Gütergemeinschaft.

Carnegie bringt Hunderte von Bibliotheken in dem großen Hause „Welt“ unter, das er mit der Menschheit bewohnt. J. P. Morgan hängt an die Mauern dieses Hauses lauter Bilder, die er den Museen seines Landes schenkt. Rockefeller gibt Millionen aus, um seinen Einfluß zu vergrößern und sich in der Welt Anerkennung zu verschaffen, in der ja auch er und seine Kinder leben müssen. Menschenfreunde aller Art spenden jährlich große Summen für die Ausgestaltung der Städte und machen sie dadurch nicht nur für andere, sondern auch für sich selbst reizvoller und schöner.

Ein großer französischer Philosoph sagte einst mit Recht: „Alles Gesetz, alle Philosophie und alle Weisheit hängen nur von der Anwendung folgender Grundsätze ab: Mäßige Dich. Erziehe Dich und lebe für Deine Mitmenschen, auf daß auch sie für Dich leben.“ Und der, der nach diesen Gesichtspunkten lebt, ist sicherlich der tüchtigste Geschäftsmann.

Es gibt keinen allgemeiner verbreiteten Fehler, als den, zu glauben, daß Selbstlosigkeit und Nächstenliebe eine bloße Gefühlssache seien. Nein, sie haben eine recht große praktische, ich möchte sagen geschäftliche Seite, eine Seite, die ein klein wenig von kühler, berechnender Politik an sich hat. Gänzliche Selbstlosigkeit und vollkommene Nächstenliebe führen zu einem gemeinsamen Ziel, an welchem das Leben in der Formel einer Gleichung steht: hier ich — dort die anderen, und ich und die anderen sind gleich.

Wenn es zwei Menschen gäbe, die beide mit demselben Wissen, derselben Klugheit und demselben Können ihren Weg gehen, von denen aber der eine von ausschließlich selbstischen Motiven getrieben wird, während der andere von rein menschenfreundlichen Beweggründen ausgehen würde, so würde der eine, Anderen durch seinen eigenen Selbstdienst, der andere aber sich selber dadurch dienen, daß er den Anderen einen Dienst erwiesen hat. Der Altruist würde es für nötig halten, sich selber im Interesse der anderen zu erhalten, der Egoist aber würde finden, daß er die anderen in seinem Interesse erhalten müsse.

Wenn wir — um ein Beispiel anzuführen — einen Zustand so großer mechanischer und wissenschaftlicher Vollendung annehmen könnten, daß alles, was wir wollen und brauchen, durch den bloßen Druck auf einen Knopf herbeigeschafft werden könnte — nur unser Zusammengehörigkeitsgefühl, unsere Sympathie und unsere Liebe nicht, dann würde es keinen Platz auf der Welt geben, der nicht einem Gefängnisse gliche, denn jedes Glücksempfinden würde uns fehlen, und wir würden alle Qualen durchmachen, die der Sträfling in der Einzelhaft durchmacht. Ja, das würden wir, denn so sehr sind wir auch in seelischer Hinsicht aufeinander angewiesen.

Der erste Schritt, den man beim Herannahen des tausendjährigen Reiches[1] unternehmen muß, ist der, den großen menschlichen Entwicklungsgang den tausendfältigen Möglichkeiten desselben anzupassen. Es kann kein tausendjähriges Reich, d. h. keinen Weg, ein vollkommenes Gemeinwesen zu schaffen, geben, ehe nicht das Unkraut aus dem großen Garten der Menschheit ausgejätet ist, dieses Unkraut, das jetzt in dem Gewächshaus unserer ungezähmten Leidenschaften wild emporwuchert, in dem es mit Gift befruchtet und mit Alkohol getränkt wird.

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