Zweiundzwanzigstes Abenteuer.

Wie Kriemhild bei den Heunen empfangen ward.

Sie blieb zu Traisenmauer bis an den vierten Tag. 1386
Der Staub in den Straßen derweil nicht stille lag:
Aufstob er allenthalben wie in hellem Brand.
Da ritten Etzels Leute durch das Oesterreicherland.

Es war dem König Etzel gemeldet in der Zeit, 1387
Daß ihm vor Gedanken schwand sein altes Leid,
Wie herrlich Frau Kriemhild zöge durch das Land.
Da eilte hin der König, wo er die Minnigliche fand.

Von gar manchen Sprachen sah man auf den Wegen 1388
Vor König Etzeln reiten viel der kühnen Degen,
Von Christen und von Heiden manches breite Heer.
Als sie die Herrin fanden, sie zogen fröhlich einher.

Von Reußen und von Griechen ritt da mancher Mann; 1389
Die Polen und Walachen zogen geschwind heran
Auf den guten Rossen, die sie herrlich ritten.
Da zeigte sich ein Jeder in seinen heimischen Sitten.

Aus dem Land zu Kiew ritt da mancher Mann 1390
Und die wilden Peschenegen. Mit Bogen hub man an
Zu schießen nach den Vögeln, die in den Lüften flogen;
Mit Kräften sie die Pfeile bis zu des Bogens Ende zogen.

Eine Stadt liegt an der Donau im Oesterreicherland, 1391
Die ist geheißen Tulna. Da ward ihr bekannt
Manche fremde Sitte, die sie noch niemals sah.
Da empfiengen sie gar Viele, denen noch Leid von ihr geschah.

Es ritt dem König Etzel ein Ingesind voran, 1392
Fröhlich und prächtig, höfisch und wohlgethan,
Wohl vierundzwanzig Fürsten, mächtig und hehr:
Ihre Königin zu schauen, sie begehrten sonst nichts mehr.

Ramung, der Herzog aus Walachenland, 1393
Mit siebenhundert Mannen kam er vor sie gerannt.
Wie fliegende Vögel sah man sie alle fahren.
Da kam der Fürst Gibeke mit viel herrlichen Scharen.

Hornbog der schnelle ritt mit tausend Mann 1394
Von des Königs Seite zu seiner Fraun heran.
Sie prangten und stolzierten nach ihres Landes Sitten.
Von den Heunenfürsten ward auch da herrlich geritten.

Da kam vom Dänenlande der kühne Hawart 1395
Und Iring der schnelle, vor allem Falsch bewahrt;
Von Thüringen Irnfried, ein waidlicher Mann:
Sie empfiengen Kriemhilden, daß sie viel Ehre gewann,

Mit zwölfhundert Mannen, die zählte ihre Schar. 1396
Da kam der Degen Blödel mit dreitausend gar,
König Etzels Bruder aus dem Heunenland:
Der ritt in stolzem Zuge, bis er die Königin fand.

Da kam der König Etzel und Herr Dieterich 1397
Mit seinen Helden allen. Da sah man ritterlich
Manchen edeln Ritter bieder und auch gut.
Davon ward Kriemhilden gar wohl erhoben der Muth.

Da sprach zu der Königin der edle Rüdiger: 1398
"Frau, euch will empfangen hier der König hehr.
Wen ich euch küssen heiße, dem sei der Kuss gegönnt:
Wißt, daß ihr Etzels Recken nicht alle gleich empfangen könnt."

Da hob man von der Mähre die Königin hehr. 1399
Etzel der reiche nicht säumt' er länger mehr:
Er schwang sich von dem Rosse mit manchem kühnen Mann;
Voller Freuden kam er zu Frau Kriemhilden heran.

Zwei mächtige Fürsten, das ist uns wohlbekannt, 1400
Giengen bei der Frauen und trugen ihr Gewand,
Als der König Etzel ihr entgegen gieng
Und sie den edlen Fürsten mit Küssen gütlich empfieng.

Sie schob hinauf die Binden: ihre Farbe wohlgethan 1401
Erglänzt' aus dem Golde. Da sagte mancher Mann,
Frau Helke könne schöner nicht gewesen sein.
Da stand in der Nähe des Königs Bruder Blödelein.

Den rieth ihr zu küssen Rüdiger der Markgraf reich 1402
Und den König Gibeke, Dietrichen auch zugleich:
Zwölf der Recken küsste Etzels Königin;
Da blickte sie mit Grüßen noch zu manchem Ritter hin.

Während König Etzel bei Kriemhilden stand, 1403
Thaten junge Degen wie Sitte noch im Land:
Waffenspiele wurden schön vor ihr geritten;
Das thaten Christenhelden und Heiden nach ihren Sitten.

Wie ritterlich die Degen in Dietrichens Lehn 1404
Die splitternden Schäfte in die Lüfte ließen gehn
Hoch über Schilde aus guter Ritter Hand!
Vor den deutschen Gästen brach da mancher Schildesrand.

Von der Schäfte Krachen vernahm man lauten Schall. 1405
Da waren aus dem Lande die Recken kommen all
Und auch des Königs Gäste, so mancher edle Mann:
Da gieng der reiche König mit der Königin hindann.

Sie fanden in der Nähe ein herrlich Gezelt. 1406
Erfüllt war von Hütten rings das ganze Feld;
Da war nach den Beschwerden Rast für sie bereit.
Da geleiteten die Helden darunter manche schöne Maid

Zu Kriemhild der Königin, die dort darnieder saß 1407
Auf reichem Stuhlgewande; der Markgraf hatte das
So prächtig schaffen laßen, sie fandens schön und gut.
Da stand dem König Etzel in hohen Freuden der Muth.

Was sie zusammen redeten, das ist mir unbekannt; 1408
In seiner Rechten ruhte ihre weiße Hand.
So saßen sie in Minne, als Rüdiger der Degen
Dem König nicht gestattete, Kriemhildens heimlich zu pflegen.

Da ließ man unterbleiben das Kampfspiel überall; 1409
Mit Ehren ward beendet der laute Freudenschall.
Da giengen zu den Hütten Die Etzeln unterthan;
Herberge wies man ihnen ringsum allenthalben an.

Den Abend und nachtüber fanden sie Ruhe da, 1410
Bis man den lichten Morgen wieder scheinen sah.
Da kamen hoch zu Rosse viel Helden ausersehn;
Hei! was sah man Kurzweil zu des Königs Ehren geschehn!

Nach Würden es zu schaffen der Fürst die Heunen bat. 1411
Da ritten sie von Tulna gen Wien in die Stadt.
In schönem Schmucke fand man da Frauen ohne Zahl.
Sie empfiengen wohl mit Ehren König Etzels Gemahl.

In Ueberfluß und Fülle war da für sie bereit, 1412
Wes sie nur bedurften. Viel Degen allbereit
Sahn froh dem Fest entgegen. Herbergen wies man an;
Die Hochzeit des Königs mit hohen Freuden begann.

Man mochte sie nicht alle herbergen in der Stadt: 1413
Die nicht Gäste waren, Rüdiger die bat,
Daß sie Herberge nahmen auf dem Land.
Wohl weiß ich, daß man immer den König bei Kriemhilden fand.

Dietrich der Degen und mancher andre Held 1414
Die hatten ihre Muße mit Arbeit eingestellt,
Auf daß sie den Gästen trösteten den Muth;
Rüdger und seine Freunde hatten Kurzweile gut.

Die Hochzeit war gefallen auf einen Pfingstentag, 1415
Wo der König Etzel bei Kriemhilden lag
In der Stadt zu Wiene. Fürwahr so manchen Mann
Bei ihrem ersten Manne sie nicht zu Diensten gewann.

Durch Gabe ward sie Manchem, der sie nicht kannte, kund. 1416
Darüber zu den Gästen hub Mancher an zur Stund:
"Wir wähnten, Kriemhilden benommen wär ihr Gut,
Die nun mit ihren Gaben hier so große Wunder thut."

Diese Hochzeit währte siebzehn Tage lang. 1417
Von keinem andern König weiß der Heldensang,
Der solche Hochzeit hielte: es ist uns unbekannt.
Alle, die da waren, die trugen neues Gewand.

Sie hatte nie geseßen daheim in Niederland 1418
Vor so manchem Recken; auch ist mir wohlbekannt,
War Siegfried reich an Schätzen, so hatte er doch nicht
So viel der edeln Recken, als sie hier sah in Etzels Pflicht.

Wohl gab auch nie ein König bei seiner Hochzeit 1419
So manchen reichen Mantel, lang, tief und weit,
Noch so gute Kleider, als man hier gewann,
Die Kriemhildens willen alle wurden vertan.

Ihre Freunde wie die Gäste hatten Einen Muth: 1420
Sie dachten nichts zu sparen, und wärs das beste Gut.
Was Einer wünschen mochte, man war dazu bereit;
Da Standen viel der Degen vor Milde bloß und ohne Kleid.

Wenn sie daran gedachte, wie sie am Rheine saß 1421
Bei ihrem edeln Manne, ihre Augen wurden naß;
Doch hehlte sie es immer, daß es Niemand sah,
Da ihr nach manchem Leide so viel der Ehren geschah.

Was Einer that aus Milde, das war doch gar ein Wind 1422
Gegen Dietrichen: was Botlungens Kind
Ihm gegeben hatte, das wurde gar verwandt.
Da begieng auch große Wunder des milden Rüdiger Hand.

Auch aus Ungarlande der Degen Blödelein 1423
Ließ da ledig machen manchen Reiseschrein
Von Silber und von Golde: das ward dahin gegeben.
Man sah des Königs Helden so recht fröhlich alle leben.

Des Königs Spielleute, Werbel und Schwemmelein, 1424
Wohl an tausend Marken nahm Jedweder ein
Bei dem Hofgelage (oder mehr als das),
Als die schöne Kriemhild bei Etzeln unter Krone saß.

Am achtzehnten Morgen von Wien die Helden ritten. 1425
In Ritterspielen wurden der Schilde viel verschnitten
Von Speren, so da führten die Recken an der Hand:
So kam der König Etzel mit Freuden in der Heunen Land.

In Heimburg der alten verblieb man über Nacht. 1426
Da konnte Niemand wißen recht des Volkes Macht,
Mit welchen Heerkräften sie ritten durch das Land.
Hei! was schöner Frauen man in seiner Heimat fand!

In Misenburg der reichen fieng man zu segeln an. 1427
Verdeckt ward das Wasser von Ross und auch von Mann,
Als ob es Erde wäre, was man doch fließen sah.
Die wegemüden Frauen mochten sich wohl ruhen da.

Zusammen war gebunden manches Schifflein gut, 1428
Daß ihnen wenig schaden Woge mocht und Flut;
Darüber ausgebreitet manch köstlich Geleit,
Als ob sie noch immer beides hatten, Land und Feld.

Nun ward auch in Etzelnburg die Märe kund gethan: 1429
Da freute sich darinnen beides, Weib und Mann.
Etzels Ingesinde, des einst Frau Helke pflag,
Erlebte bei Kriemhilden noch manchen fröhlichen Tag.

Da stand ihrer harrend gar manche edle Maid, 1430
Die seit Helkens Tode getragen Herzeleid.
Sieben Königstöchter Kriemhild noch da fand;
Durch die so ward gezieret König Etzels ganzes Land.

Herrat die Jungfrau noch des Gesindes pflag, 1431
Helkens Schwestertochter, in der viel Tugend lag,
Dietrichs Verlobte, eines edeln Königs Sproß,
Die Tochter Nentweinens, die noch viel Ehren genoß.

Auf der Gäste Kommen freute sich ihr Muth; 1432
Auch war dazu verwendet viel kostbares Gut.
Wer könnt euch des bescheiden, wie der König saß seitdem?
Den Heunen ward nicht wieder eine Königin so genehm.

Als der Fürst mit seinem Weibe geritten kam vom Strand, 1433
Wer eine Jede führte, das ward da wohl benannt
Kriemhild der edeln: sie grüßte desto mehr.
Wie saß an Helkens Stelle sie bald gewaltig und hehr!

Getreulichen Dienstes ward ihr viel bekannt. 1434
Die Königin vertheilte Gold und Gewand,
Silber und Gesteine: was sie des überrhein
Zum Heunenlande brachte, das muste gar vergeben sein.

Auch wurden ihr mit Diensten ergeben allzumal 1435
Die Freunde des Königs und denen er befahl,
Daß Helke nie die Königin so gewaltiglich gebot,
Als sie ihr dienen musten bis an Kriemhildens Tod.

Da stand in solchen Ehren der Hof und auch das Land, 1436
Daß man zu allen Zeiten die Kurzweile fand,
Wonach einem Jeden verlangte Herz und Muth;
Das schuf des Königs Liebe, dazu der Königin Gut.

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