Frankfurt a. M., den 15. Junius 1848.
Hierauf ein Besuch des Hrn. Bassermann, den ich verfehlt hatte. Der vernünftige Mann, welcher zuerst den kühnen Gedanken von einem allgemeinen deutschen Parlamente aussprach, wird jetzt auch schon verlästert und verketzert.
Jetzt erschien wiederum ein polnischer Abgeordneter, Graf P. Ich könnte mir einbilden, daß meine immer nachdrücklich wiederholten, dialogischen Vorstellungen Eindruck machten. Wenigstens ward er mit mir einig: die rein deutsche Bevölkerung müsse von der polnischen getrennt und zu Deutschland geschlagen werden. Die gemischte Bevölkerung müsse man nach gütlicher Übereinkunft durch unparteiische Beauftragte, der deutschen oder polnischen Seite zuweisen. Die Festung Posen müsse (selbst zum Besten der Polen) in preußischen Händen bleiben. — Ich will die Gründe für diese Vorschläge nicht wiederholen. Es folgt aber gar nicht daß, was Graf P. heute billigt, ihm nach genommener Rücksprache mit mehr fanatisirten Polen, noch morgen billig und nützlich erscheint. So lauten z. B. die Anträge des pariser polnischen Ausschusses hinsichtlich der deutschen Bevölkerung auf unbedingte Unterwerfung unter die zu errichtende polnische Regierung. Die Juden sollen ferner in keinem Falle der deutschen Bevölkerung hinzugerechnet werden u. s. w. Ich habe übrigens dem Grafen P. offen gesagt, was der Ausschuß wahrscheinlich annehmen und verwerfen dürfte, und für und gegen welche Anträge ich stimmen würde.
Den 16. Junius.
Ich erfuhr gestern, gewiß nicht zu Eurer Freude, daß die Abgeordneten vieler demokratischen Vereine so eben beschlossen haben, Berlin zum Mittelpunkte aller ihrer Bestrebungen zu erheben und Emissaire u. s. w. dahin zu senden, um wo möglich durch ihre anarchischen Bestrebungen den preußischen Staat (der allein noch einige Haltung hat) auseinander zu sprengen. Wenn, wie man erzählt, die berliner Bürgerwehr nur dann einschreiten will, wenn Eigenthum bedroht wird, nicht aber bei politischen Bewegungen (wie gegen Arnim und Sydow), so wäre dies ein höchst einfältiger oder höchst böswilliger Beschluß. Haben denn die politischen Bewegungen nicht schon die Hälfte alles Vermögens hinweggenommen, und ist dem Mißhandelten seine Haut nicht so nahe und noch mehr sein Eigenthum, wie andere entbehrlichere Dinge? Sollen Sydow und Arnim erst klagen, nicht wenn man ihnen den Hut vom Kopfe schlägt, sondern wenn man ihn stiehlt? Die 10 Gebote sind aber freilich auch nicht mehr à la hauteur du jour, wie in der hiesigen Versammlung gehaltene Reden zeigen. — Die Thätigkeit der Demokraten ist ungemein groß, sie haben ein festes Ziel, scheuen kein Mittel, verlocken durch die Aussicht jeden Wohlhabenden nach Belieben zu schatzen, die Fürsten wegzujagen und ihr Eigenthum zu vertheilen. Die matte, feige, wankelmüthige Defensive der Fürsten und Regierungen vertilgt alles Vertrauen, und erhebt noch weniger zu thätiger Begeisterung. Kann man doch in Berlin nicht einmal zu dem in Paris gefaßten, so nothwendigen als löblichen Beschlusse kommen, mit Nachdruck die Straßenunruhen zu beenden und die heillosen Maueranschläge zu verbieten.
Im Badenschen denkt man bestimmt daran, die regierende Familie wegzujagen. Täglich rückt die Gefahr näher. Ein allgemeiner deutscher Bund könnte gewiß monarchische und republikanische Staaten in sich begreifen (wie es ja auch früher der Fall und die Zusammensetzung viel mannigfaltiger war), allein wenn die letzten durch Gewalt entstehen, ist eine Beruhigung und Versöhnung unendlich schwer. Hat man sich nicht 30 Jahre lang bekämpft, bevor man begriff, daß Katholiken und Protestanten friedlich nebeneinander leben können? Gehen wir politisch einer ähnlichen Jammerzeit entgegen, oder werden die Ultramontanen auch die religiöse Duldung hier von Neuem angreifen? — Es ist mehr als wahrscheinlich, daß, während eine Partei nur an Republiken denkt, eine andere die großen unabhängigen Erzbisthümer mit Kirchenfürsten herstellen möchte. Diesen wäre auch wohl ein Schattenkaiser in Frankfurt und ein ihn gängelnder, mächtiger Papst in Rom willkommen. Gott weiß, was das Chaos gebären wird; etwas Neues muß nach dieser Schwängerung nothwendig in die Welt kommen; denn der jüngste Tag ist noch nicht vor der Thür.
In der heutigen Sitzung des völkerrechtlichen Ausschusses kamen die allerbuntesten, wunderlichsten, uns zugestellten, Anträge zu vorläufigem Vortrage. Sie betrafen alle Länder und Völker Europas und Amerikas, Krieg, Frieden, Zölle, Auswanderungen, Abtretungen, große Proklamationen, und abermals Proklamationen u. s. w. Man theilte die Schaaren ein in Unterabtheilungen, und für jede Abtheilung erwählte man durch Abstimmung einen vorläufigen Berichterstatter. Mir wurden zu Theil: Anträge auf eilige Beendung des österreichisch-italienischen Krieges, Schutz oder Aufgeben Triests, Abtreten oder Nichtabtreten Südtirols u. dgl. Ich erklärte: über gewisse geschichtliche Curiositäten, auf welche Einige Gewicht legten, sei ich nicht unterrichtet; indessen schienen mir jene Anträge im Ganzen durchaus unzeitig, und ich sei entschieden dagegen, mit thörichter Großmuth Landstrecken abzutreten, während Niemand ähnliche Großmuth gegen Deutschland übe. Diese und ähnliche Bemerkungen, befreiten mich aber nicht von jenem Auftrage, und so will ich denn zunächst eine, für mich belehrende Rücksprache, mit dem österreichischen Gesandten Herrn v. Schmerling nehmen.
— kommt so eben aus einer Versammlung der Abgeordneten demokratischer Vereine. Er sagt, die wilde Leidenschaft der Vorträge, die Gewaltsamkeit der vorgeschlagenen Mittel, und die Thorheit der Zwecke sei solcher Art gewesen, daß er geglaubt, er sei zu gleicher Zeit im Tollhause und in einer Mördergrube. Diese Leute ziehen von Stadt zu Stadt, von Dorf zu Dorf, Alle verlockend, verführend, verdutzend, verdummend, verwildernd. Berlin soll von jetzt an ihre Residenz, ihr Hauptquartier sein. Wahrt Euch, ehe es (wie beim gestürzten Ministerium) zu spät ist!!
Gestern, 16. Abends, hörte ich zu meiner größten Betrübniß, daß in Berlin schon wieder Skandal gewesen. Wird denn Niemand der völligen Auflösung der bürgerlichen Gesellschaft entgegentreten? Sind denn die Stadtverordneten nichts wie Knechte des Pöbels? Und der Reichstag! Will man es durchaus bis zu einem Bürgerkriege der Landschaften, gegen den Pöbel und die Feiglinge der Hauptstadt treiben? Gott helfe weiter, denn wir helfen uns leider nicht einmal in den Dingen, wo menschliche Hülfe nöthig ist und ausreicht.