Einleitung.

Wenn ich an alle die inhaltschweren Vorreden denke, die Verfasser oder Verleger ihren literarischen Erzeugnissen als Empfehlung mit auf den Weg zu geben pflegen, dann kommen mir doch gelinde Zweifel. Eines schickt sich nicht für alle, und was den mehr oder weniger anmutigen Kindern der Muse recht ist, braucht den anspruchslosen wirklichkeitsnüchternen Kindern der Muße einer afrikanischen Hausfrau noch lange nicht billig zu sein. Denn die nachstehenden Tagebuchblätter geben in der Tat nur die Aufzeichnungen wieder, zu denen ich in den ersten Jahren meines ostafrikanischen Hausfrauenlebens gelegentlich Zeit fand.

Für den Entschluß, diesen Blättern einige Worte zur Einführung voranzusetzen, war zunächst der Wunsch entscheidend, diesen bescheidenen literarischen Versuch dem Wohlwollen meiner Leserinnen zu empfehlen. Daß ich die zuweilen unter recht erschwerenden Umständen zu Papier gebrachten Notizen dereinst der Öffentlichkeit übergeben würde, ahnte ich freilich noch nicht, als ich Herrn v. Wissmann das Versprechen gab, ein möglichst getreues Tagebuch zu führen; die Ausführung stellte zuweilen recht hohe Anforderungen an Willens- und an Körperkraft, besonders wenn es galt, nach beschwerdereichem Marsche die Ereignisse des Tages noch schriftlich festzulegen, anstatt der wohlverdienten Ruhe zu pflegen. Die Energie zur Durchführung dieser selbstauferlegten Pflicht auch unter schwierigen Verhältnissen verdanke ich dem Beispiel meines Gatten.

Dann aber möchte ich mit diesem Vorworte der gesellschaftlichen Pflicht persönlicher Vorstellung nachkommen, indem ich die Vorgeschichte der Entstehung dieser Tagebuchblätter kurz kennzeichne. Da muß ich denn bis auf unsere Schulzeit in Liegnitz zurückgehen. Daß der damalige Schüler der Ritterakademie, Tom Prince, und ich füreinander bestimmt seien, das unterlag für uns beide schon damals keinem Zweifel, und diese Schülerliebe hat sich bewährt; aus den Kindern wurden Leute, das Schicksal führte uns weit auseinander: Tom wurde Offizier beim Infanterie-Regiment Nr. 99 in Straßburg im Elsaß und ich kam nach Königsberg i. Pr., wo mein Vater als Rittmeister bei den Wrangel-Kürassieren stand. Das war ungefähr das Höchste, was wir uns im Deutschen Reiche an Entfernung leisten konnten, es sollte aber noch ganz anders kommen. Zu jener Zeit zogen die kühnen und erfolgreichen Kämpfe Hermann Wissmanns und seiner tapferen Schar die Augen der Welt auf unsere junge Kolonie. Zu dem Tatendrang des jungen Leutnants kam die Sehnsucht nach den Tropen, wo einst seine Wiege gestanden. Tom ist auf der Insel Mauritius (Ile de France) geboren, wo sein Vater englischer Polizeigouverneur war, er entstammt einer englischen Familie; seine Mutter war deutscher Abkunft, eine Tochter des Missionars Ansorge, der viele Jahre hindurch in Indien gewirkt hat. So hielt es den jungen Offizier nicht länger in dem Einerlei des Garnisondienstes.

Der Name Wissmann war ein mächtiger Magnet für die kriegerische Jugend Deutschlands; zur Zeit, als Tom auf eigenes Risiko sich auf den Weg machte, um in der Wissmannschen Schutztruppe Dienst zu nehmen, standen ungefähr 1500 Anwärter vor ihm auf der Liste. In Sansibar heuerte er gleich nach seiner Ankunft eine Dhau, um so rasch als möglich sein Ziel zu erreichen. Diese Ungeduld sollte verhängnisvoll werden: das kleine Fahrzeug erlitt Schiffbruch, die arabische Bootsmannschaft ertrank, und nur Tom wurde gerettet, nachdem er 13 Stunden lang mit Hilfe einer Holzkiste sich über Wasser gehalten! All sein Gepäck, sein Geld, seine Papiere waren verloren. So gelangte er zu Wissmann, der ihn vorläufig seiner Truppe beigab, dann aber als Offizier einstellte, nachdem die erforderlichen Papiere aus Deutschland besorgt waren. Die Taten Wissmanns, dieses im Kampfe heldenmütigen, im Aushalten von Anstrengungen und Entbehrungen des Tropenkrieges unermüdlichen und vorbildlichen Führers der ersten deutschen Kolonialtruppe, gehören der Geschichte an und damit auch die meines Mannes. Was ich in jenen sieben Jahren durchlebte, in Furcht und Hoffnung um das Leben des Jugendgeliebten bangend, mit welcher Sorge die spärlichen Zeitungsnachrichten über neue Kämpfe und Expeditionen der Wissmannleute das Mädchenherz erfüllten, bis endlich einmal wieder ein Brief von Toms eigener Hand mir für kurze Zeit Beruhigung gab — das weiß nur ich und der allgütige Gott, der den Geliebten mir erhielt und mir die Kraft verlieh, das schier Übermenschliche zu tragen! So wurde mir der Brautstand zur strengen Lebensschule, zur Vorbereitung auf meinen Beruf als deutsche Offiziersfrau in den neugewonnenen Kolonien.

Endlich nach sieben langen bangen Jahren hatten die Verhältnisse in Deutsch-Ostafrika sich soweit geklärt, daß Tom mich nach seiner neuen, schwererkämpften Heimat hinüberholen konnte, an der auch ich mir in meinem sorgenvollen Brautstand ein Heimatsrecht erworben zu haben glaube.

Am 4. Januar 1896 war unsere Hochzeit in Militsch, und nach etwa einem halben Jahr, das wir noch in Deutschland verbracht, trafen wir in Dar-es-Salaam ein und warteten dort auf weitere Bestimmung für meinen Mann. Der letzte, gefährlichste Gegner der deutschen Herrschaft, der Sultan Quawa von Uhehe mit seinen tapferen Scharen, galt nach der Erstürmung seiner Hauptstadt für überwunden, ein Erfolg, an dem mein Mann in anerkannter Weise beteiligt war. Aber die Zeit sollte lehren, daß ein solcher Schlag nicht genügt, ein afrikanisches Kriegervolk niederzuhalten, dessen Hauptkriegskunst darin besteht, den Stößen des Angreifers geschickt auszuweichen.

Nach einem kurzen Aufenthalt in Dar-es-Salaam, wo mir von allen Seiten mit der größten und freundlichsten Fürsorge begegnet wurde, erhielt mein Mann den Befehl, die Station Perondo zu übernehmen, die an der Grenze von Uhehe neu gegründet war. Von dort aus sollte er die friedliche Unterwerfung des Volks der Wahehe weiter fördern. Nähere Kunde über die Station wie über die augenblickliche Stimmung Quawas und seiner Wahehe war aber zunächst nicht zu erhalten, denn die letzten Berichte waren infolge der Überschwemmungen im Inneren des Landes noch nicht zur Küste gelangt. Daß der verheißungsvolle Name Dar-es-Salaam, Hafen des Friedens, den wir bei unserer Einfahrt in die prachtvolle Bucht als günstiges Vorzeichen begrüßten, in Wahrheit nur geographische Bedeutung für uns haben sollte, ahnten wir freilich nicht, als wir hoffnungsvoll den Marsch nach der Stätte unseres Wirkens antraten.

Zum Schluß möchte ich noch einem Bedenken begegnen, das vielleicht gegen den Gebrauch so mancher fremdklingender Ausdrücke in den nachfolgenden Blättern erhoben werden könnte. Es ließe sich gewiß manches durch entsprechende deutsche Bezeichnung ausdrücken oder umschreiben, und in einem Buche mit lehrhafter Tendenz nach irgendwelcher Richtung sollte der Verfasser stets bemüht bleiben, die so oft gerügten Anleihen an die arabischen und Suaheli-Mundarten sowie an die uns aus den englischen Kolonien überkommenen Bezeichnungen zu vermeiden. Hier sind jedoch nur die frischen persönlichen Eindrücke wiedergegeben, die eine gänzlich „unliterarische“ junge Frau in ihrem Tagebuche zunächst für sich und ihre nächsten Angehörigen skizzierte; würde da nicht ein gut Teil von unmittelbarer Anschauung, „afrikanischer Lokalfärbung“ dieser anspruchslosen Skizzen verloren gehen? In diesem Sinne bitte ich für diese kleine Unart meines schriftstellerischen Erstlings um freundliche Nachsicht.

Seit zwei Jahren leben wir nun als friedliche, betriebsame Pflanzer in der neuen Heimat, nachdem mein Gatte den Degen mit dem Pfluge vertauscht. Gott schenke dem schönen Lande, das mit so vielem edlen Blut auf dem Schlachtfelde erkämpft, das so schwere Opfer an Leben und Gesundheit unserer wackeren Pioniere der Kultur gekostet, eine segensreiche Entwicklung. Noch stehen wir am Anfange dieser Kultur, möchte deutscher Unternehmungsgeist sich mehr und mehr auf diesem neuen Gebiete betätigen, der Lohn wird nicht ausbleiben.

Möchten vor allem auch die deutschen Frauen regen Anteil nehmen an der friedlichen Eroberung des herrlichen, zukunftsreichen Landes. Der Mann gründet das Haus, die Frau hält es! Der Satz gilt heute mehr wie je auch für unsere Kolonien. Könnte ich doch Euch, Ihr deutschen Frauen und Mädchen, für unser junges Deutschland über See gewinnen. Was Ihr an gewohnten Annehmlichkeiten des Lebens, an Geselligkeit, Vergnügungen und Anregungen aller Art hier im Vergleich mit der alten Heimat entbehren würdet, es wird mehr als aufgewogen durch die Betätigung und Pflichterfüllung, in der Ihr Euch an der Seite eines geliebten Gatten ausleben könnt. Wahrlich, es ist ein schönes Los, in diesem Siegeszuge deutscher Kultur eine Stelle einnehmen zu dürfen! Deutsches Familienleben, deutsche Jugend in Ostafrika — wenn dieses hohe Ziel erreicht ist, dann erst strahlt unsere neue Heimat als herrlicher Edelstein in der deutschen Kaiserkrone!

Sakkarani (West-Usambara), Winter 1902.

Magdalene Prince geb. v. Massow.

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