KAPITEL III. Die Ausdehnung Italiens bis an seine natürlichen Grenzen

Die italische Eidgenossenschaft, wie sie aus den Krisen des fuenften Jahrhunderts hervorgegangen war, oder der Staat Italien vereinigte unter roemischer Hegemonie die Stadt- und Gaugemeinden vom Apennin bis an das Ionische Meer. Allein bevor noch das fuenfte Jahrhundert zu Ende ging, waren diese Grenzen bereits nach beiden Seiten hin ueberschritten, waren jenseits des Apennin wie jenseits des Meeres italische, der Eidgenossenschaft angehoerige Gemeinden entstanden. Im Norden hatte die Republik, alte und neue Unbill zu raechen, bereits im Jahre 471 (283) die keltischen Senonen vernichtet, im Sueden in dem grossen Kriege 490-513 (264-241) die Phoeniker von der sizilischen Insel verdraengt. Dort gehoerte ausser der Buergeransiedlung Sena namentlich die latinische Stadt Ariminum, hier die Mamertinergemeinde in Messana zu der von Rom geleiteten Verbindung, und wie beide national italischen Ursprungs waren, so hatten auch beide teil an den gemeinen Rechten und Pflichten der italischen Eidgenossenschaft. Es mochten mehr die augenblicklich draengenden Ereignisse als eine umfassende politische Berechnung diese Erweiterungen hervorgerufen haben; aber begreiflicherweise brach wenigstens jetzt, nach den grossen, gegen Karthago erstrittenen Erfolgen, bei der roemischen Regierung eine neue und weitere politische Idee sich Bahn, welche die natuerliche Beschaffenheit der Halbinsel ohnehin schon nahe genug legte. Politisch und militaerisch war es wohl gerechtfertigt, die Nordgrenze von dem niedrigen und leicht zu ueberschreitenden Apennin an die maechtige Scheidewand Nord- und Suedeuropas, die Alpen, zu verlegen und mit der Herrschaft ueber Italien die ueber die Meere und Inseln im Westen und Osten der Halbinsel zu vereinigen; und nachdem durch die Vertreibung der Phoeniker aus Sizilien der schwerste Teil getan war, vereinigten sich mancherlei Umstaende, um der roemischen Regierung die Vollendung des Werkes zu erleichtern.

In der Westsee, die fuer Italien bei weitem mehr in Betracht kam als das Adriatische Meer, war die wichtigste Stellung, die grosse fruchtbare und hafenreiche Insel Sizilien, durch den karthagischen Frieden zum groesseren Teil in den Besitz der Roemer uebergegangen. Koenig Hieron von Syrakus, der in den letzten zweiundzwanzig Kriegsjahren unerschuetterlich an dem roemischen Buendnis festgehalten hatte, haette auf eine Gebietserweiterung billigen Anspruch gehabt; allein wenn die roemische Politik den Krieg in dem Entschluss begonnen hatte, nur sekundaere Staaten auf der Insel zu dulden, so ging bei Beendigung desselben ihre Absicht entschieden schon auf den Eigenbesitz Siziliens. Hieron mochte zufrieden sein, dass ihm sein Gebiet - das heisst ausser dem unmittelbaren Bezirk von Syrakus die Feldmarken von Eloros, Neeton, Akrae, Leontini, Megara und Tauromenion - und seine Selbstaendigkeit gegen das Ausland, in Ermangelung jeder Veranlassung, ihm diese zu schmaelern, beides im bisherigen Umfang gelassen ward, und dass der Krieg der beiden Grossmaechte nicht mit dem voelligen Sturz der einen oder der anderen geendigt hatte und also fuer die sizilische Mittelmacht wenigstens noch die Moeglichkeit des Bestehens blieb. In dem uebrigen bei weitem groesseren Teile Siziliens, in Panormos, Lilybaeon, Akragas, Messana, richteten die Roemer sich haeuslich ein. Sie bedauerten nur, dass der Besitz des schoenen Eilandes doch nicht ausreichte, um die westliche See in ein roemisches Binnenmeer zu verwandeln, solange noch Sardinien karthagisch blieb. Da eroeffnete sich bald nach dem Friedensschluss eine unerwartete Aussicht, auch diese zweite Insel des Mittelmeeres den Karthagern zu entreissen. In Afrika hatten unmittelbar nach dem Abschluss des Friedens mit Rom die Soeldner und die Untertanen gemeinschaftlich gegen die Phoeniker sich empoert. Die Schuld der gefaehrlichen Insurrektion trug wesentlich die karthagische Regierung. Hamilkar hatte in den letzten Kriegsjahren seinen sizilischen Soeldnern den Sold nicht wie frueher aus eigenen Mitteln auszahlen koennen und vergeblich Geldsendungen von daheim erbeten; er moege, hiess es, die Mannschaft nur zur Abloehnung nach Afrika senden. Er gehorchte, aber da er die Leute kannte, schiffte er sie vorsichtig in kleineren Abteilungen ein, damit man sie truppweise abloehnen oder mindestens auseinanderlegen koenne, und legte selber hierauf den Oberbefehl nieder. Allein alle Vorsicht scheiterte, nicht so sehr an den leeren Kassen als an dem kollegialischen Geschaeftsgang und dem Unverstand der Buerokratie. Man wartete, bis das gesamte Heer wieder in Libyen vereinigt stand und versuchte dann, den Leuten an dem versprochenen Solde zu kuerzen. Natuerlich entstand eine Meuterei unter den Truppen, und das unsichere und feige Benehmen der Behoerden zeigte den Meuterern, was sie wagen konnten. Die meisten von ihnen waren gebuertig aus den von Karthago beherrschten oder abhaengigen Distrikten; sie kannten die Stimmung, welche die von der Regierung dekretierte Schlaechterei nach dem Zuge des Regulus und der fuerchterliche Steuerdruck dort ueberall hervorgerufen hatten, und kannten auch ihre Regierung, die nie Wort hielt und nie verzieh: sie wussten, was ihrer wartete, wenn sie mit dem meuterisch erpressten Solde sich nach Hause zerstreuten. Seit langem hatte man in Karthago sich die Mine gegraben und bestellte jetzt selbst die Leute, die nicht anders konnten, als sie anzuenden. Wie ein Lauffeuer ergriff die Revolution Besatzung um Besatzung, Dorf um Dorf; die libyschen Frauen trugen ihren Schmuck herbei, um den Soeldnern die Loehnung zu zahlen; eine Menge karthagischer Buerger, darunter einige der ausgezeichnetsten Offiziere des sizilischen Heeres, wurden das Opfer der erbitterten Menge; schon war Karthago von zwei Seiten belagert und das aus der Stadt ausrueckende karthagische Heer durch die Verkehrtheit des ungeschickten Fuehrers gaenzlich geschlagen.

Wie man also in Rom den gehassten und immer noch gefuerchteten Feindin groesserer Gefahr schweben sah, als je die roemischen Kriege ueber ihn gebracht hatten, fing man an, mehr und mehr den Friedensschluss von 513 (241) zu bereuen, der, wenn er nicht wirklich voreilig war, jetzt wenigstens allen voreilig erschien, und zu vergessen, wie erschoepft damals der eigene Staat gewesen war, wie maechtig der karthagische damals dagestanden hatte. Die Scham verbot zwar, mit den karthagischen Rebellen offen in Verbindung zu treten, ja man gestattete den Karthagern ausnahmsweise, zu diesem Krieg in Italien Werbungen zu veranstalten, und untersagte den italischen Schiffern, mit den Libyern zu verkehren. Indes darf bezweifelt werden, ob es der Regierung von Rom mit diesen bundesfreundlichen Verfuegungen sehr ernst war. Denn als nichtsdestoweniger der Verkehr der afrikanischen Insurgenten mit den roemischen Schiffern fortging und Hamilkar, den die aeusserste Gefahr wieder an die Spitze der karthagischen Armee zurueckgefuehrt hatte, eine Anzahl dabei betroffener italischer Kapitaene aufgriff und einsteckte, verwandte sich der Senat fuer dieselben bei der karthagischen Regierung und bewirkte ihre Freigebung. Auch die Insurgenten selbst schienen in den Roemern ihre natuerlichen Bundesgenossen zu erkennen; die sardinischen Besatzungen, welche gleich der uebrigen karthagischen Armee sich fuer die Aufstaendischen erklaert hatten, boten, als sie sich ausserstande sahen, die Insel gegen die Angriffe der unbezwungenen Gebirgsbewohner aus dem Innern zu halten, den Besitz derselben den Roemern an (um 515 239); und aehnliche Anerbietungen kamen sogar von der Gemeinde Utica, welche ebenfalls an dem Aufstand teilgenommen hatte und nun durch die Waffen Hamilkars aufs aeusserste bedraengt ward. Das letztere Anerbieten wies man in Rom zurueck, hauptsaechlich wohl, weil es ueber die natuerlichen Grenzen Italiens hinaus und also weitergefuehrt haben wuerde, als die roemische Regierung damals zu gehen gedachte; dagegen ging sie auf die Anerbietungen der sardinischen Meuterer ein und uebernahm von ihnen, was von Sardinien in den Haenden der Karthager gewesen war (516 238). Mit schwererem Gewicht als in der Angelegenheit der Mamertiner trifft die Roemer hier der Tadel, dass die grosse und siegreiche Buergerschaft es nicht verschmaehte, mit dem feilen Soeldnergesindel Bruederschaft zu machen und den Raub zu teilen, und es nicht ueber sich gewann, dem Gebote des Rechtes und der Ehre den augenblicklichen Gewinn nachzusetzen. Die Karthager, deren Bedraengnis eben um die Zeit der Besetzung Sardiniens aufs hoechste gestiegen war, schwiegen vorlaeufig ueber die unbefugte Vergewaltigung; nachdem indes diese Gefahr wider Erwarten und wahrscheinlich wider Verhoffen der Roemer durch Hamilkars Genie abgewendet und Karthago in Afrika wieder in seine volle Herrschaft eingesetzt worden war (517 237), erschienen sofort in Rom karthagische Gesandte, um die Rueckgabe Sardiniens zu fordern. Allein die Roemer, nicht geneigt, den Raub wieder herauszugeben, antworteten mit nichtigen oder doch nicht hierher gehoerenden Beschwerden ueber allerlei Unbill, die die Karthager roemischen Handelsleuten zugefuegt haben sollten, und eilten, den Krieg zu erklaeren ^1; der Satz, dass in der Politik jeder darf, was er kann, trat hervor in seiner unverhuellten Schamlosigkeit. Die gerechte Erbitterung hiess die Karthager, den gebotenen Krieg annehmen; haette Catulus fuenf Jahre zuvor auf Sardiniens Abtretung bestanden, der Krieg wuerde wahrscheinlich seinen Fortgang gehabt haben. Allein jetzt, wo beide Inseln verloren, Libyen in Gaerung, der Staat durch den vierundzwanzigjaehrigen Krieg mit Rom und den fast fuenfjaehrigen entsetzlichen Buergerkrieg aufs aeusserste geschwaecht war, musste man wohl sich fuegen. Nur auf wiederholte flehentliche Bitten und nachdem die Phoeniker sich verpflichtet hatten, fuer die mutwillig veranlassten Kriegsruestungen eine Entschaedigung von 1200 Talenten (2 Mill. Taler) nach Rom zu zahlen, standen die Roemer widerwillig vom Kriege ab. So erwarb Rom fast ohne Kampf Sardinien, wozu man Korsika fuegte, die alte etruskische Besitzung, in der vielleicht noch vom letzten Kriege her einzelne roemische Besatzungen standen. Indes beschraenkten die Roemer, eben wie es die Phoeniker getan hatten, sich in Sardinien und mehr noch in dem rauhen Korsika auf die Besetzung der Kuesten. Mit den Eingeborenen im Innern fuehrte man bestaendige Kriege, oder vielmehr man trieb dort die Menschenjagd: man hetzte sie mit Hunden und fuehrte die gefangene Ware auf den Sklavenmarkt, aber an eine ernstliche Unterwerfung ging man nicht. Nicht um ihrer selbst willen hatte man die Inseln besetzt, sondern zur Sicherung Italiens. Seit sie die drei grossen Eilande besass, konnte die Eidgenossenschaft das Tyrrhenische Meer das ihrige nennen.

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^1 Dass die Abtretung der zwischen Sizilien und Italien liegenden Inseln, die der Friede von 513 (241) den Karthagern vorschrieb, die Abtretung Sardiniens nicht einschloss, ist ausgemacht (vgl. 2, 60); es ist aber auch schlecht beglaubigt, dass die Roemer die Besetzung der Insel drei Jahre nach dem Frieden damit motivierten. Haetten sie es getan, so wuerden sie bloss der politischen Schamlosigkeit eine diplomatische Albernheit hinzugefuegt haben.

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Die Gewinnung der Inseln in der italischen Westsee fuehrte in das roemische Staatswesen einen Gegensatz ein, der zwar allem Anschein nach aus blossen Zweckmaessigkeitsruecksichten und fast zufaellig entstanden, aber darum nicht minder fuer die ganze Folgezeit von der tiefsten Bedeutung geworden ist; den Gegensatz der festlaendischen und der ueberseeischen Verwaltungsform oder, um die spaeter gelaeufigen Bezeichnungen zu brauchen, den Gegensatz Italiens und der Provinzen. Bis dahin hatten die beiden hoechsten Beamten der Gemeinde, die Konsuln, einen gesetzlich abgegrenzten Sprengel nicht gehabt, sondern ihr Amtsbezirk sich soweit erstreckt wie ueberhaupt das roemische Regiment; wobei es sich natuerlich von selbst versteht, dass sie faktisch sich in das Amtsgebiet teilten, und ebenso sich von selbst versteht, dass sie in jedem einzelnen Bezirk ihres Sprengels durch die dafuer bestehenden Bestimmungen gebunden waren, also zum Beispiel die Gerichtsbarkeit ueber roemische Buerger ueberall dem Praetor zu ueberlassen und in den latinischen und sonst autonomen Gemeinden die bestehenden Vertraege einzuhalten hatten. Die seit 487 (267) durch Italien verteilten vier Quaestoren beschraenkten die konsularische Amtsgewalt formell wenigstens nicht, indem sie in Italien ebenso wie in Rom lediglich als von den Konsuln abhaengige Hilfsbeamte betrachtet wurden. Man scheint diese Verwaltungsweise anfaenglich auch auf die Karthago abgenommenen Gebiete erstreckt und Sizilien wie Sardinien einige Jahre durch Quaestoren unter Oberaufsicht der Konsuln regiert zu haben; allein sehr bald wusste man sich praktisch von der Unentbehrlichkeit eigener Oberbehoerden fuer die ueberseeischen Landschaften ueberzeugen. Wie man die Konzentrierung der roemischen Jurisdiktion in der Person des Praetors bei der Erweiterung der Gemeinde hatte aufgeben und in die entfernteren Bezirke stellvertretende Gerichtsherren hatte senden muessen, ebenso masste jetzt (527 227) auch die administrativ-militaerische Konzentration in der Person der Konsuln aufgegeben werden. Fuer jedes der neuen ueberseeischen Gebiete, sowohl fuer Sizilien wie fuer Sardinien nebst Korsika, ward ein besonderer Nebenkonsul eingesetzt, welcher an Rang und Titel dem Konsul nach- und dem Praetor gleichstand, uebrigens aber, gleich dem Konsul der aelteren Zeit vor Einsetzung der Praetur, in seinem Sprengel zugleich Oberfeldherr, Oberamtmann und Oberrichter war. Nur die unmittelbare Kassenverwaltung ward wie von Haus aus den Konsuln, so auch diesen neuen Oberbeamten entzogen und ihnen ein oder mehrere Quaestoren zugegeben, die zwar in alle Wege ihnen untergeordnet und in der Rechtspflege wie im Kommando ihre Gehilfen waren, aber doch die Kassenverwaltung zu fuehren und darueber nach Niederlegung ihres Amtes dem Senat Rechnung zu legen hatten.

Diese Verschiedenheit in der Oberverwaltung schied wesentlich die ueberseeischen Besitzungen Roms von den festlaendischen. Die Grundsaetze, nach denen Rom die abhaengigen Landschaften in Italien organisiert hatte, wurden grossenteils auch auf die ausseritalischen Besitzungen uebertragen. Dass die Gemeinden ohne Ausnahme die Selbstaendigkeit dem Auslands gegenueber verloren, versteht sich von selbst. Was den inneren Verkehr anlangt, so durfte fortan kein Provinziale ausserhalb seiner eigenen Gemeinde in der Provinz rechtes Eigentum erwerben, vielleicht auch nicht eine rechte Ehe schliessen. Dagegen gestattete die roemische Regierung wenigstens den sizilischen Staedten, die man nicht zu fuerchten hatte, eine gewisse foederative Organisation und wohl selbst allgemeine sikeliotische Landtage mit einem unschaedlichen Petitions- und Beschwerderecht ^2. Im Muenzwesen war es zwar nicht wohl moeglich, das roemische Courant sofort auch auf den Inseln zum allein gueltigen zu erklaeren; aber gesetzlichen Kurs scheint dasselbe doch von vornherein erhalten zu haben und ebenso, wenigstens in der Regel, den Staedten im roemischen Sizilien das Recht, in edlen Metallen, zu muenzen, entzogen worden zu sein ^3. Dagegen blieb nicht bloss das Grundeigentum in ganz Sizilien unangetastet - der Satz, dass das ausseritalische Land durch Kriegsrecht den Roemern zu Privateigentum verfallen sei, war diesem Jahrhundert noch unbekannt -, sondern es behielten auch die saemtlichen sizilischen und sardinischen Gemeinden die Selbstverwaltung und eine gewisse Autonomie, die freilich nicht in rechtsverbindlicher Weise ihnen zugesichert, sondern provisorisch zugelassen ward. Wenn die demokratischen Gemeindeverfassungen ueberall beseitigt und in jeder Stadt die Macht in die Haende des die staedtische Aristokratie repraesentierenden Gemeinderates gelegt ward; wenn ferner wenigstens die sizilischen Gemeinden angewiesen wurden, jedes fuenfte Jahr dem roemischen Zensus korrespondierend eine Gemeindeschaetzung zu veranstalten, so war beides nur eine notwendige Folge der Unterordnung unter den roemischen Senat, welcher mit griechischen Ekklesien und ohne Uebersicht der finanziellen und militaerischen Hilfsmittel einer jeden abhaengigen Gemeinde in der Tat nicht regieren konnte; und auch in den italischen Landschaften war in dieser wie in jener Hinsicht das gleiche geschehen.

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^2 Dahin fuehren teils das Auftretender “Siculer” gegen Marcellus (Liv. 26, 26 f.), teils die “Gesamteingaben aller sizilischen Gemeinden” (Cic. Verr. 2, 42, 102; 45, 114; 50,146; 3, 88, 204), teils bekannte Analogien (Marquardt, Landbuch Bd. 3 1, S. 267). Aus dem mangelnden commercium zwischen den einzelnen Staedten folgt der Mangel des concilium noch keineswegs.

^3 So streng wie in Italien ward das Gold- und Silbermuenzrecht in den Provinzen nicht von Rom monopolisiert, offenbar weil auf das nicht auf roemischen Fuss geschlagene Gold- und Silbergeld es weniger ankam. Doch sind unzweifelhaft auch hier die Praegstaetten in der Regel auf Kupfer- oder hoechstens silberne Kleinmuenze beschraenkt worden; eben die am besten gestellten Gemeinden des roemischen Sizilien, wie die Mamertiner, die Kentoripiner, die Halaesiner, die Segestaner, wesentlich auch die Panormitaner haben nur Kupfer geschlagen.

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Aber neben dieser wesentlichen Rechtsgleichheit stellte sich zwischen den italischen einer- und den ueberseeischen Gemeinden andererseits ein folgenreicher Unterschied fest. Waehrend die mit den italischen Staedten abgeschlossenen Vertraege denselben ein festes Kontingent zu dem Heer oder der Flotte der Roemer auferlegten, wurden den ueberseeischen Gemeinden, mit denen eine bindende Paktierung ueberhaupt nicht eingegangen ward, dergleichen Zuzug nicht auferlegt, sondern sie verloren das Waffenrecht ^4, nur dass sie nach Aufgebot des roemischen Praetors zur Verteidigung ihrer eigenen Heimat verwendet werden konnten. Die roemische Regierung sandte regelmaessig italische Truppen in der von ihr festgesetzten Staerke auf die Inseln; dafuer wurde der Zehnte der sizilischen Feldfruechte und ein Zoll von fuenf Prozent des Wertes aller in den sizilischen Haefen aus- und eingehenden Handelsartikel nach Rom entrichtet. Den Insulanern waren diese Abgaben nichts Neues. Die Abgaben, welche die karthagische Republik und der persische Grosskoenig sich zahlen liessen, waren jenem Zehnten wesentlich gleichartig; und auch in Griechenland war eine solche Besteuerung nach orientalischem Muster von jeher mit der Tyrannis und oft auch mit der Hegemonie verknuepft gewesen. Die Sizilianer hatten laengst in dieser Weise den Zehnten entweder nach Syrakus oder nach Karthago entrichtet und laengst auch die Hafenzoelle nicht mehr fuer eigene Rechnung erhoben. “Wir haben”, sagt Cicero, “die sizilischen Gemeinden also in unsere Klientel und in unseren Schutz aufgenommen, dass sie bei dem Rechte blieben, nach welchem sie bisher gelebt hatten, und unter denselben Verhaeltnissen der roemischen Gemeinde gehorchten, wie sie bisher ihren eigenen Herren gehorcht hatten.” Es ist billig, dies nicht zu vergessen; aber im Unrecht fortfahren heisst auch Unrecht tun. Nicht fuer die Untertanen, die nur den Herrn wechselten, aber wohl fuer ihre neuen Herren war das Aufgeben des ebenso weisen wie grossherzigen Grundsatzes der roemischen Staatsordnung, von den Untertanen nur Kriegshilfe und nie statt derselben Geldentschaedigung anzunehmen, von verhaengnisvoller Bedeutung, gegen die alle Milderungen in den Ansaetzen und der Erhebungsweise sowie alle Ausnahmen im einzelnen verschwanden. Solche Ausnahmen wurden allerdings mehrfach gemacht. Messana trat geradezu in die Eidgenossenschaft der Togamaenner ein und stellte wie die griechischen Staedte in Italien sein Kontingent zu der roemischen Flotte. Einer Reihe anderer Staedte wurde zwar nicht der Eintritt in die italische Wehrgenossenschaft, aber ausser anderen Beguenstigungen Freiheit von Steuer und Zehnten zugestanden, so dass ihre Stellung in finanzieller Hinsicht selbst noch guenstiger war als die der italischen Gemeinden. Es waren dies Egesta und Halikyae, welche zuerst unter den Staedten des karthagischen Sizilien zum roemischen Buendnis uebergetreten waren; Kentoripa im oestlichen Binnenland, das bestimmt war, das syrakusanische Gebiet in naechster Naehe zu ueberwachen ^5; an der Nordkueste Halaesa, das zuerst von den freien griechischen Staedten den Roemern sich angeschlossen hatte; und vor allem Panormos, bisher die Hauptstadt des karthagischen Sizilien und jetzt bestimmt, die des roemischen zu werden. Den alten Grundsatz ihrer Politik, die abhaengigen Gemeinden in sorgfaeltig abgestufte Klassen verschiedenen Rechts zu gliedern, wandten die Roemer also auch auf Sizilien an; aber durchschnittlich standen die sizilischen und sardinischen Gemeinden nicht im bundesgenoessischen, sondern in dem offenkundigen Verhaeltnis steuerpflichtiger Untertaenigkeit.

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^4 Darauf geht Hierons Aeusserung (Liv. 22, 37): es sei ihm bekannt, dass die Roemer sich keiner anderen Infanterie und Reiterei als roemischer oder latinischer bedienten und “Auslaender” nur hoechstens unter den Leichtbewaffneten verwendeten.

^5 Das zeigt schon ein Blick auf die Karte, aber ebenso die merkwuerdige Bestimmung, dass es den Kentoripinern ausnahmsweise gestattet blieb, sich in ganz Sizilien anzukaufen. Sie bedurften als roemische Aufpasser der freiesten Bewegung. Uebrigens scheint Kentoripa auch unter den ersten zu Rom uebergetretenen Staedten gewesen zu sein (Diod. 1, 23 p. 501).

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Allerdings fiel dieser tiefgreifende Gegensatz zwischen den zuzug- und den steuer- oder doch wenigstens nicht zuzugpflichtigen Gemeinden mit dem Gegensatz zwischen Italien und den Provinzen nicht in rechtlich notwendiger Weise zusammen. Es konnten auch ueberseeische Gemeinden der italischen Eidgenossenschaft angehoeren, wie denn die Mamertiner mit den italischen Sabellern wesentlich auf einer Linie standen, und selbst der Neugruendung von Gemeinden latinischen Rechts stand in Sizilien und Sardinien rechtlich so wenig etwas im Wege wie in dem Lande jenseits des Apennin. Es konnten auch festlaendische Gemeinden des Waffenrechts entbehren und tributaer sein, wie dies fuer einzelne keltische Distrikte am Po wohl schon jetzt galt und spaeter in ziemlich ausgedehntem Umfange eingefuehrt ward. Allein der Sache nach ueberwogen die zuzugpflichtigen Gemeinden ebenso entschieden auf dem Festlande wie die steuerpflichtigen auf den Inseln; und waehrend weder in dem hellenisch zivilisierten Sizilien noch auf Sardinien italische Ansiedelungen roemischerseits beabsichtigt wurden, stand es bei der roemischen Regierung ohne Zweifel schon jetzt fest, das barbarische Land zwischen Apennin und Alpen nicht bloss sich zu unterwerfen, sondern auch, wie die Eroberung fortschritt, dort neue Gemeinden italischen Ursprungs und italischen Rechts zu konstituieren. Also wurden die ueberseeischen Besitzungen nicht bloss Untertanenland, sondern sie waren auch bestimmt, es fuer alle Zukunft zu bleiben; dagegen der neu abgegrenzte gesetzliche Amtsbezirk der Konsuln oder, was dasselbe ist, das festlaendische roemische Gebiet sollte ein neues und weiteres Italien werden, das von den Alpen bis zum Ionischen Meere reichte. Vorerst freilich fiel dies Italien als wesentlich geographischer Begriff mit dem politischen der italischen Eidgenossenschaft nicht durchaus zusammen und war teils weiter, teils enger. Aber schon jetzt betrachtete man den ganzen Raum bis zur Alpengrenze als Italia, das heisst als gegenwaertiges oder kuenftiges Gebiet der Togatraeger und steckte, aehnlich wie es in Nordamerika geschah und geschieht, die Grenze vorlaeufig geographisch ab, um sie mit der weiter vorschreitenden Kolonisierung allmaehlich auch politisch vorzuschieben ^6.

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^6 Dieser Gegensatz zwischen Italien als dem roemischen Festland oder dem konsularischen Sprengel einer- und dem ueberseeischen Gebiet oder den Praetorensprengeln andererseits erscheint schon im sechsten Jahrhundert in mehrfachen Anwendungen. Die Religionsvorschrift, dass gewisse Priester Rom nicht verlassen durften (Val. Max. 1, 1, 2), ward dahin ausgelegt, dass es ihnen nicht gestattet sei, das Meer zu ueberschreiten (Liv. ep. 19; 36; 51; Tac. ann. 3, 58; 71; Cic. Phil. 11, 8; 18; vgl. Liv. 28, 38; 44; ep. 59). Bestimmter noch gehoert hierher die Auslegung, welche von der alten Vorschrift, dass der Konsul nur “auf roemischem Boden” den Diktator ernennen duerfe, im Jahre 544 vorgetragen wird: der roemische Boden begreife ganz Italien in sich (Liv. 27, 5). Die Einrichtung des keltischen Landes zwischen den Alpen und dem Apennin zu einem eigenen, vom konsularischen verschiedenen und einem besonderen staendigen Oberbeamten unterworfenen Sprengel gehoert erst Sulla an. Es wird natuerlich dagegen niemand geltend machen, dass schon im sechsten Jahrhundert sehr haeufig Gallia oder Ariminum als “Amtsbezirk” (provincia) gewoehnlich eines der Konsuln genannt wird. Provincia ist bekanntlich in der aelteren Sprache nicht, was es spaeter allein bedeutet, ein raeumlich abgegrenzter, einem staendigen Oberbeamten unterstellter Sprengel, sondern die fuer den einzelnen Konsul zunaechst durch Uebereinkommen mit seinem Kollegen unter Mitwirkung des Senats festgestellte Kompetenz; und in diesem Sinn sind haeufig einzelne norditalische Landschaften oder auch Norditalien ueberhaupt einzelnen Konsuln als provincia ueberwiesen worden.

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Im Adriatischen Meer, an dessen Eingang die wichtige und laengst vorbereitete Kolonie Brundisium endlich noch waehrend des Krieges mit Karthago gegruendet worden war (510 244), war Roms Suprematie von vornherein entschieden. In der Westsee hatte Rom den Rivalen beseitigen muessen; in der oestlichen sorgte schon die hellenische Zwietracht dafuer, dass alle Staaten auf der griechischen Halbinsel ohnmaechtig blieben oder wurden. Der bedeutendste derselben, der makedonische, war unter dem Einfluss Aegyptens vom oberen Adriatischen Meer durch die Aetoler wie aus dem Peloponnes durch die Achaeer verdraengt worden und kaum noch imstande, die Nordgrenze gegen die Barbaren zu schuetzen. Wie sehr den Roemern daran gelegen war, Makedonien und dessen natuerlichen Verbuendeten, den syrischen Koenig, niederzuhalten, und wie eng sie sich anschlossen an die eben darauf gerichtete aegyptische Politik, beweist das merkwuerdige Anerbieten, das sie nach dem Ende des Krieges mit Karthago dem Koenig Ptolemaeos III. Euergetes machten, ihn in dem Kriege zu unterstuetzen, den er wegen Berenikes Ermordung gegen Seleukos II. Kallinikos von Syrien (reg. 507-529 247-225) fuehrte und bei dem wahrscheinlich Makedonien fuer den letztern Partei genommen hatte. Ueberhaupt werden die Beziehungen Roms zu den hellenistischen Staaten enger; auch mit Syrien verhandelte der Senat schon und verwandte sich bei dem ebengenannten Seleukos fuer die stammverwandten Ilier.

Einer unmittelbaren Einmischung in die Angelegenheiten der oestlichen Maechte bedurfte es zunaechst nicht. Die achaeische Eidgenossenschaft, die im Aufbluehen geknickt ward durch die engherzige Coteriepolitik des Aratos, die aetolische Landsknechtrepublik, das verfallene Makedonierreich hielten selber einer den andern nieder; und ueberseeischen Laendergewinn vermied man damals eher in Rom, als dass man ihn suchte. Als die Akarnanen, sich darauf berufend, dass sie allein unter allen Griechen nicht teilgenommen haetten an der Zerstoerung Ilions, die Nachkommen des Aeneas um Hilfe baten gegen die Aetoler, versuchte der Senat zwar eine diplomatische Verwendung; allein da die Aetoler darauf eine nach ihrer Weise abgefasste, das heisst unverschaemte Antwort erteilten, ging das antiquarische Interesse der roemischen Herren doch keineswegs so weit, um dafuer einen Krieg anzufangen, durch den sie die Makedonier von ihrem Erbfeind befreit haben wuerden (um 515 239).

Selbst den Unfug der Piraterie, die bei solcher Lage der Dinge begreiflicherweise das einzige Gewerbe war, das an der adriatischen Kueste bluehte und vor der auch der italische Handel viel zu leiden hatte, liessen sich die Roemer mit einer Geduld, die mit ihrer gruendlichen Abneigung gegen den Seekrieg und ihrem schlechten Flottenwesen eng zusammenhing, laenger als billig gefallen. Allein endlich ward es doch zu arg. Unter Beguenstigung Makedoniens, das keine Veranlassung mehr fand, sein altes Geschaeft der Beschirmung des hellenischen Handels vor den adriatischen Korsaren zu Gunsten seiner Feinde fortzufuehren, hatten die Herren von Skodra die illyrischen Voelkerschaften, etwa die heutigen Dalmatiner, Montenegriner und Nordalbanesen, zu gemeinschaftlichen Piratenzuegen im grossen Stil vereinigt; mit ganzen Geschwadern ihrer schnellsegelnden Zweidecker, der bekannten “liburnischen” Schiffe, fuehrten die Illyrier den Krieg gegen jedermann zur See und an den Kuesten. Die griechischen Ansiedlungen in diesen Gegenden, die Inselstaedte Issa (Lissa) und Pharos (Lesina), die wichtigen Kuestenplaetze Epidamnos (Durazzo) und Apollonia (noerdlich von Avlona am Aoos), hatten natuerlich vor allem zu leiden und sahen sich wiederholt von den Barbaren belagert. Aber noch weiter suedlich, in Phoenike, der bluehendsten Stadt von Epeiros, setzten die Korsaren sich fest; halb gezwungen, halb freiwillig traten die Epeiroten und Akarnanen mit den fremden Raeubern in eine unnatuerliche Symmachie; bis nach Elis und Messene hin waren die Kuesten unsicher. Vergeblich vereinigten die Aetoler und Achaeer, was sie an Schiffen hatten, um dem Unwesen zu steuern; in offener Seeschlacht wurden sie von den Seeraeubern und deren griechischen Bundesgenossen geschlagen; die Korsarenflotte vermochte endlich sogar die reiche und wichtige Insel Kerkyra (Korfu) einzunehmen. Die Klagen der italischen Schiffer, die Hilfsgesuche der altverbuendeten Apolloniaten, die flehenden Bitten der belagerten Issaer noetigten endlich den roemischen Senat, wenigstens Gesandte nach Skodra zu schicken. Die Brueder Gaius und Lucius Coruncanius kamen, um von dem Koenig Agron Abstellung des Unwesens zu fordern. Der Koenig gab zur Antwort, dass nach illyrischem Landrecht der Seeraub ein erlaubtes Gewerbe sei und die Regierung nicht das Recht habe, der Privatkaperei zu wehren; worauf Lucius Coruncanius erwiderte, dass dann Rom es sich angelegen sein lassen werde, den Illyriern ein besseres Landrecht beizubringen. Wegen dieser, allerdings nicht sehr diplomatischen Replik wurde, wie die Roemer behaupteten, auf Geheiss des Koenigs, einer der Gesandten auf der Heimkehr ermordet und die Auslieferung der Moerder verweigert. Der Senat hatte jetzt keine Wahl mehr. Mit dem Fruehjahr 525 (229) erschien vor Apollonia eine Flotte von 200 Linienschiffen mit einer Landungsarmee an Bord; vor jener zerstoben die Korsarenboote, waehrend diese die Raubburgen brach; die Koenigin Teuta, die nach ihres Gemahls Agron Tode die Regierung fuer ihren unmuendigen Sohn Pinnes fuehrte, musste, in ihrem letzten Zufluchtsort belagert, die Bedingungen annehmen, die Rom diktierte. Die Herren von Skodra wurden wieder im Norden wie im Sueden auf ihr urspruengliches engbegrenztes Gebiet beschraenkt und hatten nicht bloss alle griechischen Staedte, sondern auch die Ardiaeer in Dalmatien, die Parthiner um Epidamnos, die Atintanen im noerdlichen Epeiros aus ihrer Botmaessigkeit zu entlassen; suedlich von Lissos (Alessio zwischen Scutari und Durazzo) sollten kuenftig illyrische Kriegsfahrzeuge ueberhaupt nicht und nicht armierte nicht ueber zwei zusammen fahren duerfen. Roms Seeherrschaft auf dem Adriatischen Meer war in der loeblichsten und dauerhaftesten Weise zur vollen Anerkennung gebracht durch die rasche und energische Unterdrueckung des Piratenunfugs. Allein man ging weiter und setzte sich zugleich an der Ostkueste fest. Die Illyrier von Skodra wurden tributpflichtig nach Rom; auf den dalmatinischen Inseln und Kuesten wurde Demetrios von Pharos, der aus den Diensten der Teuta in roemische getreten war, als abhaengiger Dynast und roemischer Bundesgenosse eingesetzt; die griechischen Staedte Kerkyra, Apollonia, Epidamnos und die Gemeinden der Atintanen und Parthiner wurden in milden Formen der Symmachie an Rom geknuepft. Diese Erwerbungen an der Ostkueste des Adriatischen Meeres waren nicht ausgedehnt genug, um einen eigenen Nebenkonsul fuer sie einzusetzen: nach Kerkyra und vielleicht auch nach anderen Plaetzen scheinen Statthalter untergeordneten Ranges gesandt und die Oberaufsicht ueber diese Besitzungen den Oberbeamten, welche Italien verwalteten, mit uebertragen worden zu sein ^7. Also traten gleich Sizilien und Sardinien auch die wichtigsten Seestationen im Adriatischen Meer in die roemische Botmaessigkeit ein. Wie haette es auch anders kommen sollen? Rom brauchte eine gute Seestation im oberen Adriatischen Meere, welche ihm seine Besitzungen an dem italischen Ufer nicht gewaehrten; die neuen Bundesgenossen, namentlich die griechischen Handelsstaedte, sahen in den Roemern ihre Retter und taten ohne Zweifel, was sie konnten, sich des maechtigen Schutzes dauernd zu versichern; im eigentlichen Griechenland, war nicht bloss niemand imstande zu widersprechen, sondern das Lob der Befreier auf allen Lippen. Man kann fragen, ob der Jubel in Hellas groesser war oder die Scham, als statt der zehn Linienschiffe der Achaeischen Eidgenossenschaft, der streitbarsten Macht Griechenlands, jetzt zweihundert Segel der Barbaren in ihre Haefen einliefen und mit einem Schlage die Aufgabe loesten, die den Griechen zukam und an der diese so klaeglich gescheitert waren. Aber wenn man sich schaemte, dass die Rettung den bedraengten Landsleuten vom Ausland hatte kommen muessen, so geschah es wenigstens mit guter Manier; man saeumte nicht, die Roemer durch Zulassung zu den Isthmischen Spielen und den Eleusinischen Mysterien feierlich in den hellenischen Nationalverband aufzunehmen.

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^7 Ein stehender roemischer Kommandant von Kerkyra scheint bei Polyb. 22,15, 6 (falsch uebersetzt von Liv. 38, 11; vgl. 42, 37), ein solcher von Issa bei Liv. 43, 9 vorzukommen. Dazu kommt die Analogie des Praefectus pro legato insularem Baliarum (Orelli 732) und des Statthalters von Pandataria (IRN 3528). Es scheint danach ueberhaupt in der roemischen Verwaltung Regel gewesen zu sein, fuer die entfernteren Inseln nicht senatorische praefecti zu bestellen. Diese “Stellvertreter” aber setzen ihrem Wesen nach einen Oberbeamten voraus, der sie ernennt und beaufsichtigt; und dies koennen in dieser Zeit nur die Konsuln gewesen sein. Spaeter, seit Einrichtung der Provinzen Makedonien und Gallia Cisalpina, kam die Oberverwaltung an den einen dieser beiden Statthalter; wie denn das hier in Rede stehende Gebiet, der Kern des spaeteren roemischen Illyricum, bekanntlich zum Teil zu Caesars Verwaltungssprengel mit gehoerte.

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Makedonien schwieg; es war nicht in der Verfassung, mit den Waffen zu protestieren, und verschmaehte, es mit Worten zu tun. Auf Widerstand traf man nirgend; aber nichtsdestoweniger hatte Rom, indem es die Schluessel zum Hause des Nachbarn an sich nahm, in diesem sich einen Gegner geschaffen, von dem, wenn er wieder zu Kraeften oder eine guenstige Gelegenheit ihm vorkam, sich erwarten liess, dass er sein Schweigen zu brechen wissen werde. Haette der kraeftige und besonnene Koenig Antigonos Doson laenger gelebt, so wuerde wohl er schon den hingeworfenen Handschuh aufgehoben haben; denn als einige Jahre spaeter der Dynast Demetrios von Pharos sich der roemischen, Hegemonie entzog, im Einverstaendnis mit den Istriern vertragswidrig Seeraub trieb und die von den Roemern fuer unabhaengig erklaerten Atintanen sich unterwarf, machte Antigonos Buendnis mit ihm, und Demetrios’ Truppen fochten mit in Antigonos’ Heer in der Schlacht bei Sellasia (532 222). Allein Antigonos starb (Winter 533/34 221/20); sein Nachfolger Philippos, noch ein Knabe, liess es geschehen, dass der Konsul Lucius Aemilius Paullus den Verbuendeten Makedoniens angriff, seine Hauptstadt zerstoerte und ihn landfluechtig aus seinem Reiche trieb (535 219).

Auf dem Festland des eigentlichen Italien suedlich vom Apennin war tiefer Friede seit dem Fall von Tarent; der sechstaegige Krieg mit Falerii (513 241) ist kaum etwas mehr als eine Kuriositaet. Aber gegen Norden dehnte zwischen dem Gebiet der Eidgenossenschaft und der Naturgrenze Italiens, der Alpenkette, noch eine weite Strecke sich aus, die den Roemern nicht botmaessig war. Als Grenze Italiens galt an der adriatischen Kueste der Aesisfluss, unmittelbar oberhalb Ancona. Jenseits dieser Grenze gehoerte die naechstliegende, eigentlich gallische Landschaft bis Ravenna einschliesslich in aehnlicher Weise wie das eigentliche Italien zu dem roemischen Reichsverband; die Senonen, die hier ehemals gesessen hatten, waren in dem Kriege 471/72 (283/82) ausgerottet und die einzelnen Ortschaften entweder als Buergerkolonien, wie Sena gallica, oder als Bundesstaedte, sei es latinischen Rechts, wie Ariminum, sei es italischen, wie Ravenna, mit Rom verknuepft worden. Auf dem weiten Gebiet jenseits Ravenna bis zu der Alpengrenze sassen nichtitalische Voelkerschaften. Suedlich vom Po behauptete sich noch der maechtige Keltenstamm der Boier (von Parma bis Bologna), neben denen oestlich die Lingonen, westlich (im Gebiet von Parma) die Anaren, zwei kleinere, vermutlich in der Klientel der Boier stehende keltische Kantone die Ebene ausfuellten. Wo diese aufhoert, begannen die Ligurer, die mit einzelnen keltischen Staemmen gemischt auf dem Apennin von oberhalb Arezzo und Pisa an sitzend, das Quellgebiet des Po innehatten. Von der Ebene nordwaerts vom Po hatten die Veneter, verschiedenen Stammes von den Kelten und wohl illyrischer Abkunft, den oestlichen Teil etwa von Verona bis zur Kueste im Besitz; zwischen ihnen und den westlichen Gebirgen sassen die Cenomanen (um Brescia und Cremona), die selten mit der keltischen Nation hielten und wohl stark mit Venetern gemischt waren, und die Insubrer (um Mailand), dieser der bedeutendste der italischen Keltengaue und in stetiger Verbindung nicht bloss mit den kleineren, in den Alpentaelern zerstreuten Gemeinden teils keltischer, teils anderer Abkunft, sondern auch mit den Keltengauen jenseits der Alpen. Die Pforten der Alpen, der maechtige, auf fuenfzig deutsche Meilen schiffbare Strom, die groesste und fruchtbarste Ebene des damaligen zivilisierten Europas, waren nach wie vor in den Haenden der Erbfeinde des italischen Namens, die, wohl gedemuetigt und geschwaecht, doch immer noch kaum dem Namen nach abhaengig und immer noch unbequeme Nachbarn, in ihrer Barbarei verharrten und duenngesaet in den weiten Flaechen ihre Herden- und Plunderwirtschaft fortfuehrten. Man durfte erwarten, dass die Roemer eilen wuerden, sich dieser Gebiete zu bemaechtigen; um so mehr als die Kelten allmaehlich anfingen, ihrer Niederlagen in den Feldzuegen von 471 und 472 (283 282) zu vergessen und sich wieder zu regen, ja was noch bedenklicher war, die transalpinischen Kelten aufs neue begannen, diesseits der Alpen sich zu zeigen. In der Tat hatten bereits im Jahre 516 (238) die Boier den Krieg erneuert und deren Herren Atis und Galatas, freilich ohne Auftrag der Landesgemeinde, die Transalpiner aufgefordert, mit ihnen gemeinschaftliche Sache zu machen; zahlreich waren diese dem Ruf gefolgt und im Jahre 518 (236) lagerte ein Keltenheer vor Ariminum, wie Italien es lange nicht gesehen hatte. Die Roemer, fuer den Augenblick viel zu schwach, um die Schlacht zu versuchen, schlossen Waffenstillstand und liessen, um Zeit zu gewinnen, Boten der Kelten nach Rom gehen, die im Senat die Abtretung von Ariminum zu fordern wagten - es schien, als seien die Zeiten des Brennus wiedergekehrt. Aber ein unvermuteter Zwischenfall machte dem Krieg ein Ende, bevor er noch recht begonnen hatte. Die Boier, unzufrieden mit den ungebetenen Bundesgenossen und wohl fuer ihr eigenes Gebiet fuerchtend, gerieten in Haendel mit den Transalpinern; es kam zwischen den beiden Keltenheeren zu offener Feldschlacht, und nachdem die boischen Haeuptlinge von ihren eigenen Leuten erschlagen waren, kehrten die Transalpiner heim. Damit waren die Boier den Roemern in die Haende gegeben, und es hing nur von diesen ab, sie gleich den Senonen auszutreiben und wenigstens bis an den Po vorzudringen; allein es ward vielmehr denselben gegen die Abtretung einiger Landstriche der Friede gewaehrt (518 236). Das mag damals geschehen sein, weil man eben den Wiederausbruch des Kriegs mit Karthago erwartete; aber nachdem dieser durch die Abtretung Sardiniens abgewandt worden war, forderte es die richtige Politik der roemischen Regierung, das Land bis an die Alpen so rasch und so vollstaendig wie moeglich in Besitz zu nehmen. Die bestaendigen Besorgnisse der Kelten vor einer solchen roemischen Invasion sind darum hinreichend gerechtfertigt; indes die Roemer beeilten sich eben nicht. So begannen denn die Kelten ihrerseits den Krieg, sei es, dass die roemischen Ackerverteilungen an der Ostkueste (522 232), obwohl zunaechst nicht gegen sie gerichtet, sie besorgt gemacht hatten, sei es, dass sie die Unvermeidlichkeit eines Krieges mit Rom um den Besitz der Lombardei begriffen, sei es, was vielleicht das Wahrscheinlichste ist, dass das ungeduldige Kelterwolk wieder einmal des Sitzens muede war und eine neue Heerfahrt zu ruesten beliebte. Mit Ausschluss der Cenomanen, die mit den Venetern hielten und sich fuer die Roemer erklaerten, traten dazu saemtliche italische Kelten zusammen, und ihnen schlossen sich unter den Fuehrern Concolitanus und Aneroestus zahlreich die Kelten des oberen Rhonetals oder vielmehr deren Reislaeufer an ^8. Mit 50000 zu Fuss und 20000 zu Ross oder zu Wagen kaempfenden Streitern rueckten die Fuehrer der Kelten auf den Apennin zu (529 225). Von dieser Seite hatte man in Rom sich des Angriffs nicht versehen und nicht erwartet, dass die Kelten mit Vernachlaessigung der roemischen Festungen an der Ostkueste und des Schutzes der eigenen Stammesgenossen geradeswegs gegen die Hauptstadt vorzugehen wagen wuerden. Nicht gar lange vorher hatte ein aehnlicher Keltenschwarm in ganz gleicher Weise Griechenland ueberschwemmt; die Gefahr war ernst und schien noch ernster, als sie war. Der Glaube, dass Roms Untergang diesmal unvermeidlich und der roemische Boden vom Verhaengnis gallisch zu werden bestimmt sei, war selbst in Rom unter der Menge so allgemein verbreitet, dass sogar die Regierung es nicht unter ihrer Wuerde hielt, den krassen Aberglauben des Poebels durch einen noch krasseren zu bannen und zur Erfuellung des Schicksalspruchs einen gallischen Mann und eine gallische Frau auf dem roemischen Markt lebendig begraben zu lassen. Daneben traf man ernstlichere Anstalten. Von den beiden konsularischen Heeren, deren jedes etwa 25000 Mann zu Fuss und 1100 Reiter zaehlte, stand das eine unter Gaius Atilius Regulus in Sardinien, das zweite unter Lucius Aemilius Papus bei Ariminum; beide erhielten Befehl, sich so schnell wie moeglich nach dem zunaechst bedrohten Etrurien zu begeben. Schon hatten gegen die mit Rom verbuendeten Cenomanen und Veneter die Kelten eine Besatzung in der Heimat zuruecklassen muessen; jetzt ward auch der Landsturm der Umbrer angewiesen, von den heimischen Bergen herab in die Ebene der Boier einzuruecken und dem Feinde auf seinen eigenen Aeckern jeden erdenklichen Schaden zuzufuegen. Die Landwehr der Etrusker und Sabiner sollte den Apennin besetzen und womoeglich sperren, bis die regulaeren Truppen eintreffen koennten. In Rom bildete sich eine Reserve von 50000 Mann; durch ganz Italien, das diesmal in Rom seinen rechten Vorkaempfer sah, wurde die dienstfaehige Mannschaft verzeichnet, Vorraete und Kriegsmaterial zusammengebracht.

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^8 Dieselben, die Polybios bezeichnet als “die Kelten in den Alpen und an der Rhone, die man wegen ihrer Reislaeuferei Gaesaten (Landsknechte) nenne”, werden in den kapitolinischen Fasten Germani genannt. Moeglich ist es, dass die gleichzeitige Geschichtschreibung hier nur Kelten genannt und erst die historische Spekulation der caesarischen und augustischen Zeit die Redaktoren jener Fasten bewogen hat, daraus “Germanen” zu machen. Wofern dagegen die Nennung der Germanen in den Fasten auf gleichzeitige Aufzeichnungen zurueckgeht - in welchem Falle dies die aelteste Erwaehnung dieses Namens ist -, wird man hier doch nicht an die spaeter so genannten deutschen Staemme denken duerfen, sondern an einen keltischen Schwarm.

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Indes alles das forderte Zeit; man hatte einmal sich ueberrumpeln lassen, und wenigstens Etrurien zu retten, war es zu spaet. Die Kelten fanden den Apennin kaum verteidigt und pluenderten unangefochten die reichen Ebenen des tuskischen Gebietes, das lange keinen Feind gesehen. Schon standen sie bei Clusium, drei Tagemaersche von Rom, als das Heer von Ariminum unter dem Konsul Papus ihnen in der Flanke erschien, waehrend die etruskische Landwehr, die sich nach der Ueberschreitung des Apennin im Ruecken der Gallier zusammengezogen hatte, dem Marsch der Feinde folgte. Eines Abends, nachdem bereits beide Heere sich gelagert und die Biwakfeuer angezuendet hatten, brach das keltische Fussvolk ploetzlich wieder auf und zog in rueckwaertiger Richtung ab auf der Strasse gegen Faesulae (Fiesole); die Reiterei besetzte die Nacht hindurch die Vorposten und folgte am andern Morgen der Hauptmacht. Als die tuskische Landwehr, die dicht am Feinde lagerte, seines Abzugs inneward, meinte sie, dass der Schwarm anfange sich zu verlaufen und brach auf zu eiligem Nachsetzen. Eben darauf hatten die Gallier gerechnet; ihr ausgeruhtes und geordnetes Fussvolk empfing auf dem wohl gewaehlten Schlachtfeld die roemische Miliz, die ermattet und aufgeloest von dem Gewaltmarsch herankam. 6000 Mann fielen nach heftigem Kampf, und auch der Rest des Landsturms, der notduerftig auf einem Huegel Zuflucht gefunden, waere verloren gewesen, wenn nicht rechtzeitig das konsularische Heer erschienen waere. Dies bewog die Gallier, sich nach der Heimat zurueckzuwenden. Ihr geschickt angelegter Plan, die Vereinigung der beiden roemischen Heere zu hindern und das schwaechere einzeln zu vernichten, war nur halb gelungen; fuer jetzt schien es ihnen geraten, zunaechst die betraechtliche Beute in Sicherheit zu bringen. Des bequemeren Marsches wegen zogen sie sich aus der Gegend von Chiusi, wo sie standen, an die ebene Kueste und marschierten am Strande hin, als sie unvermutet hier sich den Weg verlegt fanden. Es waren die sardinischen Legionen, die bei Pisae gelandet waren und, da sie zu spaet kamen, um den Apennin zu sperren, sich sofort auf demselben Kuestenweg, den die Gallier verfolgten, in der entgegengesetzten Richtung in Bewegung gesetzt hatten. Bei Telamon (an der Muendung des Ombrone) trafen sie auf den Feind. Waehrend das roemische Fussvolk in geschlossener Front auf der grossen Strasse vorrueckte, ging die Reiterei, vom Konsul Gaius Atilius Regulus selber gefuehrt, seitwaerts vor, um den Galliern in die Flanke zu kommen und so bald wie moeglich dem anderen roemischen Heer unter Papus Kunde von ihrem Eintreffen zu geben. Es entspann sich ein heftiges Reitergefecht, in dem mit vielen tapferen Roemern auch Regulus fiel; aber nicht umsonst hatte er sein Leben aufgeopfert: sein Zweck war erreicht. Papus gewahrte das Gefecht und ahnte den Zusammenhang; schleunig ordnete er seine Scharen und von beiden Seiten drangen nun roemische Legionen auf das Keltenheer ein. Mutig stellte dieses sich zum Doppelkampf, die Transalpiner und Insubrer gegen die Truppen des Papus, die alpinischen Taurisker und die Boier gegen das sardinische Fussvolk; das Reitergefecht ging davon gesondert auf dem Fluegel seinen Gang. Die Kraefte waren der Zahl nach nicht ungleich gemessen, und die verzweifelte Lage der Gallier zwang sie zur hartnaeckigsten Gegenwehr. Aber die Transalpiner, nur des Nahkampfes gewohnt, wichen vor den Geschossen der roemischen Plaenkler; im Handgemenge setzte die bessere Staehlung der roemischen Waffen die Gallier in Nachteil; endlich entschied der Flankenangriff der siegreichen roemischen Reiterei den Tag. Die keltischen Berittenen entrannen; fuer das Fussvolk, das zwischen dem Meere und den drei roemischen Heeren eingekeilt war, gab es keine Flucht. 10000 Kelten mit dem Koenig Concolitanus wurden gefangen; 40000 andere lagen tot auf dem Schlachtfeld; Aneroestus und sein Gefolge hatten sich nach keltischer Sitte selber den Tod gegeben.

Der Sieg war vollstaendig und die Roemer fest entschlossen, die Wiederholung solcher Einfaelle durch die voellige Ueberwaeltigung der Kelten diesseits der Alpen unmoeglich zu machen. Ohne Widerstand ergaben im folgenden Jahr (530 224) sich die Boier nebst den Lingonen, das Jahr darauf (531 223) die Anaren; damit war das Flachland bis zum Padus in roemischen Haenden. Ernstlichere Kaempfe kostete die Eroberung des noerdlichen Ufers. Gaius Flaminius ueberschritt in dem neugewonnenen anarischen Gebiet (etwa bei Piacenza) den Fluss (531 223); allein bei dem Uebergang und mehr noch bei der Festsetzung am anderen Ufer erlitt er so schwere Verluste und fand sich, den Fluss im Ruecken, in einer so gefaehrlichen Lage, dass er mit dem Feind um freien Abzug kapitulierte, den die Insubrer toerichterweise zugestanden. Kaum war er indes entronnen, als er vom Gebiet der Cenomanen aus und mit diesen vereinigt von Norden her in den Gau der Insubrer zum zweitenmal einrueckte. Zu spaet begriffen diese, um was es sich jetzt handle; sie nahmen aus dem Tempel ihrer Goettin die goldenen Feldzeichen, “die unbeweglichen” genannt, und mit ihrem ganzen Aufgebot, 50000 Mann stark, boten sie den Roemern die Schlacht. Die Lage dieser war gefaehrlich: sie standen mit dem Ruecken an einem Fluss (vielleicht dem Oglio), von der Heimat getrennt durch das feindliche Gebiet und fuer den Beistand im Kampf wie fuer die Rueckzugslinie angewiesen auf die unsichere Freundschaft der Cenomanen. Indes es gab keine Wahl. Man zog die in den roemischen Reihen fechtenden Gallier auf das linke Ufer des Flusses; auf dem rechten, den Insubrern gegenueber, stellte man die Legionen auf und brach die Bruecken ab, um von den unsicheren Bundesgenossen wenigstens nicht im Ruecken angefallen zu werden.

Freilich schnitt also der Fluss den Rueckzug ab und ging der Weg zur Heimat durch das feindliche Heer. Aber die Ueberlegenheit der roemischen Waffen und der roemischen Disziplin erfocht den Sieg und das Heer schlug sich durch; wieder einmal hatte die roemische Taktik die strategischen Fehler gutgemacht. Der Sieg gehoerte den Soldaten und Offizieren, nicht den Feldherren, die gegen den gerechten Beschluss des Senats nur durch Volksgunst triumphierten. Gern haetten die Insubrer Frieden gemacht; aber Rom forderte unbedingte Unterwerfung, und so weit war man noch nicht. Sie versuchten, sich mit Hilfe der noerdlichen Stammgenossen zu halten, und mit 30000 von ihnen geworbenen Soeldnern derselben und ihrer eigenen Landwehr empfingen sie die beiden im folgenden Jahr (532 222) abermals aus dem cenomanischen Gebiet in das ihrige einrueckenden konsularischen Heere. Es gab noch manches harte Gefecht; bei einer Diversion, welche die Insubrer gegen die roemische Festung Clastidium (Casteggio, unterhalb Pavia) am rechten Poufer versuchten, fiel der gallische Koenig Virdumarus von der Hand des Konsuls Marcus Marcellus. Allein nach einer halb von den Kelten schon gewonnenen, aber endlich doch fuer die Roemer entschiedenen Schlacht erstuermte der Konsul Gnaeus Scipio die Hauptstadt der Insubrer, Mediolanum, und die Einnahme dieser und der Stadt Comum machte der Gegenwehr ein Ende. Damit waren die italischen Kelten vollstaendig besiegt, und wie eben vorher die Roemer den Hellenen im Piratenkrieg den Unterschied zwischen roemischer und griechischer Seebeherrschung gezeigt, so hatten sie jetzt glaenzend bewiesen, dass Rom Italiens Pforten anders gegen den Landraub zu wahren wusste als Makedonien die Tore Griechenlands und dass trotz allen inneren Haders Italien dem Nationalfeinde gegenueber ebenso einig wie Griechenland zerrissen dastand.

Die Alpengrenze war erreicht, insofern als das ganze Flachland am Po entweder den Roemern untertaenig oder, wie das cenomanische und venetische Gebiet, von abhaengigen Bundesgenossen besessen war; es bedurfte indes der Zeit, um die Konsequenzen dieses Sieges zu ziehen und die Landschaft zu romanisieren. Man verfuhr dabei nicht in derselben Weise. In dem gebirgigen Nordwesten Italiens und in den entfernteren Distrikten zwischen den Alpen und dem Po duldete man im ganzen die bisherigen Bewohner; die zahlreichen sogenannten Kriege, die namentlich gegen die Ligurer gefuehrt wurden (zuerst 516 238), scheinen mehr Sklavenjagden gewesen zu sein, und wie oft auch die Gaue und Taeler den Roemern sich unterwarfen, war die roemische Herrschaft doch hier kaum mehr als ein Name. Auch die Expedition nach Istrien (533 221) scheint nicht viel mehr bezweckt zu haben, als die letzten Schlupfwinkel der adriatischen Piraten zu vernichten und laengs der Kueste zwischen den italischen Eroberungen und den Erwerbungen an dem anderen Ufer eine Kontinentalverbindung herzustellen. Dagegen die Kelten in den Landschaften suedlich vom Po waren der Vernichtung rettungslos verfallen; denn bei dem losen Zusammenhang der keltischen Nation nahm keiner der noerdlichen Kettengaue ausser fuer Geld sich der italischen Stammgenossen an, und die Roemer sahen in denselben nicht bloss ihre Nationalfeinde, sondern auch die Usurpatoren ihres natuerlichen Erbes. Die ausgedehnte Ackerverteilung von 522 (332) hatte schon das gesamte Gebiet zwischen Ancona und Ariminum mit roemischen Kolonisten gefuellt, die ohne kommunale Organisation in Marktflecken und Doerfern hier sich ansiedelten. Auf diesem Wege ging man weiter, und es war nicht schwer, eine halbbarbarische, dem Ackerbau nur nebenher obliegende und ummauerter Staedte entbehrende Bevoelkerung, wie die keltische war, zu verdraengen und auszurotten. Die grosse Nordchaussee, die wahrscheinlich schon achtzig Jahre frueher ueber Otricoli nach Narni gefuehrt und kurz vorher bis an die neubegruendete Festung Spoletium (514 240) verlaengert worden war, wurde jetzt (534 220) unter dem Namen der Flaminischen Strasse ueber den neu angelegten Marktflecken Forum Flaminii (bei Foligno) durch den Furlopass an die Kueste und an dieser entlang von Fanum (Fano) bis nach Ariminum gefuehrt; es war die erste Kunststrasse, die den Apennin ueberschritt und die beiden italischen Meere verband. Man war eifrig beschaeftigt, das neugewonnene fruchtbare Gebiet mit roemischen Ortschaften zu bedecken. Schon war zur Deckung des Uebergangs ueber den Po auf dem rechten Ufer die starke Festung Placentia (Piacenza) gegruendet, nicht weit davon am linken Cremona angelegt, ferner auf dem den Boiern abgenommenen Gebiet der Mauerbau von Mutina (Modena) weit vorgeschritten; schon bereitete man weitere Landanweisungen und die Fortfuehrung der Chaussee vor, als ein ploetzliches Ereignis die Roemer in der Ausbeutung ihrer Erfolge unterbrach.

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