Zweites Kapitel

Die Mutter

Elisa war von ihrer Kindheit an bei ihrer Herrin als ein gehätschelter und verwöhnter Günstling auferzogen worden.

Der Reisende im Süden wird oft jene Zartheit und Sanftheit der Stimme und des ganzen Wesens bemerkt haben, welche sehr häufig eine besondre Gabe der Mestizen und Mulattenweiber zu sein scheint. Die natürliche Grazie der Mulattin ist oft mit einer blendenden Schönheit, und stets wenigstens mit einem äußerst angenehmen und einnehmenden Aeußeren verbunden. Elisa, wie wir sie geschildert haben, ist kein Phantasiebild, sondern der Erinnerung entnommen, wie wir sie vor Jahren in Kentucky gesehen haben. Sicher unter der schützenden Sorge ihrer Herrin hatte sie ihre körperliche Reife ohne jene Versuchungen erlangt, welche die Schönheit einer Sklavin so häufig zu einer so unheilvollen Erbschaft machen. Sie war an einen hübschen und talentvollen jungen Mulatten verheirathet worden, der Sklave auf einer nachbarlichen Besitzung war, und den Namen Georg Harris führte.

Dieser junge Mann war von seinem Herrn in eine Fabrik von Sackleinwand verdungen worden, wo seine Geschicklichkeit und Einsicht ihm sehr bald den Ruf des besten Arbeiters verschafft hatten. Er hatte eine Maschine erfunden, den Hanf zu reinigen, welche, wenn man die Erziehung und Verhältnisse des Erfinders berücksichtigte, eben so viel mechanisches Genie verrieth, wie Whitney's Baumwollenspinnmaschine. Er war von hübscher Figur und einnehmendem Wesen, wodurch er bald der allgemeine Liebling in der Fabrik wurde. Nichtsdestoweniger waren alle diese edleren Eigenschaften, da der junge Mann vor dem Gesetze nicht ein Mensch, sondern nur eine Sache war, der Herrschaft eines gemeinen, engherzigen, tyrannischen Herrn unterworfen. Dieser Ehrenmann, als er von der in der Umgegend viel besprochenen Erfindung Georgs gehört hatte, nahm sich eines Tages die Mühe, nach der Fabrik hinüber zu reiten, um zu sehen, was dieses einsichtsvolle Stück seines Eigenthums dort treibe. Der Besitzer empfing ihn mit großer Begeisterung, und gratulirte ihm, einen so werthvollen Sklaven zu besitzen. Er wurde durch die ganze Fabrik geführt, und Georg zeigte ihm das ganze Maschinenwesen, und sprach dabei so lebhaft und so fließend, zeigte eine solche Haltung, und erschien so schön und männlich, daß seinen Herrn ein gewisses unbehagliches Gefühl von Untergeordnetheit beschlich. Wozu hatte sein Sklave nöthig, durch das Land zu gehen, Maschinen zu erfinden, und mit Gentlemen zu verkehren? Er wollte dem bald ein Ende machen, – er wollte ihn zurückholen und hacken und graben lassen, und sehen, „ob er sich dabei auch so stattlich ausnehmen werde.“ Wie gesagt, so geschehen. Der Fabrikbesitzer und alle dabei gegenwärtigen Arbeiter waren erstaunt, als er plötzlich Georgs Lohn verlangte, und seine Absicht zu erkennen gab, ihn mit sich nach Hause zu nehmen.

„Aber, Mr. Harris,“ entgegnete der Fabrikbesitzer, „ist das nicht eigentlich zu schnell?“

„Und wenn es ist? – ist der Mann nicht mein?“

„Ich würde nichts dagegen haben, Mr. Harris, den Lohn zu erhöhen.“

„Gleichviel, Herr, ich habe nicht nöthig meine Arbeiter auszudingen, wenn ich keine Lust dazu habe.“

„Aber, Herr, er scheint ganz besonders geeignet zu diesem Geschäfte.“ „Mag sein, – er taugte aber nie viel zu irgend einer Sache die ich ihm auftrug, mein Seel'!“

„Denken Sie aber nur an seine Erfindung der Maschine,“ wendete hier einer der Arbeiter unglücklicher Weise ein.

„O ja! – eine Maschine um Arbeit zu sparen, nicht wahr? So etwas wird er schon erfinden, ohne Zweifel! 's müßte ja kein Neger sein. Die sind alle selbst Maschinen, die Arbeit zu sparen, – einer wie der andere! Nein, er soll das Feld treten!“

Georg stand wie angezaubert da, als er so plötzlich sein Urtheil von einer Gewalt ausgesprochen hörte, gegen die kein Widerstand möglich war. Er preßte die Lippen krampfhaft zusammen, und ein ganzer Vulkan bitterer Empfindungen brannte in seinem Busen, und sandte Feuerströme durch seine Adern. Sein Athem ging kurz, seine großen, dunklen Augen glühten wie feurige Kohlen, und es möchte vielleicht ein gefährlicher Ausbruch bei ihm statt gefunden haben, wenn nicht der gutherzige Fabrikbesitzer seinen Arm berührt, und ihm leise zugeflüstert hätte: „Gieb nach, Georg; geh jetzt mit ihm; wir wollen doch sehen, wie wir Dir helfen können.“

Der Tyrann bemerkte das Flüstern, und errieth seine Bedeutung, obgleich er nicht hören konnte, was gesagt wurde, und diese Wahrnehmung bestärkte ihn nur in seinem Vorsatze, die Gewalt, die ihm über sein Opfer zustand, geltend zu machen.

Georg wurde nach Hause geführt und an die niedrigsten Arbeiten der Farmwirthschaft gestellt. Er hatte es über sich vermocht, jedes unehrerbietige Wort zu unterdrücken; aber das funkelnde Auge und die finstere Stirn waren Theile einer natürlichen Sprache, welche sich nicht unterdrücken ließ, – sichere Anzeichen dessen, daß der Mensch nicht zur Sache werden könne.

Es war während jener glücklichen Periode seiner Beschäftigung in der Fabrik, daß Georg sein Weib kennen gelernt und geheirathet hatte. Während jener Zeit hatte er, da der Fabrikherr ihm seine Gunst und sein Vertrauen in besonderem Grade zugewendet hatte, volle Freiheit gehabt, zu gehen und zu kommen, wann und wie er wollte. Die Heirath wurde von Mistreß Shelby besonders begünstigt, die, mit einer Art weiblichen Gefallens an Ehestiftungen, sich gefreut hatte, ihren schönen Schützling mit einem in jeder Beziehung passenden Manne derselben Klasse verbunden zu sehen; und so wurden Beide in dem Wohnzimmer ihrer Herrin verbunden, und diese selbst schmückte das schöne Haar der Braut mit Orangenblüthen, und warf den bräutlichen Schleier darüber, der ohne Zweifel auf keinem schöneren Kopfe geruht haben könnte. Auch fehlte es nicht an weißen Handschuhen und Kuchen und Wein, und an Gästen, die die Schönheit der Braut und die Güte und Freigebigkeit der Herrin priesen.

Ein oder zwei Jahre lang sah Elisa ihren Gatten häufig, und nichts störte ihr Glück, als der Verlust zweier Kinder im ersten Alter, an denen sie mit leidenschaftlicher Liebe hing, und um die sie mit so verzehrendem Kummer trauerte, daß ihre Herrin sich veranlaßt fühlte, ihr sanfte Vorwürfe zu machen, und sich bemühte, ihre von Natur leidenschaftlichen Empfindungen durch den Einfluß der Vernunft und Religion zu mäßigen. Nach der Geburt des kleinen Harry war sie jedoch allmählig ruhiger geworden und jeder blutende, zuckende Nerv schien durch die neue Verbindung mit diesem jungen Leben geheilt worden zu sein, und Elisa war wieder ein glückliches Weib bis zu dem Augenblicke, wo ihr Mann von seinem menschenfreundlichen Principale auf so rohe Weise losgerissen, und unter die eiserne Herrschaft seines rechtmäßigen Besitzers zurückgebracht worden war.

Der Fabrikherr besuchte, seinem Versprechen getreu, nach ein oder zwei Wochen Mr. Harris, in der Hoffnung, daß die erste Hitze sich gelegt haben werde, und wandte alles Mögliche an, um ihn zu bestimmen, Georg seiner früheren Beschäftigung zurückzugeben.

„Sie brauchen sich keine Mühe zu geben, und weiter darüber zu sprechen,“ sagte er mürrisch, „ich weiß am besten selbst was ich zu thun habe.“

„Ich wollte mir nicht anmaßen, mich in Ihre Angelegenheiten zu mischen; sondern ich dachte nur, Sie würden es selbst Ihrem Interesse angemessen finden, uns diesen Mann unter den offerirten Bedingungen zu überlassen.“

„O ich verstehe Alles vollkommen. Ich sah Ihr Winken und Flüstern an dem Tage, wo ich ihn von der Fabrik wegholte, aber ich lasse mich auf diese Weise nicht hintergehen. Es ist hier ein freies Land, Herr; der Mann ist mein, und ich thue mit ihm was mir gefällt, – verstanden?“

Und so fiel Georgs letzte Hoffnung zu Boden. Nichts lag nun vor ihm als ein Leben voll Mühe und Qual, welches durch die gesuchten Kränkungen und Entwürdigungen noch mehr verbittert wurde, welche eine tyrannische Erfindungskunst zu erdenken vermochte.

Ein sehr menschenfreundlicher Jurist sagte einst: „das größte Uebel, das du dem Menschen zufügen kannst, ist ihn zu hängen.“ Nein, es gibt noch ein anderes Uebel, welches dem Menschen zugefügt werden kann, und welches größer ist!

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