Fußnoten

[1] Ob die Häufigkeit der Anwendung allein diesen Schutz erklären kann, ist mir zweifelhaft. Ich habe wenigstens beobachtet, dass Vornamen, die doch nicht die beschränkte Zugehörigkeit der Eigennamen teilen, dem Vergessen ebenso leicht unterliegen, wie letztere. Eines Tages kam ein junger Mann in meine Ordination, jüngerer Bruder einer Patientin, den ich ungezählte Male gesehen hatte, und dessen Person ich mit dem Vornamen zu bezeichnen gewohnt war. Als ich dann von seinem Besuch erzählen wollte, hatte ich seinen, wie ich wusste, keineswegs ungewöhnlichen Vornamen vergessen und konnte ihn durch keine Hilfe zurückrufen. Ich ging dann auf die Strasse, um Firmenschilder zu lesen, und erkannte den Namen, sowie er mir das erste Mal entgegentrat. Die Analyse belehrte mich darüber, dass ich zwischen dem Besucher und meinem eigenen Bruder eine Parallele gezogen hatte, die in der verdrängten Frage gipfeln wollte: Hätte sich mein Bruder im gleichen Falle ähnlich gegen eine kranke Schwester benommen? Die äusserliche Verbindung zwischen den Gedanken über die fremde und über die eigene Familie war durch den Zufall ermöglicht worden, dass die Mütter hier und dort den gleichen Vornamen: Amalia tragen. Ich verstand dann auch nachträglich die Ersatznamen: Daniel und Franz, die sich mir aufgedrängt hatten, ohne mich aufzuklären. Es sind dies, wie auch Amalia, Namen aus den Räubern von Schiller, an welche sich ein Scherz des Wiener Spaziergängers Daniel Spitzer knüpft. – Ein unterdrückter Gedanke über die eigene Person oder die eigene Familie wird häufig zum Motiv des Namenvergessens, als ob man beständig Vergleiche zwischen sich selbst und den Fremden anstellte. Das seltsamste Beispiel dieser Art hat mir als eigenes Erlebnis ein Herr Lederer berichtet. Er traf auf seiner Hochzeitsreise in Venedig mit einem ihm oberflächlich bekannten Herrn zusammen, den er seiner jungen Frau vorstellen musste. Da er aber den Namen des Fremden vergessen hatte, half er sich das erste Mal mit einem unverständlichen Gemurmel. Als er dann dem Herrn, wie in Venedig unausweichlich, ein zweites Mal begegnete, nahm er ihn beiseite und bat ihn, ihm doch aus der Verlegenheit zu helfen, indem er ihm seinen Namen sage, den er leider vergessen habe. Die Antwort des Fremden zeugte von überlegener Menschenkenntnis: Ich glaube es gerne, dass Sie sich meinen Namen nicht gemerkt haben. Ich heisse wie Sie: Lederer! – Man kann sich einer leicht unangenehmen Empfindung nicht erwehren, wenn man seinen eigenen Namen bei einem Fremden wiederfindet. Ich verspürte sie unlängst recht deutlich, als sich mir in der ärztlichen Sprechstunde ein Herr S. Freud vorstellte.

[2] Dies ist der allgemeine Weg, um Vorstellungselemente, die sich verbergen, dem Bewusstsein zuzuführen. Vgl. meine „Traumdeutung“, p. 69.

[3] Feinere Beobachtung schränkt den Gegensatz zwischen der Analyse: Signorelli und der: aliquis betreffs der Ersatzerinnerungen um Einiges ein. Auch hier scheint nämlich das Vergessen von einer Ersatzbildung begleitet zu sein. Als ich an meinen Partner nachträglich die Frage stellte, ob ihm bei seinen Bemühungen, das fehlende Wort zu erinnern, nicht irgend etwas zum Ersatz eingefallen sei, berichtete er, dass er zunächst die Versuchung verspürt habe, ein ab in den Vers zu bringen: nostris ab ossibus (vielleicht das unverknüpfte Stück von a-liquis) und dann, dass sich ihm das Exoriare besonders deutlich und hartnäckig aufgedrängt habe. Als Skeptiker setzte er hinzu, offenbar weil es das erste Wort des Verses war. Als ich ihn bat, doch auf die Assoziationen von Exoriare aus zu achten, gab er mir Exorzismus an. Ich kann mir also sehr wohl denken, dass die Verstärkung von Exoriare in der Reproduktion eigentlich den Wert einer solchen Ersatzbildung hatte. Dieselbe wäre über die Assoziation: Exorzismus von den Namen der Heiligen her erfolgt. Indes sind dies Feinheiten, auf die man keinen Wert zu legen braucht. – Es erscheint nun aber wohl möglich, dass das Auftreten irgend einer Art von Ersatzerinnerung ein konstantes, vielleicht auch nur ein charakteristisches und verräterisches Zeichen des tendenziösen, durch Verdrängung motivierten Vergessens ist. Diese Ersatzbildung bestände auch dort, wo das Auftauchen unrichtiger Ersatzbildungen ausbleibt, in der Verstärkung eines Elementes, welches dem vergessenen benachbart ist. Im Beispiele: Signorelli war z. B., solange mir der Name des Malers unzugänglich blieb, die visuelle Erinnerung an den Zyklus von Fresken und an sein in der Ecke eines Bildes angebrachtes Selbstportrait überdeutlich, jedenfalls weit intensiver als visuelle Erinnerungsspuren sonst bei mir auftreten. In einem anderen Falle, der gleichfalls in der Abhandlung von 1898 mitgeteilt ist, hatte ich von der Adresse eines mir unbequemen Besuches in einer fremden Stadt den Strassennamen hoffnungslos vergessen, die Hausnummer aber wie zum Spott – überdeutlich gemerkt, während sonst das Erinnern von Zahlen mir die grösste Schwierigkeit bereitet.

[4] Ich möchte für das Fehlen eines inneren Zusammenhanges zwischen den beiden Gedankenkreisen im Falle Signorelli nicht mit voller Überzeugung einstehen. Bei sorgfältiger Verfolgung der verdrängten Gedanken über das Thema von Tod und Sexualleben stösst man doch auf eine Idee, die sich mit dem Thema des Cyclus von Orvieto nahe berührt.

[5] Von mir hervorgehoben.

[6] Die Traumdeutung. Leipzig und Wien, 1900.

[7] Von mir hervorgehoben.

[8] Sie stand nämlich, wie sich zeigte, unter dem Einfluss von unbewussten Gedanken über Schwangerschaft und Kinderverhütung. Mit den Worten: „zusammengeklappt wie ein Taschenmesser“, welche sie bewusst als Klage vorbrachte, wollte sie die Haltung des Kindes im Mutterleibe beschreiben. Das Wort „Ernst“ in meiner Anrede hatte sie an den Namen (S. Ernst) der bekannten Wiener Firma in der Kärnthnerstrasse gemahnt, welche sich als Verkaufsstätte von Schutzmitteln gegen die Konzeption zu annoncieren pflegt.

[9] Bei einer meiner Patientinnen setzte sich das Versprechen als Symptom so lange fort, bis es auf den Kinderstreich, das Wort ruinieren durch urinieren zu ersetzen, zurückgeführt war.

[10] Durch solches Versprechen brandmarkt z. B. Anzengruber im „G'wissenswurm“ den heuchlerischen Erbschleicher.

[11] Vgl. etwa die Stelle im Julius Caesar III. 3:

Cinna. Ehrlich, mein Name ist Cinna.

Bürger. Reisst ihn in Stücke! er ist ein Verschworener.

Cinna. Ich bin Cinna der Poet! Ich bin nicht Cinna der Verschworene.

Bürger. Es tut nichts; sein Name ist Cinna, reisst ihm den Namen aus dem Herzen und lasst ihn laufen.

[12] Es ist dies jener Traum, den ich in einer kurzen Abhandlung, „Über den Traum“, No. VIII der „Grenzfragen des Nerven- und Seelenlebens“, herausgegeben von Löwenfeld und Kurella 1901, zum Paradigma genommen habe.

[13] Gewöhnlich pflegen dann im Laufe der Besprechung die Einzelheiten des damaligen ersten Besuches bewusst aufzutauchen.

[14] Für vielerlei Zufälligkeiten, die man seit Th. Vischer der „Tücke des Objekts“ zuschreibt, möchte ich ähnliche Erklärungen vorschlagen.

[15] In den Tagen, während ich mit der Niederschrift dieser Seiten beschäftigt war, ist mir folgender, fast unglaublicher Fall von Vergessen widerfahren. Ich revidiere am 1. Januar mein ärztliches Buch, um meine Honorarrechnungen aussenden zu können, stosse dabei im Juni auf den Namen M….l und kann mich an eine zu ihm gehörige Person nicht erinnern. Mein Befremden wächst, indem ich beim Weiterblättern bemerke, dass ich den Fall in einem Sanatorium behandelt, und dass ich ihn durch Wochen täglich besucht habe. Einen Kranken, mit dem man sich unter solchen Bedingungen beschäftigt, vergisst man als Arzt nicht nach kaum sechs Monaten. Sollte es ein Mann, ein Paralytiker, ein Fall ohne Interesse gewesen sein, frage ich mich? Endlich bei dem Vermerk über das empfangene Honorar kommt mir all die Kenntnis wieder, die sich der Erinnerung entziehen wollte. M….l war ein 14jähriges Mädchen gewesen, der merkwürdigste Fall meiner letzten Jahre, welcher mir eine Lehre hinterlassen, an die ich kaum je vergessen werde, und dessen Ausgang mir die peinlichsten Stunden bereitet hat. Das Kind erkrankte an unzweideutiger Hysterie, die sich auch unter meinen Händen rasch und gründlich besserte. Nach dieser Besserung wurde mir das Kind von den Eltern entzogen; es klagte noch über abdominale Schmerzen, denen die Hauptrolle im Symptombild der Hysterie zugefallen war. Zwei Monate später war es an Sarkom der Unterleibsdrüsen gestorben. Die Hysterie, zu der das Kind nebstbei prädisponiert war, hatte die Tumorbildung zur provozierenden Ursache genommen, und ich hatte, von den lärmenden aber harmlosen Erscheinungen der Hysterie gefesselt, vielleicht die ersten Anzeichen der schleichenden unheilvollen Erkrankung übersehen.

[16] Vgl. Hans Gross, Kriminalpsychologie 1898.

[17] Vgl. Bernheim, Neue Studien über Hypnotismus, Suggestion und Psychotherapie, 1892.

[18] Frauen sind mit ihrem feinen Verständnis für unbewusste seelische Vorgänge in der Regel eher geneigt, es als Beleidigung anzusehen, wenn man sie auf der Strasse nicht erkennt, also nicht grüsst, als an die nächstliegenden Erklärungen zu denken, dass der Säumige kurzsichtig sei oder in Gedanken versunken sie nicht bemerkt habe. Sie schliessen, man hätte sie schon bemerkt, wenn man sich „etwas aus ihnen machen würde“.

[19] Der Einheit des Themas zuliebe darf ich hier die gewählte Einteilung durchbrechen und dem oben Gesagten anschliessen, dass in bezug auf Geldsachen das Gedächtnis der Menschen eine besondere Parteilichkeit zeigt. Erinnerungstäuschungen, etwas bereits bezahlt zu haben, sind, wie ich von mir selbst weiss, oft sehr hartnäckig. Wo der gewinnsüchtigen Absicht abseits von den grossen Interessen der Lebensführung, und daher eigentlich zum Scherz, freier Lauf gelassen wird wie beim Kartenspiel, neigen die ehrlichsten Männer zu Irrtümern, Erinnerungs- und Rechenfehlern und finden sich selbst, ohne recht zu wissen wie, in kleine Betrügereien verwickelt. Auf solchen Freiheiten beruht nicht zum mindesten der psychisch erfrischende Charakter des Spiels. Das Sprichwort, dass man beim Spiel den Charakter des Menschen erkennt, ist zuzugeben, wenn man hinzufügen will: den unterdrückten Charakter. – Wenn es unabsichtliche Rechenfehler bei Zahlkellnern noch gibt, so unterliegen sie offenbar derselben Beurteilung. – Im Kaufmannsstande kann man häufig eine gewisse Zögerung in der Verausgabung von Geldsummen, bei der Bezahlung von Rechnungen und dgl. beobachten, die dem Eigner keinen Gewinn bringt, sondern nur psychologisch zu verstehen ist als eine Äusserung des Gegenwillens, Geld von sich zu tun. – Mit den intimsten und am wenigsten klar gewordenen Regungen hängt es zusammen, wenn gerade Frauen eine besondere Unlust zeigen, den Arzt zu honorieren. Sie haben gewöhnlich ihr Portemonnaie vergessen, können darum in der Ordination nicht zahlen, vergessen dann regelmässig, das Honorar vom Hause aus zu schicken, und setzen es so durch, dass man sie umsonst – „um ihrer schönen Augen willen“ – behandelt hat. Sie zahlen gleichsam mit ihrem Anblick.

[20] Des Oedipus-Traumes, wie ich ihn zu nennen pflege, weil er den Schlüssel zum Verständnis der Sage von König Oedipus enthält. Im Text des Sophokles ist die Beziehung auf einen solchen Traum der Jokaste in den Mund gelegt. (Vgl. „Traumdeutung“, p. 182.)

[21] Die Selbstbeschädigung, die nicht voll auf Selbstvernichtung hinzielt, hat in unserem gegenwärtigen Kulturzustand überhaupt keine andere Wahl, als sich hinter der Zufälligkeit zu verbergen, oder sich durch Simulation einer spontanen Erkrankung durchzusetzen. Früher einmal war sie ein gebräuchliches Zeichen der Trauer; zu anderen Zeiten konnte sie Ideen der Frömmigkeit und Weltentsagung Ausdruck geben.

[22] Der Fall ist dann schliesslich kein anderer als der des sexuellen Attentats auf eine Frau, bei dem der Angriff des Mannes nicht durch die volle Muskelkraft des Weibes abgewehrt werden kann, weil ihm ein Teil der unbewussten Regungen der Angegriffenen fördernd entgegen kommt. Man sagt ja wohl, eine solche Situation lähme die Kräfte der Frau; man braucht dann nur noch die Gründe für diese Schwächung hinzufügen. Insofern ist der geistreiche Richterspruch des Sancho Pansa, den er als Gouverneur auf seiner Insel fällt, psychologisch ungerecht. (Don Quijote II. T. Kap. XLV.) Eine Frau zerrt einen Mann vor den Richter, der sie angeblich gewaltsam ihrer Ehre beraubt hat. Sancho entschädigt sie durch die volle Geldbörse, die er dem Angeklagten abnimmt, und gibt diesem nach dem Abgange der Frau die Erlaubnis, ihr nachzueilen und ihr die Börse wieder zu entreissen. Sie kommen beide ringend wieder, und die Frau berühmt sich, dass der Bösewicht nicht imstande gewesen sei, sich der Börse zu bemächtigen. Darauf Sancho: Hättest Du Deine Ehre halb so ernsthaft verteidigt wie diese Börse, so hätte sie Dir der Mann nicht rauben können.

[23] Dass die Situation des Schlachtfeldes eine solche ist, wie sie der bewussten Selbstmordabsicht entgegenkommt, die doch den direkten Weg scheut, ist einleuchtend. Vgl. im „Wallenstein“ die Worte des schwedischen Hauptmanns über den Tod des Max Piccolomini: „Man sagt, er wollte sterben“.

[24] Von anderen Gesichtspunkten ausgehend, hat man diese Beurteilung unwesentlicher und zufälliger Äusserungen bei anderen zum „Beziehungswahn“ gerechnet.

[25] Die durch Analyse bewusst zu machenden Phantasieen der Hysteriker von sexuellen und grausamen Misshandlungen decken sich z. B. gelegentlich bis ins Einzelne mit den Klagen verfolgter Paranoiker. Es ist bemerkenswert, aber nicht unverständlich, wenn der identische Inhalt uns auch als Realität in den Veranstaltungen Perverser zur Befriedigung ihrer Gelüste entgegentritt.

[26] Die natürlich nichts vom Charakter einer Erkenntnis hat.

[27] Vgl. hierzu „Traumdeutung“ p. 362.

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