6.

Man wird mir dankbar sein, wenn ich eine so wesentliche, so neue
Einsicht in vier Thesen zusammendränge: ich erleichtere damit das
Verstehen, ich fordere damit den Widerspruch heraus.

Erster Satz. Die Gründe, darauf hin "diese" Welt als scheinbar bezeichnet worden ist, begründen vielmehr deren Realität, - eine andre Art Realität ist absolut unnachweisbar.

Zweiter Satz. Die Kennzeichen, welche man dem "wahren Sein" der Dinge gegeben hat, sind die Kennzeichen des Nicht Seins, des Nichts, - man hat die "wahre Welt" aus dem Widerspruch zur wirklichen Welt aufgebaut: eine scheinbare Welt in der That, insofern sie bloss eine moralisch-optische Täuschung ist.

Dritter Satz. Von einer "andren" Welt als dieser zu fabeln hat gar keinen Sinn, vorausgesetzt, dass nicht ein Instinkt der Verleumdung, Verkleinerung, Verdächtigung des Lebens in uns mächtig ist: im letzteren Falle rächen wir uns am Leben mit der Phantasmagorie eines "anderen", eines "besseren" Lebens.

Vierter Satz. Die Welt scheiden in eine "wahre" und eine "scheinbare", sei es in der Art des Christenthums, sei es in der Art Kant's (eines hinterlistigen Christen zu guterletzt) ist nur eine Suggestion der décadence, - ein Symptom niedergehenden Lebens… Dass der Künstler den Schein höher schätzt als die Realität, ist kein Einwand gegen diesen Satz. Denn "der Schein" bedeutet hier die Realität noch einmal, nur in einer Auswahl, Verstärkung, Correctur… Der tragische Künstler ist kein Pessimist, - er sagt gerade Ja zu allem Fragwürdigen und Furchtbaren selbst, er ist dionysisch…

Wie die "wahre Welt" endlich zur Fabel wurde.

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