4.

Ich lag ein Paar Wochen hinterdrein in Genua krank. Dann folgte ein schwermüthiger Frühling in Rom, wo ich das Leben hinnahm - es war nicht leicht. Im Grunde verdross mich dieser für den Dichter des Zarathustra unanständigste Ort der Erde, den ich nicht freiwillig gewählt hatte, über die Maassen; ich versuchte loszukommen, - ich wollte nach Aquila, dem Gegenbegriff von Rom, aus Feindschaft gegen Rom gegründet, wie ich einen Ort dereinst gründen werde, die Erinnerung an einen Atheisten und Kirchenfeind comme il faut, an einen meiner Nächstverwandten, den grossen Hohenstaufen-Kaiser Friedrich den Zweiten. Aber es war ein Verhängniss bei dem Allen: ich musste wieder zurück. Zuletzt gab ich mich mit der piazza Barberini zufrieden, nachdem mich meine Mühe um eine anti-christliche Gegend müde gemacht hatte. Ich fürchte, ich habe einmal, um schlechten Gerüchen möglichst aus dem Wege zu gehn, im palazzo del Quirinale selbst nachgefragt, ob man nicht ein stilles Zimmer für einen Philosophen habe. - Auf einer loggia hoch über der genannten piazza, von der aus man Rom übersieht und tief unten die fontana rauschen hört, wurde jenes einsamste Lied gedichtet, das je gedichtet worden ist, das Nachtlied; um diese Zeit gieng immer eine Melodie von unsäglicher Schwermuth um mich herum, deren Refrain ich in den Worten wiederfand "todt vor Unsterblichkeit…" Im Sommer, heimgekehrt zur heiligen Stelle, wo der erste Blitz des Zarathustra-Gedankens mir geleuchtet hatte, fand ich den zweiten Zarathustra. Zehn Tage genügten; ich habe in keinem Falle, weder beim ersten, noch beim dritten und letzten mehr gebraucht. Im Winter darauf, unter dem halkyonischen Himmel Nizza's, der damals zum ersten Male in mein Leben hineinglänzte, fand ich den dritten Zarathustra - und war fertig. Kaum ein Jahr, für's Ganze gerechnet. Viele verborgne Flecke und Höhen aus der Landschaft Nizza's sind mir durch unvergessliche Augenblicke geweiht; jene entscheidende Partie, welche den Titel "von alten und neuen Tafeln" trägt, wurde im beschwerlichsten Aufsteigen von der Station zu dem wunderbaren maurischen Felsenneste Eza gedichtet, - die Muskel-Behendheit war bei mir immer am grössten, wenn die schöpferische Kraft am reichsten floss. Der Leib ist begeistert: lassen wir die "Seele" aus dem Spiele… Man hat mich oft tanzen sehn können; ich konnte damals, ohne einen Begriff von Ermüdung, sieben, acht Stunden auf Bergen unterwegs sein. Ich schlief gut, ich lachte viel -, ich war von einer vollkomm[n]en Rüstigkeit und Geduld.

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