33. Nun, und du?

Tio Lucas war der erste, der endlich in diesem Thränenmeer wieder flott wurde, weil er anfing, sich dessen zu erinnern, was er durchs Schlüsselloch gesehen.

»Señores, lassen Sie uns jetzt abrechnen,« sagte er.

»Hier giebt es nichts abzurechnen, Tio Lucas,« rief die Corregidora aus. »Eure Frau ist eine Heilige.«

»Gut... ja... aber...«

»Nichts von aber. Laßt sie sprechen, und Ihr werdet sehen, wie sie sich rechtfertigen wird. Sowie ich sie sah, sagte es mir das Herz, daß sie eine Heilige sei, trotz alledem, was Ihr mir erzählt hattet.«

»Gut, so mag sie sprechen!« sagte Tio Lucas.

»Ich spreche nicht,« antwortete die Müllerin. »Du mußt zuerst sprechen. Denn die Wahrheit ist, daß du...«

Und die Seña Frasquita sagte nichts mehr, aus unbesiegbarer Achtung vor der Corregidora.

»Nun, und du?« antwortete Tio Lucas, der von neuem allen Glauben verlor.

»Jetzt handelt es sich nicht um sie,« rief der Corregidor, der auch wieder eifersüchtig wurde. »Es handelt sich jetzt um diese Dame. Ach, Merceditas! Wer hätte mir jemals gesagt, daß du...«

»Nun, und du?« antwortete die Corregidora, ihn mit dem Blicke messend.

Und während der nächsten Augenblicke wiederholten die beiden Ehepaare wohl hundertmal dieselben Sätze.

»Und du?«

»Nun, und du?«

»Na, du!«

»Nein, du!«

»Aber, wie konntest du...«

Und so weiter, und so weiter, und so weiter.

Vielleicht wäre die Angelegenheit nie beendet worden, wenn nicht die Corregidora schließlich, ihre Würde wieder annehmend, zu Don Eugenio gesagt hätte:

»Höre einmal, jetzt schweige du! Unsere Privatangelegenheit werden wir später ordnen. Das Dringendste ist in diesem Augenblick jedenfalls, Tio Lucas' Herzen den Frieden zurückzugeben. Meiner Ansicht nach ist das ganz leicht; denn dort sehe ich Señor Juan Lopez und Toñuelo, die nichts sehnlicher wünschen, als die Seña Frasquita zu rechtfertigen.«

»Mich brauchen die Männer nicht zu rechtfertigen,« antwortete diese. »Ich habe zwei Zeugen von größerer Glaubwürdigkeit, von denen niemand sagen kann, daß sie bestochen worden sind...«

»Und wo sind diese?« fragte der Müller.

»Sie sind unten, an der Thür.«

»Dann sage ihnen, daß sie heraufkommen, mit der Erlaubnis der Señora.«

»Ach, die Armen können nicht heraufkommen...«

»Ah, sind es zwei Frauen? Schöne, glaubwürdige Zeugen das!«

»Es sind auch keine zwei Frauen, nur zwei weibliche Wesen.«

»Noch schlimmer! Dann sind es zwei kleine Mädchen? Sei so gut und nenne mir ihre Namen.«

»Die eine heißt Piñona, die andere Liviana.«

»Unsere beiden Esel! Frasquita, du willst mich verspotten!«

»Nein, ich spreche sehr vernünftig und förmlich. Durch das Zeugnis unserer beiden Esel will ich dir beweisen, daß ich nicht in der Mühle war, als du den Herrn Corregidor dort gesehen hast.«

»Ich bitte dich, um Gottes willen, erkläre dich...«

»Höre, Lucas, und stirb vor Scham, daß du je an mir zweifeln konntest. Als du heute Nacht vom Dorf nach der Mühle rittest, da eilte ich von unserm Hause nach dem Dorf, folglich kreuzten wir uns auf dem Wege. Aber du warst außerhalb desselben und schlugst mitten auf einem Saatfelde Feuer an.«

»Ich habe angehalten, das ist wahr. Fahre fort.«

»Da schrie dein Esel...«

»Wahrhaftig! O, wie glücklich bin ich! Sprich, sprich, denn jedes Wort giebt mir ein Jahr meines Lebens zurück.«

»Und auf jenes Geschrei antwortete ein anderes vom Wege her.«

»O, ja, ja! Gesegnet seist du! Ich glaube es noch zu hören.«

»Es waren Liviana und Piñona, die sich erkannt hatten und wie gute Freundinnen begrüßten, während wir beide uns weder grüßten noch erkannten...«

»Sage mir nichts mehr! Sage mir nichts mehr.«

»So wenig erkannten wir uns,« fuhr die Seña Frasquita fort, »daß wir beide erschraken und nach entgegengesetzten Richtungen entflohen. Nun siehst du doch wohl ein, daß ich nicht in der Mühle war. Wenn du jetzt wissen willst, warum du den Herrn Corregidor in unserm Bett angetroffen hast, so fühle die Kleider, die du trägst und die noch feucht sein müssen, an, und sie werden es dir besser sagen als ich. Se. Gnaden ist in das Mühlgerinne gefallen, Garduña hat ihn entkleidet und dort gebettet. Willst du wissen, warum ich die Thür geöffnet habe? Weil ich glaubte, daß du es wärest, daß du ertränkest und mich zu Hilfe riefest. Und schließlich, wenn du das mit der Ernennung wissen willst... Aber vorläufig brauche ich nichts weiter zu sagen. Wenn wir allein sind, dann werde ich dir noch verschiedene Einzelheiten erzählen, die ich dir vor dieser Dame nicht mitteilen kann.«

»Alles, was die Seña Frasquita gesagt hat, ist die reinste Wahrheit!« rief der Señor Juan Lopez, der sich Doña Mercedes' Gunst erwerben wollte, da er wohl sah, daß sie das Corregimiento beherrschte.

»Alles, alles!« fügte Toñuelo hinzu, der seinem Herrn nacheifern wollte.

»Bis jetzt alles!« sprach der Corregidor, sehr zufrieden, daß die Erklärungen der Seña Frasquita nicht weiter gegangen waren.

»Also bist du unschuldig?« rief inzwischen der Müller aus und ergab sich dem Augenschein und der Überzeugung. »Meine Frasquita! Herzens-Frasquita! Verzeih' mir die Ungerechtigkeit und laß mich dich umarmen!«

»Oh, das ist Mehl aus einem andern Sack,« antwortete die Müllerin, den Körper wegbiegend. »Bevor ich dich umarme, muß ich erst deine Erklärung hören.«

»Ich werde sie für ihn und mich geben,« sagte Doña Mercedes.

»Seit einer Stunde warte ich schon darauf,« stieß der Corregidor hervor und versuchte sich aufzurichten.

»Aber ich werde sie nicht eher geben,« fuhr die Corregidora fort, indem sie ihren Mann verächtlich ansah, »als bis die Herren die Kleider gewechselt haben, und auch dann werde ich sie nur demjenigen geben, der sie zu hören verdient.«

»Schnell, schnell, wir wollen uns umkleiden,« sagte der Murcianer zu Don Eugenio, und freute sich, daß er ihn nicht getötet hatte, wenn er ihn auch mit einem wahrhaft maurischen Haß betrachtete. »In den Kleidern Ew. Gnaden ersticke ich, und wie unglücklich bin ich gewesen, während ich sie trug!«...

»Weil du es nicht verstehst,« antwortete der Corregidor. »Ich dagegen wünsche nichts sehnlicher, als sie wieder anzulegen, um, wenn mir die Erklärung meiner Frau nicht genügt, dich und die halbe Welt aufhängen zu lassen.«

Als die Corregidora diese Worte hörte, beruhigte sie die Versammlung mit einem sanften Lächeln, wie es den Engeln eigen, deren Aufgabe es ist, die Menschen zu bewachen.

Share on Twitter Share on Facebook