Vorrede.

Dies Buch ist die Frucht einer beinahe zwanzigjährigen Arbeit im Gebiete der praktischen Psychologie. Es ist gedanklich allmählich entstanden, einmal aus unzähligen Eindrücken und Erfahrungen der psychiatrischen und nervenärztlichen Praxis sowohl, wie des Umganges mit Menschen aller sozialen Schichten, sodann aus meiner persönlichen Auseinandersetzung mit Freund und Feind, und schliesslich aus der Kritik der psychologischen Eigenart meiner selbst. Ich habe mir vorgenommen, den Leser nicht mit Kasuistik zu beschweren, dagegen lag es mir daran, meine aus der Erfahrung abstrahierten Gedanken historisch sowohl wie terminologisch der bereits vorhandenen Erkenntnis anzugliedern. Ich habe dieses Unternehmen weniger aus einem Bedürfnis historischer Gerechtigkeit durchgeführt, als vielmehr in der Absicht, die Erfahrungen des ärztlichen Spezialisten aus dem engen Fachgebiete in allgemeinere Zusammenhänge zu bringen; in Zusammenhänge, welche es auch dem gebildeten Laien ermöglichen, sich die Erfahrungen eines Spezialgebietes zu nutze zu machen. Ich hätte diese Angliederung, die man leicht als einen Eingriff in andere Gebiete missverstehen könnte, niemals gewagt, wenn ich nicht der Überzeugung wäre, dass die in diesem Buche dargestellten psychologischen Gesichtspunkte von allgemeiner Bedeutung und Anwendbarkeit sind, und darum auch besser in einem allgemeinen Zusammenhang abgehandelt, als in der Form einer fachwissenschaftlichen Hypothese belassen werden. Dieser meiner Absicht entsprechend habe ich mich darauf beschränkt, mich[S. 6] mit den Ideen einzelner Bearbeiter des vorliegenden Problems auseinanderzusetzen, und habe darauf verzichtet, alles zu erwähnen, was überhaupt schon zu unserer Frage gesagt wurde. Ganz abgesehen davon, dass es meine Kraft um ein Vielfaches überstiege, eine auch nur annähernde Vollständigkeit eines solchen Verzeichnisses von einschlägigen Materialien und Meinungen zu erreichen, trüge eine solche Sammlung auch gar nichts Gründliches bei zur Erörterung und Entwicklung des Problems. Ich habe darum vieles, was ich mir im Laufe der Jahre gesammelt habe, ohne Bedauern weggelassen und mich möglichst auf die Hauptsachen beschränkt. Diesem Verzicht ist auch ein wertvolles Dokument, das mir sehr viele Hilfe gewährte, zum Opfer gefallen. Dies ist ein umfangreicher Briefwechsel mit meinem Freunde, Herrn Dr. med. H. Schmid in Basel, den ich mit ihm über die Typenfrage gepflogen habe. Ich verdanke diesem Meinungsaustausch sehr viel Klärung, und vieles daraus ist auch in allerdings veränderter und mehrfach überarbeiteter Form in mein Buch übergegangen. Im wesentlichen gehört dieser Briefwechsel zu den Vorarbeiten, deren Mitteilung mehr Verwirrung als Klarheit erzeugen würde. Ich bin es aber den Bemühungen meines Freundes schuldig, ihm an dieser Stelle meinen Dank auszusprechen.

Küsnacht-Zürich.
Im Frühling 1920.

Dr. C. G. Jung.

[S. 7]

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