Viertes Kapitel

Die Rückkehr — Die Flotte auf dem Akesines — Der Kampf gegen die Maller — Alexander in Lebensgefahr — Die Kämpfe am unteren Indus — Abmarsch des Krateros — Die Kämpfe im Indusdelta — Alexanders Fahrt in den Ozean — Sein Abmarsch aus Indien

Es mochte in den letzten Tagen des August 326 sein, als sich das makedonische Heer an den Ufern des Hyphasis zum Rückmarsch rüstete. Nach den Anordnungen des Königs errichtete das Heer an den Ufern des Stromes zwölf mächtige turmähnliche Altäre, zum Dank für die Götter, die es bisher siegreich hatten vordringen lassen, und zum Gedächtnis dieses Königs und dieses Heeres. Alexander opferte auf diesen Altären, während von den Truppen Kampfspiele aller Art nach hellenischem Brauche gefeiert wurden.

Dann brach das Heer nach Westen auf; es war befreundetes Land, durch welches der Weg führte; ohne andere Schwierigkeiten, als die des noch immer häufigen Regens, gelangte man zum Hyarotis, und über diesen durch die Landschaft Gandaritis an die Ufer des Akesines; hier an der Passage des Stromes stand bereits die Stadt, mit deren Bau Hephaistion beauftragt worden war, fertig. Alexander ließ hier kurze Zeit rasten, um teils für die Hinabfahrt zum Indus und ins »große Meer« die nötigen Vorbereitungen zu treffen, teils die neue Stadt zu kolonisieren, zu welchem Ende die Inder der Umgegend zur Ansiedlung aufgefordert und zugleich die kampfunfähigen Söldner aus dem Heere hierselbst ansässig gemacht wurden.

Während dieser Rastzeit kam der Bruder des Fürsten Abisares von Kaschmir und andere kleine Fürsten der oberen Gegenden, alle mit vielen und kostbaren Geschenken, dem großen Könige ihre Huldigungen darzubringen; namentlich sandte Abisares dreißig Elefanten und ließ in Antwort auf den Befehl, den der König ihm hatte zukommen lassen, in Person zu erscheinen, seine vollkommenste Ergebenheit versichern und eine Krankheit, die ihn darniedergeworfen, als Entschuldigung für sein Nicherscheinen angeben. Da die von Alexander nach Kaschmir gesandten Makedonen diese Angaben bestätigten, und das jetzige Benehmen des Fürsten für seine weitere Ergebenheit zu bürgen schien, so wurde ihm sein Fürstentum als Satrapie übergeben und der Tribut bestimmt, den er hinfort zu entrichten habe, auch das Fürstentum des Arsakes (Uraça in der Nähe von Kaschmir) in den Bereich seiner Macht gegeben. Nach feierlichen Opfern zur Weihe der neuen Stadt ging Alexander über den Akesines, gegen Mitte September trafen die verschiedenen Heeresabteilungen in Bukephala und Nikaia am Hydaspes zusammen.

Es war ein großer und zukunftreicher Gedanke des Königs, aus dem Gebiet des Indusstromes, das er jetzt nach Osten durchzogen hatte, nicht etwa auf dem Wege, den er gekommen, in sein Reich zurückzukehren, sondern ebenso in den Ländern stromabwärts die Gewalt seiner Waffen geltend zu machen und den Samen des hellenistischen Lebens auszustreuen. Sein Verhältnis zu dieser neuentdeckten indischen Welt, nicht das eines unmittelbaren Herrschers, sondern auf den jetzt zum ersten Male eröffneten Verkehr mit jenen Völkern begründet, auf das allmähliche Wachstum dieser neuen Verbindungen und Anfänge berechnet, hätte, wenn etwa nur die indische Satrapie mit dem Kophenstrome das vermittelnde Band blieb, weder durchgreifend wirken, noch selbst für die Dauer bestehen können. Wenn auch jene Satrapie die Hauptstraße des gegenseitigen Verkehrs darbot, so mußte doch die ganze Linie des Indusstromes in den Händen der Makedonen sein, es mußten die tiefer am Strome wohnenden Völker denselben Einfluß wie die Völker des Fünfstromlandes anerkennen lernen, es mußte um so entschiedener gegen sie verfahren werden, je mehr manche derselben, namentlich die Maller und Oxydraker, auf ihre Unabhängigkeit und ihren kriegerischen Ruhm trotzten und jeden fremden Einfluß verabscheuten oder verachteten; vor allem mußte dieser Einfluß selbst durch hellenistische Kolonien am Indusstrome Halt und Nachdruck erhalten. In diesem Plane war es, daß Alexander schon, als er von dem Hydaspes gen Osten aufgebrochen war, den Befehl zum Bau der großen Stromflotte gegeben hatte, mit der er zum Indus und bis zum großen Meere hinabzusegeln gedachte; jetzt, da es unmöglich geworden war, den Feldzug bis zum Ganges und zum Ostmeere fortzusetzen, mochte sich Alexander mit doppeltem Eifer zu dieser Expedition wenden, die, wenn nicht ebensoviel Ruhm und Beute, wie die Heerfahrt zum Ganges, so doch gewiß große Erfolge erwarten ließ.

Während der vier Monate, die Alexander vom Hydaspes entfernt gewesen, hatte sich die äußere Gestalt dieser Gegend, in der seine beiden Städte lagen, vollkommen verwandelt. Die Regenzeit war vorüber, die Wasser begannen in ihr altes Bett zurückzutreten, und weite Reisfelder, auf dem Fruchtboden der Überschwemmungen im üppigsten Grün, zogen sich auf der linken Seite des Stromes hinab; das Ufer drüben unter den waldigen Höhen war meilenweit mit Schiffswerften bedeckt, auf denen Hunderte von großen und kleinen Fahrzeugen teils noch gezimmert wurden, teils schon fertig standen; Flößholz aus dem Gebirge, Kähne mit Vorräten aller Art, Transporte von Bau- und Kriegsmaterial kamen auf dem Strome daher, dessen Ufer das bunte Treiben eines lagernden und rastenden Heeres aller Nationen seltsam genug belebte. Alexanders nächste Sorge war, die beiden Festen, die, schnell und auf tiefem Grunde erbaut, in ihren Erdwällen und Baracken durch die Gewalt des Wassers manchen Schaden erlitten hatten, vollständiger und dauerhafter auszubauen. Dann wurde die Ausrüstung der Schiffe begonnen; nach hellenischer Sitte ernannte Alexander aus der Zahl der Reichsten und Vornehmsten in seiner Umgebung 33 Trierarchen, denen diese Leiturgie, die Ehrenleistung einer stattlichen und tüchtigen Schiffsausrüstung, zum Gegenstand eines für die Sache selbst sehr förderlichen Wetteifers wurde. Das Verzeichnis dieser Trierarchen gibt eine lehrreiche Übersicht der Umgebung des Königs. Es sind 24 Makedonen: die sieben Leibwächter des Königs, sowie der demnächst als achter dazu ernannte Peukestas; der Strateg und Hipparch Krateros, von den Strategen der Phalanx Attalos, von den Chiliarchen der Hypaspisten Nearchos, ferner Laomedon, der nicht Soldat war, Androsthenes, der nach der Rückkehr nach Babylon die Flotte um Arabien führte; von den übrigen elf Makedonen wird keiner sonst erwähnt, mancher von ihnen mag wie Laomedon im Zivil- oder wenigstens Intendanturdienst gestanden haben, Geschäfte, deren Umfang und Bedeutung bei diesem Heere, auch wenn nichts davon überliefert ist, sich von selbst versteht. Dann sind sechs Hellenen Trierarchen, unter ihnen des Königs Schreiber, Eumenes von Kardia, und der Larissäer Medios, einer der Vertrautesten des Königs. Endlich der Perser Bagoas und zwei Cyprioten, Königssöhne. Ob diese Trierarchen die ganze Flotte oder nur die größeren Schiffe, die 80 Dreißigruderer, ausrüsteten, ist nicht mehr zu erkennen.

Zur Bemannung der Stromflotte wurden aus dem Heere die Phöniker, Ägypter, Cyprier, Griechen der Inseln und asiatischen Küste ausgewählt und als Schiffsleute und Ruderer auf die Fahrzeuge verteilt; und in weniger als einem Monat war alles zur Abfahrt fertig. Tausend Fahrzeuge aller Art lagen auf dem Strom bereit, unter diesen die achtzig als Kriegsschiffe eingerichtet, zweihundert unbedeckte Schiffe zum Transport von Pferden; alle übrigen Fahrzeuge, aus den Ufergegenden, wie man sie gerade vorfand, beigetrieben, waren zum Fortschaffen von Truppen und zum Nachfahren der Lebensmittel und Kriegsmaterialien bestimmt, wovon nach einer unsicheren Nachricht eben jetzt große Transporte zugleich mit neuen Truppen, sechstausend Reitern und mehreren tausend Mann Fußvolks, angekommen sein sollen.

In den ersten Tagen des November sollte die Stromfahrt beginnen. Der König berief die Hetairen und die indischen Gesandten, die beim Heere waren, ihnen das weiter Nötige mitzuteilen. Er durfte die Hoffnung aussprechen, daß der Frieden, den er dem Fünfstromlande wiedergegeben, für die Dauer gegründet und durch seine Anordnung gesichert sein werde. Dem Fürsten Poros wurden die Erweiterungen seines Gebiets, die sieben Völker und zweitausend Städte umfaßten und sich bis in die Nähe des Hyphasis erstreckten, bestätigt, sein Verhältnis zu den Nachbarfürsten Abisares, Sopeithes und Phegeus festgestellt, dem Fürsten Taxiles der unabhängige Besitz seiner alten und neuen Länder zuerkannt, die abhängigen Fürstentümer im Bereich der indischen Satrapie mit ihren Tributen und anderweitigen Verpflichtungen an den dortigen Satrapen verwiesen, ihre, sowie die anderen indischen Kontingente in die Heimat entlassen. Sodann die Weisungen für den ferneren Zug: der König selbst werde mit allen Hypaspisten, mit den Agrianern und Bogenschützen, mit dem Geleit der Ritterschaft, im ganzen etwa achttausend Mann, zu Schiffe gehen, der Chiliarch Nearchos den Befehl über die gesamte Flotte, Onesikritos aus Astypaleia die Führung des königlichen Schiffes erhalten; die übrigen Truppen sollten in zwei Kolonnen verteilt zu beiden Seiten des Stromes hinabziehen, die eine unter Krateros' Führung auf dem rechten, dem westlichen Ufer, die andere größere, bei welcher die zweihundert Elefanten, auf dem linken unter Hephaistions Führung; beide wurden angewiesen, möglichst schnell vorzurücken, drei Tage stromabwärts haltzumachen und die Stromflotte zu erwarten; dort sollte der Satrap Philippos von der indischen Satrapie zu ihnen stoßen.

Noch eine Trauerfeier war zu begehen, ehe es zum Aufbruch kam. Der Hipparch und Strateg Koinos war einer Krankheit erlegen; die Überlieferung scheint anzudeuten, daß der König ihm jenen Vorgang am Hyphasis nicht vergessen habe: »nach den Umständen glänzend« wurde er bestattet.

Dann kam der zur Abfahrt bestimmte Tag; mit dem Morgen begann das Einschiffen der Truppen; auf beiden Seiten des Stromes hatten Hephaistion und Krateros ihre Phalangen, ihre Reiterei, ihre Elefanten in glänzender Schlachtlinie aufrücken lassen; während sich ein Schiffsgeschwader nach dem anderen ordnete, hielt der König an den Ufern des Stromes feierliche Opfer nach hellenischem Brauch; nach der Weisung der vaterländischen Priester opferte er den Göttern der Heimat, dem Poseidon, der hilfreichen Amphitrite, dem Okeanos, den Nereiden, dem Strome Hydaspes; dann stieg er auf sein Schiff, trat an den Bord des Vorderteiles und spendete aus goldener Schale, ließ den Trompeter das Signal zum Aufbruch blasen, und unter Trompetenschmettern und Alalageschrei schlugen die Ruder von allen Schiffen zugleich in die Wellen. So fuhr das segelbunte Geschwader, die achtzig Kriegsschiffe vorauf, in schönster Ordnung den Strom hinab, ein wunderbares und unbeschreibliches Schauspiel. »Mit nichts vergleichen läßt sich dies Rauschen des Ruderschlages, der auf allen Schiffen zugleich sich wechselnd hob und senkte, dies Kommando der Schiffsführer, wenn das Rudern ruhen, wenn wieder beginnen sollte, das Alala der Matrosen, mit dem sie die Ruder wieder ins Wasser schlugen; zwischen den hohen Ufern hallte das Rufen desto mächtiger, und in den Schluchten bald rechts, bald links gab das Echo es zurück; dann wieder umschlossen Wälder den Strom, und fern in der Waldeinsamkeit widerhallte der Fahrenden Ruf; bei Tausenden standen die Inder an den Ufern und sahen staunend dies fahrende Heer und die Streitrosse auf den Schiffen mit bunten Segeln, und die wunderbare stets gleiche Ordnung der Geschwader; sie jauchzten dem Rufe der Ruderer entgegen und zogen, ihre Lieder singend, den Strom mit hinab. Denn es gibt kein Volk, das den Gesang und Tanz mehr liebt als die Inder.«

Nach einer dreitägigen Fahrt kam der König zu der Ufergegend, wo Krateros und Hephaistion die Flotte erwarten sollten; sie lagerten schon zu beiden Seiten des Stromes. Hier rastete Heer und Flotte zwei Tage, um den Satrapen Philippos mit der Nachhut der großen Armee herankommen zu lassen. Sobald die gesamte makedonische Kriegsmacht — 120 000 Kombattanten zählte sie jetzt — beieinander war, traf der König die Einrichtungen, welche beim baldigen Einrücken in fremdes Gebiet und zunächst zur Unterwerfung des Landes bis zur Akesinesmündung nötig waren; namentlich wurde Philippos linksab an den Akesines detachiert, um sich des westlichen Stromufers zu versichern; Hephaistion und Krateros zogen rechts und links vom Hydaspes etwas landeinwärts weiter; jenseits der Akesinesmündung sollte die gesamte Heeresmacht wieder zusammentreffen, um den Feldzug gegen die Maller und Oxydraker von dort aus zu beginnen. Denn schon war von den bedeutenden Rüstungen, die diese großen und streitbaren Völker machten, Nachricht eingelaufen; schon hätten sie, hieß es, ihre Weiber und Kinder in die festen Plätze gebracht, und bei vielen Tausenden zögen sich Bewaffnete an den Hyarotis zusammen. Der König glaubte um so mehr vorwärtseilen und den Feldzug eröffnen zu müssen, ehe der Feind seine Rüstungen vollendet hätte. So ging die Flotte nach zweitägiger Rast weiter den Strom hinab; überall, wo sie anlangte, unterwarfen sich die Anwohner freiwillig oder wurden mit leichter Mühe dazu gezwungen.

Am fünften Tage hoffte Alexander die Mündung des Akesines in den Hydaspes zu erreichen; er hatte bereits in Erfahrung gebracht, daß diese Stelle für die Schiffahrt schwierig sei, daß sich die Ströme unter starkem Wellenschlag und vielen Strudeln vermischten, um dann in ein schmales Bett zusammengedrängt mit Ungestüm weiterzuströmen. Diese Nachrichten waren auf der Flotte verbreitet und zugleich zur Vorsicht ernstlich ermahnt worden. Gegen Ende der fünften Tagefahrt hörte man aus Süden her ein gewaltiges Brausen, ähnlich dem der Meeresbrandung bei hohler See; staunend hielten die Ruderer der ersten Geschwader inne, unschlüssig, ob das Meer, oder ein Unwetter, oder was sonst nahe sei; dann belehrt und ermahnt zu rüstiger Arbeit, wenn sie der Mündung nahten, fuhren sie weiter. Immer mächtiger wurde das Brausen, die Ufer verengten sich, schon sah man die Mündung, eine wildwogende, schaumige Stromesbrandung, in der die Flut des Hydaspes senkrecht auf die Wassersäule des Akesines stürzt und in strudelnder, tosender Wut gegen ihn kämpft, um pfeilgeschwind mit ihm zwischen den engen Ufern hinabzubrausen. Noch einmal ermahnten die Steuerleute zur Vorsicht und zur höchsten Anstrengung der Arbeit, um durch die Gewalt der Ruder die Strömung, die die Schiffe in die Strudel gerissen hätte, wo sie unrettbar verloren waren, zu überwinden und möglichst schnell aus der Stromenge in freieres Wasser zu gelangen. Und schon riß der Strom die Menge mit sich fort, mit unsäglicher Mühe hielten Ruder und Steuer die Richtung; mehrere Fahrzeuge wurden überwältigt, in die Strudel gerissen, kreiselnd umgedreht, die Ruder zerbrochen, die Flanken beschädigt, sie selbst mit genauer Not vor dem Untergehen gerettet; besonders die langen Schiffe waren in großer Gefahr, zwei von ihnen, gegeneinandergejagt, zerschellten und versanken; leichtere Fahrzeuge trieben ans Ufer; am glücklichsten kamen die breiten Lastschiffe durch, die, von dem Strudel ergriffen, zu breit um umzuschlagen, von der Gewalt der Wellen selbst wieder in die rechte Richtung gebracht wurden. Alexander selbst soll mit seinem Schiffe in den Strudeln und in der augenscheinlichsten Lebensgefahr gewesen sein, so daß er schon sein Oberkleid abgeworfen hatte, um sich in das Wasser zu stürzen und sich durch Schwimmen zu retten.

So kam die Flotte nicht ohne bedeutenden Verlust über die gefährliche Stelle hinaus; erst eine Stunde abwärts wurde das Wasser ruhiger und freier; der Strom wendet sich hier um die Uferhügel rechts hin; hinter ihnen konnte man bequem und vor der Strömung gesichert anlegen, zugleich war das weit hinausreichende Uferland zum Auffangen der hinabtreibenden Scheiter und Leichname geeignet. Der König ließ hier die Flotte anlegen und befahl dem Nearch, die Ausbesserung der beschädigten Fahrzeuge möglichst schnell zu bewerkstelligen. Er selbst benutzte die Zeit zu einer Exkursion ins Land, damit die streitbaren Völker dieser Landschaft, die Siber und Agalasser, den Mallern und Oxydrakern, von denen sie der Akesines trennte, nicht etwa bei dem bevorstehenden Angriff der Makedonen zu Hilfe kämen. Nach einem Marsche von sechs Meilen, der dazu benutzt wurde, durch Verwüstungen Schrecken zu verbreiten, stand Alexander vor der nicht unbedeutenden Hauptstadt der Siber; sie wurde ohne große Mühe erstürmt. Nach einem anderen Berichte ergab sie sich freiwillig.

Bei seiner Rückkehr zum Akesines fand Alexander die Flotte in segelfertigem Stand, auch war Krateros im Lager, Hephaistion und Philippos oberhalb der Strommündung angekommen. Sofort wurden die Anordnungen für den Zug gegen die Maller getroffen, deren Gebiet etwa sieben Meilen stromabwärts bei der Hyarotismündung begann und an diesem Strome weit gen Norden hinaufreichte. Sie waren, das wußte der König, auf einen Angriff gefaßt und gerüstet; sie mußten erwarten, daß das makedonische Heer zur Hyarotismündung hinabgehen und von da aus in ihr Gebiet eindringen werde, da es durch eine wasserlose Wüste von mehreren Meilen Breite vom Akesines getrennt war, und also von der Gegend der Schiffsstation aus unangreifbar schien. Der König beschloß, sie auf diesem Wege, wo sie es am wenigsten erwarteten, und in dem oberen Teil ihres Landes, unfern von den Grenzen der Gandaritis und der Kathäer, plötzlich anzugreifen und sie von da aus den Hyarotisstrom hinabzudrängen; an den Mündungen dieses Flusses sollten sie, wenn sie Zuflucht oder Beistand auf dem jenseitigen Ufer des Akesines suchten, den Makedonen wiederum in die Hände fallen. Deshalb ging zunächst die Flotte unter Nearch dorthin ab, um das rechte Ufer des Akesines der Hyarotismündung gegenüber zu besetzen und so die Verbindung des mallischen Landes mit dem Uferlande drüben abzuschneiden; Krateros sollte mit seinen Truppen, mit den Elefanten und der Phalanx Polysperchon, die bis daher bei Hephaistion gewesen waren, und mit den Truppen des Philippos, die den Hydaspes oberhalb seiner Mündung übersetzten, drei Tage später auf der Station Nearchs eintreffen und mit dieser bedeutenden Heeresmacht auf dem rechten Stromufer die Basis für die kühnen Operationen jenseits bilden. Sobald Nearchos und Krateros aufgebrochen waren, teilte Alexander das noch übrige Heer in drei Korps; während er selbst mit dem einen den Überfall im Innern des Mallerlandes bewerkstelligen und die Feinde stromab treiben würde, sollte Hephaistion, der mit dem zweiten Korps fünf Tage früher ausrückte, die Linie des Hyarotis besetzen, um die Fliehenden aufzufangen, der Lagide Ptolemaios dagegen mit dem dritten Korps drei Tage später ausrücken, um den etwa rückwärts zum Akesines Flüchtenden den Weg zu sperren.

Die Maller und Oxydraker ihrerseits, so heißt es, hatten zwar bei der Nachricht von Alexanders Herannahen ihre alten Fehden beigelegt, sich zu gegenseitiger Hilfeleistung durch Geiseln verpflichtet und ein sehr bedeutendes Heer, über sechzigtausend Mann Fußvolk, zehntausend Reiter, siebenhundert Streitwagen zusammengebracht, waren aber bei der Wahl eines gemeinsamen Anführers — denn sie gehörten zu den Aratten, den Indern ohne Fürsten — miteinander so uneins geworden, daß sich die Heeresmacht auflöste und die Kontingente der einzelnen Distrikte sich in ihre festen Städte zerstreuten; eine Angabe, die zwar nicht durch besondere Autorität verbürgt wird, aber durch die Eigentümlichkeit des Operationsplanes, den Alexander entworfen, einige Bestätigung erhält. Nach anderen Berichten hatten die Maller und Oxydraker die Absicht, sich zu verbünden, und würden dann eine bedeutende Kriegsmacht den Makedonen entgegengestellt haben, weshalb eben Alexander so eilte, um der Vereinigung mit seinem Angriff zuvorzukommen.

An dem zum Aufbruch bezeichneten Tage, gegen Mitte November, rückte Alexander aus; mit ihm waren die Hypaspisten, die Schützen und Agrianer, die Phalanx Peithon, die Hälfte der makedonischen Hipparchien und die Bogenschützen zu Pferd. In kurzer Entfernung vom Akesines begann die Wüste; nach einem fünfstündigen Marsche gelangte man zu einem Wasser; dort wurde haltgemacht, Mittag gehalten, ein wenig geruht, Wasser in die Behälter, wie sie jeder hatte, geschöpft, dann weitermarschiert; den noch übrigen Teil des Tages und die folgende Nacht durch ging es in möglichster Eile weiter; am anderen Morgen sah man, nach einem Marsche von fast acht Meilen, die mallische Stadt Agalassa mit ihrer Burg gen Osten liegen. Hierher hatten sich viele Maller zurückgezogen; sie lagerten unbewacht und unbewaffnet vor den Mauern der Stadt, die die Menschenmenge nicht faßte; sie waren so vollkommen überzeugt, daß ein Überfall durch die Wüste her unmöglich sei, daß sie das herannahende Heer für alles andere, nur nicht für Makedonen hielten. Und schon waren Alexanders Reiter mitten unter ihnen; an Widerstand war nicht zu denken; Tausende wurden niedergehauen; was fliehen konnte, rettete sich in die Stadt, die Alexander von der Reiterei einschließen ließ, bis das Fußvolk nachkäme, um den Sturm zu beginnen. Sobald dieses heran war, entsandte der König schleunigst Perdikkas mit zwei Hipparchien und den Agrianern zu einer benachbarten Stadt, in die sich viele Inder geflüchtet hatten, mit der Weisung, dieselbe auf das sorgfältigste zu beobachten, selbst jedoch nichts gegen sie zu unternehmen, bevor das Heer von Agalassa nachrücke, damit nicht die Flüchtlinge zugleich die Nachricht von der Nähe der Makedonen weiter landein verbreiteten. Indes begann Alexander den Sturm; die Inder, die schon bei dem ersten Überfall hart mitgenommen waren, verzweifelten, die Mauern behaupten zu können; von den Toren und Türmen zurückfliehend, wurden sie von den nachdringenden Makedonen größtenteils erschlagen, nur einige Tausend flüchteten sich in die Burg und wehrten sich von dort herab mit dem Mute der Verzweiflung; mehr als ein Angriff der Makedonen wurde zurückgeschlagen, die immer steigende Erbitterung, der Zuruf und das Beispiel des Königs, die Erschöpfung der Gegner ließ die Makedonen endlich den Sieg erringen, für dessen Mühe sie sich mit einem gräßlichen Gemetzel unter den Indern rächten; von den zweitausend, welche die Burg verteidigt hatten, entkam keiner.

Indessen hatte Perdikkas die Stadt, gegen die er gesandt war, bereits von den Einwohnern verlassen gefunden; er beeilte sich, den Fliehenden nachzusetzen; er holte sie in der Tat noch ein, und die sich nicht über den Strom oder in das Sumpfland an dessen Ufer gerettet hatten, wurden erschlagen. Der König seinerseits hatte nach Erstürmung der Burg von Agalassa den Seinigen wenige Stunden Ruhe gegönnt; mit Einbruch der Nacht ließ er, nachdem eine kleine Besatzung in die Burg gelegt war, aufbrechen und dem Hyarotis zu marschieren, um den Mallern der Umgegend die Flucht auf das jenseitige Ufer abzuschneiden. Gegen Morgen erreichte er die Furt des Flusses, die meisten der Feinde waren schon hinübergeflüchtet; die noch zurückgeblieben, wurden niedergehauen; er selbst setzte sogleich durch den Strom, bald waren die fliehenden Scharen eingeholt, von neuem begann das Gemetzel; wer entkam, rettete sich in eine naheliegende Feste, die übrigen ergaben sich dem Sieger. Sobald das Fußvolk nachgekommen war, entsandte der König Peithon mit seiner Phalanx und zwei Geschwadern gegen diese Feste; sie fiel beim ersten Sturm, und die Maller in ihr wurden zu Kriegsgefangenen gemacht, worauf Peithon wieder zum Könige stieß.

Dieser war indessen gegen eine Brahmanenstadt, in die sich gleichfalls viele Maller geworfen hatten, vorgerückt und hatte sofort die Mauern umzingelt und sie zu untergraben beginnen lassen; zugleich von den Geschossen der Makedonen schwer mitgenommen, zogen sich die Inder in die Burg der Stadt zurück; eine Schar Makedonen war allzu kühn vorgegangen und mit in die Burg hineingedrungen; aber sie vermochte sich nicht gegen die Übermacht zu halten; fast abgeschnitten, schlug sie sich mit bedeutendem Verluste durch. Da steigerte sich die Erbitterung der Truppen; sofort ließ Alexander Sturmleitern heranbringen und die Burgmauern unterminieren; sobald ein Turm und der daranstoßende Teil der Mauer eingestürzt war und eine Bresche zum Stürmen darbot, war Alexander der erste auf den Trümmern, ihm nach drangen jubelnd die Makedonen, und in kurzer Zeit war die Mauer trotz der tapfersten Gegenwehr von Feinden gesäubert; viele von ihnen wurden im Kampfe erschlagen, andere warfen sich in die Gebäude, steckten sie in Brand und schleuderten, während die Feuersbrunst ungehemmt um sich griff, aus den brennenden Häusern Speere und Balken auf die Makedonen, bis sie der Glut und dem Dampf erlagen. Wenige fielen lebend den Makedonen in die Hände, gegen fünftausend waren beim Sturm und beim Brande der Burg umgekommen.

Alexander ließ hier seine durch die ungeheuren Anstrengungen der letzten fünf Tage erschöpften Truppen einen Tag ruhen; mit frischen Kräften zogen sie dann aus, die anderen mallischen Städte auf der Südseite des Hyarotis zu erobern; aber überall waren die Einwohner vor ihrer Ankunft bereits entflohen; es schien nicht nötig, die einzelnen Haufen aufzusuchen; es genügte, ihnen die Städte zu zerstören. So mehrere Tage; dann folgte wieder ein Ruhetag, damit die Truppen zum Angriff auf die größte Stadt diesseits, in die sich, auf ihre Stärke vertrauend, viele Maller geworfen haben sollten, frische Kraft sammeln konnten.

Um die waldigen Ufer stromaufwärts, im Rücken der ferneren Bewegungen, den zersprengten Mallern nicht zum Zufluchtsort und zum Sammelplatz für eine gefährliche Diversion werden zu lassen, wurde die Phalanx Peithon, die Hipparchie Demetrios und die nötigen Haufen leichtes Volk an den Strom zurückgesandt, mit dem Auftrag, die Inder dort in den Wäldern und Sümpfen aufzusuchen und alle, die sich nicht freiwillig ergäben, niederzuhauen. Mit den übrigen Truppen zog der König selbst, in der Erwartung eines hartnäckigen Kampfes, auf die oben bezeichnete Stadt los; aber so groß war der allgemeine Schrecken, den die makedonischen Waffen verbreitet hatten, daß die Inder in der großen Stadt, an der Möglichkeit sie zu behaupten verzweifelnd, sie preisgaben, sich über den nahen Strom zurückzogen und dessen hohe Nordufer besetzten, in der Hoffnung, von dieser allerdings günstigen Position aus den Übergang der Makedonen hindern zu können. Sobald Alexander davon unterrichtet war, brach er schleunigst mit der gesamten Reiterei auf und befahl dem Fußvolk, ohne Verzug nachzurücken. Angekommen an dem Strom, ließ er, unbekümmert um die jenseits aufgestellte Linie der Feinde, sofort den Übergang beginnen; und die Inder, durch die Kühnheit dieses Manövers in Schrecken gesetzt, zogen sich, ohne den ungleichen Kampf zu versuchen, in geschlossener Ordnung zurück; aber sobald sie bemerkten, daß ihnen nicht mehr als vier- bis fünftausend Mann Reiter gegenüber waren, wandte sich ihre ganze Linie, wohl fünfzigtausend Mann stark, gegen Alexander und dessen Reiterkolonne und versuchte sie vom Ufer, das sie bereits besetzt hatten, hinabzudrängen. Mit Mühe und nur durch eine Reihe künstlicher Bewegungen, durch welche jedem Handgemenge ausgewichen wurde, behaupteten sich die Reiter auf diesem schwierigen Terrain, bis nach und nach einige Scharen leichten Volks und namentlich die Schützen nachgekommen waren und man jenseits auch schon das schwere Fußvolk dem Ufer nahen sah. Jetzt begann Alexander vorzurücken; aber die Inder wagten nicht, den Angriff zu erwarten, sie wandten sich zur Flucht in eine benachbarte, stark befestigte Stadt; die Makedonen verfolgten sie lebhaft, töteten viele auf der Flucht und machten nicht eher, als unter den Mauern der Stadt halt.

Der König ließ sofort die Stadt von der Reiterei umzingeln; doch wurde es später Abend, ehe das Fußvolk herankam; zugleich waren alle, die Reiterei von dem Flußübergange und der heftigen Verfolgung, das Fußvolk von dem weiten und schweren Marsche, so erschöpft, daß für diesen Tag nichts weiter unternommen werden konnte; so wurde das Lager rings um die Stadt her aufgeschlagen. Aber mit dem ersten Morgen begann der König mit der einen, Perdikkas mit der zweiten Hälfte des Heeres von allen Seiten das Stürmen gegen die Mauern; die Inder vermochten nicht, sie zu behaupten, sie zogen sich von allen Seiten auf die stark befestigte Burg zurück. Alexander ließ auf seiner Seite ein Tor der Stadtmauer erbrechen und drang an der Spitze seiner Leute, ohne Widerstand zu finden, in die Stadt und durch die Straßen zur Burg; sie war mit starken Mauern versehen, die Türme wohlbemannt, die Belagerungsarbeit unter den Geschossen der Feinde gefährlich. Dennoch begannen die Makedonen sofort zu untergraben; andere brachten ein paar Sturmleitern heran, versuchten sie anzulegen; der ununterbrochene Pfeilregen von den Türmen machte selbst die Mutigsten stutzen. Da ergriff der König eine Leiter; in der Linken den Schild, in der Rechten sein Schwert, stieg er empor, ihm nach Peukestas und Leonnatos auf derselben, ein alter Kriegshauptmann Abreas auf einer zweiten Leiter. Schon ist der König bis an die Zinne; den Schild vor sich aufgestützt, zugleich kämpfend und sich wehrend, stürzt er die einen rücklings von der Mauer hinab, stößt die anderen mit seinem Schwert nieder; die Stelle vor ihm ist einen Augenblick frei, er schwingt sich auf die Zinne, ihm folgt Perdikkas, Leonnatos, Abreas; schon dringen die Hypaspisten mit lautem Geschrei auf den zwei Leitern nach, überfüllt brechen diese zusammen, der König auf der Zinne ist abgeschnitten. An seiner glänzenden Rüstung, an seinem Helmbusch erkennen ihn die Inder; zu nahen wagt ihm niemand, aber Pfeile, Speere, Steine werden aus den Türmen herab, aus der Burg herauf auf ihn geschleudert; seine Getreuen rufen ihm zu zurückzuspringen und seines Lebens zu schonen; er mißt mit einem Blick die Mauerhöhe zur Burg hinein, und schon ist der kühne Sprung getan. Er steht allein innerhalb der feindlichen Mauer; mit dem Rücken an sie gelehnt erwartet er die Feinde. Schon wagen sie zu nahen, schon dringt ihr Führer auf ihn ein; mit einem Schwertstoß durchbohrt ihn Alexander, einen zweiten wirft er mit einem Stein nieder, ein dritter, ein vierter sinkt unter des Königs Schwert. Die Inder weichen zurück, sie beginnen von allen Seiten her Pfeile, Speere, Steine, was jeder hat, auf ihn zu werfen; noch schützt ihn sein Schild, dann ermüdet sein Arm. Schon sind auch Peukestas, Leonnatos, Abreas herabgesprungen, an seiner Seite; aber Abreas sinkt, von einem Pfeil ins Gesicht getroffen, nieder; jauchzend sehen es die Inder, mit doppeltem Eifer schießen sie; ein Pfeil trifft des Königs Brust, der Panzer ist durchbohrt, ein Blutstrahl sprüht hervor, mit ihm der Atem der Lunge. In der Spannung des Kampfes bemerkt es der König nicht, er fährt fort, sich zu wehren; der Blutverlust macht ihn ermatten, seine Knie schwanken; ihm vergehen die Sinne; er sinkt an seinem Schilde nieder. Wilder dringen die Inder ein. Peukestas stellt sich über den Gefallenen, deckt ihn mit dem Schilde von Ilion, das er trägt, Leonnatos beschirmt ihn von der anderen Seite; schon trifft sie Pfeil auf Pfeil; sie halten sich kaum noch aufrecht; der König verblutet.

Indes ist vor den Mauern die wildeste Bewegung; die Makedonen haben ihren König in die Stadt hinabspringen sehen; es ist nicht möglich, daß er sich rettet, und sie vermögen ihm nicht zu folgen; man will Sturmleitern, Maschinen, Bäume anlegen; alles hält nur auf, jeder Augenblick Säumnis kann sein Tod sein; sie müssen ihm nach, die einen treiben Pflöcke in die Mauer und klimmen empor, andere steigen auf den Schultern der Kameraden zu den Zinnen hinan. Da sehen sie den König am Boden, Feinde dicht umher, schon sinkt Peukestas; vor Wut und Jammer schreiend stürzen sie sich hinab; sie scharen sich schnell um den Gefallenen, dicht verschildet rücken sie vor und drängen die Barbaren hinweg. Andere werfen sich auf das Tor, reißen es auf, heben die Torflügel aus den Angeln, und mit wildem Geschrei stürzen die Kolonnen hinein in die Burg. Nun geht es mit doppelter Macht auf den Feind; sie schlagen alles tot, Weiber, Kinder werden durchbohrt, das Blut soll ihre Rache kühlen. Andere tragen den König auf seinem Schilde fort; noch ist der Pfeil in seiner Brust; man versucht, ihn herauszuziehen, ein Widerhaken hält ihn zurück; der Schmerz läßt den König aus seiner Ohnmacht erwachen; seufzend bittet er, den Pfeil aus der Wunde zu lösen, die Wunde mit seinem Schwert zu erweitern. So geschieht es, reichlich rieselt das Blut hervor, eine neue Ohnmacht überfällt ihn; Leben und Tod scheint über ihn zu ringen. Weinend stehen die Freunde um sein Lager, die Makedonen vor dem Zelt; so vergeht der Abend und die Nacht.

Schon waren Gerüchte von diesem Kampf, von der Wunde, vom Tode des Königs in das Lager an der Hyarotismündung gekommen und hatten dort eine unbeschreibliche Bewegung hervorgerufen. Zuerst Schrecken, lautes Jammern und Weinen; dann wurde es stiller, man begann zu fragen was nun werden solle? Es wuchs die Sorge, die Entmutigung, die Qual der Ratlosigkeit; wer sollte des Heeres Führer werden? Wie sollte das Heer in die Heimat zurückkehren? Wie die endlosen Länderstrecken, die furchtbaren Ströme, die öden Gebirge, die Wüsteneien hindurch Weg und Rat finden? Wie sich verteidigen vor allen den streitbaren Völkern, die ihre Freiheit zu verteidigen, ihre Unabhängigkeit wiederzuerkämpfen, ihre Rache an den Makedonen zu stillen nicht länger zögern würden, da Alexander nicht mehr zu fürchten war? Und als die Nachricht kam, noch lebe der König, so glaubte man es kaum, so verzweifelte man, daß er dem Tode entrinnen werde; als ein Schreiben von dem Könige selbst kam, daß er in kurzem in das Lager zurückkehren werde, hieß es, der Brief sei von den Leibwächtern und Strategen erdichtet, um die Gemüter zu beruhigen, der König sei tot und sie ohne Rat und Rettung.

Indes war Alexander wirklich vom Tode gerettet und nach sieben Tagen seine Wunde, wennschon noch offen, doch ohne weitere Gefahr; die Nachrichten aus dem Lager und die Besorgnis, es möchte im Heer der Glaube, er sei tot, Unordnungen erzeugen, veranlaßten ihn, seine völlige Herstellung nicht abzuwarten, sondern schon jetzt zum Heere zurückzukehren. Er ließ sich zum Hyarotis hinab auf eine Jacht tragen, auf der ein Zelt für sein Krankenlager errichtet war; ohne Ruderschlag, um die Erschütterung zu vermeiden, nur von der Strömung getragen, nahte die Jacht am vierten Tage dem Lager. Die Kunde, Alexander komme, war vorausgeeilt, wenige glaubten sie. Schon sah man zwischen der Uferwaldung die Jacht mit dem Zelte den Strom herabkommen; mit ängstlicher Spannung standen die Truppen längs dem Ufer. Der König ließ das Zelt aufschlagen, damit ihn alle sähen. Noch meinten sie, es sei der tote König, den das Schiff bringe. Ehe es das Ufer erreichte, hob er den Arm, wie den Seinigen zum Gruß. Da erscholl der freudigste Aufschrei der Tausende, sie streckten die Hände gen Himmel empor oder ihrem Könige entgegen, Freudentränen mischten sich in den immer neuen Jubelruf. Dann legte die Jacht an, einige Hypaspisten brachten ein Lager, den König aus dem Schiff in sein Zelt zu tragen; er befahl ein Pferd zu bringen; als das Heer ihn wieder hoch zu Roß sah, erbrauste ein Freudengeschrei und Händeklatschen und Schilderklang, daß die Ufer drüben und die Waldungen umher widerhallten. Dem Zelte nah, das für ihn bereit war, stieg er vom Pferde, damit seine Kriegsleute ihn auch gehen sähen; da drängten sie sich von allen Seiten heran, seine Hand, sein Knie, sein Kleid zu berühren, oder auch nur ihn von nahe zu sehen, ihm ein gutes Wort zuzurufen, ihm Bänder und Blumen zuzuwerfen.

Bei diesem Empfang wird geschehen sein, was Nearchos aufgezeichnet hat. Dem Könige seien von einigen Freunden Vorwürfe gemacht worden, daß er sich so der Gefahr ausgesetzt habe: das sei der Soldaten, nicht des Feldherrn Sache; ein alter Boiotier, der das gehört und des Königs Mißstimmung darüber bemerkt habe, sei herangetreten und habe in seinem boiotischen Dialekt gesagt: »Dem Mann die Tat, o Alexandros; aber wer kämpft, muß leiden.« Der König habe ihm zugestimmt und ihm das gute Wort auch später nicht vergessen.

Die schnelle Eroberung der mallischen Hauptstadt hatte den mächtigsten Eindruck auf sämtliche Völkerschaften dieser Gegend gemacht. Die Maller selbst, obschon noch weite Strecken ihres Gebietes von den Makedonen nicht berührt waren, verzweifelten, längeren Widerstand zu leisten; in einer demütigen Gesandtschaft ergaben sie sich und ihr Land dem Könige. Die Oxydraker oder Sudraker, die mit den Mallern als die tapfersten Völker Indiens berühmt waren und eine bedeutende Streitmacht ins Feld stellen konnten, zogen es vor, sich zu unterwerfen; eine große Gesandtschaft, bestehend aus den Befehlshabern der Städte, den Herren der Landschaft und einhundertundfünfzig der Vornehmen des Landes, kamen mit reichen Geschenken, zu allem, was der König fordern würde, bevollmächtigt; sie sagten, daß sie nicht schon eher vor dem Könige erschienen, sei ihnen zu verzeihen, da sie mehr noch als irgendein anderes Volk Indiens ihre Freiheit liebten, die sie seit undenklichen Zeiten, seit dem Zuge des Gottes, den die Griechen Dionysos nennen, bewahrt hätten; dem Alexandros aber — denn er solle ja von den Göttern stammen, und seine Taten seien Beweis dafür — unterwürfen sie sich gern und seien bereit, einen Satrapen, den er setzen werde, aufzunehmen, Tribut zu zahlen und Geiseln zu stellen, so viele der König verlangen würde. Er verlangte tausend der Edelsten des Volkes, die, wenn er wolle, ihm als Geiseln folgen oder den Krieg bis zur Unterwerfung der noch übrigen Landschaften Indiens mitmachen sollten. Die Oxydraker stellten die Tausend, sandten außerdem freiwillig fünfhundert Kriegswagen mit, jeden mit zwei Kriegsleuten und seinem Wagenführer, worauf Alexander die Tausend huldreich entließ, die Kriegswagen aber seinem Heere zufügte; ihr Gebiet nebst dem der Maller wurde der Satrapie Indien unter Philippos zugewiesen.

Nachdem Alexander hergestellt war und den Göttern in feierlichen Opfern und Kampfspielen für seine Genesung gedankt hatte, brach er aus seinem Lager an der Hyarotismündung auf. Während des Aufenthaltes an dieser Stelle waren viele neue Schiffe gebaut worden, so daß jetzt bedeutend mehr Truppen als bisher mit dem Könige stromab fahren konnten; es waren mit ihm 10 000 Mann Fußvolk, von den Leichtbewaffneten die Schützen und Agrianer, 1700 Mann makedonische Ritterschaft. So segelte der König aus dem Hyarotis in den Akesines hinab, durch das befreundete Land der Oxydraker, an der Hyphasismündung vorüber bis zur Vereinigung des mächtigen Pandschnad mit dem Indus. Nur die Abastaner (Ambastha) hatte Perdikkas im Vorübergehen zur Unterwerfung zwingen müssen; die anderen Völkerschaften nah und fern schickten Gesandtschaften mit vielen und kostbaren Geschenken, feinen Webereien, Edelsteinen und Perlen, bunten Schlangenhäuten, Schildkrötenschalen, gezähmten Löwen und Tigern; auch neue Dreißigruderer und Lastschiffe in bedeutender Zahl, die der König im Land des Xathras hatte bauen lassen, kamen den Strom herab. Hier, wo der Indus den Pandschnad, die vereinigten fünf östlichen Nebenströme aufnimmt, und wo für den Verkehr zwischen dem Innern des Landes und der Indusmündung sich der natürliche Mittelpunkt bildet, beschloß Alexander eine hellenische Stadt zu gründen, die ebenso wichtig für die Behauptung des Landes, wie durch den Indushandel bedeutend und blühend werden mußte; sie sollte der südlichste Punkt der indischen Satrapie des Philippos sein, der hier mit einer ansehnlichen Heeresmacht, bestehend aus den sämtlichen thrakischen Truppen und einer verhältnismäßigen Zahl Schwerbewaffneter aus den Phalangen zurückblieb, mit dem Auftrage, namentlich für den sicheren Handel in dieser Gegend die möglichste Sorge zu tragen, einen geräumigen Hafen im Indus, Schiffswerften und Speicher anzulegen und auf alle Weise das Aufblühen dieses Alexandriens zu befördern.

Es mochte im Februar des Jahres 325 sein, als das makedonische Heer von Alexandreia zu den Ländern des unteren Indus aufbrach; der größere Teil desselben nebst den Elefanten war unter Krateros auf das östliche Ufer des Stromes hinübergesetzt, wo die Wege besser und die anwohnenden Völker noch nicht alle zur Unterwerfung geneigt waren. Der König selbst fuhr mit den obengenannten Truppen den Strom hinab. Heer und Flotte kam ohne Hindernis in das Land der Çudra, das die Hellenen Sogdoi oder Sodroi nannten, und machte bei deren Hauptstadt halt; sie wurde unter dem Namen des sogdischen Alexandrien zu einer hellenischen Kolonie gemacht, bedeutend befestigt, mit Hafen und Schiffswerften versehen und dem Satrapen des unteren Indus, dessen Gebiet sich von der Pandschnadmündung bis zum Meere erstrecken sollte, als Residenz angewiesen, Peithon aber mit einem Heere von 10 000 Mann zum Satrapen bestellt.

Die Stelle des sogdischen Alexandrien ist für den unteren Lauf des Indus eine der wichtigsten; hier beginnt sich der Charakter des Stromes, der Landschaft, der Bevölkerung entschieden zu ändern. Die Solimanketten, die den Indus von Norden nach Süden begleitet haben, wenden sich fast in rechtem Winkel nach Westen zu den Bholanpässen. Die Wüste, die dem Indus auf seiner Ostseite nahegeblieben ist, weicht zurück; der Strom bildet mit Nebenarmen, die er rechts und links aussendet, viele Inseln und Werder; fruchtreiches, dichtbevölkertes Marschland dehnt sich längs den Ufern aus; bald wird die Nähe ozeanischer Einflüsse merkbar. Hierzu kommt ein zweites, nicht minder merkwürdiges Verhältnis: während sich ostwärts ein einförmiges, unabsehbares Flachland ausdehnt, sieht man, sowie man weiter südwärts kommt, über der Ebene im Westen einen mächtigen Gebirgswall emporsteigen, der die Landschaft schließend bis zum Kap Monz hinabzieht; der heutige Lauf des Indus geht in weitem Bogen bis an den Fuß dieser Gebirge und wendet sich dann wieder ostwärts nach Haidarabad, wo die Deltabildung beginnt; im Altertum strömte der Indus auf der Sehne dieses Bogens von Bhukor nach Haidarabad südwärts, bei Bhukor eine niedrige Kalksteinkette bespülend, die er jetzt nach Westen hin durchbrochen hat; sie trägt noch jetzt die Trümmer von Alor, der alten Kapitale des Landes Sindh. Dies Land Sindh ist wie ein Garten, Weinberge schmücken die Hügel, der Weihrauch des arabischen Tropenklimas, die Blumenflur feuchtwarmer Tropengegend, der Mais der sumpfigen Ufergegenden gedeihen hier nebeneinander; Städte und Flecken in zahlloser Menge schmücken das Land, auf dem Strom und dessen Kanälen ist steter Verkehr, und die Bevölkerung, südländisch, dunkelfarbig, unter fürstlichem Regiment, unterscheidet sich sehr von den Völkern der oberen Indusländer; hier hat die Kaste der Brahmanen hohen Rang und entscheidenden Einfluß auf das öffentliche Leben, und das Tun der Fürsten wird ebensosehr durch religiöse Vorurteile wie von Argwohn und endlosen Rivalitäten bestimmt; eine Charakteristik, die im Laufe der Jahrhunderte, bei allem Wechsel der Herrschaft, der Religion, ja der Natur selbst sich gleichgeblieben ist.

Diese Eigentümlichkeiten des Landes und der Bevölkerung machten sich im Verhältnis zu Alexander sofort geltend. Die Unterwerfung der Maller hatte allen Widerstand der nächstwohnenden Völker aufhören lassen, und in ununterbrochenem Siegeszuge war das Heer bis in das Land der Sogdier gekommen. Aber auf freiwillige Unterwerfung der weiteren Völkerschaften wartete der König vergebens; weder die Fürsten selbst, noch Gesandtschaften der Fürsten kamen, dem Herrn des Induslandes zu huldigen; den mächtigen Fremdling zu verachten, mochten die Einflüsterungen der hochmütigen Brahmanen oder das Vertrauen auf ihre eigene Macht sie verführt haben. Nur der Fürst Sambos hatte sich freiwillig unterworfen; abhängig von dem mächtigeren Musikanos, mochte er dem fremden Herrscher lieber als dem Nachbarfürsten dienstbar sein wollen, und Alexander hatte ihn als Satrapen in seinem Berglande bestätigt, oder, was richtiger sein dürfte, in dem gleichen Verhältnis, wie die tributären Fürsten der Satrapie Oberindiens ihm seine Herrschaft gelassen.

Die unabhängige Stellung, welche Musikanos und die übrigen Fürsten des Landes behaupten zu wollen schienen, nötigte den König, noch einmal die Gewalt der Waffen zu versuchen. Vom sogdischen Alexandrien aus fuhr er möglichst schnell stromabwärts in jenen Indusarm hinein, der gegen die Berge hin und zu der Residenz des Musikanos führt; er erreichte dessen Grenzen, bevor der Fürst einen Überfall ahnen mochte. Durch die Nähe der Gefahr geschreckt, suchte dieser seinen hochmütigen Trotz durch schnelle und niedrige Unterwürfigkeit vergessen zu machen; in Person kam er dem Könige entgegen, er brachte viele und köstliche Geschenke, unter diesen seine sämtlichen Elefanten; er unterwarf sich und das Land der Gnade des Königs, er gestand ein, großes Unrecht getan zu haben — das gewisseste Mittel, des Königs Großmut für sich zu gewinnen. Er erhielt Verzeihung; sein Land blieb ihm unter makedonischer Hoheit. Alexander bewunderte die üppige Natur dieser Landschaft; die Residenz des Fürsten, günstig zur Behauptung des ganzen Landes gelegen, sollte durch eine Burg, die Krateros zu bauen Befehl erhielt, und durch eine makedonische Besatzung gesichert werden.

Der König brach mit den Schützen, den Agrianern, der Hälfte der Hipparchien gegen das Land der Prästier und gegen den Fürsten Oxykanos oder, wie ihn andere nennen, Portikanos, auf; nicht geneigt, sich zu unterwerfen, hatte sich dieser mit bedeutender Streitmacht in seiner Hauptstadt eingeschlossen. Der König nahte, nahm eine der ersten Städte des Fürstentums ohne Mühe; aber der Fürst, nicht durch das Beispiel des Musikanos geblendet, erwartete den Feind hinter den Mauern seiner Residenz. Alexander kam, begann die Belagerung, am dritten Tage war sie so weit gediehen, daß sich der Fürst in die Burg der Stadt zurückzog und Unterhandlungen anknüpfen wollte; es war zu spät, schon war die Mauer der Burg durch eine Bresche geöffnet, die Makedonen drangen ein, die Inder im Kampf der Verzweiflung wurden überwältigt, der Fürst erschlagen. Nach dem Falle der Hauptstadt und des Fürsten war es leicht, die übrigen zahlreichen Städte dieses reichen Landes zu unterwerfen; Alexander gab sie der Plünderung preis; er hoffte durch das Schicksal der Prästier die Völker zu schrecken und sie endlich die Unterwerfung, die er erzwingen konnte, freiwillig darbringen zu sehen.

Aber schon waren neue Bewegungen an einem Punkte, wo man sie nicht vermutet hätte, ausgebrochen. Der Fürst Sambos hatte mit Schrecken gesehen, daß Musikanos nicht bloß ungestraft geblieben, sondern in hohe Gunst bei dem Könige gekommen sei; er glaubte fürchten zu müssen, daß jetzt die Strafe für seinen Abfall folgen werde; die Brahmanen seines Hofes, ohne anderes Interesse als das des Hasses gegen den siegenden Fremdling, verstanden seine Angst zu nähren und ihn endlich zu dem verkehrtesten Schritt, den er tun konnte, zu bewegen; er floh über den Indus in die Wüste und ließ in seinem Lande Verwirrung und Aufruhr zurück. Der König eilte dorthin; die Hauptstadt Sindomana öffnete die Tore und unterwarf sich der Gnade Alexanders um so lieber, da sie nicht teil an dem Abfall hatte; die Elefanten und Schätze des Fürsten wurden ausgeliefert, die anderen Städte des Landes folgten dem Beispiel der Residenz; nur eine, in welche sich die Brahmanen, die den Abfall veranlaßt, geflüchtet hatten, wagte Widerstand; sie wurde genommen, die schuldigen Brahmanen hingerichtet.

Der blinde Fanatismus der heiligen Kaste, um so wilder, je hoffnungsloser er war, hatte, durch das Schicksal der Brahmanen des Sambos ungeschreckt, während des Königs Abwesenheit den Fürsten Musikanos und die Bevölkerung seines Landes zum wildesten Haß gegen die Fremden, zur offenen Empörung, zur Ermordung der makedonischen Besatzungen aufzureizen gewußt; zu beiden Seiten des Stromes loderte die Flamme des Aufruhrs, alles griff zu den Waffen; und wäre der Wut die Kraft des Willens und der Führung gleich gewesen, so hätte der König hier schweren Stand gehabt. Aber kaum nahte er, so floh Musikanos über den Indus; er sandte Peithon nach, ihn zu verfolgen; er selbst zog gegen die Städte, die, ohne gegenseitigen Beistand, ohne verständige Führung und ohne Hoffnung sich zu retten, dem Sieger schnell in die Hände fielen. Die Strafen des Abfalls waren streng, unzählige Inder wurden bei den Erstürmungen erschlagen oder nach dem Siege hingerichtet, die Überlebenden in Sklaverei verkauft, ihre Städte zerstört, die wenigen, die stehenblieben, mit Burgen und makedonischer Besatzung versehen, die das Land der Trümmer und der Verwüstung bewachen sollten. Musikanos selbst war gefangen worden, er und viele Brahmanen wurden des Todes schuldig erkannt und an den Landstraßen des Landes, dessen Unglück sie verschuldet, aufgeknüpft.

Der König kehrte jetzt zu seiner Flotte und dem Lager seines Heeres zurück; die energische Strenge, mit der er die Empörungen erstickt und gestraft hatte, schien endlich auf die Gemüter der Inder den bezweckten Eindruck zu machen. Vor allen beeilte sich der Fürst Möris von Pattala, dessen Herrschaft sich über das Indusdelta erstreckte, sich dem Könige zu unterwerfen; er kam nach Alexandreia, ergab sich und sein Land der Gnade des Königs und erhielt dafür seine Landschaft unter denselben Bedingungen, wie sie dem Fürsten Musikanos und den anderen Fürsten, welche im Bereich makedonischer Satrapien saßen, vorgeschrieben worden waren. Nachdem Alexander von ihm nähere Erkundigungen über die Natur des Indusdelta, das bei Pattala beginnt, über die Strommündungen und den Ozean, in den sie sich ergießen, eingezogen, sandte er ihn in sein Land zurück mit dem Befehl, alles zur Aufnahme des Heeres und der Flotte vorzubereiten.

Mit dieser Unterwerfung des Möris, des letzten noch unabhängigen Fürsten im Induslande, waren die kriegerischen Bewegungen des Zuges beendet; wenigstens war kein großer und allgemeiner Kampf, höchstens noch vereinzelter Widerstand und leicht zu unterdrückende Unordnungen in dem weiteren Induslande zu erwarten. Der ganzen vereinten Kriegsmacht bedurfte es nicht weiter; es kam die Zeit der Rückkehr. Des Königs Wunsch, den Seeweg von Indien nach Persien zu entdecken, sein Plan, die südlichen Küstenlandschaften zwischen beiden Ländern, die bisher noch nicht durch seine unmittelbare Gegenwart unterworfen, zum Teil von unabhängigen Stämmen bewohnt waren, zu durchziehen, machten gleichfalls nicht die Verwendung des ganzen Heeres nötig, das zu unterhalten in den überreichen indischen Ländern leicht gewesen war, aber auf dem Küstenwege durch oft wüste Landstriche mit mannigfachen Schwierigkeiten verknüpft sein mußte. Überdies waren aus den nordöstlichen Gegenden des Reichs Nachrichten eingelaufen, welche es notwendig machten, eine bedeutende makedonische Streitmacht in jenen Ländern zu zeigen. Der baktrische Fürst Oxyartes, der eben jetzt beim Heere eingetroffen war, hatte die Nachricht von einem Aufstande der hellenischen Militärkolonien in Baktra mitgebracht. Zwistigkeiten unter den alten Kriegsleuten, so sagt die nicht sehr glaubwürdige Quelle, die diese Dinge berichtet, hatten zu blutigen Auftritten geführt; von Furcht vor Strafe weitergetrieben, hatten sie sich der Burg Baktra bemächtigt, die Barbaren zum Abfall aufgerufen, dem Athenodoros, ihrem Rädelsführer, der sie jenseits in die hellenische Heimat zurückzuführen versprach, den königlichen Namen gegeben; gegen Athenodoros hatte ein gewisser Bikon, voll Eifersucht auf dessen Königtum, Ränke geschmiedet, ihn auf einem Gastmahl bei Boxos, einem vornehmen Barbaren, ermordet und anderen Tags vor dem versammelten Heere sich gerechtfertigt; mit Mühe war es den Hauptleuten gelungen, ihn vor der Wut des Heeres zu schützen; sie selbst hatten sich dann wieder gegen ihn verschworen, ihn auf die Folter gespannt, um ihn dann gleichfalls zu töten; da waren die Soldaten hereingedrungen, hatten ihn von der Folter befreit und waren unter seiner Führung, dreitausend an der Zahl, aufgebrochen, um den Weg in die Heimat zu suchen. Es ließ sich erwarten, daß dieser Haufe bereits von den Truppen der Satrapie zur Ruhe gebracht sein werde; doch war es notwendig, für jeden Fall Fürsorge zu treffen. Auch in der Satrapie des Paropamisos war nicht alles in der Ordnung; Tyriaspes hatte durch Bedrückungen und Ungerechtigkeiten aller Art die Bevölkerung gegen sich aufgereizt, so daß laute Beschwerde gegen ihn beim Könige einlief; er wurde seines Amtes entsetzt und der Fürst Oxyartes statt seiner gen Alexandreia gesandt. Beunruhigender waren die Nachrichten aus dem Innern Arianas; der Perser Ordanes hatte sich unabhängig erklärt und die Herrschaft der Ariaspen am unteren Etymandros usurpiert. Hier vor allem war es wichtig, eine bedeutende makedonische Streitmacht erscheinen zu lassen, um die Gefahr im Keim zu ersticken.

Ungefähr der dritte Teil des Fußvolkes stand unter Krateros zum Marsch nach Arachosien hinauf bereit; er hatte die Phalangen des Attalos, Antigonos, Meleagros, einen Teil der Bogenschützen, sämtliche Elefanten, dazu die Hetären zu Fuß und zu Roß die, zum Dienst nicht mehr tauglich, in die Heimat ziehen sollten. Er sollte, so lautete sein Auftrag, durch Arachosien und Drangiana nach Karmanien marschieren, sollte die böswilligen Neuerungen in jenen Gegenden unterdrücken, sollte namentlich die dortigen Satrapen veranlassen, Transporte von Lebensmitteln nach der gedrosischen Küste, die Alexander demnächst zu durchziehen gedachte, hinabzusenden.

Nach der Absendung des Krateros brach auch der König auf; er selbst fuhr mit der Flotte den Strom hinab, während Peithon mit den Bogenschützen zu Pferd und den Agrianern auf das linke Stromufer hinüberging, um dort die angelegten Städte mit Bewohnern aus der Umgegend zu besetzen, die Reste von Unordnung in dem hartgestraften Lande zu unterdrücken und sich dann in Pattala wieder mit dem Hauptheere zu vereinigen; das übrige Heer führte Hephaistion auf dem rechten Indusufer zu derselben Stadt hinab.

Schon am dritten Tage der Fahrt erhielt Alexander die Nachricht, daß der Fürst von Pattala, statt alles zum Empfange des Heeres zu bereiten, mit dem größten Teil der Einwohner in die Wüste geflohen sei; vielleicht aus Furcht vor dem mächtigen Könige, wahrscheinlicher von den Brahmanen aufgeregt. Alexander eilte desto schneller vorwärts, überall waren die Ortschaften von den Einwohnern verlassen; er erreichte, es war gegen Ende Juli, Pattala. Die Straßen und Häuser waren leer, alles bewegliche Gut geflüchtet, die große Stadt wie ausgestorben. Sofort wurden leichte Truppen ausgesandt, die Spur der Geflüchteten zu verfolgen; einige wurden vor den König gebracht, der sie mit unerwarteter Milde empfing und sie an ihre Landsleute aussandte mit der Aufforderung, in Frieden zu ihrer Behausung und ihren Geschäften zurückzukehren und ohne Besorgnis wegen ihres weiteren Schicksals zu sein, da ihnen nach wie vor nach ihrer Sitte und ihren Gesetzen zu leben, ihren Handel, Gewerbe und Ackerbau in Sicherheit zu treiben erlaubt sein werde. Auf diese Versicherung des Königs kehrten die meisten zurück, und Alexander konnte an die Ausführung des großen Planes gehen, um derentwillen ihm der Besitz der Indusmündungen so wichtig war.

Er ahnte oder erfuhr, daß dasselbe Meer, in welches sich der Indus ergießt, den Persischen Golf bilde, und daß zu der Mündung des Euphrat und Tigris demnach ein Seeweg von den Indusmündungen aus zu finden sei; seine Herrschaft, die zum erstenmal die entlegensten Völker in unmittelbare Verbindung brachte, und welche nicht bloß auf die Gewalt der Waffen, sondern mehr noch auf die Interessen der Völker selbst begründet sein sollte, mußte vor allem auf die Förderung der Handelsverbindungen, auf die Begründung eines großen Verbandes aller auch noch so entlegenen Teile des Reiches, und die Wirkungen eines umfassenden Welt- und Völkerverkehrs, wie er noch nicht existiert hatte, bedacht sein. Überall hatte er diese Rücksicht vor Augen gehabt; die zur militärischen Behauptung von Iran und Turan gegründeten Städte waren ebenso viele Haltepunkte für die Karawanenzüge; die in Indien gegründeten festen Städte sicherten die Straße von Ariana hinab und durch das Fünfstromland, die Stromfahrt auf dem Indus und seinen Nebenströmen; das ägyptische Alexandrien, seit den vier oder fünf Jahren, die es stand, war schon ein Zentralpunkt für den Handel der heimatlichen Meere geworden; jetzt mußte dieses System des großen Weltverkehrs durch die Besetzung des Indusdelta, durch die Gründung eines günstig gelegenen ozeanischen Handelsplatzes, endlich durch das Eröffnen von Handelsstraßen, wie sie die Reihe hellenischer Städte ins Innere hinauf schon vorzeichnete, und wie sie der maritime Zusammenhang der Indus- und Euphratmündungen hoffen ließ, seine Vollendung erhalten.

Pattala, an der Stromscheide des Indusdelta belegen, bot sich von selbst zur Vermittlung des Handels nach dem Innern und dem Ozeane dar; es beherrschte zugleich in militärischer Hinsicht das untere Indusland; darum wurde Hephaistion beauftragt, die Burg der Stadt auf das sorgfältigste zu befestigen und demnächst Schiffswerften und einen geräumigen Hafen bei der Stadt zu erbauen. Zu gleicher Zeit sandte der König in die wüsten, baumlosen Gegenden, die nicht weit ostwärts von der Stadt begannen, mehrere Truppenabteilungen mit dem Auftrage, Brunnen zu graben und das Land bewohnbar zu machen, damit auch von dieser Seite her die Verbindung mit Pattala erleichtert und den Karawanen aus den Ländern des Ganges und des Dekhan geöffnet wäre. Ein Überfall der in der Wüste hausenden Horden störte nur für einen Augenblick die Arbeit.

Nach einer längeren Rastzeit, während der der Bau der Burg ziemlich vollendet, der der Werften bereits vorgerückt war, beschloß der König, in Person die Indusmündungen, ihre Schiffbarkeit und ihre Gelegenheit für den Handel zu untersuchen und zugleich auf den Ozean, den bisher noch kein Grieche befahren, hinauszuschiffen. Zunächst wollte er dem Hauptarm des Stromes, der rechts hinabführte, folgen; während Leonnatos mit 1000 Reitern und 9000 Hopliten und Leichtbewaffneten auf dem inneren Ufer hinabzog, fuhr er selbst mit den schnellsten Schiffen seiner Flotte, den Halbtrieren, Dreißigruderern und einigen Kerkuren den Strom hinab, freilich ohne Führer, die des Stromes kundig waren, da die Bewohner von Pattala und die Inder überhaupt keine Seeschiffahrt trieben und überdies die Anwohner des Stromes, wenn die Makedonen nahten, entflohen. Er vertraute auf den Mut und die Geschicklichkeit seiner Schiffsleute; er konnte nicht ahnen, auf welche Probe die unerhörte Gewalt ozeanischer Erscheinungen sie stellen würde.

Es war gerade in der Mitte des Sommers und der Strom in seiner größten Füllung, die niedrigen Ufergegenden zum Teil überschwemmt, die Fahrt um so schwieriger. Am ersten Tage fuhr man ohne weiteres Hindernis; aber am zweiten Tage, man mochte zehn Meilen unterhalb Pattala sein, erhob sich ein heftiger Wind von Süden her und staute die Wasser des Stromes auf, daß die Wellen hoch gingen und sich brandend brachen, und mehr als ein Schiff unterging, andere bedeutend beschädigt wurden. Man eilte, das Ufer zu gewinnen, um den Schaden so schnell und so gut wie möglich auszubessern; zugleich schickte der König Leichtbewaffnete aus, um von den geflüchteten Uferanwohnern einige einfangen zu lassen, die der Gegend kundig wären. Mit diesen fuhr man am nächsten Morgen weiter; immer breiter ergoß sich der mächtige Strom zwischen den flachen und öden Ufern, man begann die kühlere Seeluft zu spüren; der Wellenschlag im Strome wurde heftiger und das Rudern beschwerlicher, ein scharfer Seewind wehte entgegen; es schien, von ihm zurückgedrängt, der wachsende Strom gefährlich zu werden, und die Schiffe lenkten in einen Kanal ein, den die am vorigen Tage aufgefangenen Fischer zeigten. Immer schneller und mächtiger schwollen die Wasser, und mit Mühe vermochte man die Schiffe rasch genug an Land zu bringen. Kaum waren sie angelegt, so begann der Strom ebenso schnell zu fallen; die Fahrzeuge blieben zum größten Teil auf dem Trockenen oder senkten sich in den Uferschlamm; man war voll Staunen und ratlos. So vergingen einige Stunden, endlich wollte man darangehen, die Schiffe wieder flott zu machen und womöglich das Fahrwasser zu gewinnen; siehe, da begann das gefährliche Schauspiel von neuem, rauschend schwoll die Flut, überflutete das schlammige Moor, hob die eingesunkenen Fahrzeuge mit sich empor; immer schneller wachsend, brandete sie gegen die festeren Ufer, warf die Fahrzeuge, die dorthin sich gerettet, auf die Seite, so daß viele umstürzten, viele zerschellten und versanken; ohne Ordnung und Rettung trieben die Schiffe auf der schweren Flut bald gegen das Land, bald gegeneinander, und ihr Zusammenstoßen war um so gefährlicher, je heftiger die schwellende Bewegung des Gewässers wurde. Mit so vielen Gefahren und Verlusten erkaufte der König die erste Erfahrung von der ozeanischen Ebbe und Flut, die hier, wohl noch zehn Meilen von der eigentlichen Strommündung, um so gewaltiger war, da sie mit der ungeheuren, gegen sie andrängenden Wassersäule des Indus zu kämpfen hatte, dessen zwei Meilen breite Mündung ihrem Eindringen vollkommenen Spielraum gibt.

Sobald Alexander diese Fährlichkeiten überstanden und von ihrer regelmäßigen Wiederkehr die Mittel gelernt hatte, ihnen zu entgehen, sandte er, während die schadhaften Schiffe ausgebessert wurden, zwei tüchtige Fahrzeuge den Strom hinab zu der Insel Skilluta, wo, wie die Fischer sagten, der Ozean nahe und das Ufer zum Anlegen bequem und geschützt sei. Da sie die Nachricht zurückbrachten, daß die Insel bequeme Ufer habe, von bedeutender Größe und mit Trinkwasser wohl versehen sei, fuhr er mit der Flotte dorthin und ließ den größten Teil derselben unter dem Schutz des Ufers anlegen; schon sah man von hier die schaumbedeckte Brandung der Indusmündung und darüber den hohen Horizont des Ozeans, und kaum erkannte man jenseits des zwei Meilen breiten Stromes die niedrige, baum- und hügellose Küste. Alexander steuerte mit den besten seiner Schiffe weiter, um die eigentliche Strommündung zu passieren und zu untersuchen, ob sie fahrbar sei; bald verschwand die Westküste ganz aus seinem Blicke, und in endlose Ferne dehnte sich der hochwogende Ozean gen Abend; nach einer Fahrt von vier Meilen erreichte man ostwärts eine zweite Insel, an deren flacher und öder Sandküste schon rings der Ozean brandete; es wurde Abend und die Schiffe kehrten mit der Flut zurück zu der Insel, bei der die Flotte gelandet war; ein feierliches Opfer für Ammon, wie es der Gott durch ein Orakel geboten, feierte dies erste Erblicken des Ozeans und des letzten Landes im Süden der bewohnten Erde. Am anderen Morgen fuhr der König wieder hinaus, landete auf jener Insel im Meere und opferte auch dort den Göttern, die, wie er sagte, ihm von Ammon bezeichnet seien; dann fuhr er in die offenbare See hinaus, umherzuschauen ob noch irgendwo festes Land zu erblicken sei; und als die Küsten rings verschwunden und nichts mehr als Himmel und Meer zu sehen war, schlachtete er Stieropfer dem Poseidon und senkte sie hinab in den Ozean, spendete dazu aus goldener Schale, und warf auch sie in die Flut, mischte neue Spenden den Nereiden und den rettenden Dioskuren und der silberfüßigen Thetis, der Mutter seines Ahnherrn Achilles; er betete, daß sie gnädig seine Geschwader aufnehmen und gen Abend zu den Mündungen des Euphrat geleiten möchten, und zum Gebet warf er den goldnen Becher in das Meer.

Dann kehrte er zur Flotte und mit der Flotte in den Strom zurück und fuhr gen Pattala hinauf. Dort war der Bau der Burg vollendet und der des Hafens begonnen, dort auch Peithon mit seinem Heere angekommen, der seine Aufträge vollkommen erfüllt, das flache Land beruhigt, die neuen Städte bevölkert hatte. Der König hatte den rechten Arm der Indusmündung und die mannigfachen Hemmnisse, die er für die Schiffahrt hatte, kennengelernt; denn es vereinten sich die Monsunwinde und das hohe Wasser des Stromes in dieser Jahreszeit, ihn schwierig zu machen. Er beschloß, auch den zweiten, den östlichen Hauptarm des Flusses hinabzufahren und zu untersuchen, ob dieser vielleicht zur Schiffahrt geeigneter sei. Nachdem man eine gute Strecke südostwärts gefahren, breitete sich das Wasser zu einem sehr großen See aus, der durch den Zufluß einiger kleiner und größerer Flüsse von Morgen her gespeist wurde und einem Busen des Meeres ähnlich war; selbst Seefische fand man hier. An den Ufern des Sees legte die Flotte an, indem eingeborene Führer die bequemsten Stellen zeigten. Der König ließ hier den größten Teil der Truppen nebst sämtlichen Kerkuren unter Leonnatos zurück und fuhr selbst auf den Halbtrieren und den Dreißigruderern durch den See zur Indusmündung hinab. Er kam an das Meer, ohne die gewaltige Brandung oder die hohe Flut zu erblicken, die den westlichen breiteren Indusarm gefährlich machte; er ließ an der Strommündung anlegen und ging mit einigen seiner Hetairen drei Tagesreisen weit am Meeresstrande hin, teils um die Natur der Küste zu untersuchen, teils um Brunnen für den Gebrauch der Seefahrer graben zu lassen. Dann kehrte er zu seinen Schiffen und mit diesen durch den See stromauf nach Pattala zurück, während ein Teil des Heeres längs dem Ufer hinaufzog, um auch hier in der sonst dürren Gegend Brunnen zu graben. Von Pattala aus fuhr er zum zweiten Male in den See zurück, traf die Vorrichtungen zum Bau eines Hafens und mehrerer Schiffswerften und ließ zu ihrem Schutze eine kleine Besatzung zurück.

Auf diese Weise war alles dem großen Plane des Königs gemäß organisiert, zu dessen Vollendung nur noch eins, aber freilich auch das Schwierigste und Gefahrvollste übrig war, die Entdeckung des Seeweges selbst, der hinfort den Indus und Euphrat verbinden sollte. Betrachtet man den Zustand der damaligen Schiffahrt und Erdkunde, so wird man der Kühnheit eines solchen Planes Gerechtigkeit widerfahren lassen. Der Bau der Schiffe war unvollkommen und am wenigsten auf die Eigentümlichkeit ozeanischer Gewässer berechnet; das einzige Regulativ einer Seefahrt waren die Gestirne und die Seeküste, deren Nähe natürlich oft gefährlich werden mußte; die Phantasie der Hellenen bevölkerte den Ozean mit Wundern und Ungeheuern aller Art, und die Makedonen, unerschrocken und tapfer, wo sie dem Feinde ins Auge sahen, waren gegen das falsche Element ohne Waffe und nicht ohne Furcht. Und wer endlich sollte die Führung übernehmen? Der König selbst, kühn genug zum kühnsten Wagnis, und selbst bereit, dem Ozean den Sieg abzutrotzen, durfte sich um so weniger an die Spitze der Flotte stellen, da im Reiche schon während seiner indischen Feldzüge manche Unordnungen vorgefallen waren, die dringend seine Rückkehr forderten; der Landweg nach Persien war schwierig, und die makedonischen Landtruppen bedurften, um diese öden und furchtbaren Gegenden zu durchziehen, seiner persönlichen Führung um so mehr, da sie nur ihm vollkommen vertrauten. Wen also zum Führer der Flotte wählen? Wer hatte Mut, Geschick und Hingebung genug? Wer konnte die Vorurteile und die Furcht der zur Flotte kommandierten Truppen beschwichtigen und statt des Wahnes, als würden sie sorglos der augenscheinlichen Gefahr preisgegeben, ihnen Vertrauen zu sich selbst, zu ihrem Führer und zu dem glücklichen Ende ihres Unternehmens einflößen?

Der König teilte alle diese Bedenken dem treuen Nearchos mit und fragte ihn um Rat, wem er die Flotte anvertrauen sollte. Nearchos nannte ihm einen nach dem anderen, der König verwarf sie alle; der eine schien nicht entschlossen, ein anderer nicht ergeben genug, um für ihn sich Gefahren auszusetzen, andere waren mit dem Seewesen, mit dem Geist der Truppen nicht genug vertraut oder voll Verlangen nach der Heimat und nach den Bequemlichkeiten eines ruhigen Lebens. Nearchos, so erzählt er selbst in seinen Denkwürdigkeiten, bot endlich sich selbst an: »Ich, o König, will wohl die Führung der Flotte übernehmen und mit Gottes Hilfe Schiffe und Menschen wohlbehalten bis zum Perserlande bringen, wenn anders das Meer schiffbar und das Unternehmen für menschliche Kräfte überhaupt ausführbar ist.« Der König sprach dagegen: einen so treuen und hochverdienten Mann könne er nicht neuen Gefahren aussetzen. Nearchos bat um so dringender, und der König verhehlte sich nicht, daß gerade er vor allen dazu geeignet sei; die Truppen, welche den bewährten Führer der Flotte verehrten und des Königs große Zuneigung für ihn kannten, durften in dieser Wahl eine Gewähr für sich selbst sehen, da ja Alexander nicht einen Freund und einen seiner besten Befehlshaber an die Spitze eines Unternehmens gestellt haben würde, an dessen Erfolg er selbst verzweifelte. So wurde Nearchos, des Androtimos Sohn der in Kreta geboren und in Amphipolis Bürger war, zum Führer der Meerfahrt bestellt, die glücklichste Wahl, die der König treffen konnte. Mochten die zur Flotte kommandierten Truppen anfangs mutlos und über ihr Schicksal besorgt gewesen sein, die Wahl ihres Führers, die Trefflichkeit und Pracht der Zurüstungen, die Zuversicht, mit der ihr König einen glücklichen Erfolg verhieß, der Ruhm, an der kühnsten und gefahrvollsten Unternehmung, welche je gewagt worden, Anteil zu haben, endlich das Beispiel des großen Königs, der die brandende Mündung des Indus hindurch auf die Höhe des Ozeans gefahren war, das alles ließ sie mit Freudigkeit den Tag der Abfahrt erwarten.

Alexander hatte Gelegenheit gehabt, sich über die Natur der Monsuns zu unterrichten; sie wehen regelmäßig während des Sommers von Südwest, während des Winters von Nordost, doch werden diese Nordostmonsuns an der gerade westwärts streichenden Küste von Gedrosien zu einem beständigen Ostwinde; dieser beginnt mit einigem Schwanken im Oktober, wird gegen Ende des Monats stehend und weht dann unausgesetzt bis in den Februar. Diese Eigentümlichkeit des Indischen Ozeans, höchst günstig für die beabsichtigte Küstenfahrt der Flotte mußte natürlich benutzt, das Absegeln der Flotte auf Ende Oktober bestimmt werden. Der Aufbruch des Landheeres durfte nicht so lange verschoben werden, da einesteils der Zustand des Reiches Alexanders baldige Rückkehr forderte, anderseits für die Flotte, die sich nicht auf die weite Fahrt verproviantieren konnte, an der Küste Vorräte aufgestapelt und Brunnen gegraben werden mußten. Demnach gab der König den Befehl, daß die Flotte bis zum November in den Stationen von Pattala bleiben sollte, ließ Vorräte auf vier Monate zu ihrem Unterhalt zusammenbringen und rüstete sich dann selbst zum Aufbruch aus Pattala.

 

 

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