Die Jagd war zu Ende. Im Schatten war ein Teppich ausgebreitet, auf dem die ganze Gesellschaft sich im Kreise lagerte. Der Küchenchef Gabriel hockte vor einem Korbe nieder und nahm daraus Birnen und Pfirsiche, die in Blätter eingewickelt waren. Um von diesen schönen Sachen etwas abzubekommen, mußte man geduldig warten, bis Gabriel jedes Stück ausgewickelt hatte, dann Teller holte, sie abwischte, alles darauf legte, die Teller symmetrisch auf den Teppich setzte, jeden einzelnen Teller noch einige Male zurechtrückte, als wenn das auf Wunsch und Willen dieser schönen Sachen geschähe, die nicht in ganz gleichem Abstand voneinander dalägen. Wenn ich diese Vorbereitungen sah, überkam mich stets ein Gefühl der Unzufriedenheit. Ich war überzeugt, daß das alles absichtlich und nur geschähe, um mich zu ärgern, besonders, weil ich an den Korb herangelassen den ganzen Inhalt mitsamt den Blättern verzehrt haben würde.
Als wir unsere Portion Gefrorenes und Früchte bekommen hatten, gab es auf dem Teppich für uns nichts mehr zu tun. Trotz der schrägen, sengenden Sonnenstrahlen standen wir auf, um zu spielen.
»Also was?« sagte Ljubotschka im Grase hüpfend und wegen der Sonne mit den Augen blinzelnd. »Laßt uns ›Robinson‹ spielen.«
»Nein, das ist langweilig,« sagte Wolodja, der sich faul im Grase wälzte und Blätter kaute. »Immer und ewig Robinson! Wenn ihr schon spielen wollt, laßt uns eine Laube bauen.«
Wolodja wollte sich augenscheinlich wichtig machen. Wahrscheinlich war er stolz auf sein Jagdpferd und stellte sich nun müde. Vielleicht besaß er auch zu viel gesunde Vernunft und zu wenig Einbildungskraft, um an dem Robinsonspiel Gefallen zu finden. Dieses bestand in der Darstellung von Szenen aus dem Schweizer Robinson, den wir kurz zuvor gelesen hatten.
»Nein bitte, warum willst du uns nicht den Gefallen tun!« drangen die Mädchen in ihn. »Du bist Charles oder Ernest oder Vater – was du willst,« sagte Katja, die ihn am Ärmel vom Boden hochzuziehen suchte.
»Ich mag wirklich nicht; ist so langweilig!« erwiderte Wolodja, sich dehnend, mit selbstgefälligem Lächeln.
»Dann kann man ja lieber zu Hause bleiben, wenn niemand spielen will,« brachte Ljubotschka unter Tränen heraus. Sie war eine schreckliche Heulliese.
»Also kommt; nur bitte, nicht weinen; das kann ich nicht ausstehen.«
Wolodjas gnädige Herablassung machte uns wenig Vergnügen. Sein faules und langweiliges Benehmen nahm dem Spiel den Reiz. Als wir auf der Erde saßen und auf den Fischfang fuhren, wobei wir aus Leibeskräften ruderten, saß Wolodja mit gekreuzten Armen in einer Haltung da, die mit der eines Fischers nicht die geringste Ähnlichkeit hat. Ich sagte ihm das, aber er erwiderte, daß wir durch unser stärkeres oder schwächeres Armschwenken nichts profitierten und nicht im geringsten vorwärts kämen. Darin mußte ich ihm unwillkürlich recht geben. Als ich mit einem Stock auf der Schulter dem Walde zuschritt und sagte, ich ginge jetzt auf die Jagd, legte Wolodja sich auf den Rücken, schlang die Hände um den Hinterkopf und sagte, er ginge jetzt auch auf die Jagd.
Dieses Benehmen und solche Worte kühlten unseren Spieleifer merklich ab, besonders, da wir im Grunde unseres Herzens Wolodjas Worte für ganz vernünftig erklären mußten.
Ich weiß selbst, daß man mit einem Stocke keinen Vogel töten und nicht schießen kann. Es ist Spiel. Wenn man so denkt, kann man auch auf Stühlen nicht fahren; ich denke aber, Wolodja weiß noch recht gut, wie wir an langen Winterabenden einen Sessel mit Tüchern bedeckten und einen Wagen daraus machten – einer war Kutscher, der andere Lakai, die Mädchen kamen in die Mitte; drei Stühle bildeten die Troika und dann ging's los. Und was für mannigfache Zwischenfälle passierten auf dieser Fahrt, und wie schnell und fröhlich vergingen die Winterabende! …
Wenn man alles genau nimmt, gibt es gar kein Spiel. Wenn das aber fehlt, was bleibt dann?!