Einundzwanzigstes Abenteuer.

Wie Kriemhild zu den Heunen fuhr.

Die Boten laßt reiten, so thun wir euch bekannt, 1339
Wie die Königstochter fuhr durch das Land,
Und wo von ihr Geiselher schied mit Gernot;
Sie hatten ihr gedienet, wie ihre Treue gebot.

Sie kamen an die Donau gen Bergen nun geritten. 1340
Da begannen sie um Urlaub die Königin zu bitten,
Weil sie wieder wollten reiten an den Rhein.
Da mocht es ohne Weinen von guten Freunden nicht sein.

Geiselher der schnelle sprach zu der Schwester sein: 1341
"Schwester, wenn du jemals bedürfen solltest mein,
Was immer dich gefährde, so mach es mir bekannt,
Dann reit ich dir zu dienen hin in König Etzels Land."

Die Verwandten alle küsste sie auf den Mund. 1342
Minniglich sich scheiden sah man da zur Stund
Die schnellen Burgunden von Rüdigers Geleit.
Da zog mit der Königin manche wohlgethane Maid,

Hundert und viere; sie trugen schön Gewand 1343
Von buntgewebten Zeugen; manch breiten Schildesrand
Führte man der Königin nach auf ihren Wegen.
Da bat auch um Urlaub Volker der zierliche Degen.

Ueber die Donau kamen sie jetzt gen Baierland: 1344
Da sagte man die Märe, es kämen angerannt
Viel unkunder Gäste. Wo noch ein Kloster steht
Und der Innfluß mündend in die Donau niedergeht,

In der Stadt zu Paßau saß ein Bischof. 1345
Herbergen leerten sich und auch des Fürsten Hof:
Den Gästen entgegen giengs auf durch Baierland,
Wo der Bischof Pilgerin die schöne Kriemhild fand.

Den Recken in dem Lande war es nicht zu leid, 1346
Als sie ihr folgen sahen so manche schöne Maid.
Da kos'ten sie mit Augen manch edeln Ritters Kind.
Gute Herberge wies man den Gästen geschwind.

Dort zu Pledelingen schuf man ihnen Ruh; 1347
Das Volk allenthalben ritt auf sie zu.
Man gab, was sie bedurften, williglich und froh:
Sie nahmen es mit Ehren; so that man bald auch anderswo.

Der Bischof mit der Nichte ritt auf Paßau an. 1348
Als es da den Bürgern der Stadt ward kund gethan,
Das Schwesterkind des Fürsten, Kriemhild wolle kommen,
Da ward sie wohl mit Ehren von den Kaufherrn aufgenommen.

Als der Bischof wähnte, sie blieben nachts ihm da, 1349
Sprach Eckewart der Markgraf: "Unmöglich ist das ja:
Wir müßen abwärts reiten in Rüdigers Land:
Viel Degen harren unser: ihnen allen ist es bekannt."

Nun wust auch wohl die Märe die schöne Gotelind: 1350
Sie rüstete sich fleißig und auch ihr edel Kind.
Ihr hatt entboten Rüdiger, ihn bedünk es gut,
Wenn sie der Königstochter damit tröstete den Muth

Und ihr entgegenritte mit seiner Mannen Schar 1351
Hinauf bis zur Ense. Als das im Werke war,
Da sah man allenthalben erfüllt die Straßen stehn:
Sie wollten ihren Gästen entgegen reiten und gehn.

Nun war gen Everdingen die Königin gekommen. 1352
Man hatt im Baierlande von Schächern wohl vernommen,
Die auf den Straßen raubten, wie es ihr Gebrauch:
So hätten sie die Gäste mögen schädigen auch.

Das hatte wohl verhütet der edle Rüdiger: 1353
Er führte tausend Ritter oder wohl noch mehr.
Da kam auch Gotelinde, Rüdigers Gemahl,
Mit ihr in stolzem Zuge kühner Recken große Zahl.

Ueber die Traune kamen sie bei Ense auf das Feld; 1354
Da sah man aufgeschlagen Hütten und Gezelt,
Daß gute Ruhe fänden die Gäste bei der Nacht.
Für ihre Kost zu sorgen war der Markgraf bedacht.

Von den Herbergen ritt ihrer Frau entgegen 1355
Gotelind die schöne. Da zogen auf den Wegen
Mit klingenden Zäumen viel Pferde wohlgethan.
Sie wurde wohl empfangen; lieb that man Rüdigern daran.

Die sie zu beiden Seiten begrüßten auf dem Feld 1356
Mit kunstvollem Reiten, das war mancher Held.
Sie übten Ritterspiele; das sah manch schöne Maid.
Auch war der Dienst der Helden den schönen Frauen nicht leid.

Als zu den Gästen kamen Die in Rüdigers Lehn, 1357
Viel Schaftsplitter sah man in die Lüfte gehn
Von der Recken Händen nach ritterlichen Sitten.
Da wurde wohl zu Danke vor den Frauen geritten.

Sie ließen es bewenden. Da grüßte mancher Mann 1358
Freundlich den andern. Nun führten sie heran
Die schöne Gotelinde, wo sie Kriemhild sah.
Die Frauen dienen konnten, hatten selten Muße da.

Der Vogt von Bechelaren ritt zu Gotlinden hin. 1359
Wenig Kummer schuf es der edeln Markgräfin,
Daß sie wohl geborgen ihn sah vom Rheine kommen.
Ihr war die meiste Sorge mit großer Freude benommen.

Als sie ihn hatt empfangen, hieß er sie auf das Feld 1360
Mit den Frauen steigen, die er ihr sah gestellt.
Da zeigte sich geschäftig mancher edle Mann:
Den Frauen wurden Dienste mit großem Fleiße gethan.

Da ersah Frau Kriemhild die Markgräfin stehn 1361
Mit ihrem Ingesinde: sie ließ nicht näher gehn:
Sie zog mit dem Zaume das Ross an, das sie trug,
Und ließ sich aus dem Sattel heben schleunig genug.

Den Bischof sah man führen seiner Schwester Kind, 1362
Ihn und Eckewarten, hin zu Frau Gotelind.
Es muste vor ihr weichen, wer im Wege stund.
Da küsste die Fremde die Markgräfin auf den Mund.

Da sprach mit holden Worten die edle Markgräfin: 1363
"Nun wohl mir, liebe Herrin, daß ich so glücklich bin,
Hier in diesem Lande mit Augen euch zu sehn:
Mir könnt in diesen Zeiten nimmer lieber geschehn."

"Nun lohn euch Gott," sprach Kriemhild, "viel edle Gotelind. 1364
So ich gesund verbleibe mit Botlungens Kind,
Mag euch zu Gute kommen, daß ihr mich habt gesehn."
Noch ahnten nicht die Beiden, was später muste geschehn.

Mit Züchten zu einander gieng da manche Maid; 1365
Zu Diensten waren ihnen die Recken gern bereit.
Sie setzten nach dem Gruße sich nieder auf den Klee:
Da lernten sich kennen, die sich fremd gewesen eh.

Man ließ den Frauen schenken. Es war am hohen Tag; 1366
Das edle Ingesinde der Ruh nicht länger pflag.
Sie ritten, bis sie fanden viel breiter Hütten stehn:
Da konnten große Dienste den edeln Gästen geschehn.

Ueber Nacht da pflegen sollten sie der Ruh. 1367
Die von Bechelaren schickten sich dazu,
Nach Würden zu bewirthen so manchen werthen Mann.
So hatte Rüdiger gesorgt, es gebrach nicht viel daran.

Die Fenster an den Mauern sah man offen stehn; 1368
Man mochte Bechelaren weit erschloßen sehn.
Da ritten ein die Gäste, die man gerne sah;
Gut Gemach schuf ihnen der edle Rüdiger da.

Des Markgrafen Tochter mit dem Gesinde gieng 1369
Dahin, wo sie die Königin minniglich empfieng.
Da war auch ihre Mutter, Rüdigers Gemahl:
Liebreich empfangen wurden die Jungfrauen allzumal.

Sie fügten ihre Hände in Eins und giengen dann 1370
Zu einem weiten Saale, der war gar wohlgethan,
Vor dem die Donau unten die Flut vorübergoß.
Da saßen sie im Freien und hatten Kurzweile groß.

Ich kann euch nicht bescheiden, was weiter noch geschah. 1371
Daß sie so eilen müsten, darüber klagten da
Die Recken Kriemhildens; wohl war es ihnen leid.
Was ihnen guter Degen aus Bechlarn gaben Geleit!

Viel minnigliche Dienste der Markgraf ihnen bot. 1372
Da gab die Königstochter zwölf Armspangen roth
Der Tochter Gotlindens und also gut Gewand,
Daß sie kein beßres brachte hin in König Etzels Land.

Obwohl ihr war benommen der Nibelungen Gold, 1373
Alle, die sie sahen, machte sie sich hold
Noch mit dem kleinen Gute, das ihr verblieben war.
Dem Ingesind des Wirthes bot sie große Gaben dar.

Dafür erwies Frau Gotlind den Gästen von dem Rhein 1374
Auch so hohe Ehre mit Gaben groß und klein,
Daß man da der Fremden wohl selten einen fand,
Der nicht von ihr Gesteine trug oder herrlich Gewand.

Als man nach dem Imbiß fahren sollt hindann, 1375
Ihre treuen Dienste trug die Hausfrau an
Mit minniglichen Worten Etzels Gemahl.
Die liebkos'te scheidend der schönen Jungfrau zumal.

Da sprach sie zu der Königin: "Dünkt es euch nun gut, 1376
So weiß ich, wie gern es mein lieber Vater thut,
Daß er mich zu euch sendet in der Heunen Land."
Daß sie ihr treu gesinnt war, wie wohl Frau Kriemhild das fand!

Die Rosse kamen aufgezäumt vor Bechelaren an. 1377
Als die edle Königin Urlaub hatt empfahn
Von Rüdigers Weibe und von der Tochter sein,
Da schieden auch mit Grüßen viel der schönen Mägdelein.

Sie sahn einander selten mehr nach diesen Tagen. 1378
Aus Medelick auf Händen brachte man getragen
Manch schönes Goldgefäße angefüllt mit Wein
Den Gästen auf die Straße und hieß sie willkommen sein.

Ein Wirth war da geseßen, Astold genannt, 1379
Der wies sie die Straße ins Oesterreicherland
Gegen Mautaren an der Donau nieder:
Da ward viel Dienst erboten der reichen Königin wieder.

Der Bischof mit Liebe von seiner Nichte schied. 1380
Daß sie sich wohl gehabe, wie sehr er ihr das rieth,
Und sich Ehr erwerbe, wie Helke einst gethan.
Hei! was sie großer Ehren bald bei den Heunen gewann!

An die Traisem kamen die Gäst in kurzer Zeit. 1381
Sie zu pflegen fliß sich Rüdigers Geleit,
Bis daß man die Heunen sah reiten über Land:
Da ward der Königstochter erst große Ehre bekannt.

Bei der Traisem hatte der Fürst von Heunenland 1382
Eine reiche Veste, im Lande wohl bekannt,
Mit Namen Traisenmauer: einst wohnte Helke da
Und pflag so hoher Milde, als wohl nicht wieder geschah,

Es sei denn von Kriemhilden; die mochte gerne geben. 1383
Sie durfte wohl die Freude nach ihrem Leid erleben,
Daß ihre Güte priesen, die Etzeln unterthan.
Das Lob sie bei den Helden in der Fülle bald gewann.

König Etzels Herrschaft war so weit erkannt, 1384
Daß man zu allen Zeiten an seinem Hofe fand
Die allerkühnsten Recken, davon man je vernommen
Bei Christen oder Heiden; die waren all mit ihm gekommen.

Bei ihm war allerwegen, so sieht mans nimmermehr, 1385
So christlicher Glaube als heidnischer Verkehr.
Wozu nach seiner Sitte sich auch ein Jeder schlug,
Das schuf des Königs Milde, man gab doch Allen genug.

* * * * *

Share on Twitter Share on Facebook