32. Der Glaube versetzt Berge.

»Ich wünsche Ihnen allen einen guten Abend,« sprach der zuletzt Angekommene, nahm den Dreispitz ab und sprach mit zusammengefallenem Munde, wie Don Eugenio de Zuñiga.

Dann durchschritt er, sich nach allen Seiten wiegend, den Saal und küßte die Hand der Corregidora.

Alle standen starr vor Erstaunen. Die Ähnlichkeit des Tio Lucas mit dem wirklichen Corregidor grenzte ans Wunderbare.

Darum konnten auch die Dienerschaft und sogar Señor Juan Lopez ein Gelächter nicht zurückhalten.

Don Eugenio fühlte diese neue Herabwürdigung und stürzte sich wie ein Basilisk auf Tio Lucas.

Aber Seña Frasquita war schneller als er und entfernte den Corregidor mit ihrem eisernen Arm; und Seine Gnaden, im Andenken an einen andern Purzelbaum und das darauffolgende Hautabschürfen, ließ sich zurückwerfen, ohne auch nur einen Laut auszustoßen. Augenscheinlich war jene Frau von Geburt an dazu bestimmt, den armen Alten in Schach zu halten.

Tio Lucas wurde bleicher als der Tod, als er sah, daß seine Frau sich ihm näherte; aber er beherrschte sich gleich, und mit einem schrecklichen Lachen, so daß er die Hand aufs Herz legen mußte, weil es ihm zu springen drohte, sagte er, immer noch den Corregidor nachahmend:

»Gott behüte dich, Frasquita! Hast du deinem Neffen schon die Ernennung geschickt?«

Da hättet Ihr die Navarresin sehen müssen! Sie warf ihre Mantille zurück, erhob das Haupt mit dem Stolz einer Löwin, und ihre Augen wie zwei Dolche in die des falschen Corregidors versenkend, sagte sie ihm gerade ins Gesicht:

»Ich verachte dich, Lucas!«

Alle glaubten, daß sie ihn angespien hätte, solch eine Geste, solch eine Bewegung, solch ein Ton der Stimme begleiteten jene Worte.

Das Gesicht des Müllers verklärte sich, als er die Stimme seiner Frau hörte. Eine Art von Inspiration, wie die des religiösen Glaubens, war in seine Seele gedrungen und überflutete sie mit Licht und Freude. Und einen Augenblick vergaß er, was er in der Mühle gesehen und zu sehen geglaubt hatte und rief mit Thränen in den Augen und vollster Aufrichtung in der Stimme aus:

»Also bist du noch meine Frasquita?«

»Nein,« antwortete die Navarresin außer sich. »Jetzt bin ich deine Frasquita nicht mehr! Ich bin... Befrage deine Heldenthaten dieser Nacht, und sie werden dir sagen, was du mit diesem Herzen gemacht hast, das dich so geliebt.«

Und wie ein sinkender Eisberg, der anfängt zu schmelzen, begann sie zu weinen.

Die Corregidora konnte sich nicht enthalten, auf sie zuzugehen und sie mit herzlichster Freundlichkeit in ihre Arme zu schließen.

Und ohne recht zu wissen, was sie that, fing die Seña Frasquita an, sie zu küssen und sagte, schluchzend wie ein Kind, das Schutz bei seiner Mutter sucht:

»Señora, Señora, wie unglücklich bin ich!«

»Nicht so sehr, wie Sie glauben,« antwortete die Corregidora, die auch großmütig weinte.

»Ja, ich bin sehr unglücklich,« seufzte Tio Lucas und kämpfte mit seinen Thränen, wie wenn er sich schämte, sie zu vergießen.

»Nun, und ich?« brach schließlich Don Eugenio los, der sich durch das ansteckende Weinen der Übrigen erweicht fühlte, oder sich auf dem feuchten Wege, ich meine auf dem Wege des Weinens, zu retten hoffte. »Ach, ich bin ein Schelm, ein Ungeheuer, ein leichtsinniger Mensch, der seinen Lohn empfangen hat!«

Und traurig fing er an zu blöken, indem er den Leib des Señor Juan Lopez liebend umschlang.

Dieser und die Dienstboten weinten gleichfalls, alles schien zu Ende zu sein, und doch hatte sich niemand erklärt.

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