Im Australischen Busch.

Das Goldfieber war in Sidney in voller Wuth ausgebrochen. Fabelhafte Berichte von riesigen gefundenen Goldklumpen, von Reichthümern, die an einem Tage, in wenigen Stunden gewonnen, berauschten die Hörer und machten auch dem Kaltblütigsten das Herz rascher und unbehaglicher schlagen. Was Wunder also, daß Alle, die gerade locker und ledig in der Stadt herumliefen und keine bestimmte Beschäftigung hatten, ohne Weiteres aufpackten, »ihr Glück« in den Minen zu versuchen, da ja selbst die Männer in Amt und Würden nicht einmal Alle von diesen gehalten werden konnten und hier und da sogar eine »gewisse Zukunft« im Stich ließen, einem höchst ungewissen Erfolg in den Bergen nachzujagen.

Besonders in die Seeleute war der Goldteufel im wahren Sinne des Worts gefahren, und sie bekamen plötzlich Alle mit einander Lust, das Seeleben mit der Arbeit in den Bergen zu vertauschen. So wenig sie sonst vom Lande wissen wollen, und so rasch sie sich immer wieder an Bord ihrer Schiffe zurücksehnten, sobald nur das mitgebrachte Geld in aller Geschwindigkeit verthan war, so versessen schienen sie ganz urplötzlich darauf zu sein, ihre »Landbeine«, wie sie's nannten, anzuschnallen, und Salzwasser und Schiffszwieback für längere Zeit – Viele dachten vielleicht auf immer – Lebewohl zu sagen. Ja nicht allein die Matrosen, sogar die Steuerleute waren kaum zu halten – juckte es doch den Capitainen selber nach Schaufel und Spitzhacke in den Fingern, und alle die Führer von Schiffen, besonders die, denen daran lag, den Hafen bald wieder verlassen zu können, kamen oft in die schwierigsten, fatalsten Lagen.

Matrosen sind gewöhnlich von dem Hafen aus, von dem sie fahren für die Reise, bis zurück von da, wo sie ausgelaufen, verdingt, und dürfen ihr verdientes Geld nicht eher vom Capitain verlangen, als bis diese Reise wirklich zurückgelegt ist. Nur kleine Abzahlungen werden ihnen in den Zwischenhäfen gestattet, hängen aber auch stets von ihrem guten Betragen, d. h. vom Willen des Capitains selber ab und ob und wie viel er ihnen Geld auszuzahlen denkt.

Was aber kümmert das den Seemann? Es giebt wohl kaum ein leichtsinnigeres Volk auf der weiten Gotteswelt, als eben den Matrosen, und was ihm nicht der Augenblick, die unmittelbare Gegenwart bringt, hat für ihn nicht den mindesten Werth, übt auf ihn nicht den geringsten Einfluß aus. Daß viele der Capitaine deshalb ihren sauer verdienten Lohn für lange Monate in den Händen hielten und ihn jetzt natürlich nicht herausgeben mochten, kümmerte sie gar nicht, und wenn sie die Jacke vom Leibe verkaufen mußten, Brod unterwegs zu haben, was that's? Sobald sie nur die Minen erreichten, wie sie dachten, war ihnen ja doch geholfen und sie aller Noth und Sorge ledig.

Um diese Zeit lag auch ein englisches Schiff, die Jane Douglas, im Hafen von Sidney. Der Capitain hatte seine Fracht gelöscht und wollte eben wieder beginnen, neue einzunehmen, als ihm eines Morgens die Kunde gebracht wurde, die Hälfte seiner Mannschaft sei in der Nacht »durchgebrannt« und die andere Hälfte würde wahrscheinlich ebenfalls bald nachfolgen. Frische Matrosen waren in Sidney zu jener Zeit gar nicht zu bekommen, ein sehr langer Aufenthalt wäre jedenfalls die unausbleibliche Folge gewesen, und der Capitain, ein resoluter Mann, griff endlich, nach reiflicher Erwägung, zu einem anscheinend verzweifelten, und doch, wie der Erfolg zeigte, gar nicht so üblen Entschluß. Er erklärte nämlich seinen Leuten, er wolle mit ihnen, da sie doch jetzt nicht daran denken konnten wieder sobald in See zu gehen, selber in die Minen hinaufziehen und mit ihnen arbeiten, der Ertrag solle aber, da er aus seiner Kasse die Kosten bezahlen würde, zum Theil für den Rheder, zum Theil für sie selber angenommen werden. Der Steward, der ohnedies lahm war, sich aber schon lange Jahre an Bord befand und das volle Vertrauen des Capitains besaß, sollte zurückbleiben und das Schiff bewachen, dafür aber bei der Zurückkunft gleichen Antheil mit der übrigen Mannschaft erhalten.

Es läßt sich denken, daß die Leute mit Jubel auf den Vorschlag eingingen, denn liefen sie auf ihre eigene Hand fort, blieben sie immer der Gefahr ausgesetzt, wieder eingefangen zu werden, und hatten selbst im glücklichsten Falle des Entkommens keinen rothen Heller in der Tasche, ihren Weg in die Minen zu bestreiten. Schon am nächsten Tag war denn auch Alles eingekauft, dessen sie zum Graben und Waschen da oben bedurften, ein Karren gemiethet, ihr Werkzeug, wie ihre nöthigen Provisionen hinaufzuschaffen, und der wunderliche Zug, ein Schiffscapitain an der Spitze seiner Mannschaft, setzte sich in Bewegung.

In den Minen am Turonfluß angelangt, begannen sie frisch ihre Arbeit. Einer der Matrosen war schon früher in Californien gewesen (vielleicht eine Ursache, daß er diesmal nicht fortgelaufen) und konnte die Uebrigen im Handhaben ihrer »Wiegen« unterrichten, und es wurde auch Gold genug gefunden, wenigstens vor der Hand ihre Ausgaben damit zu bestreiten und noch etwas zurückzulegen. Nach und nach kamen sie besser hinein, und theilten sich jetzt in drei Parteien, um eine größere Strecke auf einmal in Angriff nehmen zu können. Der Capitain selber arbeitete nicht, sondern überwachte das Ganze, der erste Steuermann war mit dem Koch und einem Schiffsjungen zusammen, der zweite Steuermann mit zwei jungen englischen Matrosen, und der Zimmermann und ein anderer Matrose arbeiteten ebenfalls zusammen. Das, was sie den Tag über fanden und auswuschen, wurde dann Abends gewogen und kam in eine gemeinschaftliche Kasse, später in dem bestimmten Verhältniß vertheilt zu werden. Diese Kasse hatte natürlich der Capitain.

Der Zimmermann war bis jetzt am glücklichsten gewesen und zwei Tage hinter einander in eine ziemlich reiche Stelle hineingerathen, aus der die beiden Männer eine Anzahl Unzen Gold herausnahmen. Noch besser traf es bald darauf der zweite Steuermann, der in einer Woche siebzehn, in der andern sogar einundzwanzig Unzen mit seiner Partei ausgewaschen hatte.

Es war jetzt die vierte Woche, daß sie arbeiteten, und die Leute fingen an, sich nachgerade zu berechnen, was sie etwa verdient, und was sie davon abgeliefert hätten. Daß ihnen der Capitain dabei die Mittel an die Hand gegeben, diese Stellen zu erreichen, und sobald zu beginnen, brachten sie nicht in Anschlag, und der Zimmermann weigerte sich endlich offen, unter den bisherigen Bedingungen länger mit fortzuarbeiten. Daß ihm der Capitain bewies, wie er hier in der kurzen Zeit gerade etwa das Zehnfache verdiene, als wenn er an Bord geblieben wäre, brachte ihn nicht von seinem Vorsatz ab, und eines Morgens war er verschwunden. Die Uebrigen beharrten indessen bei der Arbeit, und dem Matrosen, der bis dahin mit dem Zimmermann zusammen gegraben und gewaschen hatte, wurde der Koch beigegeben.

Es war am Mittwoch, als der zweite Steuermann mit seinen beiden Leuten wieder ein Loch bis ziemlich auf den Felsen niedergegraben hatte. Er nahm jetzt eine Pfanne voll Erde, in der er schon mit bloßem Auge Goldkörner erkannte, heraus, und ging damit an den nächsten Bach, sie zu waschen. Wie er damit zurückkam, stand der Capitain am Rand, ihren Erfolg zu erfragen.

»Nun, Jones?« sagte er, als er diesen langsam mit der leeren Pfanne zurückkommen sah, »wie stehts? lohnt das hier?«

»Ich glaube nicht, Capitain,« antwortete dieser mürrisch, »in der Pfanne war nicht für einen halben Schilling, und das von der besten Stelle weggenommen. Ich denke, wir fangen lieber auf einem andern Platze an.«

»Nur nicht so rasch verzagt«, ermahnte dieser – »Ihr habt Euch die Mühe des Abräumens gegeben, nun wascht auch die Grube aus, Tagelohn macht Ihr doch jedenfalls dabei. Vielleicht ist's auch in der andern Ecke da besser. Ich will nachher einmal wieder zufragen, wie's geht.« Dabei drehte er sich ab, und wanderte langsam den Fluß aufwärts und der Stelle zu, wo der erste Steuermann mit dem Jungen wusch.

Jones blieb in der Grube stehen und sah ihm eine Weile nach, dann aber, als er sich überzeugt hatte, daß er nicht zurückkehren würde, drehte er sich plötzlich nach seinen beiden Gefährten um, griff mit seiner rechten Hand in die Tasche seiner blauen Jacke, holte eine ganze Hand voll schwerer Goldkörner, von denen einzelne eine halbe Unze wiegen mochten, heraus und hielt sie den überraschten Mitarbeitern hin.

»Hallo, was ist das?« riefen diese, die Augen aufreißend, »wo kommt das auf einmal her?«

»Aus der Pfanne da«, lachte Jones.

»Aus der einen Pfanne? – ich dachte es wäre Nichts darin?«

»Nichts drin? – weil ich es dem Alten nicht auf die Nase gebunden habe?« – lachte aber der Steuermann höhnisch. – »Jungens, in der Grube hier steckt unser Glück. In der einen Pfanne voll, die ich nur hier oben weggenommen, lagen wenigstens vier oder fünf Unzen Gold, und wenn Ihr das dem Rheder, der daheim in London mit den Händen in den Taschen sitzt, in den Hals stopfen wollt, so hab ich Nichts dagegen; ich mache mit, was Ihr beschließt, aber wenn Ihr meinem Rath folgt, so behalten wir das, was wir hier aus der Grube, und vielleicht aus der nächsten nehmen für uns, und suchen uns in den Bergen dann einen andern Platz, wo wir weiter arbeiten. Finden wir aber hier schon, was wir brauchen, und was ich jetzt fast glaube, so gehen wir nach England zurück und leben dort wie die großen Herren.«

»Ich bin dabei«, sagte Bob, ein junger Bursche von neunzehn Jahren, den der Glanz des Goldes und die Aussicht auf so raschen und unerwarteten Reichthum geblendet hatte. »Hols der Teufel, die Sklaverei für andere Leute hätt' ich überdies dick und übersatt.«

»Erst wollen wir sehen, was wir finden«, bemerkte indessen Ned, der dritte von ihnen, vorsichtig. »Es kann auch sein, daß der ganze Reichthum hier unten zufällig in dem einen kleinen Nest gelegen hat, und damit ist uns dann auch so gut wie Nichts gedient. Darin bin ich übrigens mit Euch einverstanden – finden wir etwas Ordentliches, dann kneifen wir zusammen aus, und der Alte mag uns dann, wenn er wieder nach Hause fährt, beim Rheder »krank« melden.«

»Was wir ihm gekostet haben, ist lange abgezahlt,« setzte Bob hinzu, »und Gewissensbisse brauchen wir uns darüber nicht zu machen.«

»Gewissensbisse?« lachte Jones, »zum Teufel noch einmal, was hier in der Erde liegt, gehört dem »ehrlichen Finder«, der nirgend in der Welt gebeten wird, das Verlorene gegen eine gute Belohnung in der Expedition dieses Blattes wieder abzugeben – wie sie's in den Zeitungen am Land immer haben, und wenn das Schicksal absolut will, daß wir reiche und angesehene Leute werden und in Kutschen fahren sollen, dann wär' es mehr als albern von uns, wenn wir uns mit Händen und Füßen dagegen wehrten. Das hieße nachher nicht mehr Ehrlichkeit, das hieße Dummheit, und der Rheder selber wäre der Erste, der uns heimlich dafür auslachte.«

Er hatte sich indessen niedergebückt, und mit seinem Messer in der Erde herumgestochert, als er plötzlich einen kaum unterdrückten Schrei ausstieß und ein Stück Gold von wenigstens sieben oder acht Unzen Schwere zu Tage brachte.

Die Aufregung, in der sich die drei Menschen jetzt befanden, war unbeschreiblich. Mit vor Eifer zitternden Händen gingen sie daran, die wirklich ungemein goldreiche Erde auszuwaschen, und in kaum einer Stunde hatten sie ihren großen Blechbecher bis zum Rand mit dem kostbaren Metall gefüllt. Vor allen Dingen galt es jetzt aber dem wahrscheinlich bald zurückkehrenden Capitän den Fund zu verheimlichen, und das Gold wurde deshalb in einer Ecke der Grube versteckt und mit einem Stein und dann mit Erde bedeckt. Nur ein paar Körner ließen sie im Becher zurück und wuschen dann weiter.

Der Capitän kam übrigens an dem Nachmittag nicht wieder zu ihnen und sie wuschen einen Reichthum aus, den sie früher in ihren kühnsten Träumen vielleicht nicht für möglich gehalten. Das aber konnte sie natürlich nur in ihrem gefaßten Beschluß bestärken, und der morgende Abend wurde zur Ausführung desselben bestimmt. Sie konnten heute nämlich nicht mit dem Begonnenen fertig werden, und nahmen deshalb Abends etwa eine Unze mit zum Lager, doch etwas abzuliefern. Ihren Schatz ließen sie in der Grube zurück, füllten vorher aber die Ecke, in der er lag, mit Erde auf und durften ziemlich sicher sein, daß ihnen Niemand Nachts hineinging. Es war dort Loch an Loch gemacht, und wer solcherart heimlich und im Dunkeln die verschiedenen Gruben hätte revidiren wollen, würde – selbst die Gefahr abgerechnet, der er sich dabei aussetzte – im Ganzen sehr schlechte Geschäfte gemacht haben; der Zufall hätte ihn denn müssen an einen solchen Platz führen.

Am nächsten Morgen nach dem Frühstück gingen sie wieder an die Arbeit und fanden noch sehr viel Gold. Mittags nahmen sie wieder eine Unze davon mit zu ihrem Zelt, der Steuermann Jones verschaffte sich dann einen kleinen Leinwandsack, den er heimlich mit heraus an die Arbeit nahm, und in der Dämmerung wollten sie ihre Flucht mit dem erbeuteten Raub antreten.

Das Gold war schon ausgewaschen und in den jetzt ziemlich schweren Sack gethan, die Grube vollständig untersucht – eine Ader schien auch von dorten nicht abzulaufen, und was sie gefunden, sich mehr hier in einer Art von Felskessel, durch den Bach im Lauf der Jahre niedergespült und gesammelt zu haben – in der Nachbarerde, wie das so oft geht, hätten sie vielleicht wenig oder gar Nichts gefunden. Nur zum Schein arbeiteten sie jetzt noch weiter, damit sie bei einbrechender Dunkelheit nicht etwa verfolgt werden konnten. Hatten sie aber erst einmal die Nacht Vorsprung, dann wäre es, wie sie recht gut wußten, in den wilden Bergen unmöglich gewesen, ihrer wieder habhaft zu werden.

Gerade vor Dunkelwerden kam der Capitän dort vorbei, und blieb bei ihnen stehen.

»Feierabend, Feierabend«, lachte er, »seid nur nicht zu fleißig, Ihr Leute – mit einem Male können wir doch nicht reich werden. Nun wie geht es heute Nachmittag, Jones?«

»Etwas besser, Sir«, sagte der Mann, wagte aber dabei nicht, seinem Vorgesetzten, den er eben im Begriff stand zu hintergehen, ins Angesicht zu schauen. »Wir haben seit Mittag etwa wieder eine Unze gefunden, und wollten noch gern, ehe wir aufhörten, die paar Pfannen voll auswaschen. Es wird morgen früh doch nicht der Mühe lohnen, daß wir hier wieder anfangen.« Er deutete dabei auf den oben am Rande stehenden Blechbecher hin, in dem die drei Verschwornen absichtlich etwas Gold hatten stehen lassen.

Der Capitän nahm ihn auf, sah hinein, stellte ihn wieder hin und sagte:

»Nun gut Leute – vergeßt nur Nichts von dem Werkzeug, wenn Ihr heute Abend zum Zelt kommt. Dicht neben uns ist gestern Abend wieder eine Brechstange gestohlen worden. Es giebt hier oben doch mehr Gesindel, wie man eigentlich glaubt.« – Und seine Hände in die Taschen schiebend stieg er den Hügelvorsprung hinan, an dessen andrer Seite ihr Zelt lag.

»So Jungens«, sagte der Steuermann, als er ihm wieder mit den Blicken bis dort hinüber gefolgt war; »jetzt ist's Zeit. Der Alte kommt heute Abend nicht eher wieder hieher als bis es stark dunkel ist, und sie ernstlichen Verdacht geschöpft haben – und dann ist's zu spät. Donnerwetter, der Sack ist schwer«, stöhnte er, als er das verborgene Gold unter einer darüber gelehnten Steinplatte herausnahm und aufhob. »Einer allein kann das gar nicht schleppen – wir müssen's theilen. Die Leute werden überdies Verdacht schöpfen, wenn sie uns nur damit gehen sehen.«

»Ach was«, beschwichtigte ihn Ned, »wenn uns Jemand jetzt fragen sollte, wohin wir damit wollen, brauchen wir ihm ja nur zu sagen, zum Commissär, dort wird ja doch das meiste Gold hingeschafft, und das findet Jeder in der Ordnung. Uebrigens thun wir am Besten, wir kaufen uns im nächsten Laden ein paar Ledersäcke, Provisionen müssen wir ja überdies auch mitnehmen, und draußen im Walde können wir's dann theilen, daß Jeder sein Part nur zu tragen hat.«

»Das ist das Gescheiteste« stimmte ihm Jones bei, »und damit wir uns dort nicht mit dem Golde aufhalten müssen, lauf Du Ned rasch hinüber zum nächsten Laden, kauf was wir brauchen, auch ein paar kleine leichte leinene Säcke und drei wollene Decken dazu, denn wir müssen Bettzeug mitnehmen, und geh dann damit oben zu dem großen Gumbaum hinauf, der dort drüben steht. Wenn wir Dich dort sehen, brechen wir von hier auf.«

Der Plan war soweit gut. Ned nahm zu den Einkäufen das Gold aus dem Blechbecher und noch einiges anderes, was in der Pfanne lag, und ging raschen Schrittes zum nächsten kaum einen Büchsenschuß entfernten Laden. Jones und Bob aber wurde es indessen unheimlich so lange in der Grube zu warten. Jones recognoscirte deshalb vor allen Dingen, ob er Niemand von seinen Leuten rings entdecken könne, und hob, als er die Luft rein fand, den Sack mit Gold auf den Rand der Grube. Rasch kletterten jetzt die beiden Männer ebenfalls hinaus, und während der Steuermann die Beute auf den Arm nahm und damit bergauf der bezeichneten Stelle zuschritt, schaute Bob indessen vorsichtig nach allen Seiten umher, jetzt nicht dicht vor ihrer Flucht gesehen und entdeckt zu werden. Von der übrigen Mannschaft, die keine Ahnung von dem beabsichtigten Verrath hatte, da noch besonders bei dieser Partei der Steuermann jedes Unrecht überwachen mußte, ließ sich Niemand blicken. Erst als die drei Kameraden gar nicht zum Abendessen kamen, und die vollständig eingebrochene Dunkelheit jeden Gedanken, daß sie doch noch am Ende arbeiteten, verwerfen ließ, faßte der Capitän Verdacht und ging selber zu der ihm wohlbekannten Stelle, nach seinen Leuten zu sehen. Er brauchte auch nicht lange zu forschen; das noch in der Grube gelassene Werkzeug verrieth ihm nur zu bald, daß irgend etwas nicht Gehöriges vorgefallen, und wenn ihm auch Niemand in den benachbarten Zelten, wo er sich zu erkundigen suchte, gewisse Nachricht geben konnte – denn wer bekümmerte sich dort in den Minen um den Andern, – brauchte er nicht länger daran zu zweifeln, daß sich die Leute heimlich aus dem Staube gemacht, und auch wahrscheinlich gefundenes Gold mitgenommen hätten.

Allerdings ging er, nachdem er Rücksprache mit dem ersten Steuermann genommen, augenblicklich und noch in der Nacht zu dem Polizeicommissär, diesen von dem wahrscheinlich verübten Raub und der Flucht der drei Matrosen in Kenntniß zu setzen. Am nächsten Tage wurden auch Gendarmen oder berittene Constabler nach verschiedenen Seiten hin abgeschickt, die Flüchtigen womöglich in einer der andern Schluchten, an denen gearbeitet wurde, wieder aufzuspüren. Diese wußten aber selber recht gut, daß ihnen nur ein reiner Zufall die Geflohenen hätte in den Weg und wieder in ihre Gewalt bringen können, gaben sich deshalb auch nicht die mindeste Mühe damit, und kehrten am zweiten Tag nach einem langsamen Spazierritt durch die übrigen Minen, unverrichteter Sache wieder zurück.

Die drei Flüchtigen hatten sich indessen ihren Plan ganz vortrefflich gemacht und führten ihn eben so durch. An dem bestimmten Baum traf Ned mit den gekauften Sachen zu ihnen und gab einen Theil davon an Bob zu tragen. Bald waren sie damit drin im »Busch«, wie der australische Wald stets genannt wird, im Dunkel der jetzt rasch einbrechenden Nacht verschwunden und außer jeder Gefahr, verfolgt und eingeholt zu werden.

Wohin sie gehen wollten, darüber hatten sie sich allerdings noch gar keinen Plan gemacht. Erst mußten sie aus dem Bereich des Turon sein, das andere fand sich dann von selbst, und sie hielten auch in der That nicht eher an, als bis sie, ihrer Berechnung nach, mehrere Meilen zurückgelegt und in einem dort erreichten Dickicht nicht mehr weiter konnten. Jetzt erst beschlossen sie, zu lagern, warfen ihre Last unter einen Baum, zündeten vor allen Dingen mit dort im Ueberfluß umherliegenden dürren Holz ein tüchtiges Feuer an und gingen dann erst daran, ihr Abendbrod zu bereiten und nachher ihren Raub zu theilen.

Das erste war bald geschehen. Ned hatte eine sehr zweckmäßige Wahl bei den eingekauften Provisionen getroffen und mit frischem und geräuchertem Fleisch, trocknem Schiffszwieback und Zucker und Thee konnten sie schon eine Weile im Busche aushalten. Der einzige Fehler war, daß sie an ihrem Lagerplatz kein Wasser hatten. Das ließ sich aber nicht mehr ändern, und zum Frühstück beschlossen sie, in das nächste Thal hinabzusteigen, wo sie, wenn nicht eine Quelle, doch irgendwo schon ein Wasserloch zu finden hofften.

Auf einem der untergebreiteten Leinwandstücke wurde dann das sämmtliche Gold ausgeschüttet, und die drei Matrosen, die in ihrem ganzen Leben einen solchen Reichthum noch nicht bei einander gesehen, jauchzten und jubelten um den aufgehäuften Schatz. Sie konnten den Gedanken kaum fassen, daß Alles das jetzt ihnen sei, und die wildesten, tollsten Pläne wurden unter dem alten Gumbaume entworfen, die fabelhaftesten Luftschlösser in die stille Nacht hineingebaut. Und waren das Luftschlösser? Hatten sie nicht den soliden festen Grund da vor sich liegen, und bedurfte es etwa mehr, als nur einer einfachen Berechnung, was sie etwa mit dem »gefundenen« Schatze machen könnten? Jedenfalls hatten sie wirklich Jeder mehr, als es ihrer Meinung nach bedurft hätte, ein ganzes Schiff damit zu kaufen, und das war ja doch bei ihnen Allen von je das höchste Ziel all ihrer Wünsche gewesen.

Die Theilung ging jetzt, wie man das Gold überhaupt ohne Waage theilen konnte, so gut als möglich und nach dem Augenmaß vor sich. Der Haufen wurde in drei ziemlich gleiche Theile geschieden, und dann so lange davon herüber und hinüber, hier ab- und dort wieder zugeschoben, bis sie alle drei übereinstimmten, daß es sich nicht mehr verbessern ließ. Dann drehte sich Ned ab und den Rücken dem Golde zu, und Jones frug, indem er nach Gutdünken einen der Haufen mit dem Messer berührte:

»Wer soll den haben?«

»Ich!« sagte Ned.

»Ha, ha, ha, ha,« lachte der Steuermann; »er kann's nicht erwarten, bis er sein Theil kriegt – und den?«

»Ihr selber!« sagte Ned, indem er sich wieder umdrehte, zu sehen, welcher Antheil ihm geworden.

»Gut, dann nimmt Bob also den,« setzte der Steuermann hinzu, indem er einen für sich mitgebrachten Ledersack hervorholte, seinen Antheil hineinzuschütten; »großer Unterschied wird überhaupt nicht sein, und auf eine halbe Unze kommt's nicht an. Jungens, Jungens, für eine halbe Unze haben wir sonst einen halben Monat arbeiten müssen. Na, das hat jetzt aufgehört, und der »Esquire« wird hinter meinem Namen gerade so gut klingen, wie hinter dem von John Smith und Thomas Brown.«

Jeder der Drei nahm jetzt seinen Sack mit Gold an sich, dann wurde das Feuer noch einmal tüchtig aufgeschürt und bald lagen die Seeleute, in ihre neuen warmen, wollnen Decken gewickelt in so sanftem, festem Schlaf, als ob sie an Bord in ihren Cojen, und nicht flüchtig vor der Polizei mit gestohlenem Golde in der Wildniß lägen.

Am nächsten Morgen waren sie früh wieder auf. Die Provisionen wurden dann ebenfalls in drei, dem Gewicht nach ziemlich gleiche Parten getheilt, und mit den zusammengerollten Decken auf dem Rücken, Jones voran, der einen Brand in der Hand trug, am nächsten Wasser rasch ein Feuer damit zu entzünden, stiegen sie jetzt den Hang hinab. Dort unten sollte denn auch berathen werden, wohin sie von hier aus ihre Richtung nehmen wollten.

Die Schlucht erreichten sie bald, aber fanden dort kein Wasser, obgleich sie ihr eine ziemliche Strecke weit folgten. Jones blieb zuletzt stehen und meinte, sie dürften nicht länger an dem trockenen Bache abwärts gehen, der sie am Ende gerade wieder zum Turon und ihren Verfolgern in die Hände führte, und das wäre nachher, wie er meinte, »ein gefundenes Fressen für den Capitain.«

»Ja, aber der Turon liegt ja dort hinüber«, sagte Ned, »sind wir denn nicht gestern Abend auf der andern Seite des Berg's heraufgekommen?«

»Gott bewahre«, rief Jones – »ich meinte ja noch, wir hätten unten nach Wasser suchen sollen – hier in derselben verdammten trockenen Schlucht, in der wir jetzt stehen. Nicht wahr, Bob?«

»Ja, und wenn Ihr mich todtschlagt, ich weiß nicht, wo wir hergekommen sind,« sagte dieser, sich verlegen dabei umsehend, »wünschte aber nur, wir hätten einen Trunk Wasser, denn mir klebt die Zunge am Gaumen. Die Richtung wollen wir nachher schon finden.«

»Weißt Du, was Du in den Laden gestern Abend noch hättest kaufen sollen,« sagte Jones jetzt zu Ned – »einen Compaß. Den hätten wir gut gebrauchen können. Sie haben dort so kleine Dinger zu verkaufen die ganz vortrefflich die Richtung anzeigen.«

»Wenn Du das wußtest, hättest Du's auch früher sagen können,« brummte Ned; »jetzt ist's zu spät, und wir müssen sehen, wie wir ohne Compaß fertig werden. Hol's aber der Teufel, ob hier nicht ein Baum so aussieht, wie der andere, und der Berg, wie der da drüben – und kein Tropfen Wasser in dem verdammten Land. Das Gescheidteste ist, wir machen, daß wir an irgend einen Fluß kommen, und folgen dann dem Lauf desselben. Der bringt uns schon zu einem betretenen Weg und zu Menschen, denn wo Menschen sind, da ist doch wenigstens Wasser.«

»Nun hier sind Menschen und hier ist kein Wasser,« lachte Bob, »aber Kameraden, ich habe einen schmählichen Hunger. Wie wär's, wenn wir hier gleich an Ort und Stelle frühstückten. Wasser finden wir nachher schon irgendwo.«

»Ich bringe ohne Wasser keinen Bissen hinunter,« versicherte Jones; »die Kehle ist mir wie verdorrt und zugeschnürt. Wenn wir grad über den Berg hinüber und auf der andern Seite wieder hinuntersteigen, müssen wir ja doch zuletzt an Wasser kommen.«

»Ja, an den Turon,« brummte Ned. »Ihr könnt Euch heilig darauf verlassen, wenn wir zurück gehen, kommen wir wieder an den Turon.«

»Da hat er Recht,« lachte Bob, »die einzige Frage ist nun, nach welcher Richtung hin das zurück liegt. Daß auch keiner von uns gestern Abend daran gedacht hat, nach den Sternen zu sehen. Jetzt wüßten wir genau, wo wir wären.«

»Halt!« rief da Jones plötzlich, indem er Ned's Arm ergriff. »Wo ging die Sonne Morgens auf, wenn wir in unserm letzten Claim mit dem Gesicht nach dem Turon zu standen?«

»Grad vor uns,« sagte Ned.

»Gut,« fuhr Jones fort, »dann sind wir auch gestern Abend in einer nordwestlichen Richtung fortgegangen und ich habe Recht. Dort steht die Sonne jetzt, also liegt da drüben der Turon.«

»Ja, das ist Alles recht schön«, lachte Bob, »aber wir sollen doch wohl nicht die gestern Abend angenommene Richtung, in der wir eben nur aus dem Bereich des Flusses kommen wollten, beibehalten, denn da kommen wir jedenfalls in die schauerliche Wüste hinein, die zwischen hier und den Quellen des Murray oder Hume liegt. Unten im Lager hatten wir einen Kalender, in dem das ganze Land beschrieben stand.«

»Suchen wir aber jetzt gleich wieder zurück in besiedelte Gegenden zu kommen«, warf Jones ein, »so sind wir jedenfalls der Gefahr ausgesetzt, irgend einem nach uns ausgeschickten Polizeidiener in die Hände zu laufen.«

»Bah, wer kennt uns denn?« warf Ned ein. »Ein Matrose sieht den Charlies wie der Andere aus, und selbst mit unserem Gold können sie uns nichts beweisen. Wenn wir nur zwei Tage fort sind, soll uns einmal Jemand entgegen treten und beschwören können, daß wir Alles, was wir hier bei uns haben, nicht unter einem oder dem andern Baum meinetwegen hier in den Bergen gefunden. Hat nicht der Schwarze den Karr'schen Klumpen auch mit einem Beil unter einer Gumwurzel herausgeschlagen?«

»Ja, das ist Alles recht schön,« sagte Jones, der recht gut wußte, daß er, wenn wieder eingefangen, als Steuermann auch die größte Verantwortung würde zu tragen haben; »der Gefahr wollen wir uns aber doch nicht unnöthiger Weise aussetzen und jetzt einmal in Sicherheit, nicht wie die kleinen Kinder gerade da wieder hinlaufen, wo wir nichts mehr zu suchen haben. Mein Vorschlag ist der, daß wir noch meinetwegen heute bis gegen Abend, oder wenigstens einen halben Tag lang, die gestrige Richtung beibehalten, und dann etwa nach der Mündung des Turon hin Cours nehmen. Dort kommen wir wahrscheinlich wieder an Minen und können getrost unseren Weg direct nach Sidney einschlagen. Jetzt nur vor allen Dingen Wasser, das Andere findet sich Alles, und treffen wir einen guten Wasserplatz, bleiben wir eben so sicher einen Tag dort liegen, ruhen uns ordentlich aus und können unseren Marsch dann mit frischen Kräften fortsetzen.«

Dem ließ sich nicht gut etwas entgegnen, und die Matrosen, überdies gewohnt, an Bord dem Steuermann unbedingt zu vertrauen und sich nie viel um den einzuschlagenden Cours zu kümmern, folgten auch jetzt ihrem früheren Vorgesetzten, wohin er sie eben führen würde. Die Sonne fing indessen an, ziemlich heiß auf ihre Scheitel niederzubrennen, und es wurde ihnen sauer, den eben niedergestiegenen Berg aufs Neue zu ersteigen. Das ging jedoch nicht anders, und auf der entgegengesetzten Seite lag ja auch die Hoffnung auf Wasser, dem sie alle jetzt entgegenschmachteten. Selbst Bob war einsilbig geworden, und Jones stieg, ohne daß weiter ein Wort gewechselt wurde, schweigend voran. Jetzt hatten sie endlich die andere Schlucht erreicht, wo eine Masse wild zerstreuter Quarzblöcke wohl die Nähe von Gold verrieth, aber – kein Wasser bot. Gold – was kümmerte sie jetzt Gold, sie hatten an dem in ihren Säcken schwer genug zu tragen – Wasser wollten sie, und hätten es gern theuer genug gekauft – wenn es nur eben zu bekommen gewesen wäre.

Dieser Schlucht über folgten sie wohl eine ganze Meile nieder, und wenn sie sich auch jetzt drehte, und selbst nach Jones Meinung dieselbe Richtung einschlug, als jene an der andern Seite des Berges, also ebenfalls nach dem Turon zu, bedurfte es nur eines Blickes rechts und links, die steilen, steinigen, sonngebrannten und fast schattenlosen Wände hinauf, und sie wanderten oder kletterten wieder ruhig und unverdrossen weiter. Einmal mußten sie ja doch an Wasser kommen – und wenn es der Turon gewesen wäre.

Ned hatte zwischen seinen Provisionen allerdings eine gefüllte Whiskeyflasche mitgebracht, der brennende Trank, von dem sie schon Jeder ein paar Mal einen Schluck genommen, löschte ihnen aber den Durst nicht, wenn er auch für den Augenblick half, und die Zungen klebten ihnen am Gaumen.

»Das ist doch ein gottverfluchtes Land, das Australien,« lästerte Jones endlich, während er seinen Pack zu Boden und sich selber in den Schatten eines vorspringenden Felsstückes warf, »kein Tropfen Wasser, wohin man tritt – aber ich kann nicht weiter und muß erst etwas essen, – und wenn ich's auch hinunter zu würgen habe.«

Die übrigen waren gern damit einverstanden. Erschöpft und matt fühlten sich Alle, und die Provisionssäcke wurden geöffnet, den Körper nach den überstandenen Strapazen wenigstens in etwas zu stärken. Das beendet, brachen sie wieder auf, jetzt aber mit dem festen Entschluß, an dem ersten Wasserloch, das sie erreichen würden, einen vollen Rasttag zu machen, und wenn sie ihre Lebensmittel bis auf die letzte Krume aufzehrten. Die Minen konnten sie dann bald wieder erreichen.

Noch einmal folgten sie jetzt der trockenen Schlucht, in der vergeblichen Hoffnung, einen Quell, oder doch wenigstens an irgend einer Stelle vom letzten Regen übergebliebenes Wasser zu finden. Einmal glaubten sie auch schon ihren Wunsch erfüllt zu sehen, indem sie eine feuchte Stelle im Bett des sonst trockenen Baches antrafen. Diese aber enthielt nur dickflüssigen, mit grünem Moder überwachsenen Schlamm, und selbst Jones konnte sich nicht dazu entschließen, die Lippen daran zu bringen. Er bog sich allerdings darüber hin, mußte aber in Ekel davon abstehen. Im weichen Schlamm war die Spur eines vierfüßigen Thieres eingedrückt.

Zwei volle Stunden marschirten sie wieder weiter, immer der Schlucht nach, und zwar jetzt genau der Richtung folgend, in der Jones den Turon vermuthete. Wäre das aber der Fall gewesen, hätten sie ihn schon lange erreichen müssen, und der Steuermann selbst fand jetzt, daß er seinen Cours verloren habe. Dort hinaus durften sie deshalb unter keiner Bedingung weiter gehen, diese Schlucht führte sie wahrscheinlich mitten in die furchtbarste Wildniß hinein, und fielen sie dort, unbewaffnet wie sie waren, den Schwarzen in die Hände, so wären sie verloren gewesen. Zu ihrer Rechten lief ein niederer Hügelrücken hin, der es ihnen allem Anschein nach möglich machte, den dort liegenden hohen Berg zu umgehen. Der Richtung beschlossen sie also einstimmig zu folgen. An einer anderen Schlucht waren sie vielleicht auch glücklicher und trafen Wasser, oder hörten nach irgend einer Seite zu das Klappern der Maschinen, das ihnen die Nähe von Goldwäschern verrathen hätte. Es sollten ja hier überall in den Bergen Leute stecken.

»Ich fürchte, ich fürchte,« sagte Bob, als sie wieder einmal im Schatten eines kleinen Gumbaumdickichts ausruhten, »wir sind bis jetzt in gerader Richtung vom Turon ab und mitten in den tollsten Wald hinein gerannt, wir hätten ja sonst einzelne der dort in der Nachbarschaft zerstreuten Goldsucher finden müssen. Hier die Gegend ist aber wie ausgestorben, und die Spur des kleinen Känguruhs oder was es sonst für eine Bestie gewesen ist, die ich am Schlammloch gesehen habe, ist das erste und einzige Zeichen irgend eines lebenden Wesens, das wir heute den ganzen Tag gefunden. Nicht einmal ein Vogel ist zu sehen. Mir graut's vor solcher Einöde.«

»Wenn wir der Richtung gefolgt wären, die ich einschlagen wollte,« sagte Ned und suchte eins der ihm nächsten Gumblätter zu kauen, »so wären wir jetzt an Wasser – pfui Teufel, wie das Zeug schmeckt, bitter und ölig wie Gift.«

»Ja, bei Wasser und Brod vielleicht«, brummte Jones.

Ned wollte etwas erwidern, verschluckte es aber und lehnte sich erschöpft auf die neben ihm liegende Decke, dort besser auszuruhen.

»Wie schrecklich still das hier ist«, sagte Bob nach einer ziemlich langen Pause, »nicht einmal ein Vogel zu hören oder zu sehen. Kein Frosch quackt – kein Schuß – kein Peitschenknall, kein Vieh, selbst in den Bergen – nicht einmal Wild. Wenn man abergläubisch wäre, könnte man wahrhaftig denken, man sei von irgend einem bösen Geiste über Nacht ein paar hundert Meilen ins Land hinein versetzt worden. So viel weiß ich, wenn ich den Turon oder einen andern Fluß erst einmal wieder zu sehen bekomme, bringt mich kein Teufel weg davon, oder wenigstens aus Sicht. Die Quälerei möcht' ich nicht zum zweiten Mal durchmachen.«

»Wenn wir ihn nur erst zu sehen bekommen«, brummte Ned.

»Da sitzen wir nun«, lachte Bob plötzlich, »drei steinreiche Burschen, mit ihren Säcken voll Gold, und trocken wie ein Fisch am Land. Aber zum Henker, das gehört mit dazu, und wenn's uns am Ende gar zu leicht gemacht wäre, hätten wir vielleicht noch Gewissensbisse bekommen. So müssen wir's uns aber sauer genug verdienen und nachher schmeckt's desto besser. Uebrigens will ich an diese verzweifelten trocknen Gumwälder mein Lebelang denken. Sieht nicht einer von den saftlosen, steingrauen Bäumen gerade so aus, wie der andere, und werfen die Dinger überhaupt einen Schatten? Der Stamm, ja, damit sind wir aber auch fertig, und das, was man bei anderen Bäumen Laub nennen würde, hängt hier wie lange Stückchen Zink in Büscheln von den Zweigen nieder und klappert – und kein Grashalm dabei im ganzen Wald. – Meine Mutter zu Hause klagte immer über ihre feuchte Wohnung; hier sollte sie sich anbauen, hier wär's trocken genug. – Na – Ihr Beiden sitzt ja da, als ob Euch alle Masten über Bord geweht wären. Hier können wir nicht bleiben, so viel ist gewiß, und je eher wir aufbrechen, desto früher dürfen wir hoffen, irgendwo in diesem verbrannten Lande Wasser oder wenigstens erst einmal Menschen anzutreffen.«

Seine beiden Gefährten erwiderten Nichts darauf, standen aber doch auf. Die Kehlen waren ihnen zu trocken, viel zu sprechen, und je eher sie diesem Zustand ein Ende machen konnten, desto lieber war es ihnen. Schweigend setzten die drei Männer ihren Marsch fort, und zwar der Richtung zu, in der sie die verlassenen Minen vermutheten. Und wenn sie selbst wieder zufällig zu der Stelle zurückgekehrt wären, von der sie geflohen, hätten sie sich doch wenigstens nach Dunkelwerden satt trinken und nachher dem Lauf des Flusses folgen, wenigstens in seiner Nähe bleiben können. Vergebens aber legten sie Meile nach Meile zurück – der Schweiß lief ihnen in großen, schweren Tropfen an der Stirne nieder, und die Glieder vermochten sie kaum weiter zu schleppen. So brach die Nacht an, und noch immer hatten sie keinen Tropfen Wasser, keine Spur eines menschlichen Wesens gefunden und mußten wieder lagern. Allerdings machten sie einen Versuch im Dunkeln ihren Weg fortzusetzen, aber der Himmel hatte sich umwölkt, es war so finster geworden, daß sie keine Hand vor Augen sehen konnten, und in den rauhen Felsgesteinen kamen sie nicht fort.

Die Wolken hatten in sofern ihr Gutes, als sie dadurch auf Regen hoffen durften. Freilich verloren sie damit auch wieder die letzte Möglichkeit, ihre Richtung nach der Sonne zu verfolgen. Der nächste Morgen brach trübe an. Am Himmel ließ sich nicht einmal unterscheiden, wo die Sonne eigentlich aufgegangen sei, und kein Tropfen Regen fiel. Schweigend und finster nahmen die Leute ihre Packen wieder auf und wanderten weiter. Wohin? – sie wußten es selber nicht, und einer Schlucht jetzt aufwärts folgend, erreichten sie endlich wieder eine kleine Stelle, in deren Nähe ein paar Grashalme wuchsen und wo der Boden grün aussah – wie bei dem gestrigen Schlammloch.

»Dort ist Wasser!« rief Jones, und sprang darauf zu, aber – umsonst. Wasser hatte da jedenfalls einmal gestanden, aber der Grund war jetzt trocken und aufgesprungen, und grüne, aber ebenfalls trockene und schon halb vergilbte Flechten zogen sich darüber hin.

»Heiliger Gott!« rief da Bob plötzlich, als sie still und mürrisch den Platz umstanden – »das ist ja dieselbe Stelle, an der wir gestern waren. Dort ist der Stein, auf den ich meinen Packen warf – da ist der Eindruck selbst von Jones Hand noch, als er sich hinüber bog den Schlamm zu lecken.«

Die Anderen warfen rasch und erschreckt den Blick umher; die Thatsache ließ sich nicht leugnen.

»Dann folgen wir aber jetzt auch der Schlucht aufwärts und über den Berg hinüber!« rief da Ned, von neuer Hoffnung belebt. »Das ist der entgegengesetzte Weg von dem, den wir gestern einschlugen und wird uns zurück zum Turon bringen. Ich hab' es ja gleich gesagt, daß wir irr gingen.«

»Wie das in dem einen Tage ausgetrocknet ist,« seufzte Jones, der kein Wort mehr gegen die unbestimmte Richtung erwiderte. »Gott gebe nur, daß wir bald wieder zum Fluß zurückkommen. Viel länger halt' ich's nicht mehr aus.«

Ned führte jetzt den Zug an und kletterte, so rasch als es ihm seine Kräfte erlaubten, den Hang hinan. Er sah sich auch gar nicht mehr nach den Andern um, ob sie ihm folgten oder nicht; nur vorwärts – vorwärts drängte er unaufhaltsam fort, aus dem Wald, zu Menschen, nur zu einem betretenen Pfad wenigstens zu gelangen. So kletterten sie keuchend den Berg hinauf, und wollten eben, ohne nur einen Moment anzuhalten oder zu rasten, über die Kuppe hinüber und an der andern Seite wieder hinunter steigen, als sie Jones' Ruf an die Stelle bannte: »Land, bei Gott! – dort liegt ein Haus!«

»Wo?« schrie Ned, und folgte rasch mit den Augen der angegebenen Richtung. War das ein Haus? In weiter Ferne an einem der gegenüberliegenden Hügelhänge schien es fast, als ob eine Stelle vom Wald gelichtet wäre, und mitten drin stand ein heller viereckiger Block. Es war jedenfalls eine kleine Farm, dort vielleicht an der Grenze des Waldes.

»Das ist ein Stein,« sagte Bob endlich, der den Platz ebenfalls mit den Augen gesucht und gefunden – »ein Stein und nackte Felswand drum herum!«

»Ich kann die Fenster im Haus erkennen!« rief aber Jones; »und dort – dort bewegt sich etwas – das ist ein Mensch. Gott sei Lob und Dank, da endlich ist ein Ende dieses Elends. Jungens, Jungens, jetzt kann ich es Euch wohl sagen, mir fällt ein Stein vom Herzen, denn bei unserm Marsch fing mir an, gar nicht wohl zu werden. Da drüben liegt unsere Hülfe!«

»Es ist wahrhaftig ein Stein,« sagte Bob; »weshalb sollte sich auch ein Mensch da oben an den nackten Berg hinsetzen. Gehen wir dort hinüber, so kommen wir ganz aus unserm Cours.«

»Das ist ein Haus,« betheuerte aber auch Ned – »ich kann den blauen Rauch aus dem Schornstein aufsteigen sehen. Cours oder nicht, ich gebe überhaupt keinen Sixpence um unsern ganzen Cours, und das Beste ist, wir steuern gerade auf die Farm da zu. Die Leute dort werden uns nachher schon sagen, wo wir Weg und Steg aus dieser Wildniß finden.«

Bob schüttelte den Kopf, da die anderen Beiden aber so fest auf ihrer Meinung beharrten, fügte er sich ihnen und wanderte mit, jetzt die Schlucht und den Abhang nieder, um an der andern Seite wieder gerade aufzuklettern. Der Berg lag auch viel weiter entfernt, als sie im Anfang vermuthet hatten, und mehrere dazwischen eindrängende Hügelrücken mußten sie vorher übersteigen.

Die Wolken brachen sich indessen wieder, die Sonne trat hell und klar heraus und schien noch einmal so heiß als früher niederzubrennen, als sie endlich den Hang, wo sie das Haus gesehen zu haben glaubten, erreichten und hinan stiegen. Aber keine Spur eines lebenden Wesens war zu finden, nicht einmal der Platz, den sie für die Farm gehalten, Wald – Wald – rings um sie her; Nichts als öder, grauer, schattenloser Wald und scharfer Quarzstein, der ihre Schuhe zerschnitt und ihre Füße verwundete.

»Ich kann nicht mehr,« stöhnte Jones da, indem er sich, zum Tode matt, unter einen Baum warf – »meine Leber steht in Feuer, und vor den Augen fliegt's mir wie dunkele, blutige Wolken herum.«

»Wir werden den ganzen Weg wieder zurück müssen, den wir nach Euerem Haus heraufgestiegen sind,« sagte Bob endlich kleinlaut. »Nach einer Richtung müssen wir aber doch endlich einmal wieder zum Fluß kommen, und ich denke, wenn wir hier jetzt weiter stiegen, wäre es gerade so gut. Keiner von uns weiß doch mehr, wo er ist, und das dort kann gerade so gut der richtige Cours sein, wie der falsche.«

Damit waren die anderen Beiden aber nicht einverstanden. Da sie die Sonne wieder sehen konnten, und wenigstens wußten, wo Norden und Süden war, wollten sie von keinem Cours aufs Geradewohl mehr hören, sondern Jones schlug jetzt vor, nach Süden zu gehen und die Richtung beizubehalten, wo sie dann endlich wenigstens an das Ufer des Meeres, und jedenfalls vorher an Straßen kommen mußten. Schweigend wandten sich die Beiden und schritten und stiegen schweigend weiter, bis endlich, als sich die Sonne schon dem Untergange wieder neigte, Bob plötzlich ausrief:

»Aber um des Himmels willen, Menschen, wir wollen nach Süden hinunter und laufen gerade nach Norden hinauf. Steht denn nicht in diesem verzweifelten Lande die Sonne um Mittag im Norden

»Das hat noch gefehlt!« stöhnte Jones und sank neben seiner Ladung zu Boden. »Jetzt sind wir, Gott weiß wie viel Meilen mitten in das wilde Land hineingezogen, und wenn wir hier Wasser träfen, könnten wir uns auch darauf verlassen, daß Wilde dabei wären.«

»Ja, das kann nichts helfen,« sagte aber Bob entschlossen. »Wir haben uns einmal verirrt und müssen jetzt sehen, wie wir wieder hinauskommen. Noch sind wir im Stande, zu gehen, wer weiß, wie es morgen wird. Ich denke deshalb, wir drehen hier, wo wir liegen, gerade um und gehen von jetzt an den richtigen Südcours, und ich glaube, besser auch ein wenig östlich hinunter. Gerade im Süden ist die See weiter, als wenn wir uns mehr links der Küste zu halten.«

»See – Hölle!« stöhnte aber Ned – »ich bin nicht mehr im Stande, mit der Last hier die See zu erreichen. Wenn wir nicht früher Wasser finden, bleib ich liegen.«

»Nur Muth, nur Muth!« suchte sie aber Bob aufzurichten, »hätten wir gleich von Anfang an einen richtigen und festen Cours beibehalten, wären wir lange heraus, so aber, da wir überall nur immer nach Wasser suchten, sind wir hin- und hergeklettert, und wahrscheinlich weiter und weiter von dem Orte abgekommen, den wir eigentlich erreichen wollten.«

»Du hast jetzt gut predigen,« brummte Jones mit einem Fluch in den Bart. »Daß wir an keiner Chaussee sind, wissen wir selber. Und nun vorwärts; in der Abendkühle können wir eher noch eine Strecke zurücklegen, als am heißen Tag.«

Wieder hoben die Männer seufzend ihre Last auf und wanderten weiter, den Weg gerade zurück, den sie die letzten Stunden gekommen, als plötzlich Ned stehen blieb und mit leiser, heiserer Stimme sagte:

»Ich weiß nicht; wird mir nur auf einmal so heiß und schwül; aber die Luft hier kommt mir vor, als ob sie uns aus einem Backofen anwehte. Ein paar Mal traf mich's jetzt in den Nacken, als ob mir Jemand seinen heißen Hauch hineingeblasen.«

»Mir ist's auch schon so vorgekommen,« sagte Jones, indem er stehen blieb und sich umdrehte, aber auch augenblicklich wieder den Kopf abwandte – »da hinter uns kommt's her« – rief er dabei. »Das hat uns noch gefehlt – das ist der »heiße Wind« und nun sind wir verloren!«

Der »heiße Wind« war es allerdings, der in Australien wie der Samum der Wüste aus den heißen Sand- und Salzebenen des Inneren herausstreicht, und wohin er trifft, Schrecken und Verwüstung trägt. Die drei Unglücklichen, schon außerdem zum Tode erschöpft und halb verschmachtet, brachen fast unter der neuen Last zusammen, und wie sie sich auch mühten vorwärts zu kommen, versagten ihnen zuletzt die erschöpften Glieder den Dienst. Jones blieb zuerst liegen und rief den Anderen zu, sich zu retten, er könne nicht weiter und wolle dort sterben, wo er liege. Ned drang darauf, noch weiter zu gehen – sie könnten nicht mehr so weit von Hülfe entfernt sein, und wenn sie hier blieben, wäre ihr Verderben gewiß.

Bob machte jetzt den Vorschlag, ihr Gold, eine kleine Quantität abgerechnet, die sie recht gut mitnehmen könnten, hier zu verstecken, die Bäume dann in der Nachbarschaft zu bezeichnen, und wie sie gingen, dann und wann ein Stück Rinde von einem Baum abzuschälen. Er hatte einmal gelesen, daß es amerikanische Jäger so gemacht hätten, ihre vergrabenen Biberfelle wiederzufinden. Seine beiden Kameraden wollten sich aber nicht dazu verstehen, ihren Schatz im Stich zu lassen. Das Gold brachten sie schon noch fort, aber das andere Gepäck mit den Decken mochten sie nicht länger schleppen. Die Hitze wurde dabei immer drückender, und sie legten jetzt Alles unter einen der Bäume, legten Steine darauf, daß es der Wind nicht fortwehen konnte, und bezeichneten die benachbarten Bäume mit ihren Messern. Jones hatte sich indessen durch die kurze Rast auch wieder so weit erholt, daß er wenigstens vorwärts konnte, und an Gepäck leichter, glaubte er schon mit fortzukommen. Aber immer glühender wurde die Hitze, immer steiler und steiniger ihr Pfad, und der Steuermann, der die letzte halbe Stunde kaum hatte mit den beiden anderen gleichen Schritt halten können, griff plötzlich den bis jetzt sorgfältig im Arm gehaltenen Sack mit Gold auf, hob ihn in die Höhe und schleuderte ihn von sich, so weit er konnte.

»Teufelsgold!« schrie er dabei mit heiserer, fast röchelnder Stimme, »da lieg und faule, und möge der Erste, der dich findet und aufhebt, über dir verderben und verrotten. Fort mit dem Gift – es ist kein Segen darin, und so lange wir es bei uns haben, kommen wir aus dieser Wildniß nicht hinaus, in der uns ein böser Geist in der Irre umhergeführt.«

Der Mann war ganz rasend geworden; der Schaum stand ihm vor dem Mund, die Augen glühten ihm im Kopf, und seine Glieder zitterten wie im Fieberfrost.

»Nein,« sagte aber Bob, »das geht nicht, so gerade fort in den Busch wollen wir das Gold, das wir so lange geschleppt haben, auch nicht werfen. Komm, Ned, wir machen's, wie ich vorhin gesagt habe, und der Platz hier eignet sich vortrefflich dazu. Der kleine spitze Hügel, auf dem wir uns gerade befinden, ist leicht kenntlich, wenn man je wieder in diese Nachbarschaft käme, und etwas behält jeder davon zurück.«

Er machte sich jetzt daran, seinen Vorschlag auszuführen. Während ihm Ned aber das Gold willenlos überließ, hatte sich Jones auf die Erde geworfen und heulte nach Wasser und nach Menschen wie ein wildes Thier, ja schlug und trat um sich, als ihm Bob endlich ein klein Päckchen von seinem Gold wieder einhändigen wollte. Der junge Bursche steckte es dann selber für den Gefährten ein, verscharrte das Uebrige, so gut es gehen wollte, merkte sich, wie er glaubte, die Gegend vollkommen, und schnitt dann in die benachbarten Bäume quer über den Hügel hinüber Kerben. Das beendet, wollten sie wieder aufbrechen, Jones war aber nicht von der Stelle zu bringen. Er hob sich einmal auf die Füße, brach aber wieder zusammen, stöhnte nach Wasser und barg dann das Gesicht am Boden, dem heißen Luftzug, der immer drückender über die Berge strich, Linderung abzugewinnen. Die beiden Matrosen mußten ihn endlich liegen lassen, wo er lag. Bob schnitt aber vorher mit seinem Messer eine Anzahl Gumzweige ab und deckte sie über den Unglücklichen, ihn wenigstens gegen die Strahlen der niederbrennenden Sonne zu schützen. Sobald sie Hülfe fanden, wollten sie mit Wasser hierher zurückkehren und ihn und das Gold abholen.

Hülfe – den ganzen Tag wanderten sie und keine Aussicht auf Rettung zeigte sich. Die Sonne verdunkelte sich dabei mehr und mehr. Wie ein Hehrrauch lag es über den Bergen, der heiße Staub zog in Wolken über sie hin, und das Taggestirn stand wie eine glühende, mattrothe Kugel am Firmament, bis es endlich ebenfalls verschwand – die Nacht brach an und keinen Bissen zu essen hatten sie mehr, keinen Tropfen Thau selbst, ihre brennenden, aufgesprungenen Lippen zu kühlen. Anstatt daß ihnen die Nacht dabei Kühlung brachte, wurde es eher noch heißer und drückender; sie athmeten den glühenden feinen Staub, und selbst ihre Augen brannten wie Feuer. Die Nacht lag auch Ned in einem wilden, hitzigen Fieber, und schrie in seinem tollen Traum, daß sie verfolgt würden und daß der ganze Wald in Brand stände. Sein Ruf: »Feuer! Hülfe! Rettung!« gellte in markdurchschneidenden Tönen durch den Wald, und Bob saß dabei, den Kopf an einen Baum gelehnt, das Gesicht mit den Händen bedeckt und betete, daß ihn Gott nicht auch möchte wahnsinnig werden lassen.

So brach der Morgen an, aber keine Linderung mit ihm. Bob raffte sich auf und schüttelte den Kameraden; der aber kannte ihn nicht mehr, stieß ihn von sich und wühlte wie Jones sein Antlitz in den Boden. Bob selber fühlte, wie ihn die Kräfte verließen, aber die Angst der Verzweiflung, hier rettungslos verderben zu müssen, ließ ihn noch einmal seine Mattigkeit überwinden. Es flirrte ihm, als er aufstand, Alles vor den Augen – er sah die Sonne nicht mehr, die, wie sie gestern untergesunken, heute wieder matt und glühend emporstieg, und als sein Blick endlich zufällig darauf fiel und er sich der Richtung bewußt wurde, die er einschlug, wunderte er sich nur, daß sie heute, statt wie immer im Osten, im Westen aufging. Er kannte keinen Cours mehr, und als er fast unwillkürlich, wie er ging, die Bäume mit seinem Messer bezeichnen wollte, fiel ihm das aus der Hand, ohne daß er es gewahr wurde oder sich danach umgesehen hätte. Nur weiter, immer weiter taumelte er, jetzt aber immer nur zu Thale, denn einen Berg war er nicht mehr im Stande zu erklettern, bis er endlich ebenfalls, an Kraft und Muth gebrochen, zu Boden sank und nicht mehr weiter konnte.

Mit dem letzten Bewußtsein, daß ihm geblieben, wollte er sich eine Ader öffnen und das Blut trinken – nur noch einmal trinken, ehe er starb, aber er fand sein Messer nicht mehr. Er brachte den Arm an die Lippen, ihn aufzubeißen, aber die Sinne schwanden ihm dabei, ein Schlaf kam über ihn und der Arm sank matt an seinem Körper nieder, der Kopf auf die Wurzel des Baumes, unter dem er lag.

Wie lange er in dem Zustand geblieben, wußte er nicht, aber ein Gefühl der Kühle in seiner Kehle, über seinen Schläfen brachte ihn wieder zu sich. Es war Nacht und ein Mann kniete neben ihm und goß ihm mit einem Blechbecher Wasser in den Mund, während ein anderer ihm ein nasses, kaltes Tuch über Stirn und Schläfe legte. Neben ihnen loderte ein hohes, flackerndes Feuer.

Bob trank – oh, wie ihm das so kühl und erfrischend durch Mark und Adern strömte – er trank und trank und würde sich zu Tode getrunken haben, hätten ihn seine Retter nicht daran verhindert. Wohl einer Stunde bedurfte es aber, ehe er seiner Sinne wieder soweit mächtig wurde, den Leuten zu erzählen, wie er sich im Wald verirrt und wo er hergekommen, und er erfuhr jetzt auch, wo er sei, und wie er gerettet worden.

Das Letzte war einfach genug, denn kaum fünf oder sechs englische Meilen vom Turon, wo er niedergebrochen, hatten zwei Goldwäscher aus einem entfernten Bach, die sich ebenfalls vor dem heißen Wind nach dem Turon retten wollten, den leblosen, wenigstens bewußtlosen Körper des jungen Mannes im Busch gefunden und mit der Gegend hier vollkommen gut bekannt, ihn aufgepackt und bis zum nächsten Wasserloch, das dicht versteckt unter einem Felsen lag, niedergetragen. Der Turon selber lag, wenn sie dieser Schlucht folgten, keine zwei starke Stunden Wegs von da entfernt.

Bob erholte sich bald, und sein erster Gedanke war jetzt, die zurückgelassenen Kameraden zu retten. Davon wollten nun die beiden fremden Goldwäscher allerdings Nichts hören, denn sie meinten, sie seien nicht hier heraufgekommen, halbtodte Menschen im Wald herum zu schleppen. Als ihnen aber Bob von dem Golde sagte, und ihnen gleiche Theile mit ihnen zusicherte, gewann die Sache ein anderes Licht, und ihre Wasserflaschen gefüllt, machten sie sich jetzt auf den Weg, die Verirrten aufzusuchen. Der heiße Wind hatte überdies nachgelassen und ein frischer Südwind wehte kühl von der See herauf.

Vergebens brachten sie aber zwei Tage wieder in den Bergen zu. Von den zurückgelassenen Kameraden sowohl, wie von dem Golde war keine Spur mehr zu finden. Auch die Goldwäscher wollten keinen so spitzen Hügel in der Nachbarschaft kennen, wie ihn Bob denselben beschrieb. Am zweiten Tag war ihr Wasservorrath erschöpft, und nicht gesonnen, sich einer ähnlichen Gefahr auszusetzen, kehrten sie trotz Bobs Bitten, nur noch einen Tag daran zu wenden, zum Fluß zurück.

Vier Wochen später wurde von drei anderen Goldwäschern, die vom Turon aus eine kleine Excursion machten, neue Minen aufzufinden, ganz in der Nähe des Flusses, und kaum eine englische Meile davon entfernt, der halbvertrocknete Leichnam eines Matrosen gefunden. In seiner Nähe, und zwar vom Fluß fort, waren eine Anzahl Bäume eingekerbt. Sie untersuchten den Leichnam, aber er hatte nicht das mindeste Gold bei sich, und um ihn nicht an der freien Luft länger liegen zu lassen, gruben sie neben ihm mit ihrem Handwerkszeug ein Grab und legten ihn hinein. Das dicht dabei versteckte Gold hatten sie nicht gefunden. Ihrem Vermuthen nach mußte der Mann dort an der Stelle krank geworden und ohne Hülfe gestorben sein.

Bob kehrte in die Minen zurück und begann an einer anderen Stelle wieder zu arbeiten. Das damals gefundene Gold war zu verführerisch gewesen, die Hoffnung auf weiteres Glück so rasch und plötzlich aufzugeben; als er aber zwei volle Monate fast nur gearbeitet, sich selber am Leben zu erhalten, bekam er es satt, ging nach Sidney zurück und dort wieder an Bord des ersten Schiffes, das den Hafen verließ.

Der Capitain der Jane Douglas blieb noch einige Wochen in den Minen, bis seine Leute ebenfalls der Arbeit mit Spitzhacke und Schaufel müde wurden, engagirte sich dann gleich an Ort und Stelle unter den fortgelaufenen Leuten von anderen Schiffen eine volle Mannschaft, und konnte, während andere Capitaine noch im Hafen lagen und mit Schmerzen auf nur wenigstens halbzählige Bemannung harrten, seine Segel setzen und die gefährliche Nachbarschaft des Goldes wieder verlassen.

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