LXVI. EWALD VON KLEIST

A Prussian soldier-poet (1715-1759) who fell at the battle of Kunersdorf. His temperament and the circumstances of his early life disposed him to melancholy; so that he readily came under the spell of Haller, Thomson, and the other poets who extolled nature and the simple life as a refuge from the badness of civilization. His best known production is the fragment called Spring (1749), in which fine passages of personal feeling are interwoven with detailed descriptions that are sometimes a little tedious. The text follows Muncker’s edition in Kürschner’s Nationalliteratur, Vol. 45.

1 Das Landleben.

O Freund,1 wie selig ist der Mann zu preisen,

Dem kein Getümmel, dem kein schwirrend Eisen,

Kein Schiff, das Beute, Mast und Bahn verlieret,

Den Schlaf entführet!

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Der nicht die Ruhe darf in Berge senken,

Der fern von Purpur, fern von Wechselbänken,

In eignen Schatten, durch den West gekühlet,

Sein Leben fühlet.

Er lacht der Schlösser, von Geschütz bewachet,

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Verhöhnt den Kummer, der an Höfen lachet,

Verhöhnt des Geizes in verschlossnen Mauren

Törichtes Trauren.

Sobald Aurora, wenn der Himmel grauet,

Dem Meer entsteigend, lieblich abwärts schauet,

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Flieht er sein Lager, ohn’ verzärtelt Schmücken,

Mit gleichen Blicken.

Er lobt den Schöpfer, hört ihm Lerchen singen,

Die durch die Lüfte sich dem Aug entschwingen,

Hört ihm vom Zephyr, lispelnd auf den Höhen,

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Ein Loblied wehen.

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Er schaut auf Rosen Tau wie Demant blitzen;

Schaut über Wolken von der Berge Spitzen,

Wie schön die Ebne, die sich blau verlieret,

Flora gezieret.

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Bald zeigt sich fliehend auf des Meeres Rücken

Ein Schiff von weitem den nachfliehnden Blicken,

Das sie erst lange gleichsam an sich bindet

Und dann verschwindet.

Bald sieht er abwärts, voller Glanz und Prangen,

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Noch einen Himmel in den Fluten hangen,

Noch eine Sonne Amphitritens Grenzen

Grundaus durchglänzen.

Er geht in Wälder, wo an Schilf und Sträuchen

Im krummen Ufer Silberbäche schleichen,

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Wo Blüten duften, wo der Nachtigallen

Lustlieder schallen.

Jetzt propft er Bäume, leitet Wassergräben,

Schaut Bienen schwärmen, führt an Wänden Reben;

Jetzt tränkt er Pflanzen, zieht von Rosenstöcken

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Schattende Hecken.

Eilt dann zur Hütten, (da kein Laster thronet,

Die Ruh’ und Wollust unsichtbar bewohnet,)

Weil seine Doris, die nur Liebreiz schminket,

Ihm freundlich winket.

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Kein Knecht der Krankheit mischt für ihn Gerichte;

Unschuld und Freude würzt ihm Milch und Früchte.

Kein bang Gewissen zeigt ihm Schwert und Strafe

Im süssen Schlafe.

Freund, lass uns Golddurst, Stolz und Schlösser hassen,

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Und Kleinigkeiten Fürsten überlassen!

Mein Lange2 ruft uns, komm zum Sitz der Freuden

In seine Weiden!

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