Fünfundzwanzigstes Abenteuer.

Wie die Könige zu den Heunen fuhren.

Wie man dort gebarte, vernahmt ihr nun genug. 1561
Wohl kamen nie gefahren in solchem stolzen Zug
So hochgemuthe Degen in eines Königs Land;
Sie hatten, was sie wollten, beides, Waffen und Gewand.

Der Vogt vom Rheine kleidete aus seinem Heergeleit 1562
Der Degen tausend sechzig, so gab man uns Bescheid,
Und neuntausend Knechte zu dem Hofgelag;
Die sie zu Hause ließen, beweinten es wohl hernach.

Da trug man ihr Geräthe zu Worms übern Hof. 1563
Wohl sprach da von Speier ein alter Bischof
Zu der schönen Ute: "Unsre Freunde wollen fahren
Zu dem Gastgebote: möge Gott sie da bewahren."

Da sprach zu ihren Söhnen Ute, die Fraue gut: 1564
"Ihr solltet hier verbleiben, Helden hochgemuth.
Geträumt hat mir heute von ängstlicher Noth,
Wie all das Gevögel in diesem Lande wäre todt."

"Wer sich an Träume wendet," sprach dawider Hagen, 1565
"Der weiß noch die rechte Kunde nicht zu sagen,
Wie es mög am Besten um seine Ehre stehn:
Es mag mein Herr nur immer mit Urlaub hin zu Hofe gehn.

"Wir wollen gerne reiten in König Etzels Land: 1566
Da mag wohl Köngen dienen guter Helden Hand,
So wir da schauen sollen Kriemhildens Hochzeit."
Hagen rieth die Reise; doch ward es später ihm leid.

Er hätt es widerrathen, nur daß Gernot 1567
Mit ungefügen Reden ihm Spott entgegenbot.
Er mahnt' ihn an Siegfried, Frau Kriemhildens Mann:
Er sprach: "Darum steht Hagen die große Reise nicht an."

Da sprach von Tronje Hagen: "Nicht Furcht ist's, daß ich's thu. 1568
Gebietet ihr es, Helden, so greift immer zu:
Gern will ich mit euch reiten in König Etzels Land."
Bald ward von ihm zerhauen mancher Helm und Schildesrand.

Die Schiffe standen fertig zu fahren überrhein; 1569
Was sie an Kleidern hatten, trugen sie darein.
Sie fanden viel zu schaffen bis zur Abendzeit;
Sie huben sich von Hause zur Reise freudig bereit.

Sie schlugen auf im Grase sich Hütten und Gezelt 1570
Jenseits des Rheines, wo das Lager war bestellt.
Da bat noch zu verweilen Gunthern sein schönes Weib;
Sie herzte nachts noch einmal des Mannes waidlichen Leib.

Flöten und Posaunen erschollen morgens fruh 1571
Den Aufbruch anzukündigen: da griff man bald dazu.
Wem Liebes lag im Arme, herzte des Freundes Leib;
Mit Leid trennte Viele des König Etzel Weib.

Der schönen Ute Söhne die hatten einen Mann, 1572
Der kühn war und bieder; als man die Fahrt begann,
Sprach er zu dem Könige geheim nach seinem Muth.
Er sprach: "Ich muß wohl trauern, daß ihr die Hofreise thut."

Er war geheißen Rumold, ein Degen auserkannt. 1573
Er sprach: "Wem wollt ihr laßen Leute nun und Land?
Daß Niemand doch euch Recken wenden mag den Muth!
Die Mären Kriemhildens dauchten mich niemals gut."

"Das Land sei dir befohlen und auch mein Söhnelein; 1574
Und diene wohl den Frauen: das ist der Wille mein.
Wen du weinen siehest, dem tröste Herz und Sinn;
Es wird uns nichts zu Leide Kriemhild thun, die Königin."

Eh man schied von dannen, berieth der König hehr 1575
Sich mit den höchsten Mannen; er ließ nicht ohne Wehr
Das Land und die Burgen: die ihrer sollten pflegen,
Zum Schutze ließ er denen manchen auserwählten Degen.

Die Rosse standen aufgezäumt den Mannen wie den Herrn: 1576
Mit minniglichem Kusse zog da Mancher fern,
Dem noch in hohem Muthe lebte Seel und Leib;
Das muste bald beweinen manches waidliche Weib.

Wehruf und Weinen hörte man genug; 1577
Auf dem Arm die Königin ihr Kind dem König trug:
"Wie wollt ihr so verwaisen uns beide auf ein Mal?
Verbleibet uns zu Liebe," sprach sein jammerreich Gemahl.

"Frau, ihr sollt nicht weinen um den Willen mein, 1578
Ihr mögt hier ohne Sorgen in hohem Muthe sein:
Wir kommen bald euch wieder mit Freuden wohl gesund."
Sie schieden von den Freunden minniglich zur selben Stund.

Als man die schnellen Recken sah zu den Rossen gehn, 1579
Fand man viel der Frauen in hoher Trauer stehn.
Daß sie auf ewig schieden, sagt' ihnen wohl der Muth:
Zu großem Schaden kommen, das thut Niemanden gut.

Die schnellen Burgunden begannen ihren Zug. 1580
Da ward in dem Lande das Treiben groß genug;
Beiderseits des Rheines weinte Weib und Mann.
Wie auch das Volk gebarte, sie fuhren fröhlich hindann.

Niblungens Helden zogen mit ihnen aus 1581
In tausend Halsbergen: die hatten dort zu Haus
Viel schöne Fraun gelaßen und sahn sie nimmermehr.
Siegfriedens Wunden die schmerzten Kriemhilden sehr.

Nur schwach in jenen Zeiten war der Glaube noch: 1582
Es sang ihnen Messe ein Kaplan jedoch:
Der kam gesund zurücke, obwohl aus großer Noth;
Die andern blieben alle dort im Heunenlande todt.

Da lenkten mit der Reise auf den Mainstrom an 1583
Hinauf durch Ostfranken Die Gunthern unterthan.
Hagen war ihr Führer, der war da wohlbekannt.
Ihr Marschall war Dankwart, der Held von Burgundenland.

Da sie von Ostfranken durch Schwalefelde ritten, 1584
Da konnte man sie kennen an den herrlichen Sitten,
Die Fürsten und die Freunde, die Helden lobesam.
An dem zwölften Morgen der König an die Donau kam.

Da ritt von Tronje Hagen den andern all zuvor: 1585
Er hielt den Nibelungen zumal den Muth empor.
Bald sprang der kühne Degen nieder auf den Strand,
Wo er sein Ross in Eile fest an einem Baume band.

Die Flut war ausgetreten, die Schifflein verborgen: 1586
Die Nibelungen kamen da in große Sorgen,
Wie sie hinüber sollten: das Wasser war zu breit.
Da schwang sich zur Erde mancher Ritter allbereit.

"Uebel," sprach da Hagen, "mag dir wohl hier geschehn, 1587
König an dem Rheine; du magst es selber sehn:
Das Wasser ist ergoßen, zu stark ist seine Flut:
Ich fürchte, wir verlieren noch heute manchen Recken gut."

"Hagen, was verweist ihr mir?" sprach der König hehr, 1588
"Um eurer Hofzucht willen erschreckt uns nicht noch mehr.
Ihr sollt die Furt uns suchen hinüber an das Land,
Daß wir von hinnen bringen beides, Ross' und Gewand."

"Mir ist ja noch," sprach Hagen, "mein Leben nicht so leid, 1589
Daß ich mich möcht ertränken in diesen Wellen breit:
Erst soll von meinen Händen ersterben mancher Mann
In König Etzels Landen, wozu ich gute Lust gewann.

"Bleibet bei dem Wasser, ihr stolzen Ritter gut. 1590
So geh ich und suche die Fergen bei der Flut,
Die uns hinüber bringen in Gelfratens Land."
Da nahm der kühne Hagen seinen festen Schildesrand.

Er war wohl bewaffnet: den Schild er bei sich trug; 1591
Sein Helm war aufgebunden und glänzte hell genug.
Ueberm Harnisch führt' er eine breite Waffe mit,
Die an beiden Schärfen aufs allergrimmigste schnitt.

Er suchte hin und wieder nach einem Schiffersmann. 1592
Da hört' er Wasser rauschen; zu lauschen hub er an.
In einem schönen Brunnen that das manch weises Weib:
Die gedachten da im Bade sich zu kühlen den Leib.

Hagen ward ihrer inne, da schlich er leis heran; 1593
Sie eilten schnell von hinnen, als sie den Helden sahn.
Daß sie ihm entrannen, des freuten sie sich sehr.
Da nahm er ihre Kleider und schadet' ihnen nicht mehr.

Da sprach das eine Meerweib, Hadburg war sie genannt: 1594
"Hagen, edler Ritter, wir machen euch bekannt,
Wenn ihr uns dagegen die Kleider wiedergebt,
Was ihr auf dieser Reise bei den Heunen erlebt."

Sie schwammen wie die Vögel schwebend auf der Flut. 1595
Da daucht ihn ihr Wißen von den Dingen gut:
So glaubt' er um so lieber, was sie ihm wollten sagen.
Sie beschieden ihn darüber, was er begann sie zu fragen.

Sie sprach: "Ihr mögt wohl reiten in König Etzels Land: 1596
Ich setz euch meine Treue dafür zum Unterpfand:
Niemals fuhren Helden noch in ein fremdes Reich
Zu so hohen Ehren: in Wahrheit, ich sag es euch."

Der Rede war da Hagen im Herzen froh und hehr! 1597
Die Kleider gab man ihnen und säumte sich nicht mehr.
Als sie umgezogen ihr wunderbar Gewand,
Vernahm er erst die Wahrheit von der Fahrt in Etzels Land.

Da sprach das andre Meerweib mit Namen Siegelind: 1598
"Ich will dich warnen, Hagen, Aldrianens Kind.
Meine Muhme hat dich der Kleider halb belogen:
Und kommst du zu den Heunen, so bist du übel betrogen.

"Wieder umzukehren, wohl wär es an der Zeit, 1599
Dieweil ihr kühnen Helden also geladen seid,
Daß ihr müßt ersterben in der Heunen Land:
Wer da hinreitet, der hat den Tod an der Hand."

Da sprach aber Hagen: "Ihr trügt mich ohne Noth: 1600
Wie sollte das sich fügen, daß wir alle todt
Blieben bei dem Hofgelag durch Jemandes Groll?"
Da sagten sie dem Degen die Märe deutlich und voll.

Da sprach die Eine wieder: "Es muß nun so geschehn, 1601
Keiner wird von euch allen die Heimat wiedersehn
Als der Kaplan des Königs: das ist uns wohlbekannt,
Der kommt geborgen wieder heim in König Gunthers Land."

Ingrimmen Muthes sprach der kühne Hagen: 1602
"Das ließen meine Herren schwerlich sich sagen,
Wir verlören bei den Heunen Leben all und Leib;
Nun zeig uns übers Wasser, allerweisestes Weib."

Sie sprach: "Willst du nicht anders und soll die Fahrt geschehn, 1603
So siehst du überm Wasser eine Herberge stehn:
Darin ist ein Ferge und sonst nicht nah noch fern."
Weiter nachzufragen, des begab er nun sich gern.

Dem unmuthsvollen Recken rief noch die Eine nach: 1604
"Nun wartet, Herr Hagen, euch ist auch gar zu jach;
Vernehmt noch erst die Kunde, wie ihr kommt durchs Land.
Der Herr dieser Marke der ist Else genannt.

"Sein Bruder ist geheißen Gelfrat der Held, 1605
Ein Herr im Baierlande: nicht so leicht es hält,
Wollt ihr durch seine Marke: ihr mögt euch wohl bewahren
Und sollt auch mit dem Fergen gar bescheidentlich verfahren.

"Der ist so grimmes Muthes, er läßt euch nicht gedeihn, 1606
Wollt ihr nicht verständig bei dem Helden sein.
Soll er euch überholen, so bietet ihm den Sold;
Er hütet dieses Landes und ist Gelfraten hold.

"Und kommt er nicht bei Zeiten, so ruft über Flut 1607
Und sagt, ihr heißet Amelrich; das war ein Degen gut,
Der seiner Feinde willen räumte dieses Land:
So wird der Fährmann kommen, wird ihm der Name genannt."

Der übermüthge Hagen dankte den Frauen hehr 1608
Des Raths und der Lehre; kein Wörtlein sprach er mehr.
Dann gieng er bei dem Wasser hinauf an dem Strand,
Wo er auf jener Seite eine Herberge fand.

Laut begann zu rufen der Degen über Flut: 1609
"Nun hol mich über, Ferge," sprach der Degen gut,
"So geb ich dir zum Lohne eine Spange goldesroth;
Mir thut das Ueberfahren, das wiße, wahrhaftig Noth."

Es brauchte nicht zu dienen der reiche Schiffersmann, 1610
Lohn nahm er selten von Jemandem an;
Auch waren seine Knechte zumal von stolzem Muth.
Noch immer stand Hagen dießseits allein bei der Flut.

Da rief er so gewaltig, der ganze Strom erscholl 1611
Von des Helden Stärke, die war so groß und voll:
"Mich Amelrich hol über; ich bin es, Elses Mann,
Der vor starker Feindschaft aus diesen Landen entrann."

Hoch an seinem Schwerte er ihm die Spange bot, 1612
Die war schön und glänzte von lichtem Golde roth,
Daß er ihn überbrächte in Gelfratens Land.
Der übermüthge Ferge nahm selbst das Ruder an die Hand.

Auch hatte dieser Ferge habsüchtgen Sinn: 1613
Die Gier nach großem Gute bringt endlich Ungewinn;
Er dachte zu verdienen Hagens Gold so roth,
Da litt er von dem Degen hier den schwertgrimmen Tod.

Der Ferge zog gewaltig hinüber an den Strand. 1614
Welcher ihm genannt war, als er den nicht fand,
Da hub er an zu zürnen: als er Hagen sah,
Mit grimmem Ungestüme zu dem Helden sprach er da:

"Ihr mögt wohl sein geheißen mit Namen Amelrich; 1615
Doch seht ihr dem nicht ähnlich, des ich versehen mich.
Von Vater und von Mutter war er der Bruder mein:
Nun ihr mich betrogen habt, so müßt ihr dießhalben sein."

"Nein! um Gotteswillen," sprach Hagen dagegen. 1616
"Ich bin ein fremder Recke, besorgt um andre Degen.
So nehmet denn freundlich hin meinen Sold
Und fahrt uns hinüber: ich bin euch wahrhaftig hold."

Da sprach der Ferge wieder: "Das kann einmal nicht sein. 1617
Viel der Feinde haben die lieben Herren mein.
Drum fahr ich keinen Fremden hinüber in ihr Land:
Wenn euch das Leben lieb ist, so tretet aus an den Strand."

"Das thu ich nicht," sprach Hagen, "traurig ist mein Muth. 1618
Nehmt zum Gedächtniß die goldne Spange gut
Und fahrt uns über, tausend Ross' und auch so manchen Mann."
Da sprach der grimme Ferge: "Das wird nimmer gethan."

Er hob ein starkes Ruder, mächtig und breit, 1619
Und schlug es auf Hagen (es ward ihm später leid),
Daß er im Schiffe nieder strauchelt' auf die Knie.
Solchen grimmen Fergen fand der von Tronje noch nie.

Noch stärker zu erzürnen den kühnen Fremdling, schwang 1620
Er seine Ruderstange, daß sie gar zersprang,
Auf das Haupt dem Hagen; er war ein starker Mann:
Davon Elses Ferge bald großen Schaden gewann.

Mit grimmigem Muthe griff Hagen gleich zur Hand 1621
Zur Seite nach der Scheide, wo er ein Waffen fand:
Er schlug das Haupt ihm nieder und warf es auf den Grund.
Bald wurden diese Mären den stolzen Burgunden kund.

Im selben Augenblicke, als er den Fährmann schlug, 1622
Glitt das Schiff zur Strömung; das war ihm leid genug.
Eh er es richten konnte, fiel ihn Ermüdung an:
Da zog am Ruder kräftig König Gunthers Unterthan.

Er versucht' es umzukehren mit manchem schnellen Schlag, 1623
Bis ihm das starke Ruder in der Hand zerbrach.
Er wollte zu den Recken sich wenden an den Strand;
Da hatt er keines weiter: wie bald er es zusammen band

Mit seinem Schildriemen, einer Borte schmal. 1624
Hin zu einem Walde wandt er das Schiff zu Thal.
Da fand er seinen Herren sein harren an dem Strand;
Es giengen ihm entgegen viel der Degen auserkannt.

Mit Gruß ihn wohl empfiengen die edeln Ritter gut: 1625
Sie sahen in dem Schiffe rauchen noch das Blut
Von einer starken Wunde, die er dem Fergen schlug:
Darüber muste Hagen fragen hören genug.

Als der König Gunther das heiße Blut ersah 1626
In dem Schiffe schweben, wie bald sprach er da:
"Wo ist denn, Herr Hagen, der Fährmann hingekommen?
Eure starken Kräfte haben ihm wohl das Leben benommen."

Da sprach er mit Verläugnen: "Als ich das Schifflein fand 1627
Bei einer wilden Weide, da löst' es meine Hand.
Ich habe keinen Fergen heute hier gesehn;
Leid ist auch Niemand von meinen Händen geschehn."

Da sprach von Burgunden der König Gernot: 1628
"Heute muß ich bangen um lieber Freunde Tod,
Da wir keinen Schiffmann hier am Strome sehn:
Wie wir hinüber kommen, darob muß ich in Sorgen stehn."

Laut rief da Hagen: "Legt auf den Boden her, 1629
Ihr Knechte, das Geräthe: ich gedenke, daß ich mehr
Der allerbeste Ferge war, den man am Rheine fand:
Ich bring euch hinüber gar wohl in Gelfratens Land."

Daß sie desto schneller kämen über Flut, 1630
Trieb man hinein die Mähren; ihr Schwimmen ward so gut,
Daß ihnen auch nicht eines der starke Strom benahm.
Einige trieben ferner, als sie Ermüdung überkam.

Sie trugen zu dem Schiffe ihr Gut und ihre Wehr, 1631
Nun einmal ihre Reise nicht zu vermeiden mehr.
Hagen fuhr sie über; da bracht er an den Strand
Manchen zieren Recken in das unbekannte Land.

Zum ersten fuhr er über tausend Ritter hehr 1632
Und seine sechzig Degen; dann kamen ihrer mehr:
Neuntausend Knechte, die bracht er an das Land.
Des Tags war unmüßig des kühnen Tronejers Hand.

Das Schiff war ungefüge, stark und weit genug: 1633
Fünfhundert oder drüber es leicht auf einmal trug
Ihres Volks mit Speise und Waffen über Flut:
Am Ruder muste ziehen des Tages mancher Ritter gut.

Da er sie wohlgeborgen über Flut gebracht, 1634
Da war der fremden Märe der schnelle Held bedacht,
Die ihm verkündet hatte das wilde Meerweib:
Dem Kaplan des Königs gieng es da schier an Leben und Leib.

Bei seinem Weihgeräthe er den Pfaffen fand, 1635
Auf dem Heiligthume sich stützend mit der Hand:
Das kam ihm nicht zu Gute, als Hagen ihn ersah;
Der unglückselge Priester, viel Beschwerde litt er da.

Er schwang ihn aus dem Schiffe mit jäher Gewalt. 1636
Da riefen ihrer Viele: "Halt, Hagen, halt!"
Geiselher der junge hub zu zürnen an;
Er wollt es doch nicht laßen, bis er ihm Leides gethan.

Da sprach von Burgunden der König Gernot: 1637
"Was hilft euch wohl, Herr Hagen, des Kaplanes Tod?
Thät dieß anders Jemand, es sollt ihm werden leid.
Was verschuldete der Priester, daß ihr so wider ihn seid?"

Der Pfaffe schwamm nach Kräften: er hoffte zu entgehn, 1638
Wenn ihm nur Jemand hülfe: das konnte nicht geschehn,
Denn der starke Hagen, gar zornig war sein Muth,
Stieß ihn zu Grunde wieder; das dauchte Niemanden gut.

Als der arme Pfaffe hier keine Hülfe sah, 1639
Da wandt er sich ans Ufer; Beschwerde litt er da.
Ob er nicht schwimmen konnte, doch half ihm Gottes Hand,
Daß er wohlgeborgen hinwieder kam an den Strand.

Da stand der arme Priester und schüttelte sein Kleid. 1640
Daran erkannte Hagen, ihm habe Wahrheit,
Unmeidliche, verkündet das wilde Meerweib.
Er dachte: "Diese Degen verlieren Leben und Leib."

Als sie das Schiff entladen und ans Gestad geschafft, 1641
Was darauf beseßen der Könge Ritterschaft,
Schlug Hagen es in Stücke und warf es in die Flut;
Das wunderte gewaltig die Recken edel und gut.

"Bruder, warum thut ihr das?" sprach da Dankwart, 1642
"Wie sollen wir hinüber bei unsrer Wiederfahrt,
Wenn wir von den Heunen reiten an den Rhein?"
Hernach sagt' ihm Hagen, das könne nimmermehr sein.

Da sprach der Held von Tronje: "Ich thats mit Wohlbedacht: 1643
Haben wir einen Feigen in dieses Land gebracht,
Der uns entrinnen möchte in seines Herzens Noth,
Der muß an diesen Wogen leiden schmählichen Tod."

Sie führten bei sich Einen aus Burgundenland, 1644
Der ein gar behender Held und Volker ward genannt.
Der redete da launig nach seinem kühnen Muth:
Was Hagen je begangen, den Fiedler dauchte das gut.

Als der Kaplan des Königs das Schiff zerschlagen sah, 1645
Ueber das Wasser zu Hagen sprach er da:
"Ihr Mörder ohne Treue, was hatt ich euch gethan,
Daß mich unschuldgen Pfaffen eur Herz zu ertranken sann?"

Zur Antwort gab ihm Hagen: "Die Rede laßt beiseit: 1646
Mich kümmert, meiner Treue, daß ihr entkommen seid
Hier von meinen Händen, das glaubt ohne Spott."
Da sprach der arme Priester: "Dafür lob ich ewig Gott.

"Ich fürcht euch nun wenig, des dürft ihr sicher sein: 1647
Fahrt ihr zu den Heunen, so will ich über Rhein.
Gott laß euch nimmer wieder nach dem Rheine kommen,
Das wünsch ich euch von Herzen: schier das Leben habt ihr mir genommen."

Da sprach König Gunther zu seinem Kapellan: 1648
"Ich will euch alles büßen, was Hagen euch gethan
Hat in seinem Zorne, komm ich an den Rhein
Mit meinem Leben wieder: des sollt ihr außer Sorge sein.

"Fahrt wieder heim zu Lande; es muß nun also sein. 1649
Ich entbiete meine Grüße der lieben Frauen mein
Und meinen andern Freunden, wie ich billig soll:
Sagt ihnen liebe Märe, daß wir noch alle fuhren wohl."

Die Rosse standen harrend, die Säumer wohl geladen; 1650
Sie hatten auf der Reise bisher noch keinen Schaden
Genommen, der sie schmerzte, als des Königs Kaplan:
Der must auf seinen Füßen sich zum Rheine suchen Bahn.

* * * * *

Share on Twitter Share on Facebook