35. Kaiserliches Dekret.

In diesem Augenblicke kehrten der Corregidor und der Tio Lucas, jeder in seinen eigenen Kleidern, in den Saal zurück.

»Jetzt ist die Reihe an mir,« sagte der erlauchte Don Eugenio de Zuñiga eintretend.

Und nachdem er einigemale heftig mit dem Stocke auf den Boden gestoßen hatte, wie um seine Energie wieder zu sammeln, gleich einem offiziellen Antäos, der sich nicht eher stark fühlt, als bis sein Bambusrohr die Erde berührt, sagte er mit unbeschreiblicher Emphase und Dreistigkeit zu der Corregidora:

»Merceditas! ich erwarte deine Erklärungen.«

Inzwischen stand die Müllerin auf, kniff den Tio Lucas zum Zeichen des Friedens so stark, daß ihm Funken vor den Augen tanzten, und blickte ihn zugleich mit gar nicht mehr ärgerlichen, sondern bezaubernden Augen an.

Der Corregidor, der jene Pantomime beobachtet hatte, erstarrte fast zur Salzsäule, weil er sich eine so unmotivierte Versöhnung nicht erklären konnte.

Dann wandte er sich von neuem an seine Frau und sagte in essigsaurem Tone:

»Señora, alle verständigen sich hier, nur wir nicht. Reißen Sie mich aus meinen Zweifeln. Ich befehle es als Mann und als Corregidor.«

Und wieder dröhnte der Stock gegen den Fußboden.

»Sie wollen also gehen?« rief Doña Mercedes aus und näherte sich der Seña Frasquita, ohne sich um Don Eugenio zu kümmern. »So gehen Sie also ohne Sorge, der Skandal wird keine Folgen haben. Rosa, leuchte den Herrschaften, sie wollen ja schon gehen. Geht mit Gott, Tio Lucas!«

»O nein!« schrie Don Eugenio, indem er sich hineinmischte. »Tio Lucas wird nicht fortgehen. Tio Lucas wird so lange im Arrest bleiben, bis ich die volle Wahrheit weiß. Halloh, Alguacilen! Im Namen des Königs!«

Nicht einer der Polizeidiener gehorchte Don Eugenio. Alle blickten die Corregidora an.

»Nun, Mann, mache Platz!« fügte diese hinzu, indem sie ihn fast umstieß und sich von allen mit der größten Feinheit verabschiedete, das heißt, den Kopf leicht zur Seite geneigt, ergriff sie ihr Kleid mit den Fingerspitzen und neigte sich anmutig, bis sie die Modereverenz jener Zeit ausführte, die man la pompa[9] nannte.

»Aber ich... aber du... aber wir... aber die da,« murmelte der arme Alte noch immer, zog seine Frau am Kleide und störte ihre bestangefangenen Verbeugungen.

Vergebliches Bemühen! Niemand kümmerte sich um Sr. Gnaden.

Als alle fortgegangen und die entzweiten Gatten im Salon allein waren, geruhte die Corregidora endlich im Tone einer Czarin aller Reussen, welche über einen gefallenen Minister den Blitzstrahl der ewigen Verbannung nach Sibirien schlendert, zu ihrem Gatten zu sagen:

»Und lebtest du tausend Jahre, so sollst du doch nie erfahren, was in dieser Nacht in meinem Schlafzimmer vorgefallen ist. Wenn du darin gewesen wärest, wie es natürlich war, so brauchtest du niemand danach zu fragen. Was mich anbetrifft, so habe und werde ich nie einen Grund haben, der mich nötigen könnte, es zu enthüllen, dazu verachte ich dich zu sehr, und wenn du nicht der Vater meiner Kinder wärest, so würde ich dich jetzt vom Balkon herunterstürzen ... Und hiermit gute Nacht, Caballero!«

Als die Corregidora diese Worte ausgesprochen hatte, die der Corregidor anhörte, ohne auch nur mit einer Wimper zu zucken (denn wenn er allein war, wagte er es nicht, gegen seine Frau aufzutreten), ging sie in das Schlafzimmer, schloß die Thüren hinter sich zu, und der arme Mann blieb mitten im Saal aufgepflanzt stehen und murmelte mit einem beispiellosen Cynismus zwischen den Gaumen — Zähne hatte er ja nicht:

»Gott sei Dank! Ich glaubte nicht, daß es so gut enden würde... Garduña wird mir eine andere suchen.«

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