Das Telephon in der Westentasche.

Die Bürger der drahtlosen Zeit werden überall mit ihrem „Empfänger“ herumgehen, der irgendwo, im Hut oder anderswo angebracht und auf eine der Myriaden von Vibriationen eingestellt sein wird, mit der er gerade Verbindung sucht. Einerlei, wo er auch sein wird, er wird bloß den „Stimm-Zeiger“ auf die betreffende Nummer einzustellen brauchen, die er zu sprechen wünscht, und der Gerufene wird sofort seinen Hörer vibrieren oder das Signal geben können, wobei es in seinem Belieben stehen wird, ob er hören oder die Verbindung abbrechen will.

Solange er die bewohnten und zivilisierten Gegenden nicht verlassen wird, wird er es nicht nötig haben, auch einen „Sendapparat“ bei sich zu führen, denn solche „Sendstationen“ wird es auf jeder Straße, in jedem Omnibus, auf jedem Schiffe, jedem Luftschiffe und jedem Eisenbahnzug geben, und natürlich wird der Apparat auch in keinem öffentlichen Lokale und in keiner Wohnung fehlen. Man wird also da nie in Verlegenheit kommen.

Und in dem Bestreben, alle Apparate auf möglichste Raumeinschränkung hin zu vervollkommnen, wird auch der „Empfänger“ trotz seiner Kompliziertheit ein Wunder der Kleinmechanik sein.

Dieses System des Abgestimmtseins für ganz bestimmte Schwingungen kann durch die jedem bekannte Tatsache verständlich gemacht werden, daß, wenn man in der Nähe eines offenstehenden Klaviers, oder einer Violine einen bestimmten Ton singt, die entsprechende Saite des Instrumentes sofort mitzuvibrieren und mitzuklingen beginnt. Und gerade so wie ein tiefer Ton in langen und ein hoher Ton in kurzen Wellen schwingt, so kann auch in der drahtlosen Telegraphie und Telephonie durch einen eigenen Apparat die Länge der entsandten Vibrationen genau kontrolliert werden.

Der drahtlose Telephonapparat, der jetzt allerdings noch in seiner Kindheit steckt, ist ziemlich schwerfällig und groß. Aber das Ballsche Telephon erforderte Anfangs auch eine eigene und noch dazu ziemlich geräumige Zelle, während man heute schon Taschentelephone hat, mit denen man sich auf fünf, sechs Kilometer Entfernung ganz gut verständigen kann, und schon jetzt gibt es Forscher auf drahtlosem Gebiete, die, möglichst in regnerischen Nächten, mit einem gewöhnlichen Regenschirm, der ihnen die nötigen Antennen liefert, Nachrichten aus dem Aether mit einem Reciver auffangen, der nicht größer als eine Pillenschachtel ist. Wenn aber dieser Apparat erst so vervollkommnet sein wird, daß auch der gewöhnliche Sterbliche sich seiner wird bedienen können, dann werden dessen Lebensgewohnheiten dadurch noch weit mehr beeinflußt werden, als sie dies schon jetzt durch die Einführung unseres gewöhnlichen Telephones geworden sind.

Auf seinem Wege von und ins Geschäft wird er seine Augen nicht mehr durch Zeitunglesen anzustrengen brauchen, denn er wird sich in der Untergrundbahn, oder auf der Stadtbahn, oder im Omnibus oder wo er grad’ fährt, und wenn er geht, auch auf der Straße, nur mit der „gesprochenen Zeitung“ in Verbindung zu setzen brauchen, und er wird alle Tagesneuigkeiten, alle politischen Ereignisse und alle Kurse erfahren, nach denen er verlangt.[3]

Und ist ihm damit nicht gedient, sondern steht sein Sinn nach Höherem, so wird er sich mit jedem Theater, jeder Kirche, jedem Vortrags- und jedem Konzertsaal verbinden und an der Vorstellung, an der Predigt oder den Sinfonieaufführungen teilnehmen können, ja, die Kunstgenüsse der ganzen Welt werden ihm offen stehen, denn die Zentrale der Telharmonie wird ihn mit Paris, Wien, London und Berlin ebenso verbinden können, wie mit der eigenen Stadt. Diese Errungenschaft des drahtlosen Zeitalters werden wir übrigens auch über kurz oder lang schon erreicht haben; denn jetzt schon sind die Vorbereitungen im Gange, um Groß-Newyork mit einer solchen drahtlosen Telephonverbindung zu versorgen, da gefunden wurde, daß dieses Telephon Ton und Klang weit klarer wiedergibt, als unser bisher gebrauchtes Telephon mit Drahtleitung. Das einzige, noch in weite Ferne gerückte Problem ist das, unsere Empfangsapparate so empfindlich zu gestalten, daß sie alle Vibrationen aufnehmen können, und daß wir den Sendungsimpuls so in unserer Gewalt haben, daß er direkt zu dem ihm entsprechenden Reciver geht, ohne sich in alle Richtungen hin auszudehnen und zu zerstreuen, wie die Wellen, die nach allen Richtungen hin sich verbreiten, wenn man einen Stein ins Wasser wirft.

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