Wie Hagen und Volker vor Kriemhildens Saal saßen.
Da schieden auch die beiden werthen Recken sich, 1849
Hagen von Tronje und Herr Dieterich.
Ueber die Achsel blickte Gunthers Unterthan
Nach einem Heergesellen, den er sich bald gewann.
Neben Geiselheren sah er Volkern stehn, 1850
Den kunstreichen Fiedler: den bat er mitzugehn,
Weil er wohl erkannte seinen grimmen Muth:
Er war an allen Tugenden ein Ritter kühn und auch gut.
Noch ließ man die Herren auf dem Hofe stehn. 1851
Die Beiden ganz alleine sah man von dannen gehn
Ueber den Hof hin ferne vor einen Pallas weit:
Die Auserwählten scheuten sich vor Niemandes Streit.
Sie setzten vor dem Hause sich genüber einem Saal, 1852
Der war Kriemhilden, auf eine Bank zu Thal.
An ihrem Leibe glänzte ihr herrlich Gewand;
Gar Manche, die das sahen, hätten gern sie gekannt.
Wie die wilden Thiere gaffte sie da an, 1853
Die übermüthgen Helden, mancher Heuneumann.
Da sah sie durch ein Fenster Etzels Königin:
Das betrübte wieder der schönen Kriemhilde Sinn.
Sie gedacht ihres Leides; zu weinen hub sie an. 1854
Das wunderte die Degen, die Etzeln unterthan,
Was ihr bekümmert hätte so sehr den hohen Muth?
Da sprach sie: "Das that Hagen, ihr Helden kühn und auch gut."
Sie sprachen zu der Frauen: "Wie ist das geschehn? 1855
Wir haben euch doch eben noch wohlgemuth gesehn.
Wie kühn er auch wäre, der es euch hat gethan,
Befehlt ihr uns die Rache, den Tod müst er empfahn."
"Dem wollt ich immer danken, der rächte dieses Leid: 1856
Was er nur begehrte, ich wär dazu bereit.
"Ich fall euch zu Füßen," so sprach des Königs Weib:
"Rächt mich an Hagen: er verliere Leben und Leib."
Da rüsteten die Kühnen sich, sechzig an der Zahl: 1857
Kriemhild zu Liebe wollten sie vor den Saal
Und wollten Hagen schlagen, diesen kühnen Mann,
Dazu den Fiedelspieler; das ward einmüthig gethan.
Als so gering den Haufen die Königin ersah, 1858
In grimmem Muthe sprach sie zu den Helden da:
"Von solchem Unterfangen rath ich abzustehn:
Ihr dürft in so geringer Zahl nicht mit Hagen streiten gehn.
"So kühn auch und gewaltig Der von Tronje sei, 1859
Noch ist bei weitem stärker, der ihm da sitzet bei,
Volker der Fiedler: das ist ein übler Mann:
Wohl dürft ihr diesen Helden nicht zu so wenigen nahn."
Als sie die Rede hörten, rüsteten sich mehr 1860
Vierhundert Recken. Der Königin hehr
Lag sehr am Herzen die Rache für ihr Leid.
Da wurde bald den Degen große Sorge bereit.
Als sie ihr Gesinde wohlbewaffnet sah, 1861
Zu den schnellen Recken sprach die Königin da:
"Nun harrt eine Weile: ihr sollt noch stille stehn.
Ich will unter Krone hin zu meinen Feinden gehn.
"Hört mich ihm verweisen, was mir hat gethan 1862
Hagen von Tronje, Gunthers Unterthan.
Ich weiß ihn so gemuthet, er läugnets nimmermehr:
So will ich auch nicht fragen, was ihm geschehe nachher."
Da sah der Fiedelspieler, ein kühner Spielmann, 1863
Die edle Königstochter von der Stiege nahn,
Die aus dem Hause führte. Als er das ersah,
Zu seinem Heergesellen sprach der kühne Volker da:
"Nun schauet, Freund Hagen, wie sie dorther naht, 1864
Die uns ohne Treue ins Land geladen hat.
Ich sah mit einer Königin nie so manchen Mann
Die Schwerter in den Händen also streitlustig nahn.
"Wißt ihr, Freund Hagen, daß sie euch abhold sind? 1865
So will ich euch rathen, daß ihr zu hüten sinnt
Des Lebens und der Ehre; führwahr, das dünkt mich gut:
Soviel ich mag erkennen, ist ihnen zornig zu Muth.
"Es sind auch Manche drunter von Brüsten stark und breit: 1866
Wer seines Lebens hüten will, der thu es beizeit.
Ich seh sie unter Seide die festen Panzer tragen.
Was sie damit meinen, das hör ich Niemanden sagen."
Da sprach im Zornmuthe Hagen der kühne Mann: 1867
"Ich weiß wohl, das wird Alles wider mich gethan,
Daß sie die lichten Waffen tragen an der Hand;
Von denen aber reit ich noch in der Burgunden Land.
"Nun sagt mir, Freund Volker, denkt ihr mir beizustehn, 1868
Wenn mit mir streiten wollen Die in Kriemhilds Lehn?
Das laßt mich vernehmen, so lieb als ich euch sei.
Ich steh euch mit Diensten immer wieder treulich bei."
"Sicherlich, ich helf euch," so sprach da Volker. 1869
"Und säh ich uns entgegen mit seinem ganzen Heer
Den König Etzel kommen, all meines Lebens Zeit
Weich ich von eurer Seite aus Furcht nicht eines Fußes breit."
"Nun lohn euch Gott vom Himmel, viel edler Volker! 1870
Wenn sie mit mir streiten, wes bedarf ich mehr?
Da ihr mir helfen wollet, wie ich jetzt vernommen,
So mögen diese Recken fein behutsam näher kommen."
"Stehn wir auf vom Sitze," sprach der Fiedelmann, 1871
"Vor der Königstochter, so sie nun kommt heran.
Bieten wir die Ehre der edeln Königin!
Das bringt uns auch beiden an eignen Ehren Gewinn."
"Nein! wenn ihr mich lieb habt," sprach dawider Hagen. 1872
"Es möchten diese Degen mit dem Wahn sich tragen,
Daß ich aus Furcht es thäte und dächte wegzugehn:
Von dem Sitze mein ich vor ihrer Keinem aufzustehn.
"Daß wir es bleiben laßen, das ziemt uns ganz allein. 1873
Soll ich dem Ehre bieten, der mir feind will sein?
Nein, ich thu es nimmer, so lang ich leben soll:
In aller Welt, was kümmr ich mich um Kriemhildens Groll?"
Der vermeßne Hagen legte über die Schenkel hin 1874
Eine lichte Waffe, aus deren Knaufe schien
Mit hellem Glanz ein Jaspis, grüner noch als Gras.
Wohl erkannte Kriemhild, daß Siegfried einst sie besaß.
Als sie das Schwert erkannte, das schuf ihr große Noth. 1875
Der Griff war von Golde, der Scheide Borte roth.
Ermahnt war sie des Leides, zu weinen hub sie an;
Ich glaube, Hagen hatt es auch eben darum gethan.
Volker der kühne zog näher an die Bank 1876
Einen starken Fiedelbogen, mächtig und lang,
Wie ein Schwert geschaffen, scharf dazu und breit.
So saßen unerschrocken diese Recken allbereit.
Die kühnen Degen beide dauchten sich so hehr, 1877
Aus Furcht vor Jemandem wollten sie nimmermehr
Vom Sitz sich erheben. Ihnen schritt da vor den Fuß
Die edle Königstochter und bot unfreundlichen Gruß.
Sie sprach: "Nun sagt, Herr Hagen, wer hat nach euch gesandt, 1878
Daß ihr zu reiten wagtet her in dieses Land,
Da ihr doch wohl wustet, was ihr mir habt gethan?
Wart ihr bei guten Sinnen, ihr durftets euch nicht unterfahn."
"Nach mir gesandt hat Niemand," sprach er entgegen, 1879
"Her zu diesem Lande lud man drei Degen,
Die heißen meine Herren: ich steh in ihrem Lehn;
Bei keiner Hofreise pfleg ich daheim zu bestehn."
Sie sprach: "Nun sagt mir ferner, was thatet ihr das, 1880
Daß ihr es verdientet, wenn ich euch trage Haß?
Ihr erschlugt Siegfrieden, meinen lieben Mann,
Den ich bis an mein Ende nicht gut beweinen kann."
"Wozu der Rede weiter?" sprach er, "es ist genug: 1881
Ich bin halt der Hagen, der Siegfrieden schlug,
Den behenden Degen: wie schwer er das entgalt,
Daß die Frau Kriemhild die schöne Brunhilde schalt!
"Es wird auch nicht geläugnet, reiche Königin, 1882
Daß ich an all dem Schaden, dem schlimmen, schuldig bin.
Nun räch es, wer da wolle, Weib oder Mann.
Ich müst es wahrlich lügen, ich hab euch viel zu Leid gethan."
Sie sprach: "Da hört ihr, Recken, wie er die Schuld gesteht 1883
An all meinem Leide: wie's ihm deshalb ergeht,
Darnach will ich nicht fragen, ihr Etzeln unterthan."
Die übermüthgen Degen blickten all einander an.
Wär da der Streit erhoben, so hätte man gesehn, 1884
Wie man den zwei Gesellen müß Ehre zugestehn:
Das hatten sie in Stürmen oftmals dargethan.
Was jene sich vermeßen, das gieng aus Furcht nun nicht an.
Da sprach der Recken Einer: "Was seht ihr mich an? 1885
Was ich zuvor gelobte, das wird nun nicht gethan.
Um Niemands Gabe laß ich Leben gern und Leib.
Uns will hier verleiten dem König Etzel sein Weib."
Da sprach ein Andrer wieder: "So steht auch mir der Muth. 1886
Wer mir Thürme gäbe von rothem Golde gut,
Diesen Fiedelspieler wollt ich nicht bestehn
Der schnellen Blicke wegen, die ich hab an ihm ersehn.
"Auch kenn ich diesen Hagen von seiner Jugendzeit: 1887
Drum weiß ich von dem Recken selber wohl Bescheid.
In zweiundzwanzig Stürmen hab ich ihn gesehn;
Da ist mancher Frauen Herzeleid von ihm geschehn.
"Er und Der von Spanien traten manchen Pfad, 1888
Da sie hier bei Etzeln thaten manche That
Dem König zu Liebe. Das ist oft geschehn:
Drum mag man Hagen billig große Ehre zugestehn.
"Damals war der Recke an Jahren noch ein Kind, 1889
Da waren schon die Knaben wie jetzt kaum Greise sind.
Nun kam er zu Sinnen und ist ein grimmer Mann;
Auch trägt er Balmungen, den er übel gewann."
Damit wars entschieden, Niemand suchte Streit. 1890
Das war der Königstochter im Herzen bitter leid.
Die Helden giengen wieder; wohl scheuten sie den Tod
Von den Helden beiden: das that ihnen wahrlich Noth.
Wie oft man verzagend Manches unterläßt, 1891
Wo der Freund beim Freunde treulich steht und fest!
Und hat er kluge Sinne, daß er nicht also thut,
Vor Schaden nimmt sich Mancher durch Besonnenheit in Hut.
Da sprach der kühne Volker: "Da wir nun selber sahn, 1892
Daß wir hie Feinde finden, wie man uns kund gethan,
So laß uns zu den Königen hin zu Hofe gehn,
So darf unsre Herren mit Kampfe Niemand bestehn."
"Gut, ich will euch folgen," sprach Hagen entgegen. 1893
Da giengen hin die Beiden, wo sie die zieren Degen
Noch harrend des Empfanges auf dem Hofe sahn.
Volker der kühne hub da laut zu reden an.
Er sprach zu seinen Herren: "Wie lange wollt ihr stehn 1894
Und euch drängen laßen? ihr sollt zu Hofe gehn
Und von dem König hören, wie der gesonnen sei."
Da sah man sich gesellen der kühnen Helden je zwei.
Dietrich von Berne nahm da an die Hand 1895
Gunther den reichen von Burgundenland;
Irnfried nahm Gernoten, diesen kühnen Mann;
Da gieng mit seinem Schwäher Geiselher zu Hof heran.
Wie bei diesem Zuge gesellt war Jeglicher, 1896
Volker und Hagen, die schieden sich nicht mehr
Als noch in Einem Kampfe bis an ihren Tod.
Das musten bald beweinen edle Fraun in großer Noth.
Da sah man mit den Königen hin zu Hofe ziehn 1897
Ihres edeln Ingesindes tausend Degen kühn;
Darüber sechzig Recken waren mitgekommen:
Die hatt aus seinem Lande der kühne Hagen genommen.
Hawart und Iring, zwei Degen auserkannt, 1898
Die giengen mit den Königen zu Hofe Hand in Hand;
Dankwart und Wolfhart, ein theuerlicher Degen,
Die sah man großer Hofzucht vor den übrigen pflegen.
Als der Vogt vom Rheine in den Pallas gieng, 1899
Etzel der reiche das länger nicht verhieng:
Er sprang von seinem Sitze, als er ihn kommen sah.
Ein Gruß, ein so recht schöner, nie mehr von Köngen geschah.
"Willkommen mir, Herr Gunther und auch Herr Gernot 1900
Und euer Bruder Geiselher, die ich hieher entbot
Mit Gruß und treuem Dienste von Worms überrhein,
Und eure Degen alle sollen mir willkommen sein.
"Laßt euch auch Willkommen, ihr beiden Recken, sagen, 1901
Volker der kühne und dazu Herr Hagen,
Mir und meiner Frauen hier in diesem Land:
Sie hat euch manche Botschaft hin zum Rheine gesandt."
Da sprach von Tronje Hagen: "Das haben wir vernommen. 1902
Wär ich um meine Herren gen Heunland nicht gekommen,
So wär ich euch zu Ehren geritten in das Land."
Da nahm der edle König die lieben Gäste bei der Hand.
Und führte sie zum Sitze hin, wo er selber saß. 1903
Da schenkte man den Gästen, fleißig that man das,
In weiten goldnen Schalen Meth, Moraß und Wein
Und hieß die fremden Degen höchlich willkommen sein.
Da sprach König Etzel: "Das muß ich wohl gestehn, 1904
Mir könnt in diesen Zeiten nichts Lieberes geschehn
Als durch euch, ihr Recken, daß ihr gekommen seid;
Damit ist auch der Königin benommen Kummer und Leid.
"Mich nahm immer Wunder, was ich euch wohl gethan, 1905
Da ich der edeln Gäste so Manche doch gewann,
Daß ihr nie zu reiten geruhtet in mein Land;
Nun ich euch hier ersehen hab, ist mirs zu Freuden gewandt."
Da versetzte Rüdiger, ein Ritter hochgemuth: 1906
"Ihr mögt sie gern empfahen, ihre Treue die ist gut:
Der wißen meiner Frauen Brüder schön zu pflegen.
Sie bringen euch zu Hause manchen waidlichen Degen."
Am Sonnewendenabend waren sie gekommen 1907
An Etzels Hof, des reichen. Noch selten ward vernommen,
Daß ein König seine Gäste freundlicher empfieng;
Darnach er zu Tische wohlgemuth mit ihnen gieng.
Ein Wirth bei seinen Gästen sich holder nie betrug. 1908
Zu trinken und zu eßen bot man da genug:
Was sie nur wünschen mochten, das wurde gern gewährt.
Man hatte von den Helden viel große Wunder gehört.
Der reiche Etzel hatte an ein Gebäude weit 1909
Viel Fleiß und Müh gewendet und Kosten nicht gescheut:
Man sah Pallas und Thürme, Gemächer ohne Zahl
In einer weiten Veste und einen herrlichen Saal.
Den hatt er bauen laßen lang, hoch und weit, 1910
Weil ihn so viel der Recken heimsuchten jederzeit.
Auch ander Ingesinde, zwölf reiche Könge hehr
Und viel der werthen Degen hatt er zu allen Zeiten mehr,
Als je gewann ein König, von dem ich noch vernahm. 1911
Er lebte so mit Freunden und Mannen wonnesam:
Gedräng und frohen Zuruf hatte der König gut
Von manchem schnellen Degen; drum stand wohl hoch ihm der Muth.
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