Vorrede zu der zweiten Auflage

Die neue Auflage der ‘Roemischen Geschichte’ weicht von der frueheren betraechtlich ab. Am meisten gilt dies von den beiden ersten Buechern, welche die ersten fuenf Jahrhunderte des roemischen Staats umfassen. Wo die pragmatische Geschichte beginnt, bestimmt und ordnet sie durch sich selbst Inhalt und Form der Darstellung; fuer die fruehere Epoche sind die Schwierigkeiten, welche die Grenzlosigkeit der Quellenforschung und die Zeit- und Zusammenhanglosigkeit des Materials dem Historiker bereiten, von der Art, dass er schwerlich andern und gewiss sich selber nicht genuegt. Obwohl der Verfasser des vorliegenden Werkes mit diesen Schwierigkeiten der Forschung und der Darstellung ernstlich gerungen hat, ehe er dasselbe dem Publikum vorlegte, so blieb dennoch notwendig, hier noch viel zu tun und viel zu bessern. In diese Auflage ist eine Reihe neu angestellter Untersuchungen, zum Beispiel ueber die staatsrechtliche Stellung der Untertanen Roms, ueber die Entwicklung der dichtenden und bildenden Kuenste, ihren Ergebnissen nach aufgenommen worden. Ueberdies wurden eine Menge kleinerer Luecken ausgefuellt, die Darstellung durchgaengig schaerfer und reichlicher gefasst, die ganze Anordnung klarer und uebersichtlicher gestellt. Es sind ferner im dritten Buche die inneren Verhaeltnisse der roemischen Gemeinde waehrend der Karthagischen Kriege nicht, wie in der ersten Ausgabe, skizzenhaft, sondern mit der durch die Wichtigkeit wie die Schwierigkeit des Gegenstandes gebotenen Ausfuehrlichkeit behandelt worden.

Der billig Urteilende und wohl am ersten der, welcher aehnliche Aufgaben zu loesen unternommen hat, wird es sich zu erklaeren und also zu entschuldigen wissen, dass es solcher Nachholungen bedurfte. Auf jeden Fall hat der Verfasser es dankbar anzuerkennen, dass das oeffentliche Urteil nicht jene leicht ersichtlichen Luecken und Unfertigkeiten des Buches betont, sondern vielmehr wie den Beifall so auch den Widerspruch auf dasjenige gerichtet hat, darin es abgeschlossen und fertig war.

Im uebrigen hat der Verfasser das Buch aeusserlich bequemer einzurichten sich bemueht. Die Varronische Zaehlung nach Jahren der Stadt ist im Texte beibehalten; die Ziffern am Rande * bezeichnen das entsprechende Jahr vor Christi Geburt. Bei den Jahresgleichungen ist durchgaengig das Jahr 1 der Stadt dem Jahre 753 vor Christi Geburt und dem Olympiadenjahr 6, 4 gleichgesetzt worden; obgleich, wenn die verschiedenen Jahresanfaenge des roemischen Sonnenjahres mit dem 1. Maerz, des griechischen mit dem 1. Juli beruecksichtigt werden, nach genauer Rechnung das Jahr 2 der Stadt den letzten zehn Monaten des Jahres 753 und den zwei ersten des Jahres 752 v. Chr. sowie den vier letzten Monaten von Ol. 6, 3 und den acht ersten von Ol. 6, 4 entsprechen wuerde. Das roemische und griechische Geld ist durchgaengig in der Art reduziert worden, dass Pfundas und Sesterz, Denar und attische Drachme als gleich genommen und fuer alle Summen ueber 100 Denare der heutige Gold-, fuer alle Summen bis zu 100 Denaren der heutige Silberwert des entsprechenden Gewichtsquantums zugrunde gelegt wurde, wobei das roemische Pfund (= 327,45 Gramm) Geld gleich 4000 Sesterzen nach dem Verhaeltnis des Goldes zum Silber 1:15,5 zu 304½ Talern preussisch, der Denar nach Silberwert zu 7 Groschen preussisch angesetzt wird. Die dem ersten Bande beigefuegte Kiepertsche Karte wird die militaerische Konsolidierung Italiens anschaulicher darstellen, als die Erzaehlung es vermag. Die Inhaltsangaben am Rande werden dem Leser die Uebersicht erleichtern. Ein alphabetisches Inhaltsverzeichnis wird dem dritten Bande beigegeben werden **, da anderweitige Obliegenheiten es dem Verfasser unmoeglich machen, das Werk so rasch, wie er es wuenschte, zu foerdern.

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* Hier in Klammern im Text.

** Karte und Register sind hier weggelassen.

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Breslau, im November 1856

Die Aenderungen, welche der Verfasser in dem zweiten und dritten Bande dieses Werkes bei der abermaligen Herausgabe zu machen veranlasst gewesen ist, sind zum groesseren Teil hervorgegangen aus den neu aufgefundenen Fragmenten des Licinianus, welche er durch die zuvorkommende Gefaelligkeit des Herausgebers, Herrn Karl Pertz, bereits vor ihrem Erscheinen in den Aushaengebogen hat einsehen duerfen und die zu unserer lueckenhaften Kunde der Epoche von der Schlacht bei Pydna bis auf den Aufstand des Lepidus manche nicht unwichtige Ergaenzung, freilich auch manches neue Raetsel hinzugefuegt haben.

Breslau, im Mai 1857

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