FAUST.

  Des Lebens Pulse schlagen frisch lebendig,
  Ätherische Dämmerung milde zu begrüßen.
  Du, Erde, warst auch diese Nacht beständig
  Und atmest neu erquickt zu meinen Füßen,
  Beginnest schon mit Lust mich zu umgeben.
  Du regst und rührst ein kräftiges Beschließen,
  Zum höchsten Dasein immer fortzustreben.—
  In Dämmerschein liegt schon die Welt erschlossen,
  Der Wald ertönt von tausendstimmigem Leben,
  Tal aus Tal ein ist Nebelstreif ergossen;
  Doch senkt sich Himmelsklarheit in die Tiefen,
  Und Zweig' und Äste, frisch erquickt, entsprossen
  Dem duft'gen Abgrund, wo versenkt sie schliefen.
  Auch Färb' an Farbe klärt sich los vom Grunde,
  Wo Blunr und Blatt von Zitterperle triefen—
  Ein Paradies wird um mich her die Runde.

  Hinaufgeschaut!—Der Berge Gipfelriesen
  Verkünden schon die feierlichste Stunde;
  Sie dürfen früh des ewigen Lichts genießen,
  Das später sich zu uns hernieder wendet.
  Jetzt zu der Alpe grüngesenkten Wiesen
  Wird neuer Glanz und Deutlichkeit gespendet,
  Und stufenweis herab ist es gelungen—
  Sie tritt hervor!—und, leider schon geblendet,
  Kehr' ich mich weg, vom Augenschmerz durchdrungen.

  So ist es also, wenn ein sehnend Hoffen
  Dem höchsten Wunsch sich traulich zugerungen,
  Erfüllungspforten findet flügeloffen;
  Nun aber bricht aus jenen ewigen Gründen
  Ein Flammenübermaß—wir stehn betroffen.
  Des Lebens Fackel wollten wir entzünden,
  Ein Feuermeer umschlingt uns, welch ein Feuer!
  Ist's Lieb', ist's Haß, die glühend uns umwinden,
  Mit Schmerz-und Freuden wechselnd ungeheuer,
  So daß wir wieder nach der Erde blicken,
  Zu bergen uns in jugendlichstem Schleier?

  So bleibe denn die Sonne mir im Rücken!
  Der Wassersturz, das Felsenriff durchbrausend,
  Ihn schau' ich an mit wachsendem Entzücken.
  Von Sturz zu Sturze wälzt er jetzt in tausend,
  Dann abertausend Strömen sich ergießend,
  Hoch in die Lüfte Schaum an Schäume sausend.
  Allein wie herrlich diesem Sturm entsprießend.
  Wölbt sich des bunten Bogens Wechseldauer,
  Bald rein gezeichnet, bald in Luft zerfließend,
  Umher verbreitend duftig kühle Schauer.
  Der spiegelt ab das menschliche Bestreben.
  Ihm sinne nach und du begreifst genauer:
  Am farbigen Abglanz haben wir das Leben.

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