Zweiter Auftritt

Alphons. Tasso.

Tasso (mit Zurückhaltung).
Die Gnade, die du mir so oft bewiesen,
Erscheinet heute mir in vollem Licht:
Du hast verziehen, was in deiner Nähe
Ich unbedacht und frevelhaft beging;
Du hast den Widersacher mir versöhnt;
Du willst erlauben, dass ich eine Zeit
Von deiner Seite mich entferne, willst
Mir deine Gunst großmütig vorbehalten.
Ich scheide nun mit völligem Vertraun,
Und hoffe still, mich soll die kleine Frist
Von allem heilen, was mich jetzt beklemmt.
Es soll mein Geist aufs neue sich erheben
Und auf dem Wege, den ich froh und kühn,
Durch deinen Blick ermuntert, erst betrat,
Sich deiner Gunst aufs neue würdig machen.

Alphons.
Ich wünsche dir zu deiner Reise Glück
Und hoffe, dass du froh und ganz geheilt
Uns wieder kommen wirst. Du bringst uns dann
Den doppelten Gewinst für jede Stunde,
Die du uns nun entziehst, vergnügt zurück.
Ich gebe Briefe dir an meine Leute,
An Freunde dir nach Rom und wünsche sehr,
Dass du dich zu den Meinen überall
Zutraulich halten mögest, wie ich dich
Als mein, obgleich entfernt, gewiss betrachte.

Tasso.
Du überhäufst, o Fürst, mit Gnade den,
Der sich unwürdig fühlt und selbst zu danken
In diesem Augenblicke nicht vermag.
Anstatt des Danks eröffn' ich eine Bitte!
Am meisten liegt mir mein Gedicht am Herzen.
Ich habe viel getan und keine Mühe
Und keinen Fleiß gespart; allein es bleibt
Zu viel mir noch zurück. Ich möchte dort,
Wo noch der Geist der großen Männer schwebt,
Und wirksam schwebt, dort möcht' ich in die Schule
Aufs neue mich begeben: Würdiger
Erfreute deines Beifalls sich mein Lied.
O, gib die Blätter mir zurück, die ich
Jetzt nur beschämt in deinen Händen weiß!

Alphons.
Du wirst mir nicht an diesem Tage nehmen,
Was du mir kaum an diesem Tag gebracht.
Lass zwischen dich und zwischen dein Gedicht
Mich als Vermittler treten: Hüte dich,
Durch strengen Fleiß die liebliche Natur
Zu kränken, die in deinen Reimen lebt,
Und höre nicht auf Rat von allen Seiten!
Die tausendfältigen Gedanken vieler
Verschiedner Menschen, die im Leben sich
Und in der Meinung widersprechen, fasst
Der Dichter klug in eins und scheut sich nicht,
Gar manchem zu missfallen, dass er manchem
Um desto mehr gefallen möge. Doch
Ich sage nicht, dass du nicht hie und da
Bescheiden deine Feile brauchen solltest;
Verspreche dir zugleich: In kurzer Zeit
Erhältst du abgeschrieben dein Gedicht.
Es bleibt von deiner Hand in meinen Händen,
Damit ich seiner erst mit meinen Schwestern
Mich recht erfreuen möge. Bringst du es
Vollkommner dann zurück: Wir werden uns
Des höheren Genusses freun und dich
Bei mancher Stelle nur als Freunde warnen.

Tasso.
Ich wiederhole nur beschämt die Bitte:
Lass mich die Abschrift eilig haben! Ganz
Ruht mein Gemüt auf diesem Werke nun.
Nun muss es werden, was es werden kann.

Alphons.
Ich billige den Trieb, der dich beseelt!
Doch, guter Tasso, wenn es möglich wäre,
So solltest du erst eine kurze Zeit
Der freien Welt genießen, dich zerstreuen,
Dein Blut durch eine Kur verbessern. Dir
Gewährte dann die schöne Harmonie
Der hergestellten Sinne, was du nun
Im trüben Eifer nur vergebens suchst.

Tasso.
Mein Fürst, so scheint es; doch, ich bin gesund,
Wenn ich mich meinem Fleiß ergeben kann,
Und so macht wieder mich der Fleiß gesund.
Du hast mich lang gesehn: Mir ist nicht wohl
In freier Üppigkeit. Mir lässt die Ruh
Am mindsten Ruhe. Dies Gemüt ist nicht
Von der Natur bestimmt, ich fühl' es leider,
Auf weichem Element der Tage froh
Ins weite Meer der Zeiten hinzuschwimmen.

Alphons.
Dich führet alles, was du sinnst und treibst,
Tief in dich selbst. Es liegt um uns herum
Gar mancher Abgrund, den das Schicksal grub;
Doch hier in unserm Herzen ist der tiefste,
Und reizend ist es sich hinab zu stürzen.
Ich bitte dich, entreiße dich dir selbst!
Der Mensch gewinnt, was der Poet verliert.

Tasso.
Ich halte diesen Drang vergebens auf,
Der Tag und Nacht in meinem Busen wechselt.
Wenn ich nicht sinnen oder dichten soll,
So ist das Leben mir kein Leben mehr.
Verbiete du dem Seidenwurm zu spinnen,
Wenn er sich schon dem Tode näher spinnt:
Das köstliche Geweb' entwickelt er
Aus seinem Innersten, und lässt nicht ab,
Bis er in seinen Sarg sich eingeschlossen.
O, geb' ein guter Gott uns auch dereinst
Das Schicksal des beneidenswerten Wurms,
Im neuen Sonnental die Flügel rasch
Und freudig zu entfalten!

Alphons.
                        Höre mich!
Du gibst so vielen doppelten Genuss
Des Lebens; lern', ich bitte dich,
Den Wert des Lebens kennen, das du noch
Und zehnfach reich besitzest. Lebe wohl!
Je eher du zu uns zurücke kehrst,
Je schöner wirst du uns willkommen sein.

Share on Twitter Share on Facebook