DRITTE SZENE

(Daselbst)

(Der Pförtner kommt; es wird geklopft.)

PFÖRTNER
Das ist ein Klopfen! Wahrhaftig, wenn einer
Höllenpförtner wäre, da hätte er was zu schließen.

(Klopfen.)

Poch, poch, poch: Wer da, in
Beelzebubs Namen? Ein Pachter, der sich in Erwartung einer reichen
Ernte aufhängte. Zur rechten Zeit gekommen; habt ihr auch
Schnupftücher genug bei euch?
Denn hier werdet ihr dafür schwitzen müssen!—

(Klopfen.)

Poch, poch: Wer da, in des andern Teufels Namen? Mein Treu, ein Zweideutler, der in beide Schalen gegen jede Schale schwören konnte, der um Gottes willen Verrätereien genug beging und sich doch nicht zum Himmel hinein zweideuteln konnte. Herein, Zweideutler!—

(Klopfen.)

Poch, poch, poch: Wer da? Mein
Treu, ein englischer Schneider, hier angekommen,
weil er etwas aus einer französischen Hose gestohlen.
Herein, Schneider; hier kannst du deine Bügelgans braten.

(Klopfen.)

Poch, poch—Keine Ruhe! Wer seid ihr? Aber hier ist es zu kalt für die Hölle; ich mag nicht länger Teufelspförtner sein. Ich dachte, ich wollte von jedem Gewerbe einige hereinlassen, die den breiten Rosenpfad zum ewigen Freudenfeuer wandeln.—

(Klopfen.)

Gleich, gleich! Ich bitt euch, bedenkt doch, daß der Pförtner auch ein Mensch ist.

(Er öffnet das Tor: Macduff und Lenox kommen herein.)

MACDUFF
Kamst du so spät zu Bett, Freund, daß du nun so spät aufstehst?

PFÖRTNER Mein Seel, Herr, wir zechten, bis der zweite Hahn krähte; und der Trunk ist ein großer Beförderer von drei Dingen.

MACDUFF
Was sind denn das für drei Dinge, die der Trunk vorzüglich befördert?

PFÖRTNER Ei, Herr, rote Nasen, Schlaf und Urin. Buhlerei befördert und dämpft er zugleich; er befördert das Verlangen und dämpft das Tun. Darum kann man sagen, daß vieles Trinken ein Zweideutler gegen die Buhlerei ist: es schafft sie und vernichtet sie, treibt sie an und hält sie zurück, macht ihr Mut und schreckt sie ab, heißt sie sich brav halten und nicht brav halten, zweideutelt sie zuletzt in Schlaf, straft sie Lügen und geht davon.

MACDUFF
Ich glaube, der Trunk strafte dich die Nacht Lügen.

PFÖRTNER Ja, Herr, das tat er, in meinen Hals hinein; aber ich vergalt ihm seine Lügen, und ich denke, ich war ihm doch zu stark: denn obgleich er mir die Beine ein paarmal unten wegzog, so fand ich doch einen Kniff, ihn hinauszuschmeißen.

MACDUFF
Ist dein Herr schon aufgestanden?
Geweckt hat unser
Klopfen ihn; hier kommt er.

(Macbeth tritt auf.)

LENOX
Guten Morgen, edler Herr!

MACBETH
Guten
Morgen, beide!

MACDUFF
Wacht schon der König, würdger Than?

MACBETH
Noch nicht.

MACDUFF
Mir gab er den Befehl, ihn früh zu wecken;
Die Zeit versäumt ich fast.

MACBETH
Ich führ Euch hin.

MACDUFF
Ich weiß, es ist 'ne Müh, die Euch erfreut;
Doch es ist eine Müh.

MACBETH
Die Arbeit, die uns freut, wird zum Ergötzen.
Hier ist die Tür.

MACDUFF
Ich wag es, ihn zu wecken,
Denn das ward mir befohlen.

(Er geht ab.)

LENOX
Reist der König
Heut ab?

MACBETH
So ists, er hat es so bestimmt.

LENOX
Die Nacht war stürmisch; wo wir schliefen, riß es
Den Schlot herab, und wie man sagt, erscholl
Ein Wimmern in der Luft, ein Todesstöhnen,
Ein Prophezein in fürchterlichem Laut
Von wildem Brand und gräßlichen Geschichten,
Neu ausgebrütet einer Zeit des Leidens.
Der dunkle Vogel schrie die ganze Nacht.
Man sagt, die Erde bebte fieberkrank.

MACBETH
Es war 'ne rauhe Nacht.

LENOX
Mein jugendlich Gedächtnis sucht umsonst
Nach ihresgleichen.

(Macduff kommt [von oben herunter] zurück.)

MACDUFF
O Grausen, Grausen, Grausen! Zung und Herz
Faßt es nicht, nennt es nicht!

MACBETH und LENOX
Was ist geschehn?

MACDUFF
Jetzt hat die Höll ihr Meisterstück gemacht!
Der kirchenräuberische Mord brach auf
Des Herrn geweihten Tempel und stahl weg
Das Leben aus dem Heiligtum.

MACBETH
Was sagt Ihr?
Das Leben?

LENOX
Meint Ihr Seine Majestät?

MACDUFF
Geht ein zur Kammer und zerstört die Sehkraft
Durch eine neue Gorgo! Laßt mich schweigen;
Seht, und dann redet selbst!

(Macbeth und Lenox gehen ab.)

Erwacht, erwacht!

([Macbeth und Lenox gehen ab.])

Die Sturmglock angeschlagen! Mord! Verrat!
Banquo und Donalbain! Malcolm! Erwacht!
Werft ab den flaumgen Schlaf, des Todes Abbild,
Und seht ihn selbst, den Tod! Auf, auf, und schaut
Des Weltgerichtes Vorspiel! Malcolm! Banquo!
Steigt wie aus eurem Grab, wie Geister schreitet,
Als Graungefolge diesen Mord zu schaun!

[Die Glocken stürmt!]

(Die Lärmglocke läutet. Lady Macbeth tritt auf.)

LADY MACBETH
Was ist denn vorgefallen,
Daß solche schreckliche Trompete ruft
Zum Rat die Schläfer dieses Hauses? Sprecht!

MACDUFF
O zarte Frau,
Ihr dürft nicht hören, was ich sagen könnte.
Vor eines Weibes Ohr es nennen, wäre
Ein Mord, wie Ihrs vernähmt.

(Banquo tritt auf.)

O Banquo, Banquo!
Der König, unser Herr, ermordet!

LADY MACBETH
Wehe! In unserm Haus?

BANQUO
Zu grausam, wo auch immer!—
O lieber Macduff, widersprich dir selber
Und sag, es sei nicht so.

(Macbeth und Lenox kommen mit Rosse zurück.)

MACBETH
War ich gestorben, eine Stunde nur,
Eh dies geschah, gesegnet war mein Dasein!
Von jetzt gibt es nichts Ernstes mehr im Leben;
Alles ist Tand, gestorben Ruhm und Gnade!
Der Lebenswein ist ausgeschenkt, nur Hefe
Blieb noch zu prahlen dem Gewölbe.

(Malcolm und Donalbain treten auf.)

DONALBAIN
Wem Geschah ein Leid?

MACBETH
Euch selbst, und wißt es nicht:
Der Born, der Ursprung Eures Blutes ist
Versiegt, die Lebensquelle selbst versiegt.

MACDUFF
Eur königlicher Vater ist ermordet.

MALCOLM
Ha! Von wem?

LENOX
Die Kämmerlinge, scheint es, sind die Täter;
Denn Händ und Antlitz trugen blutge Zeichen,
Auch ihre Dolche, die unabgewischt
Auf ihren Polstern lagen. Wie im Wahnsinn,
So starrt' ihr Auge, und es war gefährlich,
Nur ihnen nah zu kommen.

MACBETH
Oh, jetzt bereu ich meine Wut, daß ich
Sie niederstieß.

MACDUFF
Warum habt Ihrs getan?

MACBETH
Wer ist weis' und entsetzt, gefaßt und wütig,
Pflichttreu und kalt in einem Augenblick? Kein Mensch.
Die Raschheit meiner heftgen Liebe
Lief schneller als die zögernde Vernunft.
Duncan lag hier, die Silberhaut verbrämt
Mit seinem goldnen Blut; die offnen Wunden,
Sie waren wie ein Riß in der Natur,
Eingang verheernden Unheils; dort die Mörder,
Getaucht in ihres Handwerks Farb, die Dolche
Abscheulich von geronnenem Blute schwarz.
Wer konnte sich da zügeln, der ein Herz
Voll Liebe hatt und in dem Herzen Mut,
Die Liebe zu beweisen?

LADY MACBETH
Helft mir fort!

MACDUFF
Seht nach der Lady!

MALCOLM
Weshalb schweigen wir,
Da unser Anspruch an dies Weh der nächste?

DONALBAIN
Was solln wir sprechen, hier, wo unser Schicksal
Herstürzen kann aus irgendeinem Winkel,
Uns zu ergreifen? Fort, denn unsre Tränen
Sind noch nicht reif.

MALCOLM
Noch unser heftger Gram
Zu handeln schon bereit.

BANQUO
Seht nach der Lady!

(Lady Macbeth wird fortgeführt.)

Und haben wir verhüllt erst unsre Blößen,
Die so zu zeigen unschicklich, so treffen
Wir uns, der blutgen Untat nachzuforschen
Bis auf den Grund. Uns schütteln Furcht und Zweifel;
Ich steh in Gottes großer Hand, und so
Kämpf ich der ungesprochnen Anmutung Bösen
Verrats entgegen.

MACDUFF
So auch ich.

ALLE
Wir alle.

MACBETH
Wir wolln uns vollends anziehn und bald wieder
Uns in der Halle treffen.

ALLE
Wohl, so sei's!

(Malcolm und Donalbain bleiben; die übrigen gehn ab.)

MALCOLM
Was tust du? Laß uns nicht zu ihnen halten.
Erlognen Schmerz zu zeigen, ist 'ne Kunst,
Die leicht dem Falschen wird. Ich geh nach England.

DONALBAIN
Nach Irland ich; unser getrenntes Glück
Verwahrt uns besser. Wo wir sind, drohn Dolche
In jedes Lächeln, und je blutsverwandter,
So mehr verwandt dem Tode.

MALCOLM
Der mörderische Pfeil ist abgeschossen
Und fliegt noch; Sicherheit ist nur für uns,
Vermeiden wir das Ziel. Drum schnell zu Pferde,
Und zaudern wir nicht, jene noch zu grüßen,
Nein, heimlich fort! Nicht strafbar ist der Dieb,
Der selbst sich stiehlt, wo keine Gnad ihm blieb.

(Sie gehn ab.)

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