22. Garduña vervielfältigt sich.

Als Garduña die Mühle betrat, fing der Corregidor gerade an, wieder zum Bewußtsein zu kommen, und versuchte, sich vom Boden zu erheben.

Auf dem Fußboden und neben ihm stand die angezündete Kerze, welche Sr. Gnaden aus dem Schlafzimmer mitgebracht hatte.

»Ist sie schon fort?« war Don Eugenios erste Frage.

»Wer?«

»Der Teufel! Ich wollte sagen die Müllerin.«

»Ja, gnädiger Herr... sie ist schon fort, und ich glaube, in nicht sehr guter Laune!«

»Ach, Garduña, ich sterbe.«

»Aber was fehlt denn Ew. Gnaden? Ums Himmels willen!«

»Ich bin in den Mühlgraben gefallen und bin ganz durchweicht, die Kälte geht mir durch Mark und Bein.«

»Na ja, und nun kommen Sie damit!«

»Garduña, nimm dich in acht, paß auf, was du sagst.«

»Ich sage nichts, Herr.«

»Nun, dann hilf mir aus dieser Verlegenheit.«

»Ich fliege; Ew. Gnaden sollen nur sehen, wie schön ich alles besorgen werde.«

So sprach der Alguacil, und im Handumdrehen ergriff er mit der einen Hand das Licht, mit der anderen nahm er den Corregidor unter den Arm, trug ihn in das Schlafzimmer hinauf, entkleidete ihn, legte ihn ins Bett, lief nach dem Holzschuppen, nahm einen Arm voll Holz, eilte nach der Küche, zündete ein großes Feuer an, trug die Kleider seines Herrn hinunter, breitete sie auf den Lehnen einiger Stühle aus, zündete eine Lampe an, hing sie am Küchenbrett auf und kehrte dann nach dem Schlafzimmer zurück.

»Nun, wie steht's mit uns?« fragte er dann und hob das Licht in die Höhe, um Don Eugenio ins Gesicht zu leuchten.

»Vortrefflich! Ich fühle, daß ich schwitzen werde... Morgen hänge ich dich auf, Garduña!«

»Warum, Herr?«

»Und du wagst noch darnach zu fragen? Denkst du denn, daß, als ich deinen mir vorgezeichneten Plan ausführte, ich glaubte mich allein in das Bett zu legen, nachdem ich das Sakrament der heiligen Taufe zum zweitenmale empfangen? — Morgen hänge ich dich auf!«

»Aber erzählen mir Ew. Gnaden doch... die Seña Frasquita...«

»Die Seña Frasquita hat mich morden wollen. Das ist alles, was ich mit deinen Ratschlägen erreicht habe. — Ich sage dir, morgen früh hänge ich dich auf!«

»So arg wird es doch nicht sein, Herr Corregidor!« antwortete der Alguacil.

»Warum sagst du das, unverschämter Kerl? Weil du mich hier darniederliegen siehst?«

»Nein, Herr. Ich sage nur, daß die Seña Frasquita unmöglich so unmenschlich an Ihnen handeln konnte, wie Ew. Gnaden erzählen, da sie doch in die Stadt gegangen ist, um einen Arzt zu holen.«

»Heiliger Gott! Bist du sicher, daß sie nach der Stadt gegangen ist?« rief Don Eugenio erschrockener als je aus.

»Wenigstens hat sie so zu mir gesagt...«

»Eile, lauf, Garduña! Ach, ich bin ohne Gnade verloren! Weißt du, zu welchem Zwecke die Seña Frasquita in die Stadt gegangen ist? Um alles meiner Frau zu erzählen!... Um ihr zu sagen, daß ich hier bin. O, mein Gott, mein Gott! Wie konnte ich mir das auch denken! Ich glaubte, sie wäre nach dem Dorfe zu ihrem Manne gegangen, und da er dort in gutem Verwahrsam ist, so war es mir ganz gleichgiltig. Aber nach der Stadt zu gehen!... Garduña, lauf, fliege, du bist ein so guter Fußgänger, und rette mich vom Verderben. Du mußt es vermeiden, daß die schreckliche Müllerin mein Haus betritt.«

»Und werden mich Ew. Gnaden nicht aufhängen lassen, wenn ich es erreiche?« fragte der Alguacil.

»Im Gegenteil! Ich will dir ein Paar noch ganz gute Schuhe schenken, die mir zu groß sind. Ich will dir alles schenken, was du willst.«

»Dann fliege ich! Ew. Gnaden können ruhig schlafen. In einer halben Stunde bin ich zurück, nachdem ich die Navarresin ins Gefängnis gesperrt habe. Nicht umsonst bin ich leichtfüßiger als eine Eselin!«

Sprach's und verschwand die Treppe hinunter.

Es versteht sich von selbst, daß der Müller gerade während der Abwesenheit des Alguacils in der Mühle war und durchs Schlüsselloch Gesichte sah.

Lassen wir jetzt den Corregidor im fremden Bette schwitzen und Garduña nach der Stadt laufen, wohin ihm Tio Lucas bald mit dem Dreispitz und dem Mantel folgen sollte, und verwandeln wir uns in rüstige Fußgänger, um der mutigen Seña Frasquita auf dem Wege nach dem Dorfe zu folgen.

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