14. Garduñas Ratschläge.

Inzwischen war der Corregidor, von Garduña gefolgt, in das Rathaus eingetreten, und hielt mit diesem im Sitzungssaale eine so vertrauliche Unterhaltung, wie sie sich für einen Mann von seinem Range und seinem Amte gar nicht schickte.

»Trauen Ew. Gnaden doch nur einem Spürhunde, der die Jagd kennt,« sagte der unedle Alguacil. »Die Seña Frasquita ist wahnsinnig in Ew. Gnaden verliebt, und was Ew. Gnaden mir soeben erzählt haben, läßt es so hell wie dieses Licht sehen...«

Und dabei deutete er auf eine Kerze, die kaum den achten Teil des Saales erhellte.

»So ganz sicher wie du, bin ich doch nicht, Garduña,« antwortete Don Eugenio seufzend.

»Dann weiß ich nicht, warum. Und wenn nicht, lassen Sie uns offen darüber sprechen. Ew. Gnaden, mit Ihrer Erlaubnis sei es gesagt, haben einen kleinen, ganz kleinen Fehler an Ihrem Körper, nicht wahr?«

»Gut, ja,« antwortete der Corregidor. »Aber der Tio Lucas hat denselben Fehler. Er ist noch weit buckliger als ich.«

»Viel buckliger! Sehr viel buckliger! Er ist gar nicht mit Ihnen zu vergleichen! Aber dafür, und das wollte ich eben sagen, haben Ew. Gnaden ein sehr ansehnliches Gesicht, so, was man sagt ein schönes Gesicht, während der Tio Lucas aussieht wie der Sergeant Utrera, der vor reiner Häßlichkeit krepiert ist.«

Der Corregidor lachte mit einer gewissen Leutseligkeit.

»Übrigens,« fuhr der Alguacil fort, »ist die Seña Frasquita imstande, sich aus dem Fenster zu stürzen, wenn sie dadurch die Ernennung ihres Neffen erreichen kann.«

»Bis hierher stimmen wir überein; diese Ernennung ist meine einzige Hoffnung.«

»Nun denn, Hand ans Werk, gnädiger Herr. Ich habe Ew. Gnaden ja schon meinen Plan mitgeteilt... Er braucht nur heute Nacht ausgeführt zu werden.«

»Ich habe dir schon vielmals gesagt, daß ich keine Ratschläge brauche!« schrie Don Eugenio, indem er sich plötzlich erinnerte, daß er mit einem Untergebenen sprach.

»Ich glaubte, daß Ew. Gnaden sie von mir verlangten,« stotterte Garduña.

»Antworte mir nicht!«

Garduña verbeugte sich.

»Also du sagst,« fuhr der Corregidor fort, indem er sich allgemach besänftigte, »daß schon heute Nacht alles geordnet werden kann? Nun, weißt du, das scheint mir sehr gut. Teufel noch einmal! So werde ich doch endlich von dieser grausamen Ungewißheit befreit werden.«

Garduña schwieg.

Der Corregidor wandte sich an den Schreibtisch, schrieb einige Zeilen auf Stempelpapier, das er seinerseits noch stempelte, und verwahrte es dann in seiner Westentasche. »So, die Ernennung des Neffen wäre gemacht,« sagte er dann und nahm eine Prise Tabak. »Morgen werde ich mich mit den Regidoren (Stadträten) darüber verständigen, und entweder sie genehmigen sie einstimmig, oder der Teufel soll sie holen. Meinst du nicht auch, daß ich recht thue?«

»Das ist es, das ist es,« rief der begeisterte Garduña aus, indem er die Pfote in die Tabaksdose des Corregidors versenkte und dieser eine Prise entführte. »Das ist es, Ew. Gnaden Vorgänger ist auch niemals vor einem Hindernisse zurückgeschreckt. Einmal...«

»Laß das Geschwätz!« versetzte der Corregidor, indem er der räuberischen Hand einen Schlag mit dem Handschuh versetzte. »Mein Vorgänger war ein Esel, weil er dich zum Alguacil hatte. Aber kommen wir wieder auf unsere Angelegenheit zurück. Du sagtest mir, daß die Mühle des Tio Lucas zum Gerichtsbezirk des nächsten Fleckens und nicht zu dem dieser Stadt gehört... Bist du ganz sicher?«

»Ganz sicher. Der Gerichtsbezirk der Stadt hört mit dem Graben auf, wo ich heute Nachmittag saß, um Ew. Gnaden zu erwarten. Heiliger Lucifer! Wenn ich an Ihrer Stelle gewesen wäre.«

»Genug!« schrie Don Eugenio, »du bist ein Unverschämter!« Er ergriff einen halben Bogen Papier, schrieb ein Billet, schloß es, indem er eine Ecke umschlug und übergab es Garduña. »Da hast du den Brief, den du von mir für den Alkalden des Ortes verlangt hast,« sagte er gleichzeitig zu ihm. »Du wirst ihm noch mündlich alles erklären, was er zu thun hat. Du siehst wohl, ich führe deinen Plan buchstäblich aus. Aber wehe dir, wenn du mich in eine Sackgasse bringst!«

»Seien Ew. Gnaden unbesorgt,« antwortete Garduña. »Señor Juan Lopez hat viel zu fürchten, und sobald er nur Ew. Gnaden Unterschrift sieht, wird er alles thun, was man ihm befiehlt. Dem königlichen Rentamt schuldet er mindestens tausend Fanegas Getreide und dem Kirchenamt ebensoviel. Und dies letztere gegen alles und jedes Gesetz, denn er ist weder eine Witwe, noch ein armer Arbeiter, um das Korn zu erhalten, ohne Zinsen darauf zu zahlen, sondern ein Spieler, ein Trunkenbold und ein Ehrloser, ein Freund von Weibern, über den der ganze Flecken entrüstet ist... Und jener Mensch übt die Autorität aus. Aber so geht es in der Welt!«

»Ich habe dir gesagt, daß du schweigen sollst! Du störst mich,« brüllte der Corregidor. »Aber um auf unser früheres Gespräch zurückzukommen,« fügte er, den Ton ändernd, nach einiger Zeit hinzu, »es ist jetzt einviertel auf Acht... Zuerst mußt du nach Hause gehen und die Señora benachrichtigen, daß sie mich zum Abendbrot und zum Schlafen nicht erwarten soll. Sage ihr, daß ich bis zum Zapfenstreich zu arbeiten habe und nachher eine geheime Runde mit dir machen wolle, um zu sehen, ob wir nicht ein paar Übelthäter fangen können u. s. w. u. s. w. Mit einem Worte, täusche sie nur gut, damit sie sich ohne irgend welchen Verdacht hinlegt. Unterwegs sage dem andern Alguacil, daß er mir das Abendbrot herbringe. Ich wage es nicht, mich heute vor meiner Frau sehen zu lassen; sie kennt mich zu gut, sie ist fähig, in meinen Gedanken zu lesen. Trage der Köchin auf, daß sie nur einige von den Klößen schickt, die es heute gegeben hat, und sage dem Alguacil, daß er mir aus dem Wirtshause ein halbes Viertel Weißwein herüberbringt, so aber, daß es niemand sieht. — Dann gehst du nach dem Orte ab, wo du ganz gut um halb neun Uhr sein kannst.«

»Schlag acht Uhr bin ich dort,« rief Garduña aus.

»Widersprich mir nicht!« heulte der Corregidor, der sich wieder erinnerte, wer er war.

Garduña salutierte.

»Wir haben gesagt,« nahm jener, menschlicher werdend, wieder das Wort, »daß du um acht Uhr im Orte sein kannst. Vom Dorfe bis zur Mühle wird es ungefähr... ich glaube, es wird eine halbe Meile sein...«

»Eine kleine...«

»Unterbrich mich nicht.«

Der Alguacil salutierte von neuem.

»Eine kleine halbe Meile,« fuhr der Corregidor fort. »Folglich um Zehn. Glaubst du, daß um zehn...«

»Vor Zehn, um halb Zehn kann Ew. Gnaden an die Thür der Mühle klopfen.«

»Kerl, sage mir nicht, was ich thun soll... Natürlich wirst du dort sein...«

»Ich werde überall sein... Aber mein Hauptquartier wird im Graben sein. Ach, bald hätte ich vergessen! Gehen Ew. Gnaden doch zu Fuß und ohne Laterne.«

»Die Ratschläge haben mir auch gerade gefehlt! Glaubst du denn, daß ich zum erstenmale einen solchen Feldzug unternehme?«

»Verzeihen Ew. Gnaden. Ach, noch etwas! Klopfen Ew. Gnaden nicht an die große Thür, die auf den Platz unter der Weinlaube führt, sondern an die kleine über dem Mühlgerinne.«

»Über dem Mühlgerinne ist noch eine Thür? Höre mal, das war' mir nicht eingefallen.«

»Ja, Ew. Gnaden. Die kleine Thür über dem Gerinne führt direkt in das Schlafzimmer der Müllersleute, und der Tio Lucas benutzt dieselbe nie. So daß, sollte er unerwartet zurückkommen...«

»Ich verstehe... ich verstehe... Jetzt betäube mir die Ohren nicht länger mit deinem Geschwätz.«

»Zum Schluß noch eins. Sehen Ew. Gnaden zu, daß Sie vor dem Morgengrauen unsichtbar werden. Jetzt wird es um sechs Uhr Tag.«

»Das ist ein anderer überflüssiger Rat. Um fünf Uhr bin ich wieder in meinem Hause... Aber wir haben genug gesprochen. Hebe dich weg von meinem Angesicht!«

»Nun denn, Herr... viel Glück!« rief der Alguacil, indem er zugleich dem Corregidor die Hand entgegenstreckte und andächtig die Augen zur Decke erhob.

Der Corregidor gab Garduña eine Peseta, die wie weggezaubert verschwand.

»Alle Teufel!« murmelte der Alte nach einer Weile. »Hab ich doch vergessen zu sagen, daß sie mir ein Spiel Karten mitbringen sollten! Damit hätte ich mich bis halb Zehn unterhalten und sehen können, ob die Patience aufging.«

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