Dritter Auftritt.

Orest. Iphigenie. Pylades.

  Orest.

  Seid ihr auch schon herabgekommen?

  Wohl Schwester dir! Noch fehlt Elektra:

  Ein güt'ger Gott send' uns die Eine

  Mit sanften Pfeilen auch schnell herab.

  Dich, armer Freund, muß ich bedauern!

  Komm mit! komm mit! zu Pluto's Thron,

  Als neue Gäste den Wirth zu grüßen.

  Iphigenie.

  Geschwister, die ihr an dem weiten Himmel

  Das schöne Licht bei Tag und Nacht herauf

  Den Menschen bringet, und den Abgeschiednen

  Nicht leuchten dürfet, rettet uns Geschwister!

  Du liebst, Diane, deinen holden Bruder

  Vor allem, was dir Erd' und Himmel bietet,

  Und wendest dein jungfräulich Angesicht

  Nach seinem ew'gen Lichte sehnend still.

  O laß den einz'gen Spätgefundnen mir

  Nicht in der Finsterniß des Wahnsinns rasen!

  Und ist dein Wille, da du hier mich bargst,

  Nunmehr vollendet, willst du mir durch ihn

  Und ihm durch mich die sel'ge Hülfe geben;

  So lös' ihn von den Banden jenes Fluchs,

  Daß nicht die theure Zeit der Rettung schwinde.

  Pylades.

  Erkennst du uns und diesen heil'gen Hain

  Und dieses Licht, das nicht den Todten leuchtet?

  Fühlst du den Arm des Freundes und der Schwester,

  Die dich noch fest, noch lebend halten? Faß

  Uns kräftig an; wir sind nicht leere Schatten.

  Merk' auf mein Wort! Vernimm es! Raffe dich

  Zusammen! Jeder Augenblick ist theuer,

  Und unsre Rückkehr hängt an zarten Fäden,

  Die, scheint es, eine günst'ge Parze spinnt.

  Orest (zu Iphigenien).

  Laß mich zum Erstenmal mit freiem Herzen

  In deinen Armen reine Freude haben!

  Ihr Götter, die mit flammender Gewalt

  Ihr schwere Wolken aufzuzehren wandelt,

  Und gnädig-ernst den lang erflehten Regen

  Mit Donnerstimmen und mit Windesbrausen

  In wilden Strömen auf die Erde schüttet,

  Doch bald der Menschen grausendes Erwarten

  In Segen auflös't und das bange Staunen

  In Freudeblick und lauten Dank verwandelt,

  Wenn in den Tropfen frischerquickter Blätter

  Die neue Sonne tausendfach sich spiegelt,

  Und Iris freundlich bunt mit leichter Hand

  Den grauen Flor der letzten Wolken trennt;

  O laßt mich auch in meiner Schwester Armen,

  An meines Freundes Brust, was ihr mir gönnt

  Mit vollem Dank genießen und behalten.

  Es löset sich der Fluch, mir sagt's das Herz.

  Die Eumeniden ziehn, ich höre sie,

  Zum Tartarus und schlagen hinter sich

  Die ehrnen Thore fernabdonnernd zu.

  Die Erde dampft erquickenden Geruch

  Und ladet mich auf ihren Flächen ein,

  Nach Lebensfreud' und großer That zu jagen.

  Pylades.

  Versäumt die Zeit nicht, die gemessen ist!

  Der Wind der unsre Segel schwellt, er bringe

  Erst unsre volle Freude zum Olymp.

  Kommt! Es bedarf hier schnellen Rath und Schluß.

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