelle das Bild, das Frankreich bietet. Auch nach der neuesten Zählung scheinen die Frauen den Männern bedeutend nachzustehen. Ein Blick auf die absoluten Zahlen der männlichen Arbeiter bringt die Erklärung dafür: danach sollen die Angestellten und Arbeiter im Laufe von nur fünf Jahren eine Zunahme von fast drei Millionen erfahren haben! Das ist, angesichts der minimalen Zunahme der Bevölkerung, selbst dann eine Unmöglichkeit, wenn in Betracht gezogen wird, daß die Zählung von 1896 die Kleinmeister (petits patrons) den Arbeitern zugerechnet hat, und es kann als das Wahrscheinlichste angenommen werden, daß die Statistik von 1891 einen großen Teil der Arbeiter nicht erfaßte. Ist das der Fall, so würde die Zusammensetzung der Arbeiter nach Geschlechtern eine andere werden.
Die starke Zunahme der proletarischen Frauenarbeit wird fast immer mit einer Verdrängung der Männerarbeit in Zusammenhang gebracht. Zum Beweise dafür beruft man sich auf die oft beobachtete, im vorigen Abschnitt auch von uns angeführte Thatsache, daß durch die Einführung neuer, leichter zu handhabender Maschinen in gewissen Fabrikationszweigen Frauen an Stelle der Männer treten. Ganz abgesehen davon, daß es auch Maschinen giebt,—z.B. die Setzmaschine,—die ihrerseits wieder die Frauenarbeit verdrängen, zeigt es sich an der Hand der Statistik, daß im allgemeinen von einem Ersatz der Arbeiter durch Arbeiterinnen kaum die Rede sein kann, es sich vielmehr um Verschiebungen handelt. Die gegenteilige Behauptung ist auch eines jener auf ungenügender Kenntnis der Thatsachen beruhenden Schlagworte der Frauenbewegung. Folgende Tabelle diene zum Beweis dafür. 466 Es verblieben nämlich in der Stellung von berufslosen Familienangehörigen:
Von je 1000 Personen
in der Altersklasse
Deutschland
Oesterreich
männlich
weiblich
männlich
weiblich
unter 20 Jahr
742
812
655
691
von 20-30 Jahr
24
531
28
268
" 30-40 "
9
743
11
340
" 40-50 "
7
710
7
304
" 50-60 "
10
632
8
267
" 60-70 "
22
553
18
261
" 70 Jahr und darüber
106
469
54
253
Daraus geht hervor, daß in den für die Berufsarbeit entscheidenden Altersklassen kaum 1% Männer zum Eintritt in den Erwerb übrig bleibt. Man kann annehmen, daß dieses eine Prozent großenteils aus jenen physisch und moralisch Kranken besteht, die überhaupt von der Berufsarbeit ausgeschlossen sind, daß daher fast alle verfügbaren Männer zur Arbeit herangezogen wurden. Anders steht es mit den Frauen. Ihr Anteil an der Berufsarbeit fällt wesentlich in das 20. bis 30. Lebensjahr, aber auch hier ist noch fast die Hälfte der Frauen erwerbslos und diese Erwerbslosigkeit steigert sich erheblich in den Jahren, wo Mutter- und Hausfrauenpflichten die Frauen in Anspruch nehmen. Erst in späteren Jahren, zu einer Zeit, wo der Rücktritt der Männer in die Reihen der Berufslosen beginnt, wächst wieder, infolge der großen Zahl von Witwen, der Anteil der Frauen am Erwerbsleben. Jedenfalls bleiben in allen Altersklassen noch viele erwerbsfähige Frauen verfügbar, und aus ihren Reihen nimmt besonders die Industrie die ihr nötigen, aus der Männerwelt nicht zu deckenden Arbeitskräfte. Infolgedessen wird auf absehbare Zeit hinaus die proletarische Frauenarbeit im Verhältnis stärker zunehmen als die Männerarbeit, ohne daß diese durch jene gefährdet wird. Diese Auffassung kann scheinbar durch den Hinweis auf die große Zahl der Arbeitslosen entkräftet werden. Aber nur scheinbar! Denn die Arbeitslosigkeit entspringt wesentlich dem Saisoncharakter zahlreicher Berufsarten, auch die mangelhafte Organisation des Arbeitsmarkts spielt dabei eine Rolle, und Männer und Frauen werden gleicherweise von ihr heimgesucht.
Die Betrachtung der proletarischen Frauenarbeit verlangt aber auch ein näheres Eingehen auf ihre Beteiligung an den einzelnen Berufsabteilungen. Sie gestaltet sich im Verhältnis zu den Männern folgendermaßen:
Länder
Zählungsperiode
Landwirtschaft
Männer
Frauen
Von 100 Arbeitern sind
männlich
weiblich
Deutschland
1882
3629959
2251860
61,71
38,29
Deutschland
1895
3239646
2388148
57,57
42,43
Oesterreich
1880
1646317
2088985
43,70
56,30
Oesterreich
1890
1962688
3652445
34,95
65,05
Frankreich (nur Arbeiter)
1881
1858131
1542407
54,67
45,33
Frankreich (nur Arbeiter)
1891
2120799
1452924
59,34
40,66
Frankreich (Arbeiter u. Angestellte)
1891
2166351
1482772
59,37
40,63
Frankreich (Arbeiter u. Angestellte)
1896
3818509
1487123
71,97
28,03
England und Wales
1881
807608
40346
95,26
4,74
England und Wales
1891
734984
24150
96,82
3,18
Vereinigte Staaten
1880
2208400
399309
84,69
15,31
Vereinigte Staaten
1890
2316399
363544
86,43
13,57
Länder
Zählungsperiode
Industrie
Männer
Frauen
Von 100 Arbeitern sind
männlich
weiblich
Deutschland
1882
3551014
545229
86,69
13,31
Deutschland
1895
4963409
992302
83,35
16,65
Oesterreich
1880
1193265
449746
72,63
27,37
Oesterreich
1890
1558914
585692
72,69
27,31
Frankreich (nur Arbeiter)
1881
1869639
1161960
61,67
38,33
Frankreich (nur Arbeiter)
1891
2146156
1173061
64,72
35,28
Frankreich (Arbeiter u. Angestellte)
1891
2262222
1219217
64,98
35,02
Frankreich (Arbeiter u. Angestellte)
1896
3048030
1611078
65,42
34,58
England und Wales
1881
England und Wales
1891
3926934
1466130
72,81
27,19
Vereinigte Staaten
1880
2878133
690798
80,65
19,35
Vereinigte Staaten
1890
4236760
1206807
77,83
22,17
Länder
Zählungsperiode
Handel und Verkehr
Männer
Frauen
Von 100 Arbeitern sind
männlich
weiblich
Deutschland
1882
582885
144777
80,11
19,89
Deutschland
1895
868042
365005
70,40
29,60
Oesterreich
1880
131043
31039
80,86
19,14
Oesterreich
1890
189281
59246
76,16
23,84
Frankreich (nur Arbeiter)
1881
304605
119115
71,89
28,11
Frankreich (nur Arbeiter)
1891
497655
228656
68,52
31,48
Frankreich (Arbeiter u. Angestellte)
1891
909310
334038
73,10
26,90
Frankreich (Arbeiter u. Angestellte)
1896
1223919
527073
69,90
30,10
England und Wales
1881
England und Wales
1891
638423
12556
98,07
1,93
Vereinigte Staaten
1880
91502
4803
95,90
4,10
Vereinigte Staaten
1890
127619
10027
92,72
7,28
Länder
Zählungsperiode
Persönlicher Dienst und Lohnarbeit
wechselnder Art
Männer
Frauen
Von 100 Arbeitern sind
männlich
weiblich
Deutschland
1882
213746
183836
53,76
46,24
Deutschland
1895
198626
233865
45,91
54,09
Oesterreich
1880
495425
501500
49,70
50,30
Oesterreich
1890
620301
588169
51,23
48,77
Frankreich (nur Arbeiter)
1881
Frankreich (nur Arbeiter)
1891
Frankreich (Arbeiter u. Angestellte)
1891
Frankreich (Arbeiter u. Angestellte)
1896
England und Wales
1881
5728
95826
5,65
94,35
England und Wales
1891
10097
124253
7,50
92,50
Vereinigte Staaten
1880
1715733
70179
99,60
0,40
Vereinigte Staaten
1890
1828265
53096
99,72
0,28
Länder
Zählungsperiode
Häusliche Dienstboten
Männer
Frauen
Von 100 Arbeitern sind
männlich
weiblich
Deutschland
1882
42510
1282414
3,20
96,80
Deutschland
1895
25359
1313957
1,89
98,11
Oesterreich
1880
204288
571594
26,53
73,67
Oesterreich
1890
31890
424387
6,99
93,01
Frankreich (nur Arbeiter)
1881
344229
812320
29,76
70,24
Frankreich (nur Arbeiter)
1891
226015
699877
24,30
75,70
Frankreich (Arbeiter u. Angestellte)
1891
226015
699877
24,30
75,70
Frankreich (Arbeiter u. Angestellte)
1896
199746
661732
23,19
76,81
England und Wales
1881
66262
1230406
5,11
94,89
England und Wales
1891
58527
1386167
4,06
95,94
Vereinigte Staaten
1880
159934
876377
15,43
84,57
Vereinigte Staaten
1890
226679
1231344
15,50
84,50
Es zeigt sich dabei, daß in der Landwirtschaft die Frauenarbeit, mit Ausnahme von Deutschland und Oesterreich, wesentlich abgenommen hat, eine Abnahme, die sich für England und Amerika auch in den absoluten Zahlen ausdrückt. In der Industrie ist ihre Zunahme in Deutschland und Amerika eine raschere als die Männerarbeit, während sie in Oesterreich und Frankreich von dieser überrannt wird, obwohl eine absolute Zunahme stattfand. Ganz bedeutend rascher wächst dagegen die Frauenarbeit im Handel und Verkehr und zwar gilt das für alle Länder. Für die Lohnarbeit wechselnder Art hat überall eine Verschiebung zu Gunsten der Männer stattgefunden, die sich in Amerika sogar auf die absoluten Zahlen erstreckt. Die weiblichen Dienstboten dagegen haben, mit Ausnahme von Amerika, rascher zugenommen als die männlichen, die, wieder mit Ausnahme von Amerika, überall an Zahl bedeutend zurückgingen. Eine absolute Verminderung fand in Oesterreich und Frankreich auch für die weiblichen Dienstboten statt. Diese Darstellung illustriert aber noch nicht genau genug die Gestaltung der proletarischen Arbeit in den einzelnen Berufsabteilungen. Das prozentuale Verhältnis des Wachstums zeigt am besten die Tabelle.
Zunahme resp. Abnahme der Arbeiter und Arbeiterinnen.
Länder
Landwirtschaft
Industrie
Handel und Verkehr
Lohnarbeit wechselnder Art
Dienstboten
Auf 100
männliche
weibliche
männliche
weibliche
männliche
weibliche
männliche
weibliche
männliche
weibliche
Arbeiter der ersten Zählungsperiode kommen in der zweiten
Deutschland 1882 bis 1890
89
106
140
182
149
253
108
127
60
103
Oesterreich 1880 bis 1890
119
175
131
130
144
191
125
117
16
72
Frankreich 1881 bis 1891
114
94
116
101
163
192
--
--
66
86
Frankreich 1891 bis 1896
176
100 3/10
135
132
134
158
--
--
87
95
Vereinigte Staaten 1880 bis 1890
105
92
113
176
139
209
106
76
142
141
Vergleichen wir diese Tabelle mit dem Wachstum der Bevölkerung, wie die Tabelle es wiedergiebt, so zeigt es sich, daß die proletarische Frauenarbeit in Industrie und Handel überall bedeutend rascher zugenommen hat als die Bevölkerung, daß die Landarbeiterinnen und die Dienstboten dagegen eine starke Abnahme zeigen, oder zum mindesten weit hinter dem prozentualen Wachstum der Bevölkerung zurückblieben. Die verschiedenartige Zusammensetzung innerhalb der weiblichen Arbeiterschaft während der letzten und der vorletzten Zählungsperiode giebt einen noch drastischeren Beweis dafür:
Länder
Zählungsperiode
Von 100 Arbeiterinnen waren beschäftigt in
Landwirtschaft
Industrie
Handel und Verkehr
Lohnarbeit wechs. Art
Häusliche Dienstboten
Deutschland
1882
51,08
12,37
3,29
4,17
29,09
1895
45,16
18,70
6,90
4,42
24,82
Oesterreich
1880
57,34
12,35
0,85
13,77
15,69
1890
68,78
11,03
1,12
11,08
7,99
Frankreich
1891
39,69
32,64
8,94
--
18,73
1896
34,69
37,58
12,29
--
15,44
Vereinigte Staaten
1880
19,56
32,84
0,24
3,44
42,92
1890
12,69
42,13
0,35
1,85
42,98
Die Verschiebung geht danach fast durchweg zu Gunsten der Handelsangestellten und der Industriearbeiterinnen vor sich.
In Bezug auf diese ist es nicht ohne Interesse, die Zählungen der Gewerbeaufsichtsbeamten zu Hilfe zu nehmen, obwohl sie immer nur einen beschränkten Kreis von Arbeitern umfassen. Nach den Berichten der deutschen Inspektoren hat sich die Zunahme der Industriearbeiterinnen folgendermaßen gestaltet: 467
Zählungsperiode
Weibliche Arbeiter
absolute Zahl
Zunahme
absolut
Prozent
1895
739755
1896
781882
41,127
5,7
1897
822462
40,580
5,2
1898
859203
36,741
4,5
1899
884239
35,036
4,1
Wir sehen daraus, daß zwar die Zunahme alljährlich eine sehr starke ist, daß sie aber von Jahr zu Jahr an Intensität abnimmt. Ein Schluß auf eine rasche Zunahme der männlichen Arbeiter läßt sich daraus nicht ziehen, obwohl ein Vergleich aus Mangel an statistischem Material nicht möglich ist. Die Wahrscheinlichkeit aber spricht dafür, daß auch das Tempo des Wachstums der männlichen Arbeiter sich verlangsamt hat, weil die industrielle Entwicklung gleichfalls ruhiger vorschreitet. Die entsprechenden Zahlen für Frankreich,—so vorsichtig sie auch wegen der mangelhaften Berichterstattung aufgenommen werden müssen,—sind besonders merkwürdig. Es zeigt sich nämlich, wie nachstehende Tabelle angiebt, daß dem starken Wachstum von 15% zwischen 1894 und 1896 in den nächsten zwei Jahren ein empfindlicher Rückschlag folgte:
Zählungsperiode
Weibliche Arbeiter
Männliche Arbeiter
absolute Zu- resp. Abnahme
absolute Zu- resp. Abnahme
Zahl
absolut
Prozent
Zahl
absolut
Prozent
1894
732760
1722183
1896
844911
112,151
15,9
1828403
106,220
6,2
1898
812591
-32,320
-3,9
1820979
-7,424
0,4
Es zeigt sich aber auch, daß für die Männer, wenn auch nicht in genau demselben Maß, doch das gleiche gilt. 468
Die proletarische Frauenarbeit wird nun aber keineswegs allein durch die soziale Schicht der Arbeiterinnen erschöpft. Es giebt zweifellos auch unter den Selbständigen eine große Zahl proletarischer Existenzen, die sich allerdings nur an der Hand einer eingehenden Betriebs- und Gewerbezählung annähernd feststellen lassen und diese liegt nur für Deutschland vor. 469 Wir müssen daher hierbei auf internationale Vergleichungen ganz verzichten. Wir können aber auch in Deutschland die Proletarier unter den Selbständigen nicht völlig erfassen, weil die Einteilung der Betriebe nach ihren Größenklassen uns daran verhindert: Sie werden nämlich nur in Alleinbetriebe und Betriebe von 2 bis 5, 6 bis 20, 21 und mehr Personen eingeteilt. Für unsere Zwecke müssen wir daher bei den Alleinbetrieben stehen bleiben, während Betriebe mit 2 Personen zweifellos noch einen proletarischen Charakter tragen. Um von der Verteilung, der Zu- resp. Abnahme der Frauen in den Alleinbetrieben ein klares Bild zu bekommen, muß die Zahl der Frauen in den Gehilfenbetrieben ihnen gegenübergestellt werden, wie es in folgender Tabelle geschieht:
Gewerbearten | Frauen in Alleinbetrieben 1895 | Ihre Zu- resp. Abnahme seit 1882 | Frauen in Gehilfenbetrieben 1895 | Ihre Zu- resp. Abnahme seit 1882 |
Gärtnerei, Tierzucht und Fischerei | 708 | 285 | 17998 | 10505 |
Industrie, Bergbau, Baugewerbe | 443333 | -87753 | 1114986 | 479030 |
Handel, Verkehr, Gast- und Schankwirtschaft | 145165 | 42500 | 617115 | 385591 |
Wir sehen daraus, daß die weiblichen Leiter von Alleinbetrieben nur in der Industrie erheblich abgenommen haben, ein Umstand, der, wie wir aus der Zunahme der Arbeiter in den Gehilfenbetrieben sehen, nur auf die Verschiebung zu Gunsten des Mittel- und Großbetriebs zurückzuführen ist. Eine Betrachtung der Gewerbearten, in denen das weibliche Geschlecht besonders stark vertreten ist, erläutert das Gesagte noch deutlicher:
Gewerbearten | Frauen in Alleinbetrieben | Zu- resp. Abnahme | Frauen in Gehilfenbetrieben | Zu- resp. Abnahme |
Strickerei und Wirkerei | 15472 | -2324 | 28164 | 14950 |
Häkelei und Stickerei | 6178 | -336 | 6049 | 3413 |
Spitzen-Verfert., Weißzeugstickerei | 7802 | -8737 | 11532 | 7017 |
Näherei | 185716 | -58183 | 28078 | 3848 |
Schneiderei | 89250 | 35227 | 84350 | 46746 |
Kleider- und Wäschekonfektion | 585 | -3886 | 35409 | 15946 |
Putzmacherei, künstl. Blumen | 12429 | -1150 | 28874 | 11213 |
Handschuh, Kravatten, Hosenträger | 3995 | -4109 | 7760 | 1754 |
Wäscherei, Plätterei | 66029 | -17662 | 27687 | 14057 |
Die Abnahme in den Alleinbetrieben wird fast überall durch die Zunahme in den Gehilfenbetrieben mehr als wett gemacht. Trotz dieser Konstellation, die im Interesse des Fortschritts wie in dem der Frauen selbst liegt, ist die Zahl der alleinstehenden Selbständigen immer noch eine außerordentlich hohe, wie aus folgender Tabelle hervorgeht:
Gewerbearten | Von 100 selbständigen Frauen sind |
Von 100 selbständigen Männern sind |
Inhaber von Alleinbetrieben | 84,4 | 50,0 |
" " Gehilfenbetrieben | 15,6 | 50,0 |
" mit bis zu 5 Personen | 13,9 | 40,5 |
" " 6-20 Personen | 1,5 | 6,9 |
" " 21 und mehr Personen | 0,2 | 2,6 |
Aus diesen Ziffern ist die gedrückte Lage der erwerbthätigen Frauen mit aller Deutlichkeit zu ersehen: Fast alle selbständigen Frauen arbeiten allein, d.h. sie sind fast ausnahmslos Proletarierinnen. Das zeigt sich noch deutlicher, wenn wir ins Auge fassen, daß, während die männlichen Alleinmeister sich auf viele Gewerbe verteilen und häufig die Stellung kleiner Handwerker einnehmen, bei den Frauen davon kaum die Rede ist. Ueber ein Fünftel von ihnen finden wir in der Hausindustrie, zwei Fünftel in der Bekleidung und Reinigung, 18,8% im Handel, 11,3% in der Textilindustrie, 4,8% in der Gast- und Schankwirtschaft, 3,4 % in sonstigen Gewerben. Diese noch dazu auf so wenige Gewerbe sich konzentrierende Vereinzelung der Frauen ist ein schweres Hindernis auf dem Wege zu besseren Arbeitsbedingungen.
In der Landwirtschaft ist das äußere Bild ein ähnliches. Rechnen wir die Selbständigen, soweit sie ein Areal von unter 2 bis 5 ha bewirtschaften, zu den Proletariern, so sind von den selbständigen Landwirtinnen nicht weniger als drei Viertel Arbeiterinnen in unserm Sinne. Nachstehende Tabelle giebt die genaueren Zahlen:
Areal
Selbständige in der Landwirtschaft
Von je 100
Selbständigen
sind weiblich
Absolut
in Prozenten
Männer
Frauen
Männer
Frauen
unter 2 ha
248209
177088
15,96
52,24
33,71
2 bis 5 "
604562
74565
27,70
22,00
10,98
5 " 10 "
501482
40059
22,98
11,82
7,40
10 " 50 "
636275
41167
29,15
12,14
6,08
50 " 100 "
62920
4182
2,88
1,23
6,23
100 und mehr ha
28921
1918
1,33
0,57
6,21
Ueber die Zu- resp. Abnahme läßt sich leider nichts Genaueres, nach Geschlechtern gesondert, feststellen. Im allgemeinen aber kann, obwohl ein schwacher Rückgang der betreffenden Betriebe stattfand,—von 76,63% auf 76,51%,—angenommen werden, daß wenigstens die Zahl der selbständigen Inhaberinnen von Zwergbetrieben zugenommen hat; man kann darunter nämlich meist solche Frauen verstehen, die an den Grenzen der Industriestädte sogenannte "Lauben" besitzen, und hier im kleinsten Maß Gemüse, Blumen und Obst ziehen. Im Gegensatz zur Industrie, wäre diese Vermehrung von Alleinbetrieben freudig zu begrüßen, weil sie der Gesundheit der Frauen und Kinder zu Gute kommt. Auch im Handel, wo die von Frauen geleiteten Alleinbetriebe um 41% zugenommen, die von Männern geleiteten dagegen um 5% abgenommen haben, sind die Folgen keine schädlichen, die Ursachen aber sind dieselben, wie die für die steigende Erwerbsthätigkeit der Frauen überhaupt: Not, und die durch die Erträgnisse des männlichen Erwerbs nicht zu deckenden gesteigerten Bedürfnisse.
Wie sehr die Thatsache, daß das Haupt der Familie sie nicht allein ernähren kann, ins Gewicht fällt, beweist ein Blick auf eine andere Seite der Frauenarbeit: die Zahl der mithelfenden Familienangehörigen. Sie für alle Berufsabteilungen festgestellt zu haben, ist bisher allein das Verdienst der deutschen Berufsstatistik von 1895. Das Ergebnis ist, daß, während fast sämtliche männliche Arbeiter,—99,2%,—Berufsarbeiter sind, von den weiblichen mehr als ein Fünftel zu den helfenden Familiengliedern gehören. Das genauere Verhältnis ist, auch unter Bezugnahme auf die Größe der Betriebe, dieses:
Berufsarten
Von 100 berufsmäßigen Arbeitern
sind weiblich in Betrieben
Von 100 mithelfenden Familienangehörigen
sind weiblich in Betrieben
bis 5
Personen
6 bis 20
Personen
über 20
Personen
bis 5
Personen
6 bis 20
Personen
über 20
Personen
Landwirtschaft
14,3
25,6
19,9
76,5
85,6
85,7
Industrie
9,8
15,2
19,9
84,4
77,9
44,2
Handel und Verkehr
44,0
34,0
20,2
92,9
85,9
79,7
im ganzen
18,9
19,5
20,0
90,2
82,0
56,0
Die Lehre, die sich aus dieser Tabelle ziehen läßt, ist außerordentlich wichtig für die Erkenntnis der proletarischen Frauenarbeit und dessen, was ihr Not thut, will man sie aus ihrer untergeordneten Stellung emporheben: in den kleinen Betrieben finden sich die wenigsten berufsmäßigen Arbeiterinnen,—besonders hervorstechend ist das Verhältnis in der Industrie,—und fast alle mithelfenden Familienangehörigen sind hier Frauen. Demnach bedeutet die Entwicklung des Großbetriebs eine Förderung der berufsmäßigen proletarischen Frauenarbeit, der jetzt noch, und zwar wesentlich in den Kleinbetrieben, eine große Zahl mithelfender weiblicher Familienmitglieder gegenüber steht. Gegenüber in jedem Sinn: denn diese in und durch die Familie ausgebeuteten Kräfte sind die natürlichen Feinde der aufstrebenden weiblichen Arbeiterschaft, sie helfen den Kleinbetrieb erhalten, und hindern die Verbesserung der Arbeitsbedingungen ebenso wie die Erhöhung der weiblichen Arbeitsleistung, weil sie, statt ganz auf sich angewiesen zu sein, an der Familie einen Rückhalt haben.
Als allgemeine Ergebnisse unserer bisherigen Berechnungen läßt sich feststellen, daß die proletarische Frauenarbeit im allgemeinen in rascherem Tempo zugenommen hat, als die Männerarbeit und viel schneller gewachsen ist, als die weibliche Bevölkerung. Nur in Zeiten wirtschaftlichen Niedergangs kann von einem Verdrängen der männlichen Arbeiter die Rede sein. Unter normalen Verhältnissen zeigt sich dagegen, daß durch die Entwicklung der proletarischen Arbeitsgelegenheiten, besonders in der Industrie, die männlichen Arbeitskräfte großenteils erschöpft wurden und die Heranziehung weiblicher unausbleiblich ist. Sie erfolgt in um so stärkerem Maße, als Frauen zur Verfügung stehen. Bis jetzt allerdings bedeutet dieses Nachrücken der weiblichen Reservearmee zugleich ein Einrücken in untergeordnete Stellungen und Betriebsarten. Eine wirtschaftliche Entwicklung in nur annähernd ähnlichem Tempo wie die jetzige vorausgesetzt, ist aber nicht nur auf ein weiteres numerisches Wachstum der Frauenarbeit, sondern auch auf ihr Emporsteigen zu höherem wirtschaftlichen Wert zu rechnen. Das Wachstum an sich ist als nichts Unnatürliches anzusehen oder zu beklagen, es liegt vielmehr durchaus auf dem Wege normaler Evolution. Die schweren Schäden, die sie mit sich bringt, sind nicht die Folgen der Frauenarbeit überhaupt, sondern vielmehr die Folgen der Arbeitsorganisation und der Arbeitsbedingungen.
Aber nicht nur die Frage des Wachstums der Frauenarbeit und ihrer Position innerhalb der allgemeinen proletarischen Arbeit bedurfte eingehender Erörterung, auch ihre Verteilung auf die Berufsarten ist von ganz besonderem Interesse, und zwar wesentlich im Hinblick auf die Industrie. Folgende Zusammenstellung derjenigen Berufsarten, in denen die meisten Frauen beschäftigt sind, giebt Aufschluß darüber:
Die wichtigsten Frauenberufe in der Industrie. 470
Gewerbearten
Deutschland
Oesterreich
England u. Wales
Vereingte Staaten
Frankreich
Belgien
Zahl der Arbeite-
rinnen
Von 100 Arbeitern beiderlei Gesch- lechts sind weibl.
Zahl der Arbeite-
rinnen
Von 100 Arbeitern beiderlei Gesch- lechts sind weibl.
Zahl der Arbeite-
rinnen
Von 100 Arbeitern beiderlei Gesch- lechts sind weibl.
Zahl der Arbeite-
rinnen
Von 100 Arbeitern beiderlei Gesch- lechts sind weibl.
Zahl der Arbeite-
rinnen
Von 100 Arbeitern beiderlei Gesch- lechts sind weibl.
Zahl der Arbeite-
rinnen
Von 100 Arbeitern beiderlei Gesch- lechts sind weibl.
Kleider- und Wäschekonfektion
27453
83,38
59923
93,58
38812
95,83
304303
98,08
976161
88,50
44324
66,06
Schneiderinnen
61480
31,66
43678
35,72
82667
48,89
63809
34,42
Näherinnen
97979
100,00
257408
98,80
146043
97,33
Putzmacherinnen
16517
98,33
7388
89,04
60087
99,35
Korsettnäherinnen
5663
88,80
--
--
5800
88,78
Handschuh-, Kravatten- und Hosenträger- fabrikation
6428
54,45
7863
63,26
9007
78,50
8675
57,28
3043
52,20
Hutfabrikation und Kürschnerei
7659
31,24
5070
30,28
16392
45,74
6694
23,71
1052
23,88
Blumen- und Federn- fabrikation
8227
87,32
--
--
6174
88,76
2543
83,48
--
--
Schuhfabrikation
11537
7,03
8774
6,54
43671
22,93
33677
15,77
--
--
3154
11,76
Stroh-, Bast- und Holzflechterei, Strohhüte
7297
32,50
--
--
11227
54,58
2423
66,09
--
--
--
--
Spitzen- fabrikation, Stickerei und Häkelei
12376
70,34
18030
75,35
6945
87,57
4435
84,38
483393
52,18
95944
62,80
Strickerei und Wirkerei
25325
54,59
8639
62,35
29111
63,29
20810
70,40
Posamenten- fabrikation
9974
52,07
5001
67,72
19634
62,47
--
--
Spinnerei, Hechelei, Haspelei
103350
59,76
31586
55,46
540832
59,82
202848
49,72
Weberei
175918
48,47
116034
43,01
Färberei und Bleicherei
22551
29,96
4494
23,60
5167
11,75
3246
15,52
1285
21,88
Gummi-, Guttapercha-, und Kautschuk- fabrikation
3532
29,31
308
35,16
4112
40,22
6456
39,95
23370
35,76
306
53,11
Buchbinderei und Kartonage
15010
32,22
3242
33,70
30234
71,15
24603
59,11
--
--
Papierfabrikation
22352
33,70
6362
40,12
13101
39,79
2961
13,57
3043
35,60
Setzer, Drucker, Lithographen und Schriftgießer
13071
13,93
1966
15,72
4737
5,46
12054
10,32
14720
19,58
745
7,30
Bäcker und Konditoren
23740
14,10
6617
9,40
26358
28,56
7961
23,57
43795
13,98
228
2,15
Herstellung vegetabilischer Nahrungsmittel
13142
28,60
7916
27,54
5228
5,36
2130
10,12
--
--
Animalische Nahrungsmittel
18140
15,20
6192
12,36
26022
29,54
--
--
Tabakfabrikation
65286
53,75
16985
89,01
12574
60,41
27997
25,08
--
--
7710
33,83
Ziegelei, Thonröhren- fabrikation
12925
7,45
7785
68,10
2601
6,27
144
0,24
--
--
1176
19.90
Steingut-, Porzellan- fabrikation
11204
27,22
4552
31,47
21679
39,28
--
--
--
--
Glasbläserei
5095
12,12
11882
32,57
2086
8,80
1710
0,50
--
--
3174
11,20
Verarbeitung edler Metalle
9737
30,55
1222
14,81
3156
16,54
3349
16,53
7209
31,95
--
--
Zinnwaren- fabrikation
7027
13,48
106
20,78
6466
15,10
899
1,62
--
--
--
--
Nägelfabrikation
1685
12,78
1152
16,36
4690
50,52
477
10,41
--
--
--
--
Näh- und Stecknadeln, Stahlfedern
2912
26,98
--
--
5220
68,19
--
--
--
--
--
--
Besen- und Bürstenmacher
5608
30,07
758
25,68
5945
80,56
1166
11,53
--
--
--
--
Schirmmacher und Stockarbeiter
4907
15,49
4086
53,13
1938
56,95
--
--
--
--
Möbelfabrikation und Tischlerei
1760
0,67
5946
7,73
10921
15,18
1748
6,81
--
--
1040
8,73
Andere Industrie- arbeiter
6459
23,23
60164
48,64
40843
5,64
15908
20,74
--
--
8769
86,59
Sie zeigt deutlich, daß die Konzentration der Frauenarbeit auf bestimmte Berufe eine um so stärkere ist, je fortgeschrittner die industrielle Entwicklung des betreffenden Landes sich darstellt. Nehmen wir z.B. die Spitzenfabrikation, Stickerei und Häkelei: Deutschland zählt 70 %, England dagegen 88 % Arbeiterinnen; oder die Buchbinderei und Kartonage, in der in Deutschland 32 %, in Oesterreich 33 %, in England 71 % Arbeiterinnen beschäftigt werden. Besonders charakteristisch ist auch die Möbeltischlerei: Deutschland zählt darin wenig über 1/2 %, England 15, Amerika 7 % Frauen. Umgekehrt zeigt es sich, daß in anderen Berufen die Frauenarbeit in den industriell vorgeschrittenen Ländern sehr geringen Anteil an ihnen hat. Als Beispiel diene die Glasbläserei: Oesterreich zählt 32 %, Deutschland 12, England 8 und Amerika 1/2 % Arbeiterinnen, oder die Setzerei und Druckerei, in der Oesterreich 16, Deutschland 14, England nur 5 % weibliche Arbeiter beschäftigt. So viele Umstände auch sonst noch bei der Zusammensetzung der Arbeiter nach Geschlechtern mitsprechen, so scheint doch festzustehen, daß die allgemeine Tendenz eine Differenzierung nach Berufen bevorzugt, und das wachsende Eindringen der Frauen in bestimmte Berufe mit einem Rückgang der weiblichen Arbeiterschaft in anderen Berufen Hand in Hand geht, daß sich also nach und nach bestimmte fast ausschließlich von Frauen und andere fast ausschließlich von Männern besetzte Berufe herausbilden werden.
Als Frauenberufe in oben genanntem Sinn sind schon jetzt die der Konfektion, der Näherei, der Putzmacherei, der Blumen-, Federn- und Spitzenfabrikation anzusehen; die Buchbinderei und Kartonage, die Papier-, die Guttapercha- und die Kautschukfabrikation versprechen Frauenberufe zu werden. Die Gründe dieser sich immer stärker ausprägenden Differenzierung der Geschlechter in der Berufsthätigkeit liegen teils in ihrer verschiedenen geistigen und körperlichen Veranlagung, teils in dem Umstand, daß bestimmte wohlfeile Industrieerzeugnisse die Anstellung ungelernter, d.h. möglichst billiger Arbeitskräfte notwendig machen. Was die Veranlagung betrifft, die an dieser Stelle ausschließlich in Betracht gezogen werden soll, weil der zweite Punkt die Arbeitsbedingungen berührt, die nicht hierher gehören, so ist die Geschicklichkeit und Gelenkigkeit der Finger ein wesentliches Moment, das die Frau für alle Thätigkeiten prädestiniert, die in das Bereich der feinen Handarbeit fallen. Die Konfektion, die Stickerei, die Spitzenfabrikation u.a.m. gehören daher ebensowohl hierher, wie die Spinnerei und Weberei, solange sie keine großen Körperkräfte erfordern; auch zur Kartonage sind Frauen infolgedessen besonders befähigt. Aber auch negative Eigenschaften gereichen ihnen zum Vorteil, so z.B. der Mangel an Muskelkraft, auf Grund dessen sie überall dort die männlichen Arbeiter verdrängen, wo die Maschine die menschliche Kraft ersetzt. Negativ sind im wesentlichen auch die geistigen Eigenschaften, die die Frauen in bestimmte Arbeitszweige hineintreiben. So werden sie durch ihren Mangel an geistiger Schulung und technischer Vorbildung für alle diejenigen Arbeiten gewählt, die ungelernte Arbeiter im allgemeinen gebrauchen können und die fast stets zu beobachtende Schwierigkeit, sich zu konzentrieren, d.h. alle Gedanken auf eine Arbeit zu richten, ist die Ursache, daß rein mechanische Thätigkeiten ihnen mit Vorliebe überlassen werden. Diese negativen sowohl körperlichen als geistigen Fähigkeiten aber sind ohne Ausnahme das traurige Resultat der gänzlichen Vernachlässigung, unter der das weibliche Geschlecht leidet, und das die Armen stets besonders hart getroffen hat. Aber auch die Geschicklichkeit und Gelenkigkeit der Finger sind die Folge der Erziehung und Gewohnheit. Die Hände des Mannes härteten sich, sie wurden breit und stark infolge der Arbeiten, die er von Urzeiten an verrichtete, die des Weibes wurden zarter, schmaler und gewandter, weil alle feineren Arbeiten meistens ihr überlassen blieben. Von größtem Einfluß hierauf war alle Art der Nadelarbeit. Sie war und ist es aber auch, die den weiblichen Geist ungünstig beeinflußte, indem sie die Zerfahrenheit und Gedankenlosigkeit unterstützt hat; nichts ermöglicht mehr ein Umherschweifen der Gedanken, als alles, was unter der Bezeichnung "weibliche Handarbeit" verstanden wird. Die Einführung des maschinenmäßigen Betriebs, der, selbst in seiner einfachsten Form, der Nähmaschine, ein gewisses Maß von Aufmerksamkeit erfordert, ist daher auch von diesem Standpunkt aus betrachtet, ein Vorteil für die Frauen. Würde mit seiner weiteren Entwicklung eine geistige und körperliche Ausbildung, die der der Männer entspricht, Hand in Hand gehen, so wäre zu erwarten, daß nach Jahrhunderten der Wirksamkeit all dieser Einflüsse die genannten positiven und negativen Eigenschaften des weiblichen Geschlechts eine wesentliche Umwandlung erfahren könnten. Das scheint unserer vorhin ausgesprochenen Ansicht von einer immer schärferen Differenzierung der Geschlechter in Bezug auf ihre Berufsarbeiten zu widersprechen, während es sie thatsächlich nur bestätigt. Denn erst die Beseitigung anerzogener Eigenschaften wird den natürlichen zur Entwicklung verhelfen und zwar dürfte sich dabei folgendes herausstellen: in Bezug auf ihre Körperkräfte werden die Geschlechter sich einander nähern, weil einerseits die bisher fast ungenutzten des Weibes ausgebildet werden, andererseits die starke Muskelkraft erfordernden Arbeitsweisen durch die Maschine ihre Existenzberechtigung mehr und mehr verlieren, der Mann daher durch Mangel an Uebung notwendig an Kraft verlieren wird. Die geistigen Kapazitäten der Geschlechter dagegen werden sich in durchaus verschiedener Richtung entwickeln und die Differenzierung in den Berufen wird infolgedessen nicht wie heute auf ihre körperlichen, sondern vielmehr auf ihre geistigen Eigenschaften zurückzuführen sein.
Kehren wir nach dieser Abschweifung in das Gebiet der Hypothesen zu den Thatsachen zurück. Da ist es nun notwendig ein wichtiges, weit ausgedehntes Gebiet der Frauenarbeit zu beleuchten, das großenteils noch arg im Dunkel liegt: die Hausindustrie.
Deutschland und Belgien gebührt bis jetzt das Verdienst, eine Statistik der Hausindustrie unternommen zu haben. Natürlich ist sie eine unvollkommene geblieben, weil gerade die in ihr beschäftigten Personen außerordentlich schwer zu erfassen sind. Wenn daher auch mit Recht angenommen werden kann, daß die gewonnenen Zahlen viel zu niedrige sind, so ist der Vergleich zwischen den Resultaten der beiden letzten Zählungen in Deutschland insofern zuverlässig, als ihre Methoden die gleichen waren. Es zeigt sich danach, daß die Hausindustriellen im allgemeinen abgenommen haben, und zwar sind sie, nach den Angaben der Arbeiter, bei der Gewerbezählung von 476080 im Jahre 1882 auf 460085 im Jahre 1895, nach den Angaben der Unternehmer von 544980 auf 490711 zurückgegangen; die Betriebe dagegen, die Arbeiter in der Hausindustrie beschäftigen, sind von 19209 auf 22307 angewachsen. Eine Betrachtung der einzelnen Gewerbearten führt jedoch zu dem Resultat, daß die Abnahme sich nicht auf alle gleichmäßig verteilt, daß vielmehr bedeutende Abnahmen auf der einen Seite von starken Zunahmen auf der anderen begleitet werden. 471 Eine Zusammenstellung dieser Gewerbearten, je nach der Verschiedenheit ihrer Entwicklung, führt zu folgenden Resultaten:
Gewerbearten mit Verminderungstendenz.
Gewerbearten
Seit 1882 haben abgenommen
Betriebe um
Personenzahl um
Zeugschmiede, Scherenschleifer, Feilenhauer
2006
4044
Seiden- und Shoddyspinnerei
2037
2922
Baumwollspinnerei
4067
3645
Seidenweberei
20000
34381
Leinenweberei
10660
14667
Baumwollenweberei
18859
19089
Weberei von gemischten Waren
5811
4895
Strickerei und Wirkerei
7026
12768
Häkelei und Stickerei
1251
549
Posamentenfabrikation
73
2098
Strohhutfabrikation und Strohflechterei
4185
2836
Näherinnen
12391
11502
Handschuhmacherei, Kravattenfabrikation
4087
3653
92483
117049
Gewerbearten mit Vermehrungstendenz.
Gewerbearten
Seit 1882 haben zugenommen
Betriebe um
Personenzahl um
Grobschmiede
1394
2638
Schlosser
1126
2903
Stellmacher
986
1519
Musikinstrumente
1383
1955
Wollenweberei
645
4072
Gummi- und Haarflechterei
1712
889
Spitzenverfertigung und Weißzeugstickerei
2091
5560
Sattlerei, Spielwaren aus Leder
1041
1673
Verfertigung grober Holzwaren
530
634
Tischlerei und Parkettfabrikation
3934
9338
Korbmacherei
3903
6007
Dreh- und Schnitzwaren
1805
3526
Tabakfabrikation
3400
6949
Schneiderei
17268
30106
Konfektion
382
885
Putzmacherei
376
96
Schuhmacherei
7099
7765
Wäscherei
1353
2388
50228
88883
Die Betrachtung dieser Tabellen zeigt, daß diejenige Art der Hausindustrie, die als eine Fortsetzung der alten handwerksmäßigen Organisation angesehen werden kann, im allgemeinen im Absterben begriffen ist. Wenn z.B. auch, was im ersten Augenblick überraschend wirkt, die Zahl der Näherinnen abnimmt, so ist das wohl im wesentlichen darauf zurückzuführen, daß sie sich in Werkstatthausindustrielle umgewandelt haben. Das beweist folgende Zusammenstellung: Es wurden Näherinnen gezählt in Betrieben mit
zwei Personen | drei bis fünf Pers. | sechs bis zehn Pers. | zwei bis zehn Pers. | |
1882 | 6551 | 2321 | 793 | 9656 |
1895 | 11514 | 9247 | 2456 | 23247 |
Diese Tendenz zur Zusammenfassung der früher vereinzelt arbeitenden Näherinnen in Werkstätten ist im wesentlichen auf die Wohnungsverhältnisse zurückzuführen. Die Ausgaben für Miete werden geringer, wenn der Arbeitsraum erspart und eine bloße Schlafstelle dafür eingetauscht wird.
Was die Vermehrung der hausindustriellen Betriebe und der darin beschäftigten Personen betrifft, so hängt sie fast ohne Ausnahme mit der Entwicklung einer durchaus modernen Form der Hausindustrie zusammen, die zugleich die allein lebensfähige ist: die Werkstattarbeit mit dem Zwischenmeister, an der Spitze, der zwischen dem Verleger und dem Arbeiter die Vermittlung übernimmt. In der Konfektionsindustrie hat sich diese Organisation am vollendetsten herausgebildet, eine Industrie, in der, wie [die] Tabelle [oben, Die wichtigsten Frauenberufe in der Industrie] zeigt, das weibliche Geschlecht besonders stark vertreten ist.
Das Geschlechtsverhältnis in der deutschen Hausindustrie ist von besonderem Interesse. Im allgemeinen widerlegt es zunächst die übliche Meinung von einem Ueberwiegen der Frauen. Das Verhältnis ist dieses: 472
1895
1882
1895
männliche
weibliche
Von je 100 Hausindustriellen sind
Hausindustrielle
Männer
Frauen
Männer
Frauen
256131
201853
56,3
43,7
55,9
44,1
Die Tendenz zum Wachstum der Frauenarbeit ist keine zufällige oder vorübergehende, sie hängt vielmehr eng mit der ganzen modernen Entwicklung der Hausindustrie zusammen, die mit darauf zurückzuführen ist, daß der Unternehmer durch Dezentralisation der Arbeiter Ersparnisse machen will. Er sucht die billigsten Arbeitskräfte und stößt dabei zuerst auf die Frauen. Sehen wir nun, in welchen Arbeitszweigen die Zunahme der Frauenarbeit am stärksten war:
Gewerbearten
1882
1895
Von je 100 Hausindustriellen
sind weiblich
Töpferei
7,9
29,9
Glasbläserei vor der Lampe
27,7
44,9
Gold- und Silberschlägerei
50,0
53,3
Gold- und Silberdrahtzieherei
80,3
86,9
Verfertigung von Spielwaren aus Metall, feinen Blei- und Zinnwaren
38,6
60,1
Erzeugung von Metalllegierungen
13,3
35,8
Blechwarenfabrikation
5,1
27,6
Fabrikation von Weberei- und Spinnereimaschinen
30,5
37,2
Verfertigung von Bleistiften
65,8
83,5
Leinenweberei
35,0
43,4
Baumwollweberei
25,9
43,3
Weberei von gemischten Waren
18,7
33,4
Gummi- und Haarflechterei und -Weberei
60,6
81,5
Strickerei und Wirkerei
29,0
50,3
Leinenbleicherei und -Färberei
19,4
50,9
Färberei und Bleicherei
19,7
21,2
Verfertigung von Papiermachéwaren
42,0
50,0
Buchbinderei und Kartonage
36,3
40,8
Sattlerei, Spielwaren aus Leder
32,7
44,7
Verfertigung von Dreh- und Schnitzwaren
6,7
13,2
Tabakfabrikation
30,3
45,2
Putzmacherei
93,8
99,8
Hutmacherei und Filzwaren
34,8
36,3
Verfertigung von Korsetts
67,1
94,8
Aus dieser Tabelle geht deutlich hervor, daß eine Verschiebung zu Gunsten der hausindustriellen Frauenarbeit in sehr vielen Fällen dort stattfindet, wo es sich um alte, absterbende Formen der Hausindustrie handelt. Sie nimmt die verlassene, dem Untergang geweihte Männerarbeit auf, und ist in ihrem verzweifelten Existenzkampf ein Hemmschuh der Entwicklung. Den schlagendsten Beweis dafür liefert die Textilindustrie. Hier, wo die Maschine mehr und mehr in Funktion tritt, zeigt sich ein Rückgang der Hausindustrie von 285102 auf 195780 Personen; allein von den 43000 Hauswebern im Jahre 1882 sind 34000 im Jahre 1895 weniger gezählt worden. Trotz dieses Rückgangs zeigt die Frauenarbeit im Verhältnis zur Männerarbeit wesentliche Fortschritte. Sie verlängert den Todeskampf der Textilhausindustrie. Der Umstand, daß dem Unternehmertum eine Armee von Frauen zu Gebote steht, die sich herbeiläßt, gegen Hungerlöhne zu Hause zu arbeiten, verhindert die Entwicklung der Hausindustrie zur Großindustrie, wie sie andernfalls heute schon möglich wäre. Das sehen wir unter anderem bei der Tabakfabrikation und der Buchbinderei und Kartonage. Der Maschinenbetrieb könnte an Stelle des Handbetriebs treten und der Hausindustrie wenigstens in ihrer schlimmsten Form den Todesstoß versetzen. Das gilt auch in beschränkterem Maße von der Nähmaschinenarbeit in jeder Form: die Einführung motorisch betriebener Nähmaschinen scheitert wesentlich an der Billigkeit weiblicher Arbeitskraft. Die Maschine in ihrer höchsten Vollendung, der mechanisch funktionierenden, ist fast der einzige Gegner, der die Hausindustrie zu besiegen im stände ist. Außerhalb ihres Eroberungsgebiets giebt es keine fühlbare Aufsaugung durch die Fabrik. 473
Unter den übrigen hier in Betracht kommenden Ländern hat zweifellos Oesterreich eine besonders hohe Zahl von Hausindustriellen zu verzeichnen. Es fehlt aber an einer zusammenfassenden Statistik. Neuerdings sind Spezialberichte der Gewerbeinspektoren erschienen, die aber noch nicht vollendet vorliegen. Der erste Band 474 behandelt nur Böhmen und giebt in Bezug auf die Statistik sehr unzureichende Aufschlüsse. Im Vorwort betont das Handelsministerium selbst die unübersteiglichen Hindernisse, die einer genauen zahlenmäßigen Darstellung entgegenstehen: Mißtrauen der Unternehmer sowohl wie der Arbeiter, die als den Zweck der Nachfragen eine schärfere Besteuerung vermuten, Unklarheit des Begriffs der Hausindustrie u.a.m., lauter Gründe, die auch die deutsche Statistik als ungenügend kennzeichnen ließen. Nur ein Aufsichtsbezirk, der Budweiser, hat eine Statistik aufzunehmen sich entschlossen. Danach waren Heimarbeiter beschäftigt:
Heimarbeiter im Budweiser Bezirk
männlich | weiblich | mithelfende Familienangehörige | im ganzen |
5231 | 6107 | 4317 | 15655 |
Die Zahl der Frauen überwiegt danach die der Männer um fast tausend und ist insofern noch zu niedrig gegriffen, als unter den "mithelfenden Familienangehörigen" sich neben den Kindern zweifellos mehr Frauen als Männer befinden. Besonders stark sind die Frauen in Oesterreich in der Spitzenindustrie, der Glasperlenerzeugung, der Strohflechterei und der noch vielfach ganz im alten Stil betriebenen Spinnerei und Weberei beschäftigt. An Zahlen fehlt es, wie gesagt. Selbst die hypothetische Berechnung der Brünner Handelskammer, die auf einer Kombination der Angaben der Genossenschafts- und der Unfallversicherungsstatistik beruht, und 760522 hausindustrielle Arbeiter, d.h. 34 % aller Arbeiter, feststellt 475 , kann nur ungenau sein und bleibt jedenfalls hinter der Wirklichkeit zurück.
Frankreichs Hausindustrie ist auch eine weitverbreitete, und ihre zahlenmäßige Erfassung eine ganz unzuverlässige. Für die Frauen kommt im wesentlichen die Seiden- und die Spitzenindustrie, die Näherei, Schneiderei, die Handschuhnäherei und die Verfertigung der sogenannten Articles de Paris in Betracht. Im Departement Rhône wurden noch gegen 20000 Handwebstühle für Seidenwaren gezählt, die eine noch größere Zahl von Arbeitern für die erste Bearbeitung der rohen Seide zur Voraussetzung haben und diese sind meist Frauen. Die Spitzenindustrie beschäftigt vielleicht heute noch eine viertel Million Arbeiterinnen. In der Schneiderei beschäftigt allein Paris 72 % Frauen, in der Handschuhnäherei 57 %, in der Herstellung von Articles de Paris 80 %, fast lauter Hausindustrielle.
England hat infolge seiner industriellen Entwicklung mit der alten Form der Hausindustrie schon gründlich aufgeräumt. Dagegen hat die moderne sich rasch entwickelt. Sie umfaßt hauptsächlich die Konfektionsindustrie und die Schuhmacherei. Eine statistische Darstellung fehlt so gut wie vollständig. Für Amerika gilt dasselbe. Auch hier ist die Konfektionsindustrie das wichtigste Glied der Hausindustrie, die ihre Ausbreitung wesentlich der Einwanderung verdankt und sich von dem elendesten und schwächsten Menschenmaterial nährt, das Europa abstößt. Ueber ihre Zunahme giebt folgende, auf Illinois bezügliche Tabelle Aufklärung: 476
Zählungsperiode | Werkstätten | Männer | Frauen | Kinder | Im ganzen |
1893 | 704 | 2611 | 3617 | 595 | 6823 |
1894 | 1413 | 4469 | 5912 | 721 | 11101 |
1895 | 1715 | 5817 | 7780 | 1307 | 14904 |
1896 | 2378 | 6383 | 7181 | 1188 | 14752 |
Mit Ausnahme des letzten Jahres zeigt die Frauenarbeit eine raschere Zunahme als die Männerarbeit, der gegenüber sie auch absolut im Uebergewicht ist. Die Abnahme des letzten Jahres erklärt sich teils aus der strengeren Handhabung der Gesetze, teils daraus, daß es sich bei den vorliegenden Zahlen nur um Werkstättenarbeiter handelt, die vereinzelten Heimarbeiter dagegen nicht eingerechnet wurden. Je mehr nun die Gesetzgebung in die Werkstätten eingreift, wobei es sich fast immer um den Schutz der Frauen und Kinder handelt, um so mehr werden diese sich in die Heimarbeit zurückziehen müssen.
Die belgische Berufszählung von 1896 477 —die erste, die sich hier mit der Frage beschäftigte—teilt alle Arbeiter in zwei große Kategorien ein: 1.) Die in Fabriken, Werkstätten u.s.w. arbeiten; 2.) die bei sich zu Hause auf Rechnung von Fabrikanten oder Kaufleuten erwerbsthätig sind. Das heißt mit anderen Worten, daß nur die eigentlichen Heimarbeiter als Hausindustrielle angesehen werden. Die allgemeinen Ergebnisse der nach diesen Grundsätzen erfolgten Erhebung waren folgende:
Es waren beschäftigt
Von 100 Arbeitern
waren weiblich
Männer
Frauen
In Fabriken, Werkstätten u.s.w.
588248
115981
16,47
Zu Hause
41689
77058
64,89
Im ganzen
629937
193039
23,43
Die Teilnahme der Frauen an der Heimarbeit ist danach viel bedeutender als die der Männer und beträchtlich größer als der Anteil der Arbeiterinnen an der Fabrikarbeit im Verhältnis zu dem der Männer. Die wichtigsten Berufszweige der belgischen Heimarbeiterinnen sind:
Spitzenarbeiterinnen | 49158 |
Kleiderkonfektion | 7166 |
Handschuhfabrikation | 3477 |
Strohflechterei für Hüte | 2611 |
Wollenweberei und Spinnerei | 2458 |
Leinenweberei und Spinnerei | 2383 |
Strickerei | 2376 |
Schuhmacherei | 1437 |
Die große Zahl der Spitzenarbeiterinnen fällt hier besonders ins Auge. Sie ist um so bemerkenswerter, als ihr allergrößter Teil, nämlich über 47000, auf dem Lande leben. Die Vervollkommnung der Maschinenspitze ist aber jetzt schon eine gefährliche Konkurrenz, sie kann nach und nach zum Mittel werden, das Land zu Gunsten der Industriestädte zu entvölkern.
Die einschneidende Bedeutung der Hausindustrie in Bezug auf die erwerbsthätigen Frauen scheint nach alledem erwiesen zu sein. Sie würde weit schneller ihren verdienten Untergang entgegen gehen, wenn nicht gerade die Frauen sie zäh am Leben erhielten, worin sie von den Unternehmern—allein die Zunahme der hausindustriellen Betriebe in Deutschland spricht dafür—unterstützt werden. Die Gründe dafür sind teils in dem Mangel an Bewegungsfreiheit zu suchen, unter dem die an Haus und Kinder gefesselte Frau zu leiden hat und die den aufklärenden Ideen den Zugang zu ihr verschließen, teils in dem Bestreben des profitgierigen Unternehmertums, Ersparnisse an Material, Arbeitsräumen, Heizung, Beleuchtung etc. zu machen und die Arbeiterschutzgesetze zu umgehen. Beweis dafür ist unter anderem, daß in dem industriell fortgeschrittensten Land, England, die Hausindustrie den geringsten und in einem der zurückgebliebenen Länder z.B. in Oesterreich, allem Anschein nach den größten Umfang aufweist. Daraus geht aber auch klar hervor, daß die fortschreitende Entwicklung die Hausindustrie in ihrer gegenwärtigen Form nach und nach vernichten wird.
Noch ein anderer Kreis von weiblichen Arbeitern verdient eine besondere Betrachtung: diejenigen nämlich, die in persönlichen oder häuslichen Diensten stehen, und zu denen, außer den Dienstboten, die Aufwartefrauen, Köche etc., die Wäscherinnen und die Kellnerinnen gehören. Ihre Zahl ist folgende:
Berufsarten | Deutschland | Oesterreich | England und Wales | Vereinigte Staaten |
Häusliche Dienstboten | 1313957 | 424387 | 1386167 | 1302728 |
Aufwartefrauen, Köche u.s.w. | 182769 | 75533 | 124253 | 3444 |
Wäscherinnen | 129513 | -- | 185246 | 216631 |
Kellnerinnen und Hotelbedienstete | 302743 | 76083 | 87984 | -- |
Wir haben schon gesehen, daß die Zahl der Dienstboten fast überall im Rückgang begriffen ist. Vergleichen wir die Zahl der weiblichen Dienstboten im Verhältnis zur Bevölkerung, so ist das Resultat dieses:
Länder
Zählungsperiode
Auf 100 Personen
der Bevölkerung kamen
weibliche Dienstboten
Deutschland
1882
2,84
1895
2,54
Oesterreich
1880
2,58
1890
1,78
England und Wales
1881
2,69
1891
2,28
Vereinigte Staaten
1880
1,75
1890
1,97
Frankreich
1881
2,17
1891
1,84
1896
1,73
Die Zusammenstellung zeigt mit Ausnahme von Amerika überall eine Abnahme der Zahl der Dienstboten, und die Zunahme in Amerika fällt auch nicht schwer ins Gewicht, weil der Prozentsatz von 1880 ein ungemein niedriger war und der wachsende Reichtum eines Teils der Bevölkerung eine Steigerung im Gefolge haben mußte. Das Bild dürfte sich wesentlich verschieben, sobald die Ergebnisse der Zählung von 1900 vorliegen, denn das Verhältnis der Zahl der Dienstboten zur Bevölkerung hängt nicht nur von deren pekuniären Lage, von der Lust oder Unlust der Mädchen zum Dienen ab, sondern sehr wesentlich auch von dem Umstand, welche Arbeitsgebiete die Hauswirtschaft umfaßt. Je mehr sie, wie es z.B. in England und Frankreich besonders deutlich sichtbar ist, zusammenschrumpfen, desto mehr werden die Dienstboten abnehmen. Dagegen werden sich die für gelegentliche Dienstleistungen benötigten außer dem Hause wohnenden Hilfskräfte vermehren. Sie standen in folgendem Verhältnis zur Bevölkerung:
Länder
Zählungsperiode
Auf 100 Personen
der Bevölkerung kamen
außerhäusliche Dienstboten
Deutschland
1882
0,26
1895
0,35
Oesterreich
1880
--
1890
0,32
England und Wales
1881
0,47
1891
0,55
Diese Tabelle giebt nun aber keineswegs genau den richtigen Stand der Dinge an, nicht nur, weil der Begriff der diesem Beruf Zugehörigen ein sehr unbestimmter ist,—deshalb mußten die Zahlen für Frankreich und die Vereinigten Staaten ganz fortgelassen werden,—sondern weil sicher viele hierher Gehörige unter "Lohnarbeit wechselnder Art", "Tagelöhner" etc. einbezogen worden sind. Eine starke Vermehrung hat auch die Zahl der Kellnerinnen und Hotelbediensteten erfahren, die sich aber nur für Deutschland feststellen läßt, wo sie 33 % beträgt. Es kann aber auch im allgemeinen eine erhebliche Zunahme des Hotel- und Restaurant-Personals angenommen werden, sie ging Hand in Hand mit der Abnahme der Dienstboten und beweist auch ihrerseits, daß der Privathaushalt zu Gunsten des öffentlichen im Rückgang begriffen ist: Das Leben außer dem Hause ist für einen großen Teil der Bevölkerung immer mehr in Aufnahme gekommen.
Eine außerordentlich wichtige Seite der Arbeiterinnenfrage, deren Statistik freilich bisher im allgemeinen sehr unzureichend blieb, ist die Alters- und Familienstandsgliederung der Proletarierinnen. Sie gewährt einen tiefen Einblick in das soziale Leben und ihre statistische Darstellung ist die notwendige Grundlage vieler Reformen und Reformpläne nach dieser Richtung.
Nun entspricht es sowohl hygienischen Grundsätzen, als den Prinzipien geistig-sittlicher Volkserziehung, daß die Erwerbsthätigkeit in ihrer heutigen aufreibenden Form nicht vor dem achtzehnten resp. dem zwanzigsten Lebensjahre einsetzen sollte. Betrachten wir daraufhin folgende Tabellen:
Von je 1000 Arbeiterinnen stehen im Alter von
Deutschland
unter 20 Jahren
346
20-30 "
314
30-40 "
124
40-50 "
92
50-60 "
73
60-70 "
39
70 Jahren und darüber
12
Oesterreich
unter 20 Jahren
200
21-30 "
220
31-40 "
182
41-50 "
173
51-60 "
135
61-70 "
71
über 70 "
19
Frankreich
unter 18 Jahren
141
18-24 "
209
25-34 "
218
35-44 "
152
45-54 "
125
55-64 "
90
65 Jahren und darüber
65
Besonders die auf Deutschland sich beziehenden Zahlen fallen hierbei auf: 35 % aller Arbeiterinnen sind unter zwanzig Jahre alt! In Oesterreich sind es noch 20, in Frankreich 14 %. In Oesterreich fällt die stärkste Beteiligung der Frauen an der proletarischen Arbeit in das einundzwanzigste bis dreißigste, in Frankreich in das fünfundzwanzigste bis vierunddreißigste Lebensjahr; wir haben also nach dieser Richtung hier die gesündesten Verhältnisse vor uns. Andererseits aber sehen wir, daß vom vierzigsten Jahre ab in Deutschland die Frauenarbeit bedeutend abnimmt, während sie in Oesterreich noch im sechzigsten Jahre und in Frankreich im vierundfünfzigsten einen hohen Prozentsatz ausmacht, und während in Deutschland die über siebzigjährigen Greisinnen 12 % der Arbeiterinnen ausmachen, weist Oesterreich 19 % und Frankreich für die über fünfundsechzigjährigen gar 65 % auf. Im allgemeinen verteilt sich die proletarische Frauenarbeit in Frankreich im Gegensatz zu Deutschland weit regelmäßiger über das ganze Leben, hat daher, die starke Beteiligung der Greisinnen abgerechnet, einen normaleren Charakter angenommen. Noch deutlicher tritt uns die Altersgliederung der Arbeiterinnen entgegen, wenn wir sie im Verhältnis zur weiblichen Bevölkerung betrachten:
Von je 1000 weiblichen Personen
im Alter von
sind Arbeiterinnen
Deutschland
14-20 Jahren
397
20-30 "
273
30-40 "
136
40-50 "
127
50-60 "
127
60-70 "
105
70 Jahren und darüber
57
Oesterreich
11-20 Jahren
570
21-30 "
685
31-40 "
577
41-50 "
561
51-60 "
507
61-70 "
393
über 70 "
218
Frankreich
unter 24 Jahren
517
25-34 "
324
35-44 "
256
45-54 "
237
55-64 "
245
65 Jahren und darüber
161
In Deutschland stehen danach nicht weniger als 40 % aller vierzehn- bis zwanzigjährigen Mädchen im Kampf ums Brot. Eine erschreckende Zahl! In Frankreich, wo der Vergleich nicht genauer durchgeführt werden konnte, weil zwar die Bevölkerung nach fünfjährigen Altersperioden gegliedert wurde, man für die Berufsthätigen der jüngeren Altersklassen aber eine andere Einteilung, nämlich die unter achtzehn Jahr und achtzehn bis vierundzwanzig Jahr bevorzugte, ist die Beteiligung sämtlicher Altersklassen an der proletarischen Arbeit eine außerordentlich hohe. Die gesteigerte Erwerbsthätigkeit fällt besonders für die Altersklasse zwischen dem fünfundfünfzigsten und vierundsechzigsten Lebensjahre auf.
Von noch größerer Bedeutung für die Beurteilung der proletarischen Frauenarbeit ist die Frage des Familienstandes der Arbeiterinnen. Leider ist das vorliegende statistische Material insofern ganz ungenügend, als die Darstellung des Familienstandes im Zusammenhang mit dem Beruf und der sozialen Schichtung zum Teil vollständig fehlt. Ein Vergleich zwischen den Zählungen der verschiedenen Erhebungsperioden ist nur für Deutschland möglich, und zwar auch hier mit der Einschränkung, daß im Jahre 1882 die Verwitweten, resp. Geschiedenen mit den Ledigen zusammengerechnet, während sie 1895 getrennt gezählt wurden.
Auf Grund der letzten Zählungen stellt sich die Gliederung nach dem Familienstand folgendermaßen dar:
Länder
Zählungsperiode
Von je 1000 Arbeiterinnen waren
ledig
verheiratet
verwitwet
Deutschland
1895
702
215
83
Oesterreich
1890
424
446
130
Frankreich
1896
649
206
145
Vereinigte Staaten
1890
791
113
96
Bei dieser Zusammenstellung fällt Oesterreich wieder besonders ins Auge, wo mehr verheiratete als ledige Frauen Arbeiterinnen sein sollen. Dieses Verhältnis kann nicht allein dadurch erklärt werden, daß bei der Zählung die Erfassung der dem Manne helfenden Ehefrauen eine besonders starke war, im Gegensatz z.B. zu den Vereinigten Staaten, wo sie gar keine Berücksichtigung fanden, eine genauere Betrachtung der österreichischen Statistik führt vielmehr zu dem merkwürdigen Resultat, daß in der Landwirtschaft 2106618 verheiratete Arbeiterinnen neben nur 667382 verheirateten Arbeitern aufgeführt werden! Um festzustellen, ob diese enorme Zahl verheirateter Arbeiterinnen im Bereich der Möglichkeit liegt, müßte man in Erfahrung bringen können, wo sich die Ehemänner dieser Frauen befinden. Möglich, daß die Gattinnen der Besitzer landwirtschaftlicher Zwergbetriebe, die also unter der Rubrik der Selbständigen zu finden wären, sich als Arbeiterinnen bezeichneten, immerhin könnte das für die volle Zahl der 1400000 Frauen nicht zutreffen, da nur 1500000 selbständige verheiratete Landwirte ihnen gegenüber stehen, deren Frauen unmöglich fast alle Arbeiterinnen sein können. Es bleibt also nur noch übrig anzunehmen, daß Frauen von Industriearbeitern, die etwa neben der Hauswirtschaft ein kleines Gartenland bebauen, als Arbeiterinnen eingetragen wurden. Diesen günstigsten Fall, und nicht, wie es nahe läge, positive Fehler in der Erhebung selbst angenommen, scheint es klar zu sein, daß diese zwei Millionen verheirateter Landarbeiterinnen zu einem großen Teil nicht als Arbeiterinnen im eigentlichen Sinn angesehen werden können. Auffallend bei der vorliegenden Tabelle ist ferner der hohe Prozentsatz Verwitweter resp. Geschiedener in Oesterreich und Frankreich. Die Armut des Volks zwingt in Oesterreich eine besonders große Zahl von Witwen zur Erwerbsarbeit, während in Frankreich die zahlreichen geschiedenen und eheverlassenen Frauen von wesentlichem Einfluß auf die prozentuale Gestaltung des Familienstandes sind.
Betrachten wir nunmehr sein jetziges Verhältnis zu dem der vorletzten Zählungsperiode, so ergiebt sich für Deutschland folgendes:
Zählungsperiode
Von 1000 Arbeiterinnen waren
ledig resp. verwitwet
verheiratet
Deutschland
1882
827
173
1895
785
215
In absoluten Zahlen ausgedrückt ist das Verhältnis dieses:
Zählungsperiode
Von 1000 Arbeiterinnen waren[A]
ledig resp. verwitwet
verheiratet
Deutschland
1882
2433682
507784
1895
2938283
807172
Zunahme:
504601
299388
[Transskriptionsanmerkung A: Die offensichtlich falsche Legende "Von 1000 Arbeiterinnen waren..." findet sich so im Original.]
Für Amerika ist ein allgemeiner Vergleich nicht möglich. Dagegen liegt eine Spezialerhebung vor, die nicht ohne Wert für die vorliegende Frage ist. 478 Ihre Resultate sind aus einer Enquête gewonnen worden, die 1067 verschiedene industrielle Betriebe in dreißig verschiedenen Staaten mit 42990 männlichen und 51539 weiblichen Arbeitern in der früheren Beobachtungsperiode (1885 bis 86), und 68380 männlichen und 79987 weiblichen Arbeitern in der letzten (1895 bis 96) umfaßte. Wir haben es also in beiden Fällen mit ca. 3 % aller Arbeiterinnen der Vereinigten Staaten zu thun, wonach die Bedeutung der Ergebnisse sich annähernd bewerten läßt. Sie waren folgende:
Von 51539 Frauen waren 1885-86
Ledig
Verheiratet
Verwitwet
Geschieden
Unbekannt
Absolut
Proz.
Absolut
Proz.
Absolut
Proz.
Absolut
Proz.
Absolut
Proz.
32801
63,6
1357
2,6
498
1,0
4
--
16879
32,8
Von 79987 Frauen waren 1895-96
Ledig
Verheiratet
Verwitwet
Geschieden
Unbekannt
Absolut
Proz.
Absolut
Proz.
Absolut
Proz.
Absolut
Proz.
Absolut
Proz.
70921
88,7
6775
8,5
2011
2,5
36
--
244
0,3
Der Wert der vorliegenden Tabelle wird dadurch noch mehr eingeschränkt, daß in der früheren Zählungsperiode von fast einem Drittel aller Arbeiterinnen der Familienstand unbekannt blieb. So sehr daher auch der Augenschein dafür spricht, daß die Verheirateten und die Verwitweten zugenommen haben, so ist dies Resultat doch mit Vorsicht aufzunehmen, da die hohe Zahl der Arbeiterinnen unbekannten Familienstandes im Jahr 1885 bis 1886 einen genauen Vergleich von vornherein ausschließt.
Für England sind wir auf noch unsicherere Zahlen angewiesen. Eine Zählung des Familienstandes in Verbindung mit der Berufsthätigkeit und der sozialen Schichtung wurde weder 1881 noch 1891 im Zusammenhang mit dem Zensus vorgenommen. Trotzdem ist der Versuch gemacht worden, auf Grund seiner Ergebnisse den Familienstand der Arbeiterinnen festzustellen. 479 Zwei Angaben der Erhebungen bildeten die Anhaltspunkte für die Untersuchung: Die Zahl aller ledigen und die Zahl aller berufsthätigen Frauen. In den Orten, wo die Zahl der Ledigen, wohl bemerkt, aller Ledigen, die Zahl der Berufsthätigen übertraf, gab die Differenz zwischen beiden Zahlen die Minimalzahl der verheirateten berufsthätigen Frauen an. Wenn auch dabei betont wird, daß es sich um Minimalzahlen handelt, so sind selbst diese von vornherein problematisch, weil doch ohne weiteres einzusehen ist, daß nirgends alle Ledigen berufsthätig sind. Aber selbst abgesehen davon, sind die Resultate der Untersuchung, die eine Abnahme der verheirateten Arbeiterinnen konstatieren, höchst fraglicher Natur. Nur neunzehn Städte sind von 61 mit über 50000 Einwohnern in Betracht gezogen worden, und die einzelnen Berechnungen weisen in ihrer Methode beträchtliche Fehler auf. 480 Wir können uns daher nicht auf sie stützen und müssen die Frage des Familienstandes der englischen Arbeiterinnen offen lassen.
Wie gestaltet sich nun der Familienstand je nach den Berufsabteilungen?
Folgende Tabelle beantwortet die Frage:
Länder
Zählungsperiode
Von 1000 Arbeiterinnen waren in der
Landwirtschaft
Industrie
Handel
ledig
verwitwet
verheiratet
ledig
verwitwet
verheiratet
ledig
verwitwet
verheiratet
Deutschland
1895
671
91
238
751
81
168
763
36
201
Oesterreich
1890
419
63
518
663
96
241
511
201
288
Frankreich
1896
714
88
199
629
74
297
340
232
428
Das Bild, das sie uns vorführt, ist kein einheitliches. Den stärksten Prozentsatz verheirateter Frauen weist Deutschland und Oesterreich in der Landwirtschaft, Frankreich dagegen in der Industrie auf. Stärker als die Ledigen sind die Verheirateten in der Landwirtschaft Oesterreichs und im Handel Frankreichs vertreten, wo in beiden Fällen auch die Verwitweten einen ungewöhnlich hohen Prozentsatz aufweisen. Die meisten Verwitweten zählt Deutschland dagegen in der Landwirtschaft. Die meisten Ledigen zeigt der Handel in Deutschland, die Industrie in Oesterreich und die Landwirtschaft in Frankreich.
Was die Zusammensetzung der Arbeiterinnen je nach ihrem Familienstand, ihrem Beruf im Verhältnis zu früheren Zählungen betrifft, so kann hierbei nur Deutschland in Betracht kommen, weil die anderen Staaten keine so eingehende Berechnungen besitzen. Die folgende Tabelle kennzeichnet die Lage in Deutschland:
1882
1895
verheiratet
nicht verheiratet
verheiratet
nicht verheiratet
Landwirtschaft
414189
18,39
1877671
81,61
567542
23,76
1820606
76,24
Industrie
69215
12,69
476014
87,31
166338
16,76
825964
83,24
Handel
24380
16,89
119997
83,11
73212
20,08
291713
79,92
Die Zunahme der verheirateten Arbeiterinnen in Landwirtschaft und Industrie ist eine raschere gewesen als die der ledigen. Für die Landwirtschaft kann angenommen werden, daß eine stärkere Erfassung der mithelfenden Ehefrauen zu dem Resultat beigetragen hat. Die Zunahme der Verheirateten in der Industrie dagegen läßt sich nicht nur, wie es stets und fast ausschließlich geschieht, daraus erklären, daß zur Befriedigung der Bedürfnisse der Familie der Verdienst des Mannes allein nicht mehr ausreicht, sondern auch aus der Zunahme der Arbeiterinnen überhaupt. Es ist klar, daß, je mehr die Zahl der Arbeiterinnen wächst, die Männer desto mehr darauf angewiesen sind, bereits erwerbsthätige Frauen zu heiraten. Sie thun es um so lieber, als die Erwerbsarbeit der Frau eine beachtenswerte Mitgift ist; immer weniger häufig tritt daher die Arbeiterin mit der Heirat aus ihrem außerhäuslichen Beruf in das Haus und das Familienleben zurück. Das alte Ideal des Familienlebens, dessen typisches Bild Schiller in seiner Glocke gezeichnet hat, verblaßt mehr und mehr, nur denjenigen schwebt es noch vor, die in der Erwerbsarbeit der Ehefrauen etwas unbedingt Widernatürliches sehen. Im Volksbewußtsein ist sie das nicht mehr. Und mit Recht. So wenig wie die Frauenarbeit überhaupt eine beklagenswerte Erscheinung innerhalb der sozialen Entwicklung ist, so wenig ist es die Arbeit der Ehefrauen. Verderblich wirkt auch sie nur durch die Bedingungen, unter denen sie vor sich geht.
Gerade in Bezug hierauf ist es notwendig, festzustellen, in welchen Berufsarten der Industrie die meisten verheirateten Frauen thätig sind. Nach den letzten Zählungen für Deutschland, Oesterreich und Nordamerika,—die Ergebnisse für Frankreich liegen im einzelnen noch nicht vor,—zeigt sich folgendes:
Deutschland
Berufsarten | von 100 Arbeiterinnen des betreffenden Berufs sind verheiratet |
Fleischerei | 40,92 |
Ziegelei | 30,01 |
Bäckerei | 29,45 |
Weberei | 25,30 |
Tuchmacherei | 24,94 |
Zubereitung v. Spinnstoffen | 24,88 |
Tabakfabrikation | 24,72 |
Lohnarbeit wechselnd. Art | 19,55 |
Bleicherei, Appretur | 18,59 |
Oesterreich
Berufsarten | von 100 Arbeiterinnen des betreffenden Berufs sind verheiratet |
Verarbeitung von Eisen und Stahl | 34,50 |
Verfertigung von Maschinen | 33,98 |
Textilindustrie | 28,49 |
Industrie der Nahrungsmittel | 24,77 |
Vereinigte Staaten
Berufsarten | von 100 Arbeiterinnen des betreffenden Berufs sind verheiratet |
Wäscherei | 31,60 |
Häusliche Dienste | 26,78 |
Putzmacherei | 17,66 |
Tabakfabrikation | 16,53 |
Bäcker und Konditoren | 12,95 |
Baumwollenweber | 12,59 |
Kleiderkonfektion | 12,23 |
Schuhmacher | 11,36 |
Daraus geht hervor, daß die verheirateten Arbeiterinnen besonders in der Textilindustrie beschäftigt sind.
Nachstehende Tabelle bringt einen noch stärkeren Beweis dafür: 481
Industriezweige
Land
Zählungsjahr
Von 100 Arbeiterinnen
waren verheiratet
Baumwollindustrie
Massachusetts
1885
14,9
Lancashire and Cheshire
1894
22,2
Burnley
30,3
Blackburn
29,4
Stockport
26,3
Oldham
23,2
Bolton
12,6
Wigan
5,7
Streichgarnindustrie
Massachusetts
1885
14,6
England
1894
24,5
Gloucestershire und Somersetshire
1894
37,4
Sächsische Bezirke Krimmitschau und Werdau
1892
31,3
Am wertvollsten für die Beurteilung der Arbeit verheirateter Frauen je nach den Berufsarten sind die Ergebnisse der Untersuchungen der deutschen Gewerbeinspektoren für das Jahr 1899. 482 Danach verteilen sich die Ehefrauen einschließlich der Verwitweten und Geschiedenen in folgender Weise auf die verschiedenen Industriezweige:
Industriezweige | Verheiratete Arbeiterinnen | Von 100 verheirateten Arbeiterinnen in dem betr. Industriezweig beschäftigt. |
Bergbau-, Hütten-, Salinenwesen, Torfgräberei | 1333 | 0,58 |
Industrie der Steine und Erden | 19475 | 8,49 |
Metallverarbeitung | 10739 | 4,68 |
Industrie der Maschinen, Instrumente und Apparate | 4493 | 1,99 |
Chemische Industrie | 4380 | 1,91 |
Industrie der forstwirtschaftlichen Nebenprodukte | 1162 | 0.51 |
Textilindustrie | 111194 | 48,49 |
Papierindustrie | 11049 | 4,82 |
Lederindustrie | 2063 | 0,86 |
Industrie der Holz- und Schnitzstoffe | 5635 | 2,46 |
Industrie der Nahrungs- und Genußmittel | 39080 | 17,04 |
Bekleidungs- und Reinigungsgewerbe | 13156 | 5,74 |
Baugewerbe | 141 | 0,06 |
Polygraphische Gewerbe | 4770 | 2,08 |
Sonstige Industriezweige | 664 | 0,29 |
Im ganzen: | 229334 | 100,00 |
Fast die Hälfte aller verheirateten Arbeiterinnen Deutschlands sind danach in der Textilindustrie beschäftigt. Ganz besonders interessant dabei ist, daß die Berufszählung von 1895 allein 38506 verheiratete und verheiratet gewesene Frauen in der Textilhausindustrie zählte, die höchste Zahl der hausindustriellen Ehefrauen überhaupt; ihnen zunächst steht, wie nach den Ergebnissen der Gewerbeinspektorenberichte, die Berufsgruppe der Bekleidung und Reinigung mit 24366 Ehefrauen in der Hausindustrie. Da in der gesamten Hausindustrie 71005 verheiratete Frauen gezählt wurden,—48 % aller weiblichen Hausindustriellen,—so sind 89 % von ihnen allein in der hausindustriellen Textilindustrie und in der Bekleidung und Reinigung thätig. Wir sehen daraus wieder, daß die Frauen, speziell die verheirateten, an das Haus gebundenen Frauen, den Fortschritt der Industrie zu höheren Arbeitsprozessen merklich aufhalten. Wir sehen aber auch im allgemeinen, daß die verheirateten Arbeiterinnen sich noch intensiver, als die Arbeiterinnen überhaupt, in wenige Berufsgruppen zusammendrängen.
Wenn es auch nicht möglich war, für eine Reihe von Ländern das Wachstum der Arbeit verheirateter Frauen festzustellen, so läßt sich aus den fast überall gleichen Vorbedingungen,—gesteigerte Bedürfnisse und Zunahme der Frauenarbeit überhaupt,—der Schluß ziehen, daß jedenfalls von einem Rückgang nicht die Rede sein kann und die Zunahme voraussichtlich sogar eine raschere sein dürfte, als die der ledigen Arbeiterinnen.
Aber auch das Wachstum der Arbeit der Witwen, Geschiedenen und Eheverlassenen ist der Erwägung zu unterziehen. Ist es auf größere Not allein zurückzuführen? Meiner Ansicht nach nicht. Die Arbeiter heiraten häufiger als früher,—im Jahre 1882 waren in Deutschland 40, im Jahre 1895 41 % verheiratet;—da nun nichts die Kräfte der Männer früher erschöpft als die proletarische Arbeit, und sie, bei der kolossalen Entwicklung, vor allem der Industrie immer mehr Männer—also auch kränkliche und schwache—in Anspruch nimmt, so muß die Zahl der verwitweten Proletarierinnen rasch zunehmen. Noch ein anderer Umstand kommt hinzu: die Zunahme der Scheidungen, sei es mit sei es ohne Hilfe der Gerichte. Die Erwerbsarbeit des weiblichen Geschlechts hat diese Entwicklung zweifellos unterstützt. Weder ist die Frau in dem Maße wie früher einfach infolge der täglichen Notdurft ihrer selbst und ihrer Kinder an den Mann als den Ernährer gefesselt, noch fühlt er selbst ihr gegenüber ein so starkes Verantwortlichkeitsgefühl wie einst. Auch das mag guten Seelen als eine sehr bedenkliche Folge der Zunahme der weiblichen Erwerbsarbeit erscheinen, während es, von einem höheren Standpunkt aus betrachtet, der Erneuerung der Ehe die Wege bahnt. Je selbständiger das Weib dem Manne gegenübersteht, desto freier wird sie dem Zuge ihres Herzens folgen können.
Die ganze Entwicklung der Frauenarbeit, wie sie uns aus den trockenen Zahlen entgegengetreten ist, muß jedem, der nicht blind ist oder sein will, das Eine klar vor Augen führen: keine andere Erscheinung in der Neuzeit wirkt so revolutionierend wie sie. Ohne sie würde die Neugestaltung des wirtschaftlichen und sozialen Lebens, wie die Arbeiterklasse sie anstrebt, eine Illusion bleiben. Denn sie legt die Axt an die Wurzeln der alten Gesellschaft. Sie verwandelt das Weib, dieses konservativste Element im Völkerleben, zu einem strebenden und denkenden Menschen; sie allein ist seine große Emanzipatorin, die sie aus der Sklaverei zur Freiheit emporführt.