17. Ein Dorfschulze.

Der Herr Juan Lopez, der sowohl als Privatmann wie auch als Schulze die personifizierte Grausamkeit und der eitle Stolz war, wenn es sich nämlich um seine Untergebenen handelte, geruhte jedoch zu jener Stunde, nachdem er die öffentlichen Angelegenheiten und sein eigenes Anwesen besorgt und seiner Frau die gewohnte, tägliche Tracht Prügel verabreicht hatte, in Gesellschaft des Schreibers und des Küsters einen Krug Wein zu trinken, eine Operation, die bereits über die Hälfte jenes Abends in Anspruch genommen hatte, als der Müller vor ihm erschien.

»Holla, Tio Lucas,« sagte er zu ihm, und kratzte sich den Kopf, um die Ader der Täuschungen anzuregen. »Wie geht's mit Eurer Gesundheit? Sekretär, schenkt dem Tio Lucas ein Glas Wein ein. Und die Seña Frasquita? Ist sie noch immer so reizend? Ich habe sie schon seit so langer Zeit nicht gesehen. Aber, Gevatter, ist Euer Mehl jetzt gut!... Das Roggenbrot sieht aus wie vom feinsten Weizen. Also... na... Setzt Euch und ruht aus; denn, Gott sei Dank, wir haben keine Eile.«

»Was mich betrifft, verflucht, wenn ich sie hätte,« antwortete Tio Lucas, der bis dahin noch nicht den Mund aufgemacht hatte, dessen Argwohn aber immer größer wurde, als er den ihm zu Teil gewordenen freundschaftlichen Empfang nach einer so drohenden und dringenden Ordre sah.

»Nun also, Tio Lucas,« fuhr der Alkalde fort, »wenn Ihr auch keine große Eile habt, dann könnt Ihr ja heute Nacht hier schlafen, und morgen früh machen wir dann unser Geschäft ab.«

»Das scheint mir sehr gut,« antwortete Tio Lucas mit einer Ironie und einer Verstellung, die der Diplomatie des Herrn Juan Lopez um nichts nachgaben. »Da die Sache nicht eilt, so werde ich die Nacht außerhalb des Hauses zubringen.«

»Weder eilt sie, noch ist irgend welche Gefahr für Euch dabei,« fügte der Alkalde hinzu, getäuscht von dem, den er zu täuschen glaubte. »Seid ganz ruhig. Höre du, Toñuelo, nimm die halbe Fanega herunter, damit sich der Tio Lucas setzen kann.«

»Nun denn... gebt mir noch einen Schluck,« rief der Müller aus, indem er sich setzte.

»Kommt her!« antwortete der Alkalde und reichte ihm das volle Glas.

»Es ist in guter Hand. Trinkt nur zuerst.«

»Nun denn, auf Eure Gesundheit,« sagte der Herr Juan Lopez und trank die Hälfte des Weines aus.

»Auf die Eure, Señor Alkalde!« entgegnete Tio Lucas und trank die andere Hälfte.

»Du, Manuela!« rief darauf der Dorfschulze, »sage deiner Herrin, daß der Tio Lucas hier schlafen wird. Sie soll ihm ein Kopfkissen auf den Kornboden legen.«

»Ach was!... Doch nicht so viele Umstände! Ich schlafe im Strohstall wie ein König.«

»Na hört einmal, wir haben noch Kissen.«

»Das glaube ich schon. Aber warum wollt Ihr denn die Familie erst noch belästigen. Ich habe meinen Mantel.«

»Nun, wie es Euch beliebt. Manuela, sag deiner Herrin, daß sie es nicht hinlege.«

»Nur müßt Ihr mir erlauben,« fuhr Tio Lucas fort, indem er auf fürchterliche Weise gähnte, »daß ich mich gleich nachher niederlege. Gestern Abend habe ich sehr viel zu mahlen gehabt, und ich habe noch kein Auge seitdem geschlossen.«

»Zugestanden!« antwortete majestätisch der Alkalde. »Ihr könnt Euch niederlegen, wann Ihr wollt.«

»Ich glaube, daß es auch für uns Zeit ist, uns niederzulegen,« sagte der Küster und zog den Weinkrug an sich, um den Rest zu trinken. »Es muß wohl schon zehn Uhr sein, oder wenig wird daran fehlen.«

»Dreiviertel auf Zehn,« bemerkte der Schreiber, nachdem er den Rest des noch für jene Nacht bestimmten Weins in die Gläser verteilt hatte.

»Nun zu Bett, meine Herren!« rief der Amphitrion aus, indem er seinen Teil trank.

»Auf morgen, meine Herren,« fügte der Müller hinzu und trank den seinen.

»Wartet doch, daß man Euch voranleuchte; Toñuelo, führe Tio Lucas nach dem Strohstall.«

»Hierher, Tio Lucas,« sagte Toñuelo und nahm den Krug mit für den Fall, daß noch einige Tropfen darin geblieben wären.

»Auf morgen, so Gott will,« fügte der Küster hinzu, nachdem er noch alle Gläser untersucht.

Und taumelnd entfernte er sich und sang vergnügt das De profundis...............

»So,« sagte der Alkalde zum Schreiber, als sie allein geblieben waren, »der Tio Lucas hat nichts gemerkt. Wir können uns also ruhig hinlegen, und wohl bekomm's dem Herrn Corregidor!«

Share on Twitter Share on Facebook