Verstehe ich es? Oh! glaubt mir, dass ich es verstehe!
Vor anderthalb Stunden, als ich in meinem Zimmer sass, kam der alte Franz zu mir herein; er zitterte und schluchzte. »Das Fräulein!« rief er, »das Kind! Ach, kommen Sie schnell!« – Und ich kam schnell.
Ich habe nicht geweint, und nur ein kalter Schauer schüttelte mich. Sie lag in ihrem Bettchen, und ihr schwarzes Haar rahmte ihr blasses, schmerzliches Gesichtchen ein. Ich bin bei ihr niedergekniet und habe nichts gethan und nichts gedacht. – Doktor Gudehus kam.
»Das ist ein Herzschlag,« sagte er und nickte wie einer, der nicht überrascht ist. Dieser Stümper und Narr that, als habe er es gewusst!
Ich aber – habe ich es verstanden? Oh, als ich allein war mit ihr – draussen rauschten Regen und Meer, und der Wind heulte im Ofenrohr – da habe ich auf den Tisch geschlagen, so klar wurde es mir in einem Augenblick! Zwanzig Jahre lang habe ich den Tod auf den Tag herbeigezogen, der in einer Stunde beginnen wird, und in mir, tief unten, ist etwas gewesen, das heimlich gewusst hat, ich könne dies Kind nicht verlassen. Ich hätte nicht sterben können nach Mitternacht, und es musste doch sein! Ich hätte ihn wieder fortgeschickt, wenn er gekommen wäre: Aber er ist zuerst zu dem Kinde gegangen, weil er meinem Wissen und Glauben gehorchen musste. – Habe ich selbst den Tod an dein Bettchen gezogen, habe ich dich getötet, meine kleine Asuncion? Ach, das sind grobe, armselige Worte für feine und geheimnisvolle Dinge!
Lebe wohl, lebe wohl! Vielleicht, dass ich dort draussen einen Gedanken, eine Ahnung von dir wiederfinde. Denn sieh: der Zeiger rückt, und die Lampe, die dein süsses Gesichtchen erhellt, wird bald verlöschen. Ich halte deine kleine, kalte Hand und warte. Gleich wird er zu mir treten, und ich werde nur nicken und die Augen schliessen, wenn ich ihn sagen höre: »Es ist am besten, wenn wir es gleich abmachen« ...