Frankfurt a. M., den 9. August 1848.
Nach der gestrigen, stürmischen, Leib und Seele angreifenden Sitzung ging ich zur Erholung ins Schauspiel, und sah: „eine Familie“, von der Birch-Pfeiffer. Trügt mich mein Gedächtniß nicht, so ziehe ich die hiesige Darstellung der berliner im Ganzen vor: löblich war unter Anderen Fräulein Janauschek, vor Allen aber spielte Fräulein Lindner, die alte Madame Braun, in jeder Beziehung meisterhaft. Jedes Wort, jede Bewegung war angemessen, charakteristisch, anziehend. Keine Uebertreibung, nichts auf bloßen Effekt berechnet, und doch Alles von heiterer, rührender, großer Wirkung. Man hätte ununterbrochen klatschen müssen (auch habe ich es in meiner theilnehmenden Bewunderung nicht daran fehlen lassen) und der Hervorruf nach dem einen Akte war mehr verdient als tausend andere.
Wenn ich von der Sorge und dem Aerger der letzten Tage absehe, so liegt in dem Tadelnswerthen, Erschreckenden, wiederum viel Gutes und Hoffnung Erweckendes. So z. B.
1) war (obwohl ohne Theilnahme der Regierungen) die Wahl des Erzherzogs zum Reichsverweser ein Glück und ein Sieg über die anarchischen Plane einer Partei.
2) Endete die gewaltige Aufregung über die Polen mit einem Siege der deutschen Sache, und einer einstweiligen Bestätigung des Friedens mit Rußland.
3) Haben Mißgriffe das sich auflösende Preußen aufgeweckt und zum Selbstbewußtsein gebracht.
4) Sieht man täglich mehr ein: der Gegensatz, Deutschland oder Preußen, sei ein thörichter. Eins kann nicht bestehen ohne das Andere.
5) Hat die Linke, trotz alles Skandals, in der Amnestiefrage eine völlige Niederlage erlitten, und wird sie bei der Frage über Hecker’s Wahl morgen wieder erleiden.
6) Hat das ungezogene Benehmen der Galerien endlich die meisten Abgeordneten überzeugt: man dürfe den souverainen Pöbel nicht länger hätscheln und mit dem Volke verwechseln. Zum geistigen und leiblichen Wohle der Versammlung werden, wie ich höre, schon morgen an 800 Menschen weniger eingelassen und die gewonnenen Räume zu nützlicheren Zwecken verwandt. Als gestern wohl 1500 bis 2000 Menschen hinausgetrieben waren, konnte man erst wieder bessere Luft einathmen. Vorher, zum Ohnmächtigwerden!