Einunddreißigstes Abenteuer.

Wie die Herren zur Kirche giengen.

"Mir wird so kühl der Harnisch," sprach da Volker: 1944
"Die Nacht, wähn ich, wolle nun nicht währen mehr.
Ich fühl es an den Lüften, es ist nicht weit vom Tag."
Da weckten sie gar Manchen, der da im Schlafe noch lag.

Da schien der lichte Morgen den Gästen in den Saal. 1945
Hagen begann zu fragen die Recken allzumal,
Ob sie zum Münster wollten in die Messe heut.
Nach christlichen Sitten erscholl der Glocken Geläut.

Der Gesang war ungleich; kein Wunder möcht es sein, 1946
Daß Christen mit Heiden nicht stimmten überein.
Da wollten zu der Kirche Die in Gunthers Lehn:
Man sah sie von den Betten allzumal da erstehn.

Da schnürten sich die Recken in also gut Gewand, 1947
Daß nie Helden wieder in eines Königs Land
Beßre Kleider brachten. Hagen war es leid;
Er sprach: "Ihr thätet beßer, ihr trügt hier anderlei Kleid.

"Nun ist euch doch allen die Märe wohl bekannt: 1948
Drum statt der Rosenkränze nehmt Waffen an die Hand;
Statt wohlgesteinter Hüte die lichten Helme gut,
Da wir so wohl erkennen der argen Kriemhilde Muth.

"Wir müßen heute streiten, das will ich euch sagen. 1949
Statt seidner Hemden sollt ihr Halsbergen tragen
Und statt der reichen Mäntel gute Schilde breit:
zürnt mit euch Jemand, daß ihr wehrhaftig seid.

"Meine lieben Herren, Freund und Mannen mein, 1950
Tretet in die Kirche mit lauterm Herzen ein
Und klagt Gott dem reichen eure Sorg und Noth:
Denn wißt unbezweifelt, es naht uns allen der Tod.

"Ihr sollt auch nicht vergeßen, was je von euch geschah, 1951
Und fleht vor eurem Gotte andächtig da.
Laßt euch alle warnen, gute Recken hehr:
Es wend es Gott im Himmel, so hört ihr keine Messe mehr,"

So giengen zu dem Münster die Fürsten und ihr Lehn. 1952
Auf dem heiligen Friedhof, da hieß sie stille stehn
Hagen der kühne, damit man sie nicht schied.
Er sprach: "Noch weiß ja Niemand, was von den Heunen geschieht.

"Setzt, meine Freunde, die Schilde vor den Fuß 1953
Und lohnt es, beut euch Jemand feindlichen Gruß,
Mit tiefen Todeswunden: das ist, was euch Hagen räth.
So werdet ihr befunden, wie's euch am löblichsten steht."

Volker und Hagen die beiden stellten da 1954
Sich vor das weite Münster: was darum geschah,
Sie wolltens dazu bringen, daß sich die Königin
Mit ihnen drängen müße; wohl war gar grimmig ihr Sinn.

Da kam der Wirth des Landes und auch sein schönes Weib; 1955
Mit reichem Gewände war ihr geziert der Leib
Und manchem schnellen Degen, der im Geleit ihr war.
Da flog der Staub zur Höhe vor der Königin Schar,

Als der reiche König so gewaffnet sah 1956
Die Fürsten und ihr Ingesind, wie bald sprach er da:
"Was seh ich meine Freunde unter Helmen gehn?
Leid war mir meiner Treue, wär ihnen Leid hier geschehn.

"Das wollt ich ihnen büßen, wie sie es däuchte gut. 1957
Wenn ihnen wer beschwerte das Herz und den Muth,
So laß ich sie wohl schauen, es sei mir wahrlich leid:
Was sie gebieten mögen, dazu bin ich gern bereit."

Zur Antwort gab ihm Hagen: "Uns ist kein Leid geschehn. 1958
Es ist der Herren Sitte, daß sie gewaffnet gehn
Bei allen Gastgeboten zu dreien vollen Tagen.
Was uns hier geschähe, wir würden es Etzeln klagen."

Wohl vernahm die Königin Hagens Rede da. 1959
Wie feindlich sie dem Degen unter die Augen sah!
Sie wollte doch nicht melden den Brauch in ihrem Land,
Wie lang bei den Burgunden sie den auch hatte gekannt.

Wie grimm und stark die Königin ihnen abhold wäre, 1960
Hätte Jemand Etzeln gesagt die rechte Märe,
Er hätt es wohl gewendet, was nun doch geschah:
In ihrem hohen Uebermuth verschwiegen sie es Alle da.

Da schritt mit vielem Volke Kriemhild zur Kirchenthür: 1961
Doch wollten diese Beiden weichen nicht vor ihr
Zweier Hände Breite: das war den Heunen leid.
Da muste sie sich drängen mit den Helden allbereit.

Etzels Kämmerlinge die dauchte das nicht gut: 1962
Wohl hätten sie den Recken gern erzürnt den Muth,
Wenn sie es wagen dürften vor dem König hehr.
Da gab es groß Gedränge und doch nichts anderes mehr.

Als nach dem Gottesdienste man auf den Heimweg sann, 1963
Da kam hoch zu Rosse mancher Heunenmann.
Auch war bei Kriemhilden manche schöne Maid;
Wohl Siebentausend zählte der Königin Heergeleit.

Kriemhild mit ihren Frauen in den Fenstern saß 1964
Bei Etzeln dem reichen; gerne sah er das.
Sie wollten reiten sehen die Helden auserkannt:
Hei! was man fremder Recken vor ihnen auf dem Hofe fand!

Nun war auch mit den Rossen der Marschall gekommen. 1965
Der kühne Dankwart hatte mit sich genommen
Der Herren Ingesinde von Burgundenland:
Die Rosse wohlgesattelt man den kühnen Niblungen fand.

Als zu Rossen kamen die Fürsten und ihr Herr, 1966
Da begann zu rathen der kühne Volker,
Sie sollten buhurdieren nach ihres Landes Sitten.
Da wurde von den Helden bald gar herrlich geritten.

Was der Held gerathen, Niemanden wohl verdroß; 1967
Der Buhurd und der Waffenklang wurden beide groß.
In dem weiten Hofe kam da mancher Mann;
Etzel mit Kriemhild es selbst zu schauen begann.

Auf den Buhurd kamen sechshundert Degen. 1968
Dietrichens Recken, den Gästen entgegen.
Mit den Burgunden wollten sie sich im Spiel ergehn;
Wollt es ihr Herr vergönnen, so wär es gerne geschehn.

Hei! Was gute Recken ritten da heran! 1969
Dietrich dem Helden ward es kund gethan.
Mit Gunthers Ingesinde das Spiel er verbot;
Er schonte seiner Leute: das that ihm sicherlich Noth.

Als Dietrichs Gefolge so vermied den Streit, 1970
Da kamen von Bechlaren Rüdigers Geleit,
Fünfhundert unter Schilden, vor den Saal geritten.
Leid wars dem Markgrafen: er hätt es gern nicht gelitten.

Er kam zu ihnen eilends gedrungen durch die Schar 1971
Und sagte seinen Mannen: sie würden selbst gewahr,
Daß im Unmuth wären Die Gunthern unterthan:
Wenn sie das Kampfspiel ließen, so wär ihm Liebes gethan.

Als von ihnen schieden die Helden allbereit, 1972
Da kamen die von Thüringen, hörten wir Bescheid,
Und vom Dänenlande der Kühnen tausend Mann.
Von Stichen sah man fliegen viel der Splitter hoch hinan.

Irnfried und Hawart ritten zum Buhurd hin; 1973
Ihrer harrten Die vom Rheine mit hochfährtgem Sinn
Zum Lanzenspiel mit Denen vom Thüringerland:
Durchbohrt von Stichen wurde mancher schöne Schildesrand.

Da kam der Degen Blödel, dreitausend in der Schar. 1974
Etzel und Kriemhild nahmen sein wohl war,
Da vor ihnen Beiden das Ritterspiel geschah.
Die Königin es gerne aus Haß der Burgunden sah.

Sie gedacht in ihrem Sinne, schier wärs auch so geschehn: 1975
"Und thäten sie wem Leides, so dürft ich mich versehn,
Daß es zum Ernste käme: an den Feinden mein
Würd ich dann gerochen; des wollt ich ohne Sorge sein."

Schrutan und Gibeke ritten zum Buhurd auch, 1976
Hornbog und Ramung, nach heunischem Gebrauch.
Sie hielten vor den Helden aus Burgundenland:
Die Schäfte flogen wirbelnd über des Königssaales Wand.

Wie sie da Alle ritten, das war doch eitel Schall. 1977
Von Stößen auf die Schilde das Haus und den Saal
Hörte man ertosen durch manchen Gunthers-Mann.
Das Lob sich sein Gesinde mit großen Ehren gewann.

Da ward ihre Kurzweil so stark und so groß, 1978
Daß den Satteldecken der blanke Schweiß entfloß
Von den guten Rossen, so die Helden ritten.
Sie versuchten an den Heunen sich mit hochfährtgen Sitten.

Da sprach der kühne Volker, der edle Spielmann: 1979
"Zu feig sind diese Degen, sie greifen uns nicht an.
Ich hörte immer sagen, daß sie uns abhold sein:
Nun könnte die Gelegenheit ihnen doch nicht günstger sein."

"Zu den Ställen wieder," sprach der König hehr, 1980
"Ziehe man die Rosse; wir reiten wohl noch mehr
In den Abendstunden, wenn die Zeit erschien.
Ob dann den Burgunden den Preis wohl giebt die Königin?"

Da sahn sie Einen reiten so stattlich daher, 1981
Es thats von allen Heunen kein Anderer mehr.
Er hatt in den Fenstern wohl ein Liebchen traut:
Er ritt so wohl gekleidet als eines werthen Ritters Braut.

Da sprach wieder Volker: "Wie blieb' es ungethan? 1982
Jener Weiberliebling muß einen Stoß empfahn.
Das mag hier Niemand wenden, es geht ihm an den Leib:
Nicht frag ich, ob drum zürne dem König Etzel sein Weib."

"Nicht doch," sprach der König, "wenn ichs erbitten kann: 1983
Es schelten uns die Leute, greifen wir sie an:
Die Heunen laßt beginnen; es kommt wohl bald dahin."
Noch saß König Etzel am Fester bei der Königin.

"Ich will das Kampfspiel mehren," sprach Hagen jedoch: 1984
"Laßt diese Frauen und die Degen noch
Sehn, wie wir reiten können: das ist wohlgethan;
Man läßt des Lobs doch wenig die Recken Gunthers empfahn."

Volker der schnelle ritt wieder in den Streit. 1985
Das schuf da viel der Frauen großes Herzeleid.
Er stach dem reichen Heunen den Sper durch den Leib:
Das sah man noch beweinen manche Maid und manches Weib.

Alsbald rückt' auch Hagen mit seinen Helden an: 1986
Mit sechzig seiner Degen zu reiten er begann
Dahin, wo von dem Fiedler das Spiel war geschehn.
Etzel und Kriemhild konnten Alles deutlich sehn.

Da wollten auch die Könige den kühnen Fiedler gut 1987
Unter den Feinden nicht laßen ohne Hut.
Da ward von tausend Helden mit großer Kunst geritten.
Sie thaten, was sie lüstete, mit gar hochfährtgen Sitten.

Als der reiche Heune zu Tode war geschlagen, 1988
Man hörte seiner Freunde Wehruf und Klagen.
All das Gesinde fragte: "Wer hat das gethan?"
"Das hat gethan der Fiedler, Volker der kühne Spielmann."

Nach Schwertern und Schilden riefen gleich zur Hand 1989
Des Markgrafen Freunde von der Heunen Land:
Zu Tode schlagen wollten sie den Fiedelmann.
Der Wirth von seinem Fenster daher zu eilen begann.

Da hob sich von den Heunen allenthalben Schall. 1990
Abstiegen mit dem Volke die Könge vor dem Saal;
Zurück die Rosse stießen Die Gunthern unterthan.
Da kam der König Etzel den Streit zu schlichten heran.

Einem Vetter dieses Heunen, den er da bei ihm fand, 1991
Eine scharfe Waffe brach er ihm aus der Hand
Und schlug sie all zurücke: er war in großem Zorn.
"Wie hätt ich meine Dienste an diesen Helden verlorn!

"Wenn ihr diesen Spielmann hättet drum erschlagen, 1992
Ich ließ' euch alle hängen! das will ich euch sagen.
Als er erstach den Heunen, sein Reiten wohl ich sah,
Daß es wider seinen Willen nur durch Straucheln geschah.

"Ihr sollt meine Gäste mit Frieden laßen ziehn." 1993
So ward er ihr Geleite. Die Rosse zog man hin
Zu den Herbergen. Sie hatten manchen Knecht,
Der ihnen war zu Diensten mit allem Fleiße gerecht.

Der Wirth mit seinen Freunden gieng zum Saal zurück: 1994
Da regte sich kein Zürnen mehr vor seinem Blick.
Man richtete die Tische, das Wasser man auch trug.
Da hatten Die vom Rheine der starken Feinde genug.

Unlieb war es Etzeln, doch folgte manche Schar 1995
Den Fürsten, die mit Waffen wohl versehen war,
Im Unmuth auf die Gäste, als man zu Tische gieng,
Den Freund bedacht zu rächen, wenn es günstge Zeit verhieng.

"Daß ihr in Waffen lieber zu Tische geht als bloß," 1996
Sprach der Wirth des Landes, "die Unart ist zu groß;
Wer aber an den Gästen den kleinsten Frevel wagt,
Der büßt es mit dem Haupte: das sei euch Heunen gesagt."

Bevor da niedersaßen die Herren, das währte lang, 1997
Weil zu sehr mit Sorgen jetzt Frau Kriemhild rang.
Sie sprach: "Fürst von Berne, heute muß ich flehn
Zu dir um Rath und Hülfe: meine Sachen ängstlich stehn."

Zur Antwort gab ihr Hildebrand, eine Recke tugendlich: 1998
"Wer schlägt die Nibelungen, der thut es ohne mich,
Wie viel man Schätze böte; es wird ihm wahrlich leid.
Sie sind noch unbezwungen, die schnellen Ritter allbereit."

"Es geht mir nur um Hagen, der hat mir Leid gethan, 1999
Der Siegfrieden mordete, meinen lieben Mann.
Wer den von ihnen schiede, dem wär mein Gold bereit:
Entgält es anders Jemand, das wär mir inniglich leid."

Da sprach Meister Hildebrand: "Wie möchte das geschehn, 2000
Den ihnen zu erschlagen? Ihr solltet selber sehn:
Bestünde man den Degen, leicht gäb es eine Noth,
Daß Arme so wie Reiche dabei erlägen im Tod."

Da sprach dazu Herr Dietrich mit zuchtreichem Sinn: 2001
"Die Rede laßt bleiben, reiche Königin;
Mir ist von euern Freunden kein solches Leid geschehn,
Daß ich sollt im Streite die kühnen Degen bestehn.

"Die Bitte ehrt euch wenig, edel Königsweib, 2002
Daß ihr den Freunden rathet an Leben und an Leib.
Sie kamen euch auf Gnade hieher in dieses Land;
Siegfried bleibt ungerochen wohl von Dietrichens Hand."

Als sie keine Untreu bei dem Berner fand, 2003
Alsobald gelobte sie Blödeln in die Hand
Eine weite Landschaft, die Nudung einst besaß;
Hernach erschlug ihn Dankwart, daß er der Gabe gar vergaß.

Sie sprach: "Du sollst mir helfen, Bruder Blödelein. 2004
Hier in diesem Hause sind die Feinde mein,
Die Siegfrieden schlugen, meinen lieben Mann:
Wer mir das rächen hülfe, dem war ich immer unterthan."

Zur Antwort gab ihr Blödel, der ihr zur Seite saß: 2005
"Ich darf euern Freunden nicht zeigen solchen Haß,
Weil sie mein Bruder Etzel so gerne leiden mag:
Wenn ich sie bestünde, der König säh es mir nicht nach."

"Nicht also, Herr Blödel, ich bin dir immer hold: 2006
Ich gebe dir zum Lohne mein Silber und mein Gold
Und eine schöne Witwe, Nudungens Weib:
So magst du immer kosen ihren minniglichen Leib.

"Das Land zu den Burgen, Alles geb ich dir, 2007
So lebst du, theurer Ritter, in Freuden stäts mit ihr,
Wenn du die Mark gewinnest, die Nudung einst besaß.
Was ich dir hier gelobe, mit Treuen leist ich dir das."

Als Blödel bieten hörte des Lohnes also viel 2008
Und ihrer Schöne willen die Frau ihm wohlgefiel,
Im Kampf verdienen wollt er das minnigliche Weib.
Da muste dieser Recke verlieren Leben und Leib.

Er sprach zu der Königin: "Geht wieder in den Saal. 2009
Eh man es inne werde, erheb ich großen Schall.
Hagen muß es büßen, was er euch hat gethan:
Ich bring euch gebunden König Gunthers Unterthan."

"Nun waffnet euch," sprach Blödel, "ihr all in meinem Lehn, 2010
Wir wollen zu den Feinden in die Herberge gehn.
Mir will es nicht erlaßen König Etzels Weib:
Wir Helden müßen alle verwagen Leben und Leib."

Als den Degen Blödel entließ die Königin, 2011
Daß er den Streit begänne, zu Tische gieng sie hin
Mit Etzeln dem Könige und manchem Unterthan.
Sie hatte schlimme Räthe wider die Gäste gethan.

Wie sie zu Tische giengen, das will ich euch sagen: 2012
Man sah reiche Könige die Krone vor ihr tragen;
Manchen hohen Fürsten und viel der werthen Degen
Sah man großer Demuth vor der Königin pflegen.

Der König wies den Gästen die Sitze überall, 2013
Den Höchsten und den Besten neben sich im Saal.
Den Christen und den Heiden die Kost er unterschied;
Man gab die Fülle beiden, wie es der weise König rieth.

In der Herberge aß ihr Ingesind: 2014
Von Truchsäßen ward es da allein bedient;
Die hatten es zu speisen großen Fleiß gepflogen.
Die Bewirtung und die Freude ward bald mit Jammer aufgewogen.

Da nicht anders konnte erhoben sein der Streit, 2015
Kriemhilden lag im Herzen begraben altes Leid,
Da ließ sie zu den Tischen tragen Etzels Sohn:
Wie könnt ein Weib aus Rache wohl entsetzlicher thun?

Da kamen vier gegangen aus Etzels Ingesind 2016
Und brachten Ortlieben, das junge Königskind,
Den Fürsten an die Tafel, wo auch Hagen saß.
Das Kind must ersterben durch seinen mordlichen Haß.

Als der reiche König seinen Sohn ersah, 2017
Zu seiner Frauen Brüdern gütlich sprach er da:
"Nun schaut, meine Freunde, das ist mein einzig Kind
Und das eurer Schwester, von dem ihr Frommen einst gewinnt.

"Geräth er nach dem Stamme, er wird ein starker Mann, 2018
Reich dazu und edel, kühn und wohlgethan.
Erleb ich es, ich geb ihm zwölf reicher Könge Land:
So thut euch wohl noch Dienste des jungen Ortliebens Hand.

"Darum bät ich gerne euch, lieben Freunde mein, 2019
Wenn ihr heimwärts reitet wieder an den Rhein,
Daß ihr dann mit euch nehmet eurer Schwester Kind;
Und seid auch dem Knaben immer gnädig gesinnt.

"Erzieht ihn nach Ehren, bis er geräth zum Mann: 2020
Hat euch in den Landen Jemand ein Leid gethan,
So hilft er euch es rächen, erwuchs ihm erst der Leib."
Die Rede hörte Kriemhild mit an, König Etzels Weib.

"Ihm sollten wohl vertrauen alle diese Degen, 2021
Wenn er zum Mann erwüchse," sprach Hagen entgegen;
"Doch ist der junge König so schwächlich anzusehn:
Man soll mich selten schauen nach Hof zu Ortlieben gehn."

Der König blickt' auf Hagen; die Rede war ihm leid. 2022
Wenn er auch nichts erwiederte, der König allbereit,
Es betrübt' ihn in der Seele und beschwert' ihm den Muth.
Da waren Hagens Sinne zu keiner Kurzweile gut.

Es schmerzte wie den König sein fürstlich Ingesind, 2023
Was Hagen da gesprochen hatte von dem Kind.
Daß sie's vertragen sollten, gieng ihnen allen nah;
Noch konnten sie nicht wißen, was von dem Recken bald geschah.

Gar Manche, die es hörten und ihm trugen Groll, 2024
Hätten ihn gern bestanden; der König selber wohl,
Wenn er mit Ehren dürfte: so käm der Held in Noth.
Bald that ihm Hagen Aergeres, er schlug ihn ihm vor Augen todt.

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