Zwölftes Abenteuer.

Wie Gunther Siegfrieden zum Hofgelage lud.

Da dacht auch alle Tage Brunhild die Königin: 747

"Wie trägt nur Frau Kriemhild so übermüthgen Sinn!

Nun ist doch unser Eigen Siegfried ihr Mann:

Der hat uns nun schon lange wenig Dienste gethan."

Das trug sie im Herzen in großer Heimlichkeit; 748

Daß sie ihr fremde blieben, das war der Frauen leid.

Daß man ihr nicht zinste von des Fürsten Land,

Woher das wohl käme, das hätte sie gern erkannt.

Sie versucht' es bei dem König, ob es nicht geschehn 749

Möchte, daß sie Kriemhild noch sollte wiedersehn.

Sie vertraut' ihm heimlich, worauf ihr sann der Muth;

Da dauchte den König der Frauen Rede nicht gut.

"Wie könnten wir sie bringen," sprach der König hehr, 750

"Her zu diesem Lande? das fügt sich nimmermehr.

Sie wohnen uns zu ferne: ich darf sie nicht drum bitten."

Da gab ihm Brunhild Antwort mit gar hochfährtgen Sitten:

"Und wäre noch so mächtig eines Königs Mann, 751

Was ihm sein Herr gebietet, das muß doch sein gethan."

Lächeln muste Gunther ihrer Rede da:

Er nahm es nicht als Dienst an, wenn er Siegfrieden sah.

Sie sprach: "Lieber Herre, bei der Liebe mein, 752

Hilf mir, daß Siegfried und die Schwester dein

Zu diesem Lande kommen und wir sie hier ersehn:

So könnte mir auf Erden nimmer lieber geschehn.

"Deiner Schwester Güte, ihr wohlgezogner Muth, 753

Wenn ich daran gedenke, wie wohl mirs immer thut;

Wie wir beisammen saßen, als ich dir ward vermählt!

Sie hat sich mit Ehren den kühnen Siegfried erwählt."

Da bat sie ihn so lange, bis der König sprach: 754

"Nun wißt, daß ich Gäste nicht lieber sehen mag.

Ihr mögt mich leicht erbitten: ich will die Boten mein

Zu ihnen beiden senden, daß sie kommen an den Rhein."

Da sprach die Königstochter: "So sollt ihr mir sagen, 755

Wann ihr sie wollt besenden, oder zu welchen Tagen

Die lieben Freunde sollen kommen in dieß Land;

Die ihr dahin wollt senden, die macht zuvor mir bekannt."

"Das will ich," sprach der König: "dreißig aus meinem Lehn 756

Laß ich zu ihnen reiten." Die hieß er vor sich gehn:

Durch sie entbot er Märe in Siegfriedens Land.

Da beschenkte sie Frau Brunhild mit manchem reichen Gewand.

Der König sprach: "Ihr Recken sollt von mir sagen 757

Und nichts von dem verschweigen, was ich euch aufgetragen,

Siegfried dem starken und der Schwester mein,

Ihnen dürf auf Erden nimmer Jemand holder sein.

"Und bittet, daß sie beide uns kommen an den Rhein: 758

Dafür will ich und Brunhild ihnen stäts gewogen sein.

Vor dieser Sonnenwende soll er hier Manchen sehn,

Er und seine Mannen, die ihm Ehre laßen geschehn.

"Vermeldet auch dem König Siegmund die Dienste mein, 759

Daß ich und meine Freunde ihm stäts gewogen sei'n.

Und bittet meine Schwester, daß sie's nicht unterläßt

Und zu den Freunden reitet: nie ziemt' ihr so ein Freudenfest."

Brunhild und Ute und was man Frauen fand, 760

Die entboten ihre Dienste in Siegfriedens Land

Den minniglichen Frauen und manchem kühnen Mann.

Nach Wunsch des Königs hoben sich bald die Boten hindann.

Sie standen reisefertig; ihr Ross und ihr Gewand 761

War ihnen angekommen: da räumten sie das Land.

Sie eilten zu dem Ziele, dahin sie wollten fahren.

Der König hieß die Boten durch Geleite wohl bewahren.

Innerhalb zwölf Tagen kamen sie in das Land, 762

Zu Nibelungens Veste, wohin man sie gesandt,

In der Mark zu Norweg fanden sie den Degen:

Ross und Leute waren müde von den langen Wegen.

Siegfried und Kriemhilden war eilends hinterbracht, 763

Daß Ritter kommen waren, die trügen solche Tracht,

Wie bei den Burgunden man trug der Sitte nach.

Sie sprang von einem Bette, darauf die Ruhende lag.

Zu einem Fenster ließ sie eins ihrer Mägdlein gehn; 764

Die sah den kühnen Gere auf dem Hofe stehn,

Ihn und die Gefährten, die man dahin gesandt.

Ihr Herzeleid zu stillen, wie liebe Kunde sie fand!

Sie sprach zu dem Könige: "Seht ihr, wie sie stehn, 765

Die mit dem starken Gere auf dem Hofe gehn,

Die uns mein Bruder Gunther nieder schickt den Rhein."

Da sprach der starke Siegfried: "Die sollen uns willkommen sein."

All ihr Ingesinde lief hin, wo man sie sah. 766

Jeder an seinem Theile gütlich sprach er da

Das Beste, was er konnte, zu den Boten hehr.

Ihres Kommens freute der König Siegmund sich sehr.

Herbergen ließ man Geren und Die ihm unterthan 767

Und ihrer Rosse warten. Die Boten brachte man

Dahin, wo Herr Siegfried bei Kriemhilden saß.

Sie sahn den Boten gerne sicherlich ohne allen Haß.

Der Wirth mit seinem Weibe erhob sich gleich zur Hand. 768

Wohl ward empfangen Gere aus Burgundenland

Mit seinen Fahrtgenossen in König Gunthers Lehn.

Den Markgrafen Gere bat man nicht länger zu stehn.

"Erlaubt uns die Botschaft, eh wir uns setzen gehn; 769

Uns wegemüde Gäste, laßt uns so lange stehn,

So melden wir die Märe, die euch zu wißen thut

Gunther mit Brunhilden: es geht ihnen beiden gut.

"Und was euch Frau Ute, eure Mutter, her entbot, 770

Geiselher der junge und auch Herr Gernot

Und eure nächsten Freunde: die haben uns gesandt

Und entbieten euch viele Dienste aus der Burgunden Land."

"Lohn ihnen Gott," sprach Siegfried; "ich versah zu ihnen wohl 771

Mich aller Lieb und Treue, wie man zu Freunden soll.

So thut auch ihre Schwester; ihr sollt uns ferner sagen,

Ob unsre lieben Freunde hohen Muth daheim noch tragen.

"Hat ihnen, seit wir schieden, Jemand ein Leid gethan 772

Meiner Fraue Brüdern? Das saget mir an.

Ich wollt es ihnen immer mit Treue helfen tragen,

Bis ihre Widersacher meine Dienste müsten beklagen."

Antwort gab der Markgraf Gere, ein Ritter gut: 773

"Sie sind in allen Züchten mit Freuden wohlgemuth.

Sie laden euch zum Rheine zu einer Lustbarkeit

Sie sähn euch gar gerne, daß ihr des außer Zweifel seid.

"Sie bitten meine Fraue auch mit euch zu kommen. 774

Wenn nun der Winter ein Ende hat genommen,

Vor dieser Sonnenwende da möchten sie euch sehn."

Da sprach der starke Siegfried: "Das könnte schwerlich geschehn."

Da sprach wieder Gere von Burgundenland: 775

"Eure Mutter Ute hat euch sehr gemahnt

Mit Gernot und Geiselher, ihr sollt es nicht versagen.

Daß ihr so ferne wohnet, hör ich sie täglich beklagen.

"Brunhild meine Herrin und ihre Mägdelein 776

Freuen sich der Kunde, und könnt es jemals sein,

Daß sie euch wiedersähen, ihnen schuf es hohen Muth."

Da dauchten diese Mären die schöne Kriemhilde gut.

Gere war ihr Vetter: der Wirth ihn sitzen hieß; 777

Den Gästen hieß er schenken, nicht länger man das ließ.

Da kam dazu auch Siegmund: als der die Boten sah,

Freundlich sprach der König zu den Burgunden da:

"Willkommen uns, ihr Recken in König Gunthers Lehn. 778

Da sich Kriemhilden zum Weibe hat ersehn

Mein Sohn Siegfried, man sollt euch öfter schaun

In diesem Lande, dürften wir bei euch auf Freundschaft vertraun.

Sie sprachen: Wenn er wolle, sie würden gerne kommen. 779

Ihnen ward mit Freuden die Müdigkeit benommen.

Man hieß die Boten sitzen; Speise man ihnen trug:

Deren schuf da Siegfried den lieben Gästen genug.

Sie musten da verweilen volle neun Tage. 780

Darob erhoben endlich die schnellen Ritter Klage,

Daß sie nicht wieder reiten durften in ihr Land.

Da hatt auch König Siegfried zu seinen Freunden gesandt:

Er fragte, was sie riethen: er solle nach dem Rhein. 781

"Es ließ mich entbieten Gunther der Schwager mein,

Er und seine Brüder, zu einer Lustbarkeit:

Ich möcht ihm gerne kommen, liegt gleich sein Land mir so weit.

"Sie bitten Kriemhilden, mit mir zu ziehn. 782

Nun rathet, liebe Freunde, wie kommen wir dahin?

Und sollt ich Heerfahrten durch dreißig Herren Land,

Gern dienstbereit erwiese sich ihnen Siegfriedens Hand."

Da sprachen seine Recken: "Steht euch zur Fahrt der Muth 783

Nach dem Hofgelage, wir rathen, was ihr thut:

Ihr sollt mit tausend Recken reiten an den Rhein:

So mögt ihr wohl mit Ehren bei den Burgunden sein."

Da sprach von Niederlanden der König Siegmund: 784

"Wollt ihr zum Hofgelage, was thut ihr mirs nicht kund?

Ich will mit euch reiten, wenn ihrs zufrieden seid;

Hundert Degen führ ich, damit mehr ich eur Geleit."

"Wollt ihr mit uns reiten, lieber Vater mein," 785

Sprach der kühne Siegfried, "des will ich fröhlich sein.

Binnen zwölf Tagen räum ich unser Land."

Die sie begleiten sollten, denen gab man Ross' und Gewand.

Als dem edeln König zur Reise stand der Muth, 786

Da ließ man wieder reiten die schnellen Degen gut.

Seiner Frauen Brüdern entbot er an den Rhein,

Daß er gerne wolle bei ihrem Hofgelage sein.

Siegfried und Kriemhild, so hörten wir sagen, 787

Beschenkten so die Boten, es mochten es nicht tragen

Die Pferde nach der Heimat: er war ein reicher Mann.

Ihre starken Säumer trieb man zur Reise fröhlich an.

Da schuf dem Volke Kleider Siegfried und Siegemund. 788

Eckewart der Markgraf ließ da gleich zur Stund

Frauenkleider suchen, die besten, die man fand

Und irgend mocht erwerben in Siegfriedens ganzem Land.

Die Sättel und die Schilde man da bereiten ließ. 789

Den Rittern und den Frauen, die er sich folgen hieß,

Gab man, was sie wollten; nichts gebrach daran.

Er brachte seinen Freunden manchen herrlichen Mann.

Nun wandten sich die Boten zurück und eilten sehr. 790

Da kam zu den Burgunden Gere, der Degen hehr,

Und wurde schön empfangen: sie schwangen sich zu Thal

Von Rossen und von Mähren dort vor König Gunthers Saal.

Die Jungen und die Alten kamen, wie man thut, 791

Und fragten nach der Märe. Da sprach der Ritter gut:

"Wenn ichs dem König sage, wird es auch euch bekannt."

Er gieng mit den Gesellen dahin, wo er Gunthern fand.

Der König vor Freude von dem Seßel sprang; 792

Daß sie so bald gekommen, sagt' ihnen Dank

Brunhild die Schöne. Zu den Boten sprach er da:

"Wie gehabt sich Siegfried, von dem mir Liebe viel geschah?"

Da sprach der kühne Gere: "Er ward vor Freuden roth, 793

Er und eure Schwester. So holde Mär entbot

Seinen Freunden nimmer noch zuvor ein Mann,

Als euch der edle Siegfried und sein Vater hat gethan."

Da sprach zum Markgrafen des reichen Königs Weib: 794

"Nun sagt mir, kommt uns Kriemhild? Hat noch ihr schöner Leib

Die hohe Zier behalten, deren sie mochte pflegen?"

Er sprach: "Sie kommen beide; mit ihnen mancher kühne Degen."

Ute ließ die Boten alsbald vor sich gehn. 795

Da wars an ihrem Fragen leichtlich zu verstehn,

Was sie zu wißen wünsche: "War Kriemhild noch wohlauf?"

Er gab Bescheid, sie kam auch nach kurzer Tage Verlauf.

Da blieb auch nicht verhohlen am Hof der Botensold, 796

Den ihnen Siegfried schenkte, die Kleider und das Gold:

Die ließ man alle schaun in der drei Fürsten Lehn.

Da musten sie ihm Ehre wohl für Milde zugestehn.

"Er mag," sprach da Hagen, "mit vollen Händen geben: 797

Er könnt es nicht verschwenden, und sollt er ewig leben.

Den Hort der Nibelungen beschließt des Königs Hand;

Hei! daß er jemals käme her in der Burgunden Land!"

Da freuten sich die Degen am Hof im Voraus, 798

Daß sie kommen sollten. Beflißen überaus

Sah man spät und frühe Die in der Könge Lehn.

Welch herrlich Gestühle ließ man vor der Burg erstehn!

Hunold der kühne und Sindold der Degen 799

Hatten wenig Muße: des Amtes muste pflegen

Truchseß auch und Schenke und richten manche Bank;

Auch Ortwein war behülflich: des sagt' ihnen Gunther Dank.

Rumold der Küchenmeister, wie herrscht' er in der Zeit 800

Ob seinen Unterthanen, gar manchem Keßel weit,

Häfen und Pfannen; hei! was man deren fand!

Denen ward da Kost bereitet, die da kamen in das Land.

Der Frauen Arbeiten waren auch nicht klein: 801

Sie bereiteten die Kleider, darauf manch edler Stein,

Des Stralen ferne glänzten, gewirkt war in das Gold;

Wenn sie die anlegten, ward ihnen Männiglich hold.

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