Siebzehnter Brief.

Frankfurt a. M., den 24. Junius 1848.

Ich könnte mich allmälig für einen großen Diplomaten halten; denn ob ich gleich den Polen, und den Abgeordneten aus Trient und Roveredo (Pretis, Vettorazzi, Marsilli und Prato) mit gewohnter Aufrichtigkeit sagte, hinsichtlich welcher Hauptpunkte ich bestimmt gegen sie stimmen würde, sahen die Letzten doch, wie bereit ich war, in möglichen Dingen ihre Wünsche zu unterstützen. Und so schieden wir als die besten Freunde; auch versprachen sie mir die beste Aufnahme, wenn ich je wieder in ihre Gegend kommen sollte.

Soeben sehe ich, zu einigem Troste, aus der spikerschen Zeitung vom 22. d. M., daß sich endlich kräftige Stimmen für Recht und Ordnung in Berlin erhoben, damit die Schande des Benehmens nicht Alle treffe, und die Rückkehr zum Besseren angebahnt werde.

Die heutige Sitzung war sehr lang (9–3 Uhr), aber doch nicht langweilig, vielmehr ward überwiegend gut gesprochen, und man schien sich einem erfreulichen Ziel zu nähern. R. Blum begann in seiner gewöhnlichen, geschickten, aber allerdings mit Sophismen durchzogenen Weise. Doch versprach er ohne Bitterkeit und Persönlichkeit zu reden, und hielt auf löbliche Weise sein Wort. Ähnlich Lichnowsky, obgleich von ganz entgegengesetztem Standpunkte ausgehend und ihm vollgewichtig die Wage haltend. — Vogt aus Gießen schwächer, in Phraseologie verfallend, Zweifelhaftes als unläugbar, Vorausgesetztes als erwiesen hinstellend u. s. w. Raveaux brachte durch eine vorsätzliche Seitenwendung die Rede auf die bekannte freundliche Erklärung Frankreichs gegen Deutschland. Mit allgemeiner Begeisterung ward diese Freundlichkeit von allen Seiten erwidert, zu gleicher Zeit aber mit nicht geringerem Beifalle hinzugesetzt: jeder Verletzung deutscher Rechte und Gränzen werde man einig und mit aller Kraft entgegentreten. Beides war gut und löblich. — Ich übergehe Personen und Inhalt anderer Reden; erst die des Präsidenten Gagern war praktisch, erneute die Aufmerksamkeit und überraschte sehr in zweifacher Weise. Erstens durch die (von der Linken mit lautestem Beifall aufgenommene) Erklärung: die Versammlung solle den Reichsverweser, ohne weitere Theilnahme der Regierungen, ernennen; aber derselbe solle (der Rechten gelegen) kein Privatmann, sondern Fürst aus einem der ersten Häuser sein. Die Wahrscheinlichkeit ist hiedurch sehr gewachsen, a) die Versammlung werde allein wählen; b) der Erwählte werde ein Fürst, c) es werde der Erzherzog Johann von Österreich sein. — Nach vielem Hin- und Herüberlegen möchte dies, aus vielen Möglichkeiten, der beste Ausweg sein; oder wenigstens praktisch weniger Schwierigkeiten und Widersprüche herbeiführen, als irgend ein anderer Vorschlag. Jeden Falls ist es sehr wünschenswerth, daß sich für den zu fassenden Beschluß eine sehr große Mehrzahl ausspreche, und demselben dadurch ein unentbehrliches Gewicht gebe.

Mit wie erstaunlichem Nachdruck tritt das ganz für aufgelöset erachtete Österreich in Böhmen und Croatien auf. In Prag dieselben Schüsse (wie in Berlin, Paris u. s. w.), dasselbe Geschrei von Verrath; dann aber eine Entschlossenheit, welche nicht blos daraus hervorging, daß man des Fürsten W. Gemahlin mörderisch erschossen hatte.

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