9.

D

Die Nachricht war gleich einem Blitze

Gedrungen an der Pförtner Ohr,

Eh' des Palastes offnem Tor

Sich näherte des Zuges Spitze.

Sie sahn den schmucken Vordermann

Der achtzig Sklaven mit Verbeugung

Für einen fremden König an

Und wollten drum zur Ehrbezeugung

Ihm küssen seines Kleides Saum.

Doch der erwiderte: "Gebt Raum

Und bückt euch lieber vor dem Rechten.

Ich bin nur einer von den Knechten

In unsres großen Herren Sold."

So stieg der Zug hinan die Treppen;

Die Schwarzen hatten arg zu schleppen

An ihrer schweren Last von Gold,

Und von den weißen angeleitet

Betraten sie den lichten Saal

Des Diwans. Längst schon vorbereitet

Und überaus gespannt befahl

Der Sultan, daß man ihnen Platz

Gewähre. Kunstgerechterweise

Vor ihm gereiht in halbem Kreise

Beeilten sie sich, ihren Schatz

Am Fuß des Thrones aufzustellen,

Worauf nach wohlversehnem Amt

Sowohl die Dunklen als die Hellen

Sich niederwarfen insgesamt.

Die gestörte Hochzeitsfeier

Die gestörte Hochzeitsfeier

Die Mutter nahte nun dem Thron

Und sprach mit vielen Huldigungen:

"Hier sendet Aladdin, mein Sohn,

Erhabner, was du dir bedungen.

Er hofft, es werde dir gefallen

Und der Prinzessin ebenfalls."

Der Sultan, kaum ein Wort zu lallen

Imstande, mit gerecktem Hals

Und überzeugt, ihn wolle necken

Ein Trug der Sinne, blickte bald

Verwundert auf die vierzig Becken

Mit ihrem funkelnden Gehalt

Von größrem Wert als ganze Länder,

Bald auf die fürstlichen Gewänder

Der achtzig wohlgestalten Sklaven

Und sagte laut zum Großvezier:

"Fürwahr, der Himmel soll mich strafen

Wenn ein Geschenk wie dieses hier

Je Sultanstöchtern ward geboten!"

"So ist es," stimmte jener bei,

zumal er einsah, daß der Knoten

Nicht anders mehr zu lösen sei.

Wie hätte noch der Fürst sein Wort

Zurückziehn können als Empfänger

Von solchem beispiellosen Hort?

Er fragte jetzt sogar nicht länger

Nach des Bewerbers Rang und Stand

Und allen andern Eigenschaften;

Für jeden Vorzug konnt' als Pfand

Sein ungeheurer Reichtum haften.

"Geh'," sprach er drum in mildem Ton

Zur Mutter, "meld' ihm, daß mit warmen

Gefühlen ich und offnen Armen

Ihn grüßen will als Schwiegersohn."

So waren jetzt nach hartem Ringen

Die Schwierigkeiten weggeräumt;

Sie selber durft' ihm Kunde bringen,

Daß alles, was er sich erträumt,

Was für unmöglich ihr gegolten,

Was als Verrücktheit sie gescholten,

Und was ihm ihre Zweifelsucht

Verargt als frevelhaft verstiegen,

Ihm jetzt als eine reife Frucht

Bereit war in den Schoß zu fliegen.

Er aber, wenn auch überschwenglich

Beglückt, ließ keine Zeit entfliehn,

Um das zu tun, was unumgänglich

Ihm zu des Werkes Krönung schien.

Er hieß den Geist von neuem kommen

Und sprach, als dieser schnell genaht:

"Bereite mir sofort ein Bad

Und bring', nachdem ich es genommen,

Mir ein Gewand, so reich und prachtvoll,

Wie sonst es nur ein König trägt."

Er fühlte drauf alsbald sich machtvoll

Erfaßt und durch die Luft bewegt.

Ein schöner Raum, an allen Wänden

Mit buntem Marmor ausgelegt,

Empfing ihn; dort bedient, gepflegt

Von zarten, unsichtbaren Händen,

Nahm er das Bad in einer lauen,

Von Wohlgeruch erfüllten Flut.

Sodann, erquickt und ausgeruht,

Konnt' er in einem Spiegel schauen,

Daß er zu seinem Vorteil ganz

Verwandelt, schöner war und schmucker.

Statt des bisherigen Gewands,

Das immer noch den armen Schlucker

Verraten hatte, fand er Kleider,

So prächtig, so mit Gold bestickt,

Daß jeder Prinz und Fürst als Neider

Nach ihnen hätte hingeblickt.

Sobald er fertig angezogen,

Erschien der Geist auf seinen Wink,

Und er gebot ihm: "Zeig' dich flink!

Ich habe mittlerweil erwogen,

Was mir noch fehlt. Ein edles Roß

Verlang' ich, das an Schönheit alle

Verdunkelt in des Sultans Stalle;

Zu diesem ferner einen Troß

Von Sklaven, jenen gleich zu achten

An Kleiderprunk und Stattlichkeit,

Die mein Geschenk dem Sultan brachten;

Acht Sklavinnen dann zum Geleit

Für meine Mutter, deren jede

Ihr ein so köstliches Gewand

Soll bringen, daß im ganzen Land

Bald von nichts andrem mehr die Rede.

Auch einen Beutel mit zehntausend

Goldstücken brauch' ich noch. Nur schnell

Ans Werk!"

Der Geist entschwebte sausend,

Und alles war im Nu zur Stell'.

Den Sklavinnen gab Aladdin

Befehl, zur Mutter hinzueilen

Und ihr ein Staatskleid anzuziehn.

Das bare Gold ließ er verteilen

An feine Sklaven, mit der Weisung,

Sie sollten's auf der ganzen Länge

Des Wegs mit voller Hand zur Speisung

Der Armut werfen in die Menge.

Er stieg zu Pferd und zog inmitten

Des Trosses durch die Straßen hin.

Selbst Kennern kam nicht in den Sinn,

Daß er noch nie zuvor geritten,

Weil mit dem feinsten Ebenmaß

Und Anstand er im Sattel saß.

Aladdin reitet zum Schloß des Sultans

Aladdin reitet zum Schloß des Sultans

Vielköpfig, massig, nicht zu zählen,

Lief wiederum das Volk herbei;

Betäubend schwang aus allen Kehlen

Sich Beifallruf und Jubelschrei,

Besonders wenn, vom Sklaventroß

Geschnellt, als ungewohnter Segen

So rechts wie links ein Hagelregen

Von goldnen Münzen sich ergoß.

Wer war der Ritter hoch zu Roß?

Bei Namen konnt' ihn niemand nennen,

Nicht einmal einer unter zehn,

Die noch vor kurzem ihn gesehn,

Den alten Aladdin erkennen.

Er, jüngst noch dürftig, unansehnlich,

Sah nun sich selber nicht mehr ähnlich;

Denn zu der Lampe Wunderkräften

Gehörte die geheime Macht,

Dem Glückspilz, den sie hoch gebracht,

Auch äußern Adel anzuheften.

So lag am Tage sonnenklar,

Daß all der Pracht, womit er prunkte,

Durch sein Verdienst er würdig war.

Er wurde rasch zum Mittelpunkte

Für jedes Auge; jauchzend hob

Zum Himmel ihn des Volkes Lob

Und gönnte gern ihm dieser Erde

Vollkommenstes und reichstes Heil.

Bis zum Palasttor mittlerweil

Gelangt, stieg artig er vom Pferde.

Die Pförtner bildeten zwei Reihen

Von Tor zu Tür, um dem Empfang

Vermehrte Würde zu verleihen;

Durch diese schritt er sacht entlang,

Trat in den Saal und vor den Thron.

Der Sultan, seiner harrend schon,

War überrascht und höchst erbaut

Sowohl von seiner Prachtentfaltung

Wie seinem Wuchs und seiner Haltung,

Schritt ihm entgegen, zog ihn traut,

Ihm wehrend, auf die Knie zu sinken,

An seine Vaterbrust und ließ,

Indem er ihn willkommen hieß,

Ihn sitzen dicht zu seiner Linken.

"Erlauchter Fürst," sprach Aladdin,

"Ich danke dir, daß mein Erkühnen,

Statt es durch harten Spruch zu sühnen,

So nachsichtsvoll du mir verziehn.

Ich wüßte nichts, was mich entschuldigt,

Als daß mein Herz, von holdem Zwang

Besiegt, in willenlosem Drang

Der reizenden Prinzessin huldigt,

Und daß die Liebe, die gewaltsam

In meinem Innern flammt und loht,

Nicht enden wird, bis unaufhaltsam

Mein Leben selbst erlischt im Tod."

"Mein Freund," versetze halb im Scherz

Der Sultan, "um durch dieses Feuer

Heillos versengt zu sehn dein Herz,

Halt' ich fortan dich viel zu teuer.

Ist dies das Mittel, dich zu töten,

So weiß ich, was dich heilen soll."

Er gab ein Zeichen. Flugs erscholl

Musik von Zimbeln und von Flöten.

Er führte drauf ihn liebevoll

Zum wunderbaren Nebensaal,

Worin bereits auf goldnen Tellern

War aufgetischt ein leckres Mahl,

Das aus den kaiserlichen Kellern

Versorgt war mit dem besten Wein.

Der Sultan aß mit ihm allein;

Der Großvezier und all die Herrn

Von Rang und von Geblüt umkreisten

Den vollbesetzen Tisch von fern

Und mußten zusehn, wie sie speisten.

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