Neunzehntes Abenteuer.

Wie der Nibelungenhort nach Worms kam.

Als die edle Kriemhild so verwitwet ward, 1135
Blieb bei ihr im Lande der Markgraf Eckewart
Zurück mit seinen Mannen, wie ihm die Treu gebot.
Er diente seiner Frauen willig bis an seinen Tod.

Zu Worms am Münster wies man ihr ein Gezimmer an, 1136
Weit und geräumig, reich und wohlgethan,
Wo mit dem Gesinde die Freudenlose saß.
Sie gieng zur Kirche gerne, mit großer Andacht that sie das.

Wo ihr Freund begraben lag, wie fleißig gieng sie 1137
Sie that es alle Tage mit trauerndem Sinn
Und bat seiner Seele Gott den Herrn zu pflegen:
Gar oft bejammert wurde mit großer Treue der Degen.

Ute und ihr Gesinde sprachen ihr immer zu, 1138
Und doch im wunden Herzen fand sie so wenig Ruh,
Es konnte nicht verfangen der Trost, den man ihr bot.
Sie hatte nach dem Freunde die allergrößeste Noth,

Die nach liebem Manne je ein Weib gewann: 1139
Ihre große Treue ersah man wohl daran.
Sie klagt' ihn bis zu Ende, da sie zu sterben kam.
Bald rächte sie gewaltig mit großer Treue den Gram.

Sie saß in ihrem Leide, das ist alles wahr, 1140
Nach ihres Mannes Tode bis in das vierte Jahr
Und hatte nie zu Gunthern gesprochen einen Laut
Und auch Hagen ihren Feind in all der Zeit nicht erschaut.

Da sprach von Tronje Hagen: "Könnte das geschehn, 1141
Daß ihr euch die Schwester gewogen möchtet sehn,
So käm zu diesem Lande der Nibelungen Gold:
Des mögt ihr viel gewinnen, wird uns die Königin hold."

"Wir wollen es versuchen," sprach der König hehr. 1142
"Es sollen für uns bitten Gernot und Geiselher,
Bis sie es erlangen, daß sie das gerne sieht."
"Ich glaube nicht," sprach Hagen, "daß es jemals geschieht."

Da befahl er Ortweinen hin an Hof zu gehn 1143
Und dem Markgrafen Gere: als das war geschehn,
Brachte man auch Gernot und Geiselhern das Kind:
Da versuchten bei Kriemhilden sie es freundlich und gelind.

Da sprach von Burgunden der kühne Gernot: 1144
"Frau, ihr klagt zu lange um Siegfriedens Tod.
Der König will euch zeigen, er hab ihn nicht erschlagen:
Man hört zu allen Zeiten euch so heftig um ihn klagen."

Sie sprach: "Des zeiht ihn Niemand, ihn schlug Hagens Hand. 1145
Wo er verwundbar wäre, macht ich ihm bekannt.
Wie konnt ich michs versehen, er trüg ihm Haß im Sinn!
Sonst hätt ichs wohl vermieden," sprach die edle Königin,

"Daß ich verraten hätte seinen schönen Leib: 1146
So ließ' ich nun mein Weinen, ich unselig Weib!
Hold werd ich ihnen nimmer, die das an ihm gethan!"
Zu flehn begann da Geiselher, dieser waidliche Mann.

Sie sprach: "Ich muß ihn grüßen, ihr liegt zu sehr mir an. 1147
Von euch ist's große Sünde: Gunther hat mir gethan
So viel Herzeleides ganz ohne meine Schuld:
Mein Mund schenkt ihm Verzeihung, mein Herz ihm nimmer die Huld."

"Hernach wird es beßer," ihre Freunde sprachen so. 1148
"Wenn ers zu Wege brächte, daß wir sie sähen froh!"
"Er mags ihr wohl vergüten," sprach da Gernot.
Da sprach die Jammersreiche: "Seht, nun leist ich eur Gebot:

"Ich will den König grüßen." Als er das vernahm, 1149
Mit seinen besten Freunden der König zu ihr kam.
Da getraute Hagen sich nicht, zu ihr zu gehn:
Er kannte seine Schuld wohl: ihr war Leid von ihm geschehn.

Als sie verschmerzen wollte auf Gunther den Haß, 1150
Daß er sie küssen sollte, wohl ziemte sich ihm das.
Wär ihr mit seinem Willen so leid nicht geschehn,
So dürft er dreisten Muthes immer zu Kriemhilden gehn.

Es ward mit so viel Thränen nie eine Sühne mehr 1151
Gestiftet unter Freunden. Sie schmerzt' ihr Schade sehr.
Doch verzieh sie allen bis auf den Einen Mann:
Niemand hätt ihn erschlagen, hätt es Hagen nicht gethan.

Nun währt' es nicht mehr lange, so stellten sie es an, 1152
Daß die Königstochter den großen Hort gewann
Vom Nibelungenlande und bracht ihn an den Rhein:
Ihre Morgengabe war es und must ihr billig eigen sein.

Nach diesem fuhr da Geiselher und auch Gernot. 1153
Achtzighundert Mannen Frau Kriemhild gebot,
Daß sie ihn holen sollten, wo er verborgen lag
Und sein der Degen Alberich mit seinen besten Freunden pflag.

Als man des Schatzes willen vom Rhein sie kommen sah, 1154
Alberich der kühne sprach zu den Freunden da:
"Wir dürfen ihr wohl billig den Hort nicht entziehn,
Da sein als Morgengabe heischt die edle Künigin.

"Dennoch sollt es nimmer," sprach Alberich, "geschehn, 1155
Müsten wir nicht leider uns verloren sehn
Die gute Tarnkappe mit Siegfried zumal,
Die immer hat getragen der schönen Kriemhild Gemahl.

"Nun ist es Siegfrieden leider schlimm bekommen, 1156
Daß die Tarnkappe der Held uns hat genommen,
Und daß ihm dienen muste all dieses Land."
Da gieng dahin der Kämmerer, wo er die Schlüßel liegen fand.

Da standen vor dem Berge, die Kriemhild gesandt, 1157
Und mancher ihrer Freunde: man ließ den Schatz zur Hand
Zu dem Meere bringen an die Schiffelein
Und führt' ihn auf den Wellen bis zu Berg in den Rhein.

Nun mögt ihr von dem Horte Wunder hören sagen: 1158
Zwölf Leiterwagen konnten ihn kaum von dannen tragen
In vier Tag und Nächten aus des Berges Schacht,
Hätten sie des Tages den Weg auch dreimal gemacht.

Es war auch nichts anders als Gestein und Gold. 1159
Und hätte man die ganze Welt erkauft mit diesem Gold,
Um keine Mark vermindern möcht es seinen Werth.
Wahrlich Hagen hatte nicht ohne Grund sein begehrt.

Der Wunsch lag darunter, ein golden Rüthelein: 1160
Wer es hätt erkundet, der möchte Meister sein
Auf der weiten Erde wohl über jeden Mann.
Von Albrichs Freunden zogen mit Gernot Viele hinan.

Als Gernot der Degen und der junge Geiselher 1161
Des Horts sich unterwanden, da wurden sie auch Herr
Des Landes und der Burgen und der Recken wohlgestalt:
Die musten ihnen dienen zumal durch Furcht und Gewalt.

Als sie den Hort gewannen in König Gunthers Land, 1162
Und sich darob die Königin der Herrschaft unterwand,
Kammern und Thürme die wurden voll getragen;
Man hörte nie von Schätzen so große Wunder wieder sagen.

Und wären auch die Schätze noch größer tausendmal, 1163
Und wär der edle Siegfried erstanden von dem Fall,
Gern wäre bei ihm Kriemhild geblieben hemdebloß.
Nie war zu einem Helden eines Weibes Treue so groß.

Als sie den Hort nun hatte, da brachte sie ins Land 1164
Viel der fremden Recken; wohl gab der Frauen Hand,
Daß man so große Milde nie zuvor gesehn.
Sie übte hohe Güte: das muste man ihr zugestehn.

Den Armen und den Reichen zu geben sie begann. 1165
Hagen sprach zum König: "Läßt man sie so fortan
Noch eine Weile schalten, so wird sie in ihr Lehn
So manchen Degen bringen, daß es uns übel muß ergehn."

Da sprach König Gunther: "Ihr gehört das Gut: 1166
Wie darf ich mich drum kümmern, was sie mit ihm thut?
Ich konnt es kaum erlangen, daß sie mir wurde hold;
Nicht frag ich, wie sie theilet ihr Gestein und rohes Gold."

Hagen sprach zum König: "Es vertraut ein kluger Mann 1167
Doch solche Schätze billig keiner Frauen an:
Sie bringt es mit Gaben wohl noch an den Tag,
Da es sehr gereuen die kühnen Burgunden mag."

Da sprach König Gunther: "Ich schwur ihr einen Eid, 1168
Daß ich ihr nie wieder fügen wollt ein Leid,
Und will es künftig meiden: sie ist die Schwester mein."
Da sprach wieder Hagen: "Laßt mich den Schuldigen sein."

Sie nahmen ihre Eide meistens schlecht in Hut: 1169
Da raubten sie der Witwe das mächtige Gut.
Hagen aller Schlüßel dazu sich unterwand.
Ihr Bruder Gernot zürnte, als ihm das wurde bekannt.

Da sprach der junge Geiselher: "Viel Leides ist geschehn 1170
Von Hagen meiner Schwester: dem sollt ich widerstehn:
Wär er nicht mein Blutsfreund, es gieng' ihm an den Leib."
Wieder neues Weinen begann da Siegfriedens Weib.

Da sprach König Gernot: "Eh wir solche Pein 1171
Um dieses Gold erlitten, wir solltens in den Rhein
All versenken laßen: so gehört' es Niemand an."
Sie kam mit Klaggebärde da zu Geiselher heran.

Sie sprach: "Lieber Bruder, du sollst gedenken mein, 1172
Lebens und Gutes sollst du ein Vogt mir sein."
Da sprach er zu der Schwester: "Gewiss, es soll geschehn,
Wenn wir wiederkommen: eine Fahrt ist zu bestehn."

Gunther und seine Freunde räumten das Land, 1173
Die allerbesten drunter, die man irgend fand;
Hagen nur alleine verblieb um seinen Haß,
Den er Kriemhilden hegte: ihr zum Schaden that er das.

Eh der reiche König wieder war gekommen, 1174
Derweil hatte Hagen den ganzen Schatz genommen:
Er ließ ihn bei dem Loche versenken in den Rhein.
Er wähnt', er sollt ihn nutzen; das aber konnte nicht sein.

Bevor von Tronje Hagen den Schatz also verbarg, 1175
Da hatten sie's beschworen mit Eiden hoch und stark,
Daß er verhohlen bliebe, so lang sie möchten leben:
So konnten sie's sich selber noch auch Jemand anders geben.

Die Fürsten kamen wieder, mit ihnen mancher Mann. 1176
Kriemhild den großen Schaden zu klagen da begann
Mit Mägdlein und Frauen; sie hatten Herzensnoth.
Da stellten sich die Degen, als sännen sie auf seinen Tod.

Sie sprachen einhellig: "Er hat nicht wohlgethan." 1177
Bis er zu Freunden wieder die Fürsten sich gewann,
Entwich er ihrem Zorne: sie ließen ihn genesen;
Aber Kriemhild konnt ihm wohl nicht feinder sein gewesen.

Mit neuem Leide wieder belastet war ihr Muth, 1178
Erst um des Mannes Leben und nun, da sie das Gut
Ihr so gar benahmen: da ruht' auch ihre Klage,
So lang sie lebte, nimmer bis zu ihrem jüngsten Tage.

Nach Siegfriedens Tode, das ist alles wahr, 1179
Lebte sie im Leide noch dreizehen Jahr,
Daß ihr der Tod des Recken stäts im Sinne lag:
Sie wahrt' ihm immer Treue; das rühmen ihr die Meisten nach.

Eine reiche Fürstenabtei hatte Frau Ute 1180
Nach Dankrats Tod gestiftet von ihrem Gute
Mit großen Einkünften, die es noch heute zieht:
Dort zu Lorsch das Kloster, das man in hohen Ehren sieht.

Dazu gab auch Kriemhild hernach ein großes Theil 1181
Um Siegfriedens Seele und aller Seelen Heil
Gold und Edelsteine mit williger Hand;
Getreuer Weib auf Erden ward uns selten noch bekannt.

Seit Kriemhild König Gunthern wieder schenkte Huld 1182
Und dann doch den großen Hort verlor durch seine Schuld,
Ihres Herzeleides ward da noch viel mehr:
Da zöge gern von dannen die Fraue edel und hehr.

Nun war Frau Uten ein Sedelhof bereit 1183
Zu Lorsch bei ihrem Kloster, reich, groß und weit,
Dahin von ihren Kindern sie zog und sich verbarg,
Wo noch die hehre Königin begraben liegt in einem Sarg.

Da sprach die Königswitwe: "Liebe Tochter mein, 1184
Hier magst du nicht verbleiben: bei mir denn sollst du sein,
Zu Lorsch in meinem Hause, und läst dein Weinen dann."
Kriemhild gab zur Antwort: "Wo ließ' ich aber meinen Mann?"

"Den laß nur hier verbleiben," sprach Frau Ute. 1185
"Nicht woll es Gott vom Himmel," sprach da die Gute.
"Nein, liebe Mutter, davor will ich mich wahren:
"ein Mann muß von hinnen in Wahrheit auch mit mir fahren."

Da schuf die Jammersreiche, daß man ihn erhub 1186
Und sein Gebein, das edle, wiederum begrub
Zu Lorsch bei dem Münster mit Ehren mannigfalt:
Da liegt im langen Sarge noch der Degen wohlgestalt.

Zu denselben Zeiten, da Kriemhild gesollt 1187
Zu ihrer Mutter ziehen, wohin sie auch gewollt,
Da muste sie verbleiben, weil es nicht sollte sein:
Das schufen neue Mären, die da kamen über Rhein.

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