Achtzehntes Abenteuer.

Wie Siegmund heimkehrte und Kriemhild daheim blieb.

Der Schwäher Kriemhildens gieng hin, wo er sie fand. 1107
Er sprach zu der Königin: "Laßt uns in unser Land:
Wir sind unliebe Gäste, wähn ich, hier am Rhein.
Kriemhild, liebe Fraue, nun folgt uns zu dem Lande mein.

"Daß man in diesen Landen uns so verwaiset hat 1108
Eures edeln Mannes durch böslichen Verrath,
Ihr sollt es nicht entgelten: hold will ich euch sein
Aus Liebe meines Sohnes und des edeln Kindes sein.

"Ihr sollt auch, Frau, gebieten mit all der Gewalt, 1109
Die Siegfried euch verstattete, der Degen wohlgestalt.
Das Land und auch die Krone soll euch zu Diensten stehn.
Euch sollen gern gehorchen Die in Siegfriedens Lehn."

Da sagte man den Knechten: "Wir reiten heim vor Nacht." 1110
Da sah man nach den Rossen eine schnelle Jagd:
Bei den verhaßten Feinden zu leben war ein Leid.
Den Frauen und den Maiden suchte man ihr Reisekleid.

Als König Siegmund gerne weggeritten wär, 1111
Da bat ihre Mutter Kriemhilden sehr,
Sie sollte bei den Freunden im Lande doch bestehn.
Da sprach die Freudenarme: "Das könnte schwerlich geschehn.

"Wie vermocht ichs, mit den Augen den immer anzusehn, 1112
Von dem mir armen Weibe so leid ist geschehn?"
Da sprach der junge Geiselher: "Liebe Schwester mein,
Du sollst bei deiner Treue hier mit deiner Mutter sein.

"Die dir das Herz beschwerten und trübten dir den Muth, 1113
Du bedarfst nicht ihrer Dienste, du zehrst von meinem Gut."
Sie sprach zu dem Recken: "Wie könnte das geschehn?
Vor Leide müst ich sterben, wenn ich Hagen sollte sehn."

"Dessen überheb ich dich, viel liebe Schwester mein. 1114
Du sollst bei deinem Bruder Geiselher hier sein;
Ich will dir wohl vergüten deines Mannes Tod."
Da sprach die Freudenlose: "Das wäre Kriemhilden Noth."

Als es ihr der Junge so gütlich erbot, 1115
Da begannen auch zu flehen Ute und Gernot
Und ihre treuen Freunde, sie möchte da bestehn:
Sie hätte wenig Sippen unter Siegfriedens Lehn.

"Sie sind euch alle fremde," sprach da Gernot. 1116
"Wie stark auch einer gelte, so rafft ihn doch der Tod.
Bedenkt das, liebe Schwester, und tröstet euern Muth:
Bleibt hier bei euern Freunden, es geräth euch wahrlich gut."

Da gelobte sie dem Bruder, im Lande zu bestehn. 1117
Man zog herbei die Rosse Denen in Siegmunds Lehn,
Als sie reiten wollten gen Nibelungenland;
Da war auch aufgeladen der Recken Zeug und Gewand.

Da gieng König Siegmund vor Kriemhilden stehn 1118
Und sprach zu der Frauen: "Die in Siegfrieds Lehn
Warten bei den Rossen: reiten wir denn hin,
Da ich gar so ungern hier bei den Burgunden bin."

Frau Kriemhild sprach: "Mir rathen hier die Freunde mein, 1119
Die besten, die ich habe, bei ihnen soll' ich sein.
Ich habe keinen Blutsfreund in Nibelungenland."
Leid war es Siegmunden, da er dieß an Kriemhild fand.

Da sprach König Siegmund: "Das laßt euch Niemand sagen: 1120
Vor allen meinen Freunden sollt ihr die Krone tragen
Nach rechter Königswürde, wie ihr vordem gethan:
Ihr sollt es nicht entgelten, daß ihr verloren habt den Mann.

"Fahrt auch mit uns zur Heimat um euer Kindelein: 1121
Das sollt ihr eine Waise, Frau, nicht laßen sein.
Ist euer Sohn erwachen, er tröstet euch den Muth.
Derweil soll euch dienen mancher Degen kühn und gut."

Sie sprach: "Mein Herr Siegmund, ich kann nicht mit euch gehn. 1122
Ich muß hier verbleiben, was halt mir mag geschehn,
Bei meinen Anverwandten, die mir helfen klagen."
Da wollten diese Mären den guten Recken nicht behagen.

Sie sprachen einhellig: "So möchten wir gestehn, 1123
Es sei in dieser Stunde uns erst ein Leid geschehn.
Wollt ihr hier im Lande bei unsern Feinden sein,
So könnte Helden niemals eine Hoffahrt übler gedeihn."

"Ihr sollt ohne Sorge Gott befohlen fahren: 1124
Ich schaff euch gut Geleite und heiß euch wohl bewahren
Bis zu euerm Lande; mein liebes Kindelein
Das soll euch guten Recken auf Gnade befohlen sein."

Als sie das recht vernahmen, sie wolle nicht hindann, 1125
Da huben Siegfrieds Mannen all zu weinen an.
Mit welchem Herzensjammer nahm da Siegmund
Urlaub von Kriemhilden! Da ward ihm Unfreude kund.

"Weh dieses Hofgelages!" sprach der König hehr. 1126
"Einem König und den Seinen geschieht wohl nimmermehr
Einer Kurzweil willen, was uns hier ist geschehn:
Man soll uns nimmer wieder hier bei den Burgunden sehn."

Da sprachen laut die Degen in Siegfriedens Heer: 1127
"Wohl möchte noch die Reise geschehen hieher,
Wenn wir den nur fanden, der uns den Herrn erschlug.
Sie haben Todfeinde bei seinen Freunden genug."

Er küsste Kriemhilden: kläglich sprach er da, 1128
Als er daheim zu bleiben sie so entschloßen sah:
"Wir reiten arm an Freuden nun heim in unser Land!
All mein Kummer ist mir erst jetzo bekannt."

Sie ritten ungeleitet von Worms an den Rhein: 1129
Sie mochten wohl des Muthes in ihrem Sinne sein,
Wenn sie in Feindschaft würden angerannt,
Daß sich schon wehren solle der kühnen Niblungen Hand.

Sie erbaten Urlaub von Niemanden sich. 1130
Da sah man Geiselheren und Gernot minniglich
Zu dem König kommen; ihnen war sein Schade leid:
Das ließen ihn wohl schauen die kühnen Helden allbereit.

Da sprach wohlgezogen der kühne Gernot: 1131
"Wohl weiß es Gott im Himmel, an Siegfriedens Tod
Bin ich ganz unschuldig: ich hört auch niemals sagen,
Wer ihm Feind hier wäre: ich muß ihn billig beklagen."

Da gab ihm gut Geleite Geiselher das Kind. 1132
Er bracht ohne Sorgen, die sonst bei Leide sind,
Den König und die Recken heim nach Niederland.
Wie wenig der Verwandten man dort fröhlich wiederfand!

Wie's ihnen nun ergangen ist, weiß ich nicht zu sagen. 1133
Man hörte hier Kriemhilden zu allen Zeiten klagen,
Daß ihr Niemand tröstete das Herz noch den Muth
Als ihr Bruder Geiselher: der war getreu und auch gut.

Brunhild die schöne des Uebermuthes pflag: 1134
Wie viel Kriemhild weinte, was fragte sie darnach!
Sie war zu Lieb und Treue ihr nimmermehr bereit;
Bald schuf auch ihr Frau Kriemhild wohl so ungefüges Leid.

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