Lines 844-986: The old knighthood and the new.

Als sie in Freuden assen,

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Da konnt’s nicht länger lassen

Der Vater, ihn zu fragen

Nach höfischem Betragen,

Wie er’s bei Hof gelernt jetzund.

“Mein Sohn, die Sitten tu mir kund,

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So bin ich auch dazu bereit,

Zu sagen, wie vor langer Zeit

In meinen jungen Jahren

Die Leut’ ich sah gebaren.”

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“Ach Vater, das erzähle jetzt,

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Ich geb’ auch Antwort dir zuletzt

Auf alle deine Fragen

Nach höfischem Betragen.”

“Vor Zeiten, da ich Knecht noch war

Bei meinem Vater manches Jahr,

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—Den du Grossvater hast genannt—

Hat der mich oft zu Hof gesandt

Mit Käse und mit Eiern,

Wie’s heut noch Brauch bei Meiern.

Da hab’ die Ritter ich betrachtet

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Und alles ganz genau beachtet.

Sie waren edel, kühn und treu,

Von Trug und niederm Sinne frei,

Wie’s leider heut nicht oft zu schaun

Bei Rittern und bei Edelfraun.

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Die Ritter wussten manches Spiel,

Das edlen Frauen wohlgefiel.

Eins wurde Buhurdier’n1 genannt,

Das tat ein Hofmann mir bekannt,

Als ich ihn nach dem Namen fragte

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Des Spiels, das da so wohl behagte.

Sie rasten dort umher wie toll

—Drob war man ganz des Lobes voll,—

Die einen hin, die andern her.

Jetzt sprengte dieser an und der,

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Als wollt’ er jenen niederstossen.

Bei meinen Dorfgenossen

Ist selten solcherlei geschehn,

Wie dort bei Hof ich’s hab’ gesehn.

Als sie vollendet nun das Reiten,

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Da sah ich sie im Tanze schreiten

Mit hochgemutem Singen;

Das lässt Kurzweil gelingen;

Bald kam ein muntrer Spielmann auch,

Der hub zu geigen an, wie’s Brauch.

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Da standen auf die Frauen,

Holdselig anzuschauen.

Die Ritter traten jetzt heran

Und fassten bei der Hand sie an;

Da war nun eitel Wonne gar

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Bei Frauen und der Ritterschar

Ob süsser Augenweide.

Die Junker und die Maide,

Sie tanzten fröhlich allzugleich

Und fragten nicht, ob arm, ob reich.

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Als auch der Tanz zu Ende war,

Trat einer aus der edlen Schar

Und las von einem, Ernst2 genannt;

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Und was von Kurzweil allerhand

Am liebsten jeder mochte treiben,

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Das fand er dort: Nach Scheiben

Mit Pfeil und Bogen schoss man viel;

Die andern trieben andres Spiel,

Sie freuten sich am Jagen.

O weh, in unsern Tagen

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Wär’ nun der Beste, das ist wahr,

Wer dort der Allerschlecht’ste war.

Da wusst’ ich wohl, was Ehr’ erwarb,

Eh’ leid’ge Falschheit es verdarb.

Die falschen, losen Gesellen,

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Die boshaft sich verstellen,

Nicht Recht und Sitte kennen,—

Niemand wollt’s ihnen gönnen,

Zu essen von des Hofes Speise.

Heut ist bei Hofe weise,

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Wer schlemmen und betrügen kann;

Der ist bei Hof der rechte Mann

Und hat an Geld und Gut und Ehr’

Ach, leider immer noch viel mehr

Als einer, der rechtschaffen lebt

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Und fromm sich Gottes Huld erstrebt.

So viel weiss ich von alter Sitte;

Nun, Sohn, tu mir die Ehr’, ich bitte,

Erzähle von der neuen nun.”

“Das, Vater, will ich treulich tun.

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Jetzt heisst’s bei Hof nur: Immer drauf,

Trink, Bruder, trink, und sauf und sauf!

Trink dies, so sauf’ ich das: juchhe!

Wie könnt’ uns wohler werden je?

Nun höre, was ich sagen will:

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Einst fand man edle Ritter viel

Bei schönen, werten Frauen.

Heut kann man sie nur schauen,

Wo unerschöpflich fliesst der Wein.

Und nichts macht ihnen Müh’ und Pein

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Vom Abend bis zum Morgen,

Als nur das eine Sorgen,

Wenn nun der Wein zur Neige geht,

Ob sie der Wirt auch wohl berät

Und neuen schafft von gleicher Güte.

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Da suchen Kraft sie dem Gemüte.

Ihr Minnesang heisst ungefähr:

Reich, Schenkin, schnell den Becher her!

Komm, süsses Mädchen, füll’ den Krug,

‘s gibt Narr’n und Affen noch genug.

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Die, statt zu trinken, ihren Leib

Elend verhärmen um ein Weib.

Wer lügen kann, der ist ein Held,

Betrug ist, was bei Hof gefällt,

Und wer nur brav verleumden kann,

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Der gilt als rechter höf’scher Mann.

Der Tüchtigste ist allerorten,

Wer schimpft mit den gemeinsten Worten.

Wer so altmodisch lebt wie ihr,

Der wird bei uns, das glaubet mir,

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In Acht und schweren Bann getan.

Und jedes Weib und jeder Mann

Liebt ihn nicht mehr noch minder

Als Henkersknecht und Schinder.

Und Acht und Bann ist Kinderspott.”3

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Der Alte sprach: “Erbarm’ sich Gott!

Ihm klag’ ich täglich neu das Leid,

Dass sich das Unrecht macht so breit.

Dahin ist der Turniere Pracht,

Dafür hat Neues man erdacht.

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Einst rief man kampfesfreudig so:

Frisch auf, Herr Ritter, frisch und froh!

Jetzt aber schallt’s an allen Tagen:

Hussa, Herr Ritter, auf zum Jagen,

Stich hier und schlag’ zu Tode den,

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Und blende, wer zu gut kann sehn.

Dem dort hau’ frisch nur ab das Bein,

Den lass der Hände ledig sein.

Lass den am nächsten Baume hangen,

Doch jenen Reichen nimm gefangen,

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Er zahlt uns gerne hundert Pfund.”

“Mir sind die Sitten alle kund,

Mein Vater, und ich könnte eben

Von diesem neuen Brauch und Leben

Noch viel erzählen, doch heut nicht mehr;

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Ich ritt den ganzen Tag umher,

Und mich verlangt nach Ruhe nun.”

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