20.

Nichts ist schön, nur der Mensch ist schön: auf dieser Naivetät ruht alle Ästhetik, sie ist deren erste Wahrheit. Fügen wir sofort noch deren zweite hinzu: Nichts ist hässlich als der entartende Mensch, - damit ist das Reich des ästhetischen Urtheils umgrenzt. - Physiologisch nachgerechnet, schwächt und betrübt alles Hässliche den Menschen. Es erinnert ihn an Verfall, Gefahr, Ohnmacht; er büsst thatsächlich dabei Kraft ein. Man kann die Wirkung des Hässlichen mit dem Dynamometer messen. Wo der Mensch überhaupt niedergedrückt wird, da wittert er die Nähe von etwas "Hässlichem". Sein Gefühl der Macht, sein Wille zur Macht, sein Muth, sein Stolz - das fällt mit dem Hässlichen, das steigt mit dem Schönen… Im einen wie im andern Falle machen wir einen Schluss: die Prämissen dazu sind in ungeheurer Fülle im Instinkte aufgehäuft. Das Hässliche wird verstanden als ein Wink und Symptom der Degenerescenz: was im Entferntesten an Degenerescenz erinnert, das wirkt in uns das Urtheil "hässlich". Jedes Anzeichen von Erschöpfung, von Schwere, von Alter, von Müdigkeit, jede Art Unfreiheit, als Krampf, als Lähmung, vor Allem der Geruch, die Farbe, die Form der Auflösung, der Verwesung, und sei es auch in der letzten Verdünnung zum Symbol - das Alles ruft die gleiche Reaktion hervor, das Werthurtheil "hässlich". Ein Hass springt da hervor: wen hasst da der Mensch? Aber es ist kein Zweifel: den Niedergang seines Typus. Er hasst da aus dem tiefsten Instinkte der Gattung heraus; in diesem Hass ist Schauder, Vorsicht, Tiefe, Fernblick, - es ist der tiefste Hass, den es giebt. Um seinetwillen ist die Kunst tief…

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