Rom, den 10. Januar.

"Erwin und Elmire" kommt mit diesem Brief, möge dir das Stückchen auch Vergnügen machen! Doch kann eine Operette, wenn sie gut ist, niemals im Lesen genugtun; es muß die Musik erst dazu kommen, um den ganzen Begriff auszudrücken, den der Dichter sich vorstellte. "Claudine" kommt bald nach. Beide Stücke sind mehr gearbeitet, als man ihnen ansieht, weil ich erst recht mit Kaysern die Gestalt des Singspiels studiert habe.

Am menschlichen Körper wird fleißig fortgezeichnet, wie abends in der Perspektivstunde. Ich bereite mich zu meiner Auflösung, damit ich mich ihr getrosten Mutes hingebe, wenn die Himmlischen sie auf Ostern beschlossen haben. Es geschehe, was gut ist.

Das Interesse an der menschlichen Gestalt hebt nun alles andre auf. Ich fühle es wohl und wendete mich immer davon weg, wie man sich von der blendenden Sonne wegwendet, auch ist alles vergebens, was man außer Rom darüber studieren will. Ohne einen Faden, den man nur hier spinnen lernt, kann man sich aus diesem Labyrinthe nicht herausfinden. Leider wird mein Faden nicht lang genug, indessen hilft er mir doch durch die ersten Gänge.

Wenn es mit Fertigung meiner Schriften unter gleichen Konstellationen fortgeht, so muß ich mich im Laufe dieses Jahres in eine Prinzessin verlieben, um den "Tasso", ich muß mich dem Teufel ergeben, um den "Faust" schreiben zu können, ob ich mir gleich zu beiden wenig Lust fühle. Denn bisher ist's so gegangen. Um mir selbst meinen "Egmont" interessant zu machen, fing der römische Kaiser mit den Brabantern Händel an, und um meinen Opern einen Grad von Vollkommenheit zu geben, kam der Züricher Kayser nach Rom. Das heißt doch ein vornehmer Römer, wie Herder sagt, und ich finde es recht lustig, eine Endursache der Handlungen und Begebenheiten zu werden, welche gar nicht auf mich gerichtet sind. Das darf man Glück nennen. Also die Prinzessin und den Teufel wollen wir in Geduld abwarten.

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