Dreißigstes Abenteuer.

Wie Hagen und Volker Schildwacht standen.

Der Tag war nun zu Ende, es nahte sich die Nacht. 1912
Den reisemüden Recken war die Sorg erwacht,
Wann sie ruhen sollten und zu Bette gehn.
Zur Sprache bracht es Hagen: Bescheid ist ihnen geschehn.

Zu dem Wirthe sprach da Gunther: "Gott laß euchs wohlgedeihn: 1913
Wir wollen schlafen gehen, mag es mit Urlaub sein.
Wenn ihr das gebietet, kommen wir morgen fruh."
Der Wirth entließ die Gaste wohlgemuth zu ihrer Ruh.

Von allen Seiten drängen man die Gäste sah. 1914
Volker der kühne sprach zu den Heunen da:
"Wie dürft ihr uns Recken so vor die Füße gehn?
Und wollt ihr das nicht meiden, so wird euch übel geschehn.

"So schlag ich Dem und Jenem so schweren Geigenschlag, 1915
Hat er einen Treuen, daß ders beweinen mag.
Nun weicht vor uns Recken, fürwahr, mich dünkt es gut:
Es heißen Alle Degen und haben doch nicht gleichen Muth."

Als in solchem Zorne sprach der Fiedelmann, 1916
Hagen der kühne sich umzuschaun begann.
Er sprach: "Euch räth zum Heile der kühne Fiedeler.
Geht zu den Herbergen, ihr in Kriemhildens Heer.

"Was ihr habt im Sinne, es fügt sich nicht dazu: 1917
Wollt ihr was beginnen, so kommt uns morgen fruh
Und laßt uns Reisemüden heut in Frieden ruhn.
Ich glaube, niemals werden es Helden williger thun."

Da brachte man die Gäste in einen weiten Saal, 1918
Zur Nachtruh eingerichtet den Recken allzumal
Mit köstlichen Betten, lang zumal und breit.
Gern schuf ihnen Kriemhild das allergrößeste Leid,

Schmucker Decken sah man von Arras da genug 1919
Aus lichthellem Zeuge und manchen Ueberzug
Aus Arabischer Seide, so gut sie mochten sein,
Verbrämt mit goldnen Borten, die gaben herrlichen Schein.

Viel Bettlaken fand man von Hermelin gemacht 1920
Und von schwarzem Zobel, worunter sie die Nacht
Sich Ruhe schaffen sollten bis an den lichten Tag.
Ein König mit dem Volke wohl nimmer herrlicher lag.

"O weh des Nachtlagers!" sprach Geiselher das Kind, 1921
"Und weh meiner Freunde, die mit uns kommen sind.
Wie gut es meine Schwester uns auch hier erbot,
Wir gewinnen, fürcht ich, alle von ihrem Haße den Tod."

"Nun laßt euer Sorgen," sprach Hagen der Degen, 1922
"Ich will heunte selber der Schildwache pflegen
Und getrau euch zu behüten bis morgen an den Tag:
Seit des ohne Sorge: so entrinne, wer da mag."

Da neigten sich ihm Alle und sagten ihm Dank. 1923
Sie giengen zu den Betten. Da währt' es nicht lang,
Bis in Ruhe lagen die Helden wohlgethan.
Hagen der kühne sich da zu waffnen begann.

Da sprach der Fiedelspieler, Volker der Degen: 1924
"Verschmäht ihrs nicht, Hagen, so will ich mit euch pflegen
Heunt der Schildwache bis morgen an den Tag."
Da dankte Volkeren der Degen gütlich und sprach:

"Nun lohn euch Gott vom Himmel, viel lieber Volker! 1925
Zu allen meinen Sorgen wünsch ich mir Niemand mehr
Als nur euch alleine, befahr ich irgend Noth.
Ich will es wohl vergelten, es verwehr es denn der Tod."

Da kleideten die Beiden sich in ihr licht Gewand, 1926
Jedweder faßte den Schild an seine Hand,
Sie giengen aus dem Hause vor die Thüre stehn
Und hüteten der Gäste; das ist mit Treuen geschehn.

Volker der schnelle lehnte von der Hand 1927
Seinen Schild den guten an des Saales Wand.
Dann wandt er sich zurücke, wo seine Geige war,
Und diente seinen Freunden: es ziemt ihm also fürwahr.

Unter des Hauses Thüre setzt' er sich auf den Stein. 1928
Kühnrer Fiedelspieler mochte nimmer sein.
Als der Saiten Tönen ihm so hold erklang,
Die stolzen Heimatlosen die sagten Volkern den Dank.

Da tönten seine Saiten, daß all das Haus erscholl; 1929
Seine Kraft und sein Geschicke die waren beide voll.
Süßer und sanfter zu geigen hub er an:
So spielt' er in den Schlummer gar manchen sorgenden Mann.

Da sie entschlafen waren und Volker das befand, 1930
Da nahm der Degen wieder den Schild an die Hand
Und gieng aus dem Hause vor die Thüre stehn,
Seine Freunde zu behüten vor Denen in Kriemhilds Lehn.

Wohl der Nacht inmitten, wenn es erst da geschah, 1931
Volker der kühne einen Helm erglänzen sah
Fernher durch das Dunkel: Die Kriemhild unterthan,
Hätten an den Gästen gerne Schaden gethan.

Bevor diese Recken Kriemhild hatt entsandt, 1932
Sie sprach: "Wenn ihr sie findet, so seid um Gott ermahnt,
Daß ihr Niemand tödtet als den einen Mann,
Den ungetreuen Hagen; die Andern rühret nicht an."

Da sprach der Fiedelspieler: "Nun seht, Freund Hagen, 1933
Uns ziemt, diese Sorge gemeinsam zu tragen.
Gewaffnet vor dem Hause seh ich Leute stehn:
So viel ich mag erkennen, kommen sie uns zu bestehn."

"So schweigt," sprach da Hagen, "laßt sie erst näher her. 1934
Eh sie uns inne werden, wird ihrer Helme Wehr
Zerschroten mit den Schwertern von unser Beider Hand:
Sie werden Kriemhilden übel wieder heimgesandt."

Der Heunenrecken Einer das gar bald ersah, 1935
Die Thüre sei behütet: wie schnell sprach er da:
"Was wir im Sinne hatten, kann nun nicht geschehn:
Ich seh den Fiedelspieler vor dem Hause Schildwacht stehn.

"Er trägt auf dem Haupte einen Helm von lichtem Glanz, 1936
Der ist hart und lauter, stark dazu und ganz.
Auch loh'n die Panzerringe ihm, wie das Feuer thut.
Daneben steht auch Hagen: die Gäste sind in guter Hut."

Da wandten sie sich wieder. Als Volker das ersah, 1937
Zu seinem Heergesellen in Zorn sprach er da:
"Nun laßt mich von dem Hause zu den Recken gehn:
So frag ich um die Märe Die in Kriemhildens Lehn."

"Nein, wenn ihr mich lieb habt," sprach Hagen entgegen, 1938
"Kämt ihr aus dem Hause, diese schnellen Degen
Brächten euch mit Schwertern leicht in solche Noth,
Daß ich euch helfen müste, wärs aller meiner Freunde Tod.

"Wenn wir dann Beide kämen in den Streit, 1939
So möchten ihrer zweie oder vier in kurzer Zeit
Zu dem Hause springen und schüfen solche Noth
Drinnen an den Schlafenden, daß wir bereuten bis zum Tod."

Da sprach wieder Volker: "So laßt es nur geschehn, 1940
Daß sie inne werden, wir haben sie gesehn:
So können uns nicht läugnen Die Kriemhild unterthan,
Daß sie gerne treulos an den Gästen hätten gethan."

Da rief der Fiedelspieler den Heunen entgegen: 1941
"Wie geht ihr so bewaffnet, ihr behenden Degen?
Wollt ihr morden reiten, ihr Kriemhild unterthan?
So nehmt mich zur Hülfe und meinen Heergesellen an,"

Niemand gab ihm Antwort; zornig war sein Muth: 1942
"Pfui, feige Bösewichter," sprach der Degen gut,
"Im Schlaf uns zu ermorden, schlicht ihr dazu heran?
Das ward so guten Helden bisher noch selten gethan."

Bald ward auch die Märe der Königin bekannt 1943
Vom Abzug ihrer Boten: wie schwer sie das empfand!
Da fügte sie es anders; gar grimmig war ihr Muth.
Da musten bald verderben viel der Helden kühn und gut.

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