24.

Weil Nietzsche in der menschlichen Handlungsweise nur einen Ausfluß der Instinkte sieht, und diese letzteren bei verschiedenen Menschen verschieden sind, scheint es ihm notwendig, daß auch deren Handlungsweisen verschieden sind. Nietzsche ist deshalb ein entschiedener Gegner des demokratischen Grundsatzes: Gleiche Rechte und gleiche Pflichten für alle. Die Menschen sind ungleich, deshalb müssen auch ihre Rechte und Pflichten ungleich sein. Der natürliche Gang der Weltgeschichte wird stets starke und schwache, schaffende und unfruchtbare Menschen aufweisen. Und die Starken werden immer dazu berufen sein, den Schwachen die Ziele zu bestimmen. Ja noch mehr: die Starken werden sich der Schwachen als Mittel zum Zwecke, d. h. als Sklaven bedienen. Nietzsche spricht natürlich nicht von einem „moralischen“ Recht der Starken zur Haltung von Sklaven. „Moralische“ Rechte erkennt er nicht an. Sondern er ist der Meinung, daß die Überwindung des Schwächeren durch den Stärkeren, die er für das Princip alles Lebens hält, notwendig zur Sklaverei führen muß.

Es ist auch natürlich, daß sich der Überwundene gegen den Überwinder auflehnt. Wenn diese Auflehnung sich nicht durch die That äußern kann, so äußert sie sich wenigstens im Gefühle. Und der Ausdruck dieses Gefühles ist die Rache, die stets in den Herzen derer wohnt, die in irgend einer Weise von den besser Veranlagten überwunden worden sind. Als Ausfluß dieser Rache sieht Nietzsche die moderne socialdemokratische Bewegung an. Der Sieg dieser Bewegung würde ihm eine Erhöhung der Mißratenen, Übel-Weggekommenen zu Ungunsten der Besseren sein. Gerade das Gegenteil strebt Nietzsche an: die Pflege der starken, selbstherrlichen Persönlichkeit. Und er haßt die Sucht, die alles gleich machen und die souveräne Individualität in dem Meere der allgemeinen Mittelmäßigkeit verschwinden lassen will.

Nicht alle sollen dasselbe haben und genießen, meint Nietzsche, sondern jeder soll haben und genießen, was er nach Maßgabe seiner persönlichen Stärke erreichen kann.

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